Jes . Das katholische Magazin f端r Braunschweig E 1,50 Nr. 07/2013 September
suchen. fragen. finden.
als eva naschte Wie wir mit Schuld umgehen
Familie schaffen wir nur gemeinsam.
caritas.de/familie
Menschen würdig pflegen
S t. Hedwig
caritas senioren wohnen & pflege seniorenwohnanlage st. Hedwig · Böcklerstraße 232 · 38102 Braunschweig · Telefon 0531 273290 wetter@sthedwig-braunschweig.de · www.sthedwig-braunschweig.de
Editorial . Inhalt
liebe leserinnen, liebe leser, Sie haben das sicher mitbekommen: Der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg ist kürzlich einen Tag lang incognito in Oslo als Taxifahrer unterwegs gewesen. Eine versteckte Kamera zeichnete den regierungschef im Gespräch mit seinen Fahrgästen auf, von denen die meisten schnell merkten, wer sie da durch die Gegend chauffierte. Ausschnitte der Gespräche ließ Stoltenberg im Internet als Video veröffentlichen. In Norwegen läuft schließlich gerade der
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Wahlkampf zur Parlamentswahl am 9. September, und da kann es bestimmt nicht schaden, sich als volksnah zu inszenieren. über seinen rollenwechsel sagte der Politiker: „Es ist wichtig für mich zu hören, was die Leute wirklich denken. Und wenn es einen Ort gibt, an dem die Menschen ihre Meinung sagen, ist das ein Taxi.“ Angela Merkel oder Peer Steinbrück ist abzuraten, im bundesdeutschen Wahlkampf den Stoltenberg zu geben.
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Sie würden bloß als Nachahmer wahrgenommen. Aber zum Glück gibt es ja noch andere Wege, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Wie wichtig es ist, als Politiker den Kontakt zur Bevölkerung zu halten, macht der ehemalige Braunschweiger Bundestagsabgeordnete Joachim Clemens im Interview auf Seite 8 deutlich. Er nimmt aber auch uns Bürger in die Pflicht, aktiv den Dialog zu suchen. Und wir sollten – aller Politikverdrossenheit zum Trotz – am 22. September zur Wahl gehen. Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen
eingesammelt ranzen für bedürftige Schulkinder 7 Gesprächsstoff Wie gerechtfertigt ist Politikerschelte? 8 nah dran Vollzeit im Ehrenamt 12 leib und seele Leckeres mit Kürbis 16 im fokus Kein Mensch ist immer gut 18
Volker röpke, redaktion Jes
engagiert Die öffner der Kleiderkammer 21 entdeckt Wo sich römer und Germanen bekriegten 22 Jes Junior Bibel in aller Munde 26
Wenn Sie uns schreiben wollen: redaktion Jes, Propsteipfarramt St. Aegidien, Spohrplatz 9, 38100 Braunschweig, info@jes-braunschweig.de, WWW.Jes-BraUnschWeiG.De
erlebenswert Konzert-Ausflüge 29 termine Schwangerentreff und Elterncafé 30 Jes 07 . 2013
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Blumen, zur Sonne, zum Himmel
FOTO: PHOTOCASE.COM: ASTONISHING
Wenn das kein Kunststück ist: Die Blütenköpfe von Sonnenblumen wenden sich stets der Sonne zu. Geht sie morgens auf, neigen sich die Köpfe nach Osten. Geht sie abends unter, wandern die leuchtend gelben Häupter nach Westen – ehe sie sich in der Nacht wieder gen Osten bewegen. Das geht so lange, bis sich das Blütenstadium dem Ende zuneigt. Dann bleiben die Blütenköpfe dem Sonnenaufgang zugewandt. Die Sonnenblume sieht also nicht nur so aus wie die Sonne, sie richtet sich auch nach ihr.
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Eingesammelt
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Katholiken leben im Dekanat Braunschweig, das die Gemeinden in der Stadt Braunschweig sowie in den Kreisen Wolfenbüttel und Peine umfasst. Das geht aus der Statistik des Bistums Hildesheim für das Jahr 2012 hervor. Die zahl der Taufen liegt bei 365 (2011: 331), es gab 433 Erstkommunionen (2011: 426) und 320 Firmungen (2011: 259). Die zahl der Trauungen ist von 102 im Jahr 2011 auf 95 leicht zurückgegangen. Während es 2011 noch 33 Wiederaufnahmen gab, so waren es ein Jahr später nur noch 20. Deutlich gestiegen von 15 auf 37 ist die Anzahl der Eintritte. Die zahl der Austritte ist von 532 (2011) auf 506 gesunken. Einen leichten Anstieg von 582 (2011) auf 601 gab es bei den Bestattungen. Gabriele Lengert-Czech freut sich über die große Hilfsbereitschaft.
Wie man katholisch wird Unter www.katholisch-werden.de hat die katholische Kirche in Deutschland ihr Onlineangebot neu gestaltet, das Informationen rund um den Eintritt in die katholische Kirche gibt. Die Seite bietet Menschen einen Anlaufpunkt im Internet, die darüber nachdenken, sich als Erwachsene taufen zu lassen, in die katholische Kirche überzutreten oder die nach einem Kirchenaustritt nun den Wiedereintritt in die katholische Kirche erwägen. Informationen über die katholische Kirche, das Sakrament der Taufe, Literaturhinweise und persönliche Erfahrungsberichte sind auf der Seite zu finden. Außerdem gibt es Kontaktmöglichkeiten zu Seelsorgern in den deutschen Bistümern sowie eine Liste von häufigen Fragen und Antworten. WWW.katholisch-WerDen.De
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Kleine Meldung, große Wirkung: Medien berichteten kürzlich über den Aufruf des Caritasverbandes Braunschweig, Schulranzen für bedürftige Kinder zu spenden. Daraufhin gaben Bürger mehr als 150 Ranzen, Rucksäcke und Schultaschen im Haus der Caritas in der Kasernenstraße ab. Angesichts der großen Resonanz auf den Aufruf seien nun keine weiteren Spenden mehr notwendig, sagt Gabriele Lengert-Czech vom Caritasverband: „Den Bedarf, den wir gesehen haben, konnten wir dank der großen Hilfsbereitschaft schnell decken. Wir danken allen Spendern sehr herzlich.“ Es seien nicht nur gut erhaltene Ranzen abgegeben worden, so Lengert-Czech. Einige Braunschweiger hätten auch Geld für die Aktion gespendet oder neue Schultaschen gekauft und diese anschließend abgegeben. Die Caritas wird alle Schulranzen und Rucksäcke Braunschweiger Kindern und Jugendlichen aus finanzschwachen Haushalten zukommen lassen. „Wir geben die Spenden ausschließlich an Eltern weiter, von denen wir wissen, dass sie in Notlagen stecken“, sagt Gabriele Lengert-Czech.
FOTOS: PETEr SIErIGK; WIKIPEDIA: SIr JAMES, NOCKE.DE; DETLEF SCHöTz
Bürger spendeten ranzen für Caritas-Aktion
Eingesammelt
» Er hatte einen besseren Platz als im Stadion.«
Jürgen Klopp (47), Trainer des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund, glaubt an ein Leben nach dem Tod. Seinem im Jahr 2000 gestorbenen Vater hätte er gern eine Karte für das Champions-League-Endspiel in London gegen Bayern München besorgt, sagte Klopp. Er sei sich aber sicher, dass sein Vater das Spiel trotzdem gesehen habe. „Ich glaube, dass er einen besseren Platz als im Stadion gehabt hat.“ Klopp ist evangelischer Christ.
» Gott muss an dieser Stelle im Spiel sein.«
Marina Weisband (25), Politikerin der Piratenpartei, hat den Entschluss zu heiraten verteidigt. Hochzeit und Ehe hätten heute an Bedeutung gewonnen, schrieb sie in der Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“. Heute ändere sich alles ständig. „Wir ziehen von Stadt zu Stadt und wechseln mehrmals im Leben den Beruf. Wir wissen nicht, was wir in 20 Jahren beruflich machen oder wo wir wohnen. Aber wir wissen, dass wir nebeneinander aufwachen wollen.“ Gerade weil dies „so ein Wahnsinn ist, muss Gott an dieser Stelle im Spiel sein“.
» Gemeindemitglieder können
mehr Verantwortung übernehmen.« Nach 13 Jahren ist Schluss: Der Religionspädagoge Stefan Horn (42) sagt, er habe sehr gern als Gemeindereferent in der Gemeinde St. Aegiden gearbeitet, wolle sich nun aber einer neuen beruflichen Herausforderung stellen. Künftig wird er in Burgdorf tätig sein. In der Tatsache, dass seine Kollegin Christl Schneider (Ruhestand) und er St. Aegidien verlassen, sieht Horn auch eine Chance für Gemeindemitglieder, die sich ehrenamtlich engagieren: „Sie haben nun die Möglichkeit, mehr Verantwortung zu übernehmen.“
Propst Reinhard Heine weiht den sanierten Saal ein.
Leisewitzhaus: Sanierung beendet Heller, moderner, energiesparender und behindertengerecht – so präsentiert sich seit Kurzem der große Saal im Untergeschoss des Leisewitzhauses, das von der Gemeinde St. Aegidien als Begegnungszentrum genutzt wird. Rund ein Jahr dauerten die nach vier Jahrzehnten der Nutzung notwendig gewordenen Sanierungsarbeiten im unteren Gebäudetrakt. Dabei wurde die Haustechnik auf den neuesten Stand gebracht. Auch erhielt der Saal wärmegedämmte MetallGlas-Fassaden, neues Mobiliar, einen neuen Bodenbelag, einen neuen Anstrich und eine neue Decke, die die Raumakustik deutlich verbessert. Die Chöre von St. Aegidien dürfte das freuen, die nun wieder im Leisewitzhaus aus dem 18. Jahrhundert proben können. Die Kosten für Sanierung und Inneneinrichtung betrugen 600.000 Euro. Das Bistum Hildesheim und die Gemeinde St. Aegidien brachten den Großteil des Geldes auf. Von der Stiftung Braunschweiger Kulturbesitz kamen 20.000 Euro, vom Bonifatius-Werk und privaten Spendern jeweis 10.000 Euro. Die Aktion Mensch beteiligte sich mit 11.500 Euro an den Kosten für einen BehindertenLift und ein Behinderten-WC.
»Der Glaube ist wie die Liebe: Er lässt sich nicht erzwingen. Daher ist es ein missliches Unternehmen, ihn durch Maßregeln einführen oder befestigen zu wollen.« Arthur Schopenhauer
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»nichtWÄhlen IST UNDEMOKrATISCH« Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Joachim clemens aus Braunschweig über kritik an Politikern, lukrative nebenverdienste, niedrige Wahlbeteiligungen und die frage, worauf man sich einlässt, wenn man ins Parlament kommt.
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Gesprächsstoff
»Pauschale Politikerschelte empfinde ich als unangemessen.«
Herr Clemens, der scheidende Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat beklagt, hierzulande gebe es einen „abgrundtiefen Respektverlust“ vor demokratischen Politikern: „... die allermeisten Politiker, bei allen Fehlern und Fehlverhalten (...), sie sind doch unerhört fleißige Leute, die sich der Mühsal der Auseinandersetzung, der Lösungssuche, der Kompromisssuche aussetzen, auch der Kritik (...). Aber dass sie in einer Weise hämisch behandelt werden, wie das in unseren Medien dominiert, das macht mich tief, tief traurig.“ – Können Sie als ehemaliger Politiker nachvollziehen, was Herr Thierse kritisiert? Was Herr Thierse sagt, kann ich nachvollziehen. Das ist wirklich so. Ist etwas nicht in Ordnung – und die Presse greift das auf –, werden oft zuallererst Politiker an den Pranger gestellt. Natürlich gibt es Fälle, in denen Politiker Fehler machen. Wer ist schon fehlerfrei? Aber die pauschale Schelte nach dem Motto „alle Politiker sind schlecht“, wie sie in Deutschland leider öfters, beinahe regelmäßig, der Fall ist, empfinde ich als völlig unangemessen.
FOTOS: FOTOLIA.COM: ArCHIDEAPHOTO, PETEr SIErIGK
Was sind die Gründe für den von Thierse beklagten Respektverlust? Das ist nicht einfach zu erklären. Kritik an Politikern ist vor allem dann gerechtfertigt, wenn sie sich nicht genügend um die Anliegen der Bürger kümmern. Ich kann insoweit nur für mich sprechen: Ich habe seinerzeit auch außerhalb des Wahlkampfes viel außerparlamentarische Arbeit in meinem Wahlkreis geleistet. Dazu gehörte, dass ich im Sommer auf Volksfesten den Kontakt zu den Menschen gesucht habe, ebenso im Winter bei Vereinsveranstaltungen. Es hat mir
auch nichts ausgemacht, bei Schnee und Eis Hausbesuche zu machen. Mein Ziel war, auch außerhalb des Wahlkampfes den Kontakt zur Bevölkerung zu haben. Nur so konnte ich erfahren, wo die Bürger der Schuh drückte. Ich habe mich dann auch dieser Probleme angenommen. Wie denn? Als Vorsitzender meiner Fraktion im Rat der Stadt Braunschweig habe ich beispielsweise, wenn mir ein Bürger ein Problem antrug, dieses notiert und schriftlich an den Adressaten, meistens die Verwaltung, weitergeleitet. Mein Ansprechpartner erhielt davon eine Kopie, damit er wusste, dass ich mich um sein Anliegen kümmere. Wenn der Adressat eine auch aus meiner Sicht vernünftige Antwort hatte, habe ich mich dahinter gestellt. Wenn es anders war, war ich äußerst hartnäckig, bis das Problem gelöst war. Ich habe manchmal den Eindruck, dass viele Bürger nicht einmal während eines Wahlkampfes Parteiveranstaltungen besuchen, um ihre Anliegen den Politikern zu erläutern. Das Resultat ist, dass die Politiker nicht für diese Bürger aktiv werden können. Sie würden also auch eine Bringschuld des Bürgers sehen, nicht nur des Politikers? Ja, ich erwarte von den Bürgern, dass sie sich die Auffassungen der Politiker anhören und ihnen ihre Probleme darlegen, damit die Politik für die Allgemeinheit tätig werden kann. Nach meinem Empfinden hat das Bemühen der Bürger, die Politiker auf Veranstaltungen zu kontaktieren, gegenüber früheren Zeiten nachgelassen.
Der gebürtige Braunschweiger Joachim Clemens (81) gehörte als Abgeordneter der CDU 14 Jahre lang dem Deutschen Bundestag an. Der Jurist war vorher beruflich als Geschäftsführer des Allgemeinen Arbeitgeberverbandes Braunschweig sowie später als rechtsanwalt und Notar tätig. Er gehörte von 1967 bis 1980 dem rat der Stadt Braunschweig an und war dort elf Jahre lang Fraktionsvorsitzender seiner Partei. Auch war er von 1977 bis 1990 stellvertretender Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Braunschweig. Von 1980 bis 1994 saß Clemens im Bundestag, der damals seinen Sitz noch in Bonn hatte. Er war zunächst Mitglied im rechtausschuss, anschließend gehörte er dem Innen- und dem Sportausschuss an. Nach dem Ausscheiden aus der Politik war er von 1995 bis 2010 Vorsitzender des Braunschweiger Tennis- und Hockey-Clubs. Clemens ist verheiratet, hat fünf Kinder und sieben Enkelkinder. Er lebt mit seiner Frau in Braunschweig.
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Gesprächsstoff
Sie haben dreimal als Direktkandidat den Wahlkreis Braunschweig gewonnen. Worauf lässt man sich ein, wenn man ins Parlament gewählt wird? Während meiner Bundestagszeit von 1980 bis 1994 waren vier meiner fünf Kinder noch zu Hause, ich als Vater aber oftmals nicht präsent. Darunter leidet zwangsläufig das Familienleben. Mit anderen Worten: Man gibt eine ganze Menge Freiheit und Freizeit auf. Während der Sitzungswochen war ich montags bis freitags im Parlament, wenn auch nicht immer im Plenum, weil man sehr viel Arbeit zu leisten hatte und sich nicht um alle Tagesordnungspunkte einer Sitzung kümmern konnte. Als Abgeordneter hat man ein Spezialgebiet, das man intensiv betreuen muss. Darüber hinaus ist man verpflichtet, sich in wichtigen politischen Anliegen auszukennen, damit man mitreden und darüber Auskunft geben kann. Ich habe die Zugfahrten von Braunschweig nach Bonn genutzt, um die aktuelle Presse zu lesen oder zu arbeiten. In Bonn hatte ich oft bis spätabends zu tun. Wer seine Aufgabe als Abgeordneter ernst nimmt, hat sehr viel um die Ohren.
Würden Sie jungen Menschen empfehlen, sich politisch zu engagieren? Es gibt zu viele jüngere Leute, die sich überhaupt nicht um Politik kümmern. Sie können nicht mitreden, wenn es um ihr Schicksal oder das der Allgemeinheit geht. Ich finde es enorm wichtig, dass junge Menschen sich politisch engagieren, sich ins kommunale Parlament, in den Land- oder Bundestag wählen lassen. Nur mit der Jugend kann die Politik die an sie gestellten Aufgaben zur Zufriedenheit der Allgemeinheit lösen. Was war Ihre Motivation, in die Politik zu gehen? Ich war 36 Jahre alt, als mich der damalige Bundestagsabgeordnete fragte, ob ich mir vorstellen könne, im Braunschweiger Rat mitzuarbeiten. Ich war politisch interessiert, hatte aber fast keine Ahnung von der kommunalen Tätigkeit. Meine Motivation war Gestaltungswille. Ich habe relativ schnell Verantwortung übernommen, als ich nach einem Jahr im Rat Vorsitzender der CDU-Fraktion geworden bin. Die Belange meiner Heimatstadt Braunschweig lagen mir sehr am Herzen. Die Kommunalpolitik spielte auch später im Bundestag eine gewisse Rolle, auch wenn ich mich in erster Linie um mein Spezialgebiet, die innere Sicherheit, gekümmert habe. Gerade einmal knapp über 70 Prozent der wahlberechtigten Deutschen haben 2009 ihre Stimme zur Bundestagswahl abgegeben – das war die niedrigste Wahlbeteiligung seit Kriegsende. Geht es unserer Gesellschaft zu gut, sodass viele meinen, Politik habe mit ihrem Leben nichts zu tun? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Es gibt leider zu viele Bürger, die kein Interesse an der Politik haben. Sie gehen deshalb nicht zur Wahl oder entscheiden sich nach Kriterien für einen Politiker, die nicht direkt mit der Politik zu tun haben. Manche machen ihr Kreuz auf dem Stimmzettel nicht, weil sie der Auffassung sind, dass alles gut läuft. Und dann gibt es noch die berühmte Politikverdrossenheit, wenn Bürger meinen, zu wählen lohne sich nicht, weil man angeblich nichts in seinem Sinne ändern könne. Um Politikverdrossenheit zu vermeiden, ist es notwendig, dass die Bürger die Politiker fordern und die Politiker diesen Forderungen gerecht werden. Es gibt genügend Probleme, die in Übereinstimmung zwischen der Allgemeinheit und den Politikern gelöst werden müssen. Ist Nichtwählen undemokratisch oder ignorant? Ich finde es undemokratisch. Sie können niemanden zwingen zur Wahl zu gehen, und das ist gut so. Trotzdem gehört es zu einer Demokratie, dass sich die Bürger als Wähler um das Wohlergehen der Bundesrepublik kümmern. Es ist notwendig, dass die Bürger ihre Stimme abgegeben, um die Zukunft ihres Landes mitzuentscheiden. Leider hat die Bereitschaft dazu in unserer Gesellschaft sehr nachgelassen. Die Begründung mancher Nichtwähler, dass Wählen für sie selber nichts J bringt, liegt absolut neben der Sache.
Am 22. September ist Bundestagswahl.
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interview : Volke r Rö pke
FOTO: Fotolia.com: fotomek
Finden Sie es in Ordnung, wenn Politiker lukrative Nebenverdienste einstreichen? Nein. Im Bundestag hatten wir meistens 23 Sitzungswochen. Wenn ich während der übrigen Zeit zu Hause war, habe ich neben meiner politischen Arbeit vor Ort als Rechtsanwalt gearbeitet. Meine Einnahmen daraus hielten sich in Maßen. Damals war man noch nicht verpflichtet, seine Einnahmen öffentlich zu machen. Ich hätte dagegen keinerlei Einwände gehabt. Es erscheint mir notwendig, dass die Abgeordneten ihre Nebenverdienste offen auf den Tisch legen, damit der Bürger sich ein Bild über sie machen kann. Wenn ein Abgeordneter ausschließlich oder sehr häufig durch die Gegend reist, um finanziell lukrative Vorträge zu halten, im Parlament aber nicht anwesend ist, dann ist er dort fehl am Platze, ganz gleich, welcher Partei er angehört.
Gegenstand der aktuellen Debatte: die Ausspähung von Kommunikationsdaten durch Geheimdienste.
»Überwachungsstaat nein!« Als erster katholischer Bischof in Deutschland hat sich der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick (63) im Kurznachrichtendienst Twitter zu den Spähprogrammen des USamerikanischen Geheimdienstes NSA geäußert. Im Interview erklärt er seine Kritik.
FOTOs: Reuters: LucaS Jackson; wikipedia: T. E. Ryan
Herr Erzbischof, warum äußern Sie sich als kirchlicher Würdenträger zu den Spähprogrammen? Es ist die Aufgabe der Kirche, sich um das Wohl der Gesellschaft zu kümmern. Ohne Vertrauen in den Staat kann das Gemeinwesen nicht bestehen und das Gemeinwohl nicht gedeihen. Die Verantwortungsträger müssen alles tun, dass die Bürger Vertrauen in die Politik haben. Das böse Wort „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ darf nicht unsere Gesellschaft bestimmen. Was ist denn die Alternative dazu? Es braucht Transparenz, die offenlegt, was und wie kontrolliert wird, und die Kardinaltugend der Klugheit, die unterscheidet, wo Vorsicht angezeigt und damit Überwachung geboten ist. Im Moment haben zu viele Bürger den Eindruck, dass ohne Transparenz und die Klugheit der Unterscheidung gehandelt wird. Überwachung zur Sicherheit ja! Überwachungsstaat nein, weil das die Mitmenschlichkeit infrage stellt und das Miteinander bedroht.
Stichwort Vertrauen: Das geht ja in die Regierenden angesichts immer neuer Details über NSA & Co. verloren. Wie kann es wiedergewonnen werden? Durch das Offenlegen, was geschehen ist. Die Wahrheit ist immer das beste Mittel, um wieder Vertrauen zu gewinnen. Und dann braucht es klare Regeln über die Kontrollen, die offen gelegt werden müssen. Vernünftige Menschen werden sicher für Kontrollsysteme Verständnis haben, wenn sie sich im Rahmen des Rechtes und des Erforderlichen bewegen. Inwieweit trifft die NSA-Affäre auch die Kirche? Das kann ich nicht beurteilen, denn wir wissen nicht, was alles abgehört wurde. Das Beichten im eigentlichen Sinn kann nicht betroffen sein; Beichten ist ein Geschehen von Person zu Person und nicht im Netz. Aber es werden seelsorgliche Gespräche am Telefon geführt. Diese könnten ausgespäht werden. Dagegen müsste sich die Kirche wehren, denn es gibt Gesetze, die die seelsorgliche Tätigkeit schützen. Sind Sie vorsichtiger mit Mails und Telefonaten? Vielleicht werden wir gerade abgehört. Nein! Wir sagen nichts Verletzendes. Im Übrigen halte ich es mit meiner Mutter: Der Lauscher an der Wand hört seine eigne Schand. Ich habe persönlich keine Angst. Es geht mir um unsere Gesellschaft. Wenn das Vertrauen in den Staat zerstört wird, dann ist die Humanität gefährdet. Das dürfen wir nicht zulassen. J interview : C h ristian Wö lfel , kna
Es wird argumentiert, es seien Terroranschläge verhindert worden. Der Innenminister spricht gar von einem „Supergrundrecht Sicherheit“. Ein Grundrecht auf Sicherheit muss es geben. Wir müssen auch dankbar sein, dass Terroranschläge durch Überwachung verhindert wurden und werden. Aber die Forderung nach Transparenz und Klugheit, um das Vertrauen in der Gesellschaft zu bewahren, ist berechtigt.
https://twitter.com/BischofSchick
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Nah dran
Ursula Becker schenkt ihre Freizeit den Bewohnern des Altenheims St. Hedwig, so auch der 103-jährigen Agnes Gerke.
Unentgeltlich unermüdlich Die Bewohner des katholischen Altenpflegeheims St. Hedwig bekommen regelmäßig Besuch von Ehrenamtlichen, die mit ihnen spazieren gehen, sich mit ihnen unterhalten oder Musik für sie machen. Ursula Becker verbringt besonders viel Zeit in St. Hedwig. Was treibt sie an?
