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9g. Ton

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9e. Glyptik

9e. Glyptik

auch solche mit der Darstellung jüdischer Kultgeräte her. Im Israelmuseum in Jerusalem befindet sich ein Bodenfragment mit einer Glückwunschinschrift in fehlerhaftem Griechisch, die aus lateinischen Goldfolienbuchstaben zusammengesetzt ist: PIEZESIS ELARES – »Trink, lebe fröhlich!« Wie bei allen bekannten jüdischen Goldgläsern und den Malereien in jüdischen Katakomben Roms ist auf die Darstellung menschlicher Gestalten verzichtet. Im oberen Teil des Bildquadrats, von Vorhängen eingefasst, rahmen zwei Löwen mit Buchrollen zwischen den Vordertatzen einen geöffneten Toraschrein mit sechs Schriftrollen (Tora: die fünf Bücher Moses). Im unteren Teil des Bildfeldes stehen zwei brennende siebenarmige Leuchter (Menorot) zuseiten eines von Kulthorn (Schofar) und Zitrusfrucht (Ethrog) flankierten Feststraußes (Lulab). Links und rechts stehen Amphoren. Gefäße mit durchbrochener Arbeit (diatreta) wurden nach schriftlichen Quellen schon in der Kaiserzeit hergestellt, doch war die Blütezeit dieser Luxusprodukte das 4. Jh., was durch Münzdatierung von Kölner Grabfunden bestätigt wird. Im Rheinland und im Mittelmeerraum wurden etwa fünfzig Exemplare oder Fragmente gefunden, unter denen Gefäße mit figürlichem Dekor im Vergleich zu Diatretgläsern mit Netzwerk seltener sind. Die Kreise des Netzes, ihre Verbindungen untereinander und zur Gefäßwand, wie auch die Buchstaben der Inschrift wurden aus einem gegossenen oder geblasenen mehrfarbigen Rohling mit dem Rädchen herausgeschliffen. Daher verlangte die Herstellung solcher wertvoller Gläser einen großen Zeit- und Arbeitsaufwand und war mit einem ständigen Bruchrisiko verbunden. Die Spezialisten für diese Arbeit (diatretarii) standen daher unter einer besonderen Einschränkung ihrer Haftung (Ulpian, Digesten IX 12,27,29).

Das Mailänder Diatretglas, nach dem Vorbesitzer Trivulzio benannt, hat eine farblose Wandung, von der sich die grüne Inschrift und das hellblaue Netzwerk gut abheben (Abb.225). Die Wunschinschrift ist lateinisch: BIBE VIVAS MVLTIS ANNIS – »Trink, lebe viele Jahre!«. Ähnliche lateinische Wünsche sind mehrfach belegt, und auch die griechische Inschrift bei einem Diatretbecher, der in einem Grab in Köln-Braunsfeld gefunden wurde, ist inhaltlich übereinstimmend: ΠΙΕ ZΗCAΙC ΚΑΛωC ΑΕΙ – »Trink, lebe schön, für immer!«.

9g. Ton

Die am stärksten im ganzen Mittelmeerraum in der Spätantike verbreitete Keramik mit bildlichen Darstellungen wurde in Nordafrika hergestellt. Auf den Gefäßen der dortigen Werkstätten finden sich seit dem 4. Jh. neben Darstellungen aus der Welt des Circus und des Amphitheaters Bilder der heidnischen Mythen und des Alten und Neuen Testaments. Man verstand es offenbar, sich an die in der Spätantike sehr unterschiedlichen kulturellen und religiösen Interessen der Kunden anzupassen. Die rote Ware wurde zunächst im Gebiet von Karthago hergestellt, dann in verschiedenen Werkstätten Tunesiens und des östlichen Algerien (in der Antike Africa proconsularis und Mauretanien). Neben Krügen und den in unbeschreiblichen Mengen exportierten Lampen wurden überwiegend Teller und Schalen produziert, deren Ränder und Bodenoberseite dekoriert wurden. Eine beliebte Dekorationsweise bestand darin, einzelne Figuren in Formen herzustellen und dem Gefäß vor dem Brand zu applizieren. Seit der Mitte des 4. Jhs. finden sich diese Appliken bei Schüsseln mit steiler Wandung auf dem flachen runden oder vieleckigen Rand: beispielsweise Tiere, Fische, Bäume, Masken und Eroten, die Gottheiten Athena und Herakles, schließlich das Abrahamsopfer, der Paradiesbaum und Jonasszenen (Abb.226). Bei leicht gewölbten, randlosen Schüsseln von 16–21 cm Durchmesser wurden die Appliken auf der ganze Oberfläche verteilt, meist zwischen oder über umlaufenden Rillen. Das Eindringen christlicher Themen in eine heidnische Bildwelt und deren allmähliche Verdrängung ist gut zu verfolgen. Zum Circus gehört der siegreiche Wagenlenker, an das Amphitheater erinnert der Venator im Kampf gegen Bären oder Löwen ebenso wie die Darstellung der damnatio ad bestias, der Verurteilung zu den wilden Tieren. Aus der klassischen Mythologie stammen beispielsweise das Isisschiff, Herakles bei verschiedenen seiner Taten und mit Athena oder Victoria, Orpheus, Mithras, Ganymed und Figuren des dionysischen Bereichs. Unter den alttestamentlichen Darstellungen gibt es das Opfer des Isaak, das Urteil des Salomo, den Jonaszyklus und die drei babylonischen Jünglinge. Bei den neutestamentlichen Szenen finden sich die Auferweckung des Lazarus und die Heilungen des Lahmen und der Blutflüssigen.

Gleichzeitig trat eine weitere Keramikgruppe auf, deren Darstellungen sich teils auf heidnische Mythen bezogen, teils auf die Veranstaltungen der Konsuln

im Amphitheater, teils auf christliche Erzählungen. Mit Hilfe von Modeln wurden 40 bis 60 cm große, rechteckige Platten hergestellt, deren Fläche im Zentrum mit Reliefszenen und Figurenensembles geschmückt ist. Diese sind von Einzelmotiven auf dem breiten, flachen Rand umgeben, die bisweilen gesonders aufgetragen wurden. Von zwei der Mittelfeldszenen blieben die meisten Fragmente erhalten: Das geflügelte Pferd Pegasus wird von drei Nymphen betreut und Achill wird von Priamos um die Leiche seines Sohnes Hektor gebeten (Homer, Ilias XXIV 477–676). Der Vater Hektors tritt von links auf den in der Mitte des Bildes sitzenden Achill zu, der eine Lanze hält. Hinter ihm sein Wagenlenker Automedon, neben ihm, auf einen Pfeiler gestützt, Briseis. Auf dem Rand sind die oben bei der silbernen Platte in Kaiseraugst notierten Szenen aus Achills Leben dargestellt (Abb.193), denen Bilder mit den Waffen des Heros, mit Gottheiten und Musikanten zugefügt sind. Die mit den Darstellungen auf Konsulardiptychen verbundenen Tribunal- und Tierkampfbilder auf diesen Tonplatten wurden bereits oben erwähnt. Zu den in der ersten Hälfte des 5. Jhs. einsetzenden christlichen Darstellungen sei angemerkt, dass jetzt auch Christusmonogramme und Bilder von Aposteln und Heiligen auftraten.

Verglichen mit der Dekoration von Gefäßen mit Reliefs war die vom frühen 4. bis zum Ende des 6. Jhs. in Nordafrika angewandte Verzierung des Inneren von Tellern und flachen Schüsseln mit gestempelten Motiven weniger aufwendig und daher für Produktion und Export in großen Mengen besonders gut geeignet. Nach früh einsetzenden ornamentalen Stempelmotiven erschienen in der zweiten Hälfte des 5. Jhs. Kreuze und Christogramme, im 6. Jh. auch menschliche Gestalten wie Dionysos, Heilige und Christus als Wundertäter. Allerdings

Abb.226. Mainz, Römisch-Germanisches Zentralmuseum. Schale mit applizierter Darstellung von Jonasszenen: Meerwurf, Ausspeiung, Ruhe unter der Kürbislaube, Roter Ton, Durchmesser ### cm, Herstellung in Nordafrika.

Abb.227. München, Sammlung C. Schmidt, Inv. 2167. Lampe mitDarstellung der Himmelfahrt Christi, Ton, Länge 14,5 cm, Breite 8,6 cm, Höhe 3,7/5,3 cm, Herstellung in Nordafrika.

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