Forum 169/2022 – Das Magazin der IPPNW

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„Mehr Fortschritt wagen“ Eine kurze Bewertung des „Ampel“-Koalitionsvertrages

Was plant die Ampelregierung in den Bereichen Friedens-, Geflüchteten- und Energiepolitik? Wir haben den Koalitionsvertrag genauer unter die Lupe genommen. Atomwaffenpolitik Der Koalitionsvertrag ist beim Thema Atomwaffenpolitik widersprüchlich. Die Passagen, die das Thema Atomwaffen und Rüstungskontrolle betreffen, lassen insgesamt viel Interpretationsspielraum. Die neue Regierung bekennt sich auf der einen Seite zu einer atomwaffenfreien Welt und zu einem Deutschland frei von Atomwaffen. Deswegen beginnt sie Gespräche mit den Befürworter*innen des Atomwaffenverbotsvertrages. Aber die Bindung an das strategische Konzept der NATO verhindert, dass Deutschland dem Vertrag beitreten kann. Aufgrund der Spannungen mit Russland will die Ampelkoalition keinen Bruch mit der NATO riskieren. Deswegen hält sie an der nuklearen Abschreckung und der nuklearen Teilhabe fest und will ein neues Atomwaffenträgersystem für Deutschland beschaffen. Hier werden wir vehement gegenhalten. Das Vorhaben der Bundesregierung, an der Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) in Wien als Beobachterin teilzunehmen, ist sehr zu begrüßen. Das ist für die IPPNW ein wichtiges Etappenziel. Darüber bekräftigt die Koalition, den Vertrag künftig konstruktiv begleiten zu wollen. Der Druck auf die Koalitionsparteien, nicht an der Staatenkonferenz teilzunehmen, war sehr massiv. Daher ist die Absichtserklärung, die Intention des AVV konstruktiv zu begleiten, ein großer Schritt

in Richtung Legitimation des Vertrages. Ob dem auch ein echter Richtungswechsel in der Politik folgt, bleibt abzuwarten. „Solange Kernwaffen im Strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben“. Dieser Satz deutet darauf hin, dass die Koalition zunächst an der nuklearen Teilhabe festhalten will. Die geplante Anschaffung eines neuen Trägersystems für einen Atomwaffeneinsatz zeigt, dass der Koalition der Mut fehlte, diese weitreichende Entscheidung in Frage zu stellen. Allerdings bleiben offene Fragen zur Zertifizierung des neuen Kampfjets für den Einsatz von Atomwaffen, die die Koalition „sachlich und gewissenhaft“ begleiten will.

Friedenspolitik Im Bereich Frieden enthält der Vertrag Licht und Schatten. Auf der Schattenseite steht das implizite Festhalten am Zwei-ProzentZiel der NATO. Die Ampelkoalition will außerdem die Bewaffnung von Drohnen in dieser Legislaturperiode ermöglichen. Geschehen soll dies unter „verbindlichen und transparenten Auflagen und unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten“. Spätestens der Krieg in Afghanistan hat allerdings gezeigt, dass es kaum möglich ist beim Drohneneinsatz zwischen Kombattant*innen und Zivilist*innen zu unterscheiden, wie es 14

das Völkerrecht fordert. Extralegale Tötungen und Letale Autonome Waffensysteme werden dagegen abgelehnt. Eine eklatante Leerstelle wiederum zeigt sich beim Klimaschutz: Rüstung und Militär werden als CO2-Emittent nicht erwähnt. Während Gelder für Aufrüstung bereitgestellt und die Bundeswehr „modernisiert und digitalisiert“ werden soll, fehlt jeder Hinweis auf eine Erfassung oder Reduktion der militärischen Treibhausgaswerte.

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ositiv zu bewerten ist die angekündigte Evaluation des Afghanistaneinsatzes „in einer Enquete-Kommission mit wissenschaftlicher Expertise“. Die Evakuierungsmission des Afghanistan-Einsatzes soll in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss untersucht werden. Der Koalitionsvertrag bekennt sich auch zu einem Rüstungsexportkontrollgesetz. Entscheidend wird sein, ob dieses Gesetz Rüstungsexporte an menschenrechtsverletzende Staaten und in bewaffnete Konflikte verwickelte Länder verbietet. Ein Erfolg der Kampagne „Unter 18 nie“ ist die Aussage im Koalitionsvertrag, dass in der Bundeswehr künftig Minderjährige keine Ausbildung und keinen Dienst an der Waffe mehr leisten sollen. Die Ampel hat zudem eine „wertebasierte Außenpolitik“ angekündigt. „Menschenrechte“ sollen eine größere Rolle spielen. Im Koalitionsvertrag finden wir eine vereinfachende Gegenüberstellung von demokratischen und autoritären Staaten. Unsere Aufgabe wird sein, Konflikte differenziert darzustellen und Feindbilder als Propaganda bloßzustellen. Fazit: Grundsätzliche Änderungen der Sicherheitspolitik durch die neue Bundes-


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