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Nah dran
U
rsula Becker hat mit ihrem Mann acht Kinder großgezogen und zwei Pflegekinder betreut. Sie hat 14 Enkelkinder. Sie könnte im Alter von 75 Jahren die Füße hochlegen und sagen: Jetzt denke ich mal nur an mich. Doch das tut sie nicht. Sie denkt lieber an die anderen. Die anderen, das sind die rund 80 Bewohner des katholischen Altenpflegeheims St. Hedwig in der Böcklerstraße. Ursula Becker kennt all ihre Namen und viele ihrer Sorgen und Wünsche. Sie gehört zu einer Gruppe Ehrenamtlicher, die mit den pflegebedürftigen Menschen in St. Hedwig Zeit verbringt. Klaus und Maria Hillebrand, Christa-Maria Goebel, Irmgard Lönneker, Gerda Oppermann, Heinz Treske, Maria Perl, Annegret Nikolaus, Edeltraut Wiczorek, Renate Kappler und Andreas Bauch kommen in der Regel einmal pro Woche, um sich mit den Senioren zu unterhalten, mit ihnen zu spielen oder mit ihnen spazieren zu gehen. Einige halten auch den Gebetskreis in dem Altenheim am Laufen oder machen Musik für die Bewohner. In der Schar der Engagierten ist Ursula Becker eine Ausnahme: Sie wendet mit Abstand am meisten Zeit auf. Sie wohnt im Kreis Wolfenbüttel. An jedem Werktag steigt sie morgens in den Bus, fährt eine Dreiviertelstunde bis nach Braunschweig und verbringt achteinhalb Stunden in St. Hedwig. „Sie stellt ihren Lebensabend ganz in den Dienste des Nächsten“, sagt Heimleiter Karl Wetter. Die Stunden, die viele Erwerbstätige für einen Vollzeitjob aufwenden, schenkt die
75-Jährige den Menschen im Altenheim. Sie ist für sie da, sie lacht mit ihnen, sie hört ihnen zu. Manchmal kommt sie sogar samstags. Nur sonntags, wenn sie ihre Familie zu Kaffee und Kuchen empfängt, kann sie nicht. Ursula Becker und die weiteren Ehrenamtlichen in St. Hedwig engagieren sich, damit die Bewohner das Altenheim nicht als Abstellgleis erleben müssen, auf dem sie kurz vor dem Ende des Lebens in ihren Zimmern auf den Tod warten. Sie verhelfen ihnen zu Momenten der Freude und Entspannung in einem Alltag, der oft aus Hindernissen und Trübsal besteht, weil sie alt, krank oder schwach sind.
Jung trifft Alt im Seniorenheim Die unentgeltlichen Helfer sind größtenteils selbst bereits im Rentenalter. Hin und wieder bekommen die Bewohner aber auch Besuch von jungen Menschen. Jola Steinkopf, die den begleitenden Dienst von St. Hedwig leitet, lädt unter dem Motto „Jung und Alt“ regelmäßig Kinder und Jugendliche ein, die Senioren zu treffen. Manchmal unterhalten sich die Schüler mit den Menschen, die ihre Großeltern oder Urgroßeltern sein könnten, oder gehen mit ihnen spazieren. Meist jedoch singen und musizieren sie. Jungen und Mädchen der Grundschulen Mascherode und Edith Stein waren schon da, Kitakinder aus St. Nikolaus, Mitglieder der Musischen Akademie oder Schüler der städtischen Musikschule.
Ein Konzert der städtischen Musikschule in St. Hedwig.
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Nah dran
Ursula Becker singt auch. Sie singt aber nicht vor, sondern gemeinsam mit den Bewohnern, meist Kinderlieder. „Al le Vögel sind schon da, al - le Vögel, al - le“ – das kennt auch der demenzkranke Herr, der neben ihr auf dem Sofa sitzt. Er singt mit krächzender Stimme, aber voller Inbrunst. „Das haben Sie gut gemacht“, sagt die Ehrenamtliche im Dauereinsatz. Sie streichelt seine Hand, dann reicht sie ihm ein geschältes Stück Mohrrübe. Nachdem er es aufgegessen hat, nimmt sie ein Papiertuch und wischt ihm einen Speichelfaden aus dem Gesicht. Dann möchte der Bewohner aufstehen, um mit ihr einen Spaziergang im Garten zu machen. Doch es gelingt ihm nicht. Ihm fehlt die Kraft, und er lässt sich zurück ins Polster sinken. Im zweiten Anlauf klappt es, weil Ursula Becker seinen Arm nimmt und hilft. Sie hat die Kraft, die ihm fehlt. Und sie hat Geduld, ganz viel Geduld.
Ursula Becker fiel das Alleinsein schwer Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, ehe der Mann mit seinem Rollator die fünf Schritte bis zum Fahrstuhl zurückgelegt hat. Seine Bewegungen wirken, als liefen sie in Zeitlupe ab. Doch Ursula Becker macht das nichts aus. Sie hat sich darauf eingestellt, dass das Tempo im Pflegeheim ein ganz anderes ist als draußen vor der Tür. Trotzdem ist sie immer aufmerksam. „Falsche Richtung“, ruft sie, als der Lift aus dem zweiten Stock ins Erdgeschoss hinabgefahren ist, die Türen aufgehen und der Senior – plötzlich unerwartet schnell – den Ausgang zur Straße anpeilt. Dann hakt sie sich bei ihm ein, und sie nehmen gemeinsam den Weg ins Grüne. Im Garten des Altenheims lässt der Demenzkranke seinen Rollator los und versucht, sich die Hose herunterzuziehen. Ursula Becker ist nicht überrascht, das passiert häufiger. Sie
zieht den Hosenbund wieder hoch und streicht ihm behutsam über die Wange. „Streicheln beruhigt ihn.“ Dann holt sie eine kleine Metalldose in Herzchenform hervor, Pralinen sind darin. Ihre Tochter arbeitet im Lebens mitteleinzelhandel und bringt ihr manchmal Schokolade mit, die aus dem Sortiment geflogen ist, obwohl das Haltbarkeitsdatum noch nicht abgelaufen ist. Die Bewohner freuen sich über die süßen Mitbringsel. Auch der demenzkranke Mann nimmt gern eine Praline. Dass Ursula Becker sich in St. Hedwig engagiert, dazu gab ihre Tochter den Anstoß. Sie riet ihr nach dem Tod ihres Mannes, sich eine Beschäftigung zu suchen, um aus dem seelischen Tief herauszukommen. Sie war 58 Jahre lang verheiratet. Ihre Trauer ist riesig gewesen, und es fiel ihr schwer allein zu sein, nachdem sie ihr ganzes Leben ständig unter Menschen gewesen war. Über die Bekanntschaft zu Jola Steinkopf kam die Protestantin vor gut zwei Jahren in die katholische Altenpflegeeinrichtung – und damit wieder in Gesellschaft. Dass sie sich mit voller Hingabe den alten Menschen zuwendet, hilft ihr mit dem Verlust ihres Partners umzugehen. Er starb nach schwerer Krankheit. Ursula Becker war Tag für Tag an seinem Krankenhausbett gewesen. Sie hatte ihn gewaschen, ihm Essen angereicht und Spritzen gegeben, weil sie nicht wollte, dass die Krankenschwestern es machen. „Ich war bis zu seiner letzten Stunde bei ihm. Die Zeit, in der ich meinen Mann gepflegt habe, hat mich geprägt. Ich dachte, das muss ich weiter machen.“ Für die Senioren in St. Hedwig war das ein Glücksfall, für Ursula Becker ist es inzwischen auch einer: „Mein Mann fehlt mir. Aber wenn ich merke, die Bewohner freuen sich über meine Anwesenheit, J dann macht mich das glücklich.“
Klaus Hillebrand macht Musik für die Bewohner, seine Frau Maria spielt Karten mit den Senioren.
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tex t : Volke r Rö pke fotos: Pete r sie r igk
Nah dran
Gruppenfoto der Helfer
Heinz Treske liest aus der Tageszeitung vor.
»Die geben ganz viel Herz« Karl Wetter (61), Leiter des Altenpflegeheims St. Hedwig, über das Engagement ehrenamtlicher Mitarbeiter und deren Bedeutung für eine gelingende Altenhilfe. In St. Hedwig gibt es hauptamtliche Mitarbeiter für die Bewohner. Warum ist das Engagement der ehrenamtlichen Helfer in Ihrem Haus wichtig? Das ist aus dem gelebten Alltag heraus wichtig. Wir haben Pflegedienstmitarbeiter, deren Zahl sich über die Pflegeversicherung und die Belegung ergibt. Daneben gibt es Mitarbeiter, die sich um demenziell veränderte Bewohner kümmern. Das reicht für eine qualitativ hohe Grundversorgung. Für Wünsche darüber hinaus, für das „Ich hätte gern noch dies“ oder „Ich würde gern noch jenes machen“, dazu ist die Zeit im Pflegealltag eigentlich nicht vorhanden. Deshalb ist es schön, wenn man dies mit den Diensten der Ehrenamtlichen ausfüllen kann, die innerlich dafür brennen, die ihr Engagement als Inhalt ihres eigenen Älterwerdens betrachten. Die geben ganz viel Herz, die geben ganz viel Liebe, die geben ganz viel Ehrenamt. Unser Bewohner schätzen das sehr. Sie wissen: Für die Dinge, die nicht im Leistungskatalog der Pflegeversicherung stehen, gibt es auch jemanden. Deshalb sind die Ehrenamtlichen ein ganz wichtiger Bestandteil einer soliden Altenhilfe. Ein Engagement, das mit Geld kaum aufzuwiegen ist, oder? Nein, so eine Arbeit kann man nicht mit Geld aufwiegen. Deshalb muss man dieser Wortbedeutung auch mehr Tribut zollen: Ehrenamt. Das ist sehr ehrenvoll, was unsere ehrenamtlichen Hedwigsdamen und Hedwigsherren machen, die uns ja zum großen Teil schon seit 20 Jahren treu sind und jede Woche kommen, selbst wenn es stürmt oder schneit. Wie drücken Sie den Ehrenamtlichen Ihre Wertschätzung aus? Dazu gibt es keine Schablone. Wir leben in unserer Altenhilfeeinrichtung die Kultur der Nächstenliebe. Das heißt: Ich tue etwas für dich, ohne zu fragen, was ich dafür bekomme. In
diesem Sinne sind unsere Ehrenamtlichen bei uns. Sie stellen diesen Dienst nicht mir zur Verfügung, sondern den alten Menschen. Klar gebe ich ihnen gern Kaffee und Kuchen oder ein Eis aus. Aber wenn man mit Menschen für Menschen arbeitet, dann ist das Gemeinschaftsgefühl am wichtigsten, das meine Mitarbeiter und ich unseren Ehrenamtlichen gegenüber ausdrücken möchten: Ihr gehört zu uns, wir empfinden tiefe Dankbarkeit, dass ihr seit vielen Jahren eure Kraft in den Dienst der anderen stellt; ihr werdet von uns und unseren Bewohnern sehr wertgeschätzt für das, was ihr leistet. Ich denke, unsere Ehrenamtlichen können ihr Engagement so als etwas sehr Sinnvolles und Wertvolles erleben. Das ist das Entscheidende. Ehrenamtliche schenken menschliche Wärme und Zuwendung, während Hauptamtliche im Zwischenmenschlichen nicht so viel geben können, wie sie vielleicht möchten, weil die Zeit nicht reicht, die ökonomischen Zwänge zu groß sind. Ist das nicht ein Fehler im System? Eine Pflegeversicherung kann das, was durch zusätzliche Arbeit im Ehrenamt geleistet wird, nicht darstellen. Wenn wir davon ausgehen, dass eine Pflegestufe eins sich daraus ergibt, dass ein Mensch maximal 90 Minuten täglich der Pflege bedarf, dann ist da weder der Konzertbesuch noch der Spaziergang im Park drinnen. Das fällt nicht unter Pflege, das ist Lebensqualität. Viele spüren aber, dass so etwas eigentlich sein müsste, obwohl es nicht im Leistungskatalog auftaucht, dass es auch angenehme Dinge geben muss neben einem J Wundverband oder einem Lagerungskissen. interview : Volke r Rö pke
Karl Wetter Leiter des Pflegeheims St. Hedwig
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Kürbisgemüse für 4 Personen
1 kg Kürbisfleisch Saft einer Zitrone 1 TL Salz 60 g durchwachsener Speck 1 Zwiebel ½ TL Zucker etwas frisch gemahlener Pfeffer ¼ l Fleischbrühe 2 EL gehackter Dill 125 g Crème fraiche
Das rezept stammt aus der Klosterküche des Klosters Isenhagen, empfohlen wird es von äbtissin Susanne Jäger. Das Kloster wurde im 13. Jahrhundert von den zisterziensern gegründet, heute ist es ein evangelisches Frauenkloster. Klosterführungen vom 1. April bis 15. Oktober, dienstags bis sonntags 14.30 bis 17.00 Uhr. WWW.kloster-isenhaGen.De
Weitere rezepte finden Sie in dem Buch „Das Feuer hüten. Eine kulinarische reise durch evangelische Frauenklöster und Stifte in Norddeutschland“, 2012. WWW.Generalkonvent.De
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Das Kürbisgemüse kann gut mit Kartoffeln kombiniert werden.
Nichts als Frucht Vor über 20 Jahren begann Ann Giles aus Neuseeland damit, Fruchtriegel herzustellen, die zu 100 Prozent aus Frucht bestehen – sonst nichts. Damit sind „Annies Fruchtriegel“ eine haltbare Alternative zu frischem Obst, besonders für unterwegs. Preis pro riegel: ca. 1,50 € (40 g) Bezugsquellen: reformhäuser WWW.annies-DeUtschlanD.De
Netzwerk ökomode Auf der neuen Online-Plattform „Get changed! The Fair Fashion Network“ werden Modefirmen vorgestellt, die sozial und ökologisch produzieren. Außerdem findet man Links zu Partnershops, die diese Mode verkaufen. WWW.GetchanGeD.net FOTO: FOTOLIA.COM: KITTy
So wi rd‘s ge m a c h t Den Kürbis schälen, entkernen und in ein zentimeter große Würfel schneiden, mit zitronensaft beträufeln und mit Salz bestreuen. Den Speck in kleine Würfel schneiden. Die zwiebel schälen und fein hacken. Die Speckwürfel anrösten und die zwiebel darin andünsten. Die Kürbiswürfel dazugeben, mit Salz und Pfeffer würzen und mit Fleischbrühe aufgießen. 15 bis 20 Minuten bei geöffnetem Topf schmoren, bis das Gemüse gar und die Flüssigkeit fast verdampft ist. Dill und Crème fraiche unterrühren und einige Minuten ziehen lassen. Das Kürbisgemüse ist zusammen mit Kartoffelbrei ein vollwertiges Mittagsgericht.
Leib und Seele
Die Heilkraft der Zwiebel „Wer jeden Morgen nüchtern Zwiebeln isst, der lernt sein Leben lang den Schmerz nicht kennen.“ Dieses Lob über die tolle Knolle verfasste im 11. Jahrhundert der Mönch Odo Magdunensis im Macer floridus, einem Lehrgedicht über Heilkunde. Damals hatte die Zwiebel schon einen langen Siegezug hinter sich.
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rsprünglich stammt sie wohl aus den Gebirgen Mittel- und Ostasiens. Ungefähr 3000 v. Chr. gelangte sie über das Zweistromland nach Ägypten. Die Sklaven, die die Pyramiden bauten, erhielten sie als Stärkungsmittel, den Toten steckte man eine in den Mund, bevor man sie einbalsamierte. Von Ägypten breitete sich die Zwiebel in die Mittelmeerländer aus, und die Römer brachten sie schließlich um die Zeitenwende herum über die Alpen. Wie viele andere Heilpflanzen fand auch Allium cepa, so der botanische Name, von den Klöstern aus Eingang in die Volksmedizin, vor allem da sie leicht anzubauen und damit preiswert und jederzeit verfügbar war. Nach heutigem Wissensstand verdankt die Zwiebel ihre Heilwirkung vor allem den enthaltenen Schwefelverbindungen. Diese verhindern die Verklumpung von Blutplättchen und beugen so Thrombosen und Arterienverkalkung vor. Für den Kohlenhydratstoffwechsel wird unter anderem Vitamin B1 benötigt, das die Zwiebel reichlich enthält. Daher kann sie auch erhöhte Cholesterin- und Blutzuckerwerte senken. In der Volksheilkunde wird die Zwiebel seit Langem gern zur Linderