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9e. Glyptik
9e. Glyptik
In den Bereich der Steinschneidekunst (Glyptik, nach griechisch glyphein, schneiden und ähnliche Tätigkeiten) gehört vor allem die Bearbeitung von Edelsteinen, weicheren Schmucksteinen (»Halbedelsteinen«) und Bergkristall, sowie in deren Nachahmung auch von gegossenem Glas. Bei größeren Edelsteinreliefs (Abb.), wie auch bei vollplastischen Objekten und Edelsteingefäßen erfolgte der Dekor in der Regel in erhabener Reliefarbeit (Kameo). Bei Ring- und Siegelsteinen ist er meist eingetieft (Tiefschnitt, Intaglio, Gemme; Abb.) und seitenverkehrt angebracht, damit er im Siegelabdruck richtig erscheint. Dies trifft allerdings nicht auf Amulette zu, wie etwa dem Intaglio in Kraków (Abb.219). Auf dieser ungewöhnlich großen Gemme, einem braun-weißen Sardonyx unbekannter Herkunft, ist
Abb.219. Kraków, Nationale Kunstsammlung im Königsschloss Wawel, ›Lanckorovski's Cameo‹. Amulettanhänger, Intaglio, dreischichtiger Sardonyx, Höhe 9,8 cm, Breite 6,7 cm, Dicke 1,5 cm.
Abb.220. München, Sammlung C. Schmidt, Inv. ###. Intaglio, Cornelian, Breite 1,98 cm, Höhe 1,41 cm, Dicke 0,56 cm, Jonasszenen.
als Intaglio eine Kreuzhuldigung durch Petrus und Paulus dargestellt. Über dem Kreuz mit ausschwingenden Armen befindet sich eine Christusbüste mit angedeutetem Kreuznimbus. Dieses Motiv und die rechtsläufig angeordnete, für Amulette typische Inschrift EMMANOYHΛ – »Gott mit uns« (Matthäus I 23) die auch auf einigen palästinischen Pilgerampullen vorkommen, führte vermutlich zu einer späten Datierung des Intaglio in das 6. Jh. führte. Die Aufhängevorrichtung für den Integlio dürfte sich an einer nicht erhaltenen Fassung befunden haben.
Frühchristliche Ring- und Amulettsteine sind in großer Zahl erhalten. In meist sehr bescheidener Intaglio-Arbeit tragen sie besonders häufig Kreuze, Christusmonogramme und -inschriften, einen Anker mit zwei Fischen, den Schafträger und biblische Szenen. Von letzteren wird ein Beispiel abgebildet, das durch eine ikonographische Besonderheit vor dem Verdacht geschützt ist, es könne zu den vielen Fälschungen gehören, die im 19. Jh. von römischen Gemmenschneidern hergestellt wurden (Abb.220). Wenn sich auf einer Gemme eine Darstellung findet, für die keine Parallele bekannt ist, so hätte ein neuzeitlicher Künstler keine Vorlage für dieses Motiv gehabt. Die Münchener Gemme trug zunächst die frühkaiserzeitliche Darstellung eines Stiers und wurde bei der Wiederverwendung auf der Gegenseite mit Jonasdarstellungen versehen. Dem gewohnten Zyklus von Meerwurf, Ausspeiung und Ruhe des Jonas unter der Kürbislaube (S.) ist eine vierte Szene nach der Ausspeiung durch das Ketos und vor der Ruhe unter der Kürbislaube eingefügt: Ein Engel trägt ein Tuch oder Gewand herbei, um den liegenden nackten Propheten zu bedecken. Eine Anregung hierfür könnten ähnliche Engel mit Tüchern in Bildern der Taufe Christi gegeben haben (Abb.), aber für Jonas ist die Szene mit einem Engel in der frühchristlichen Kunst nicht noch einmal belegt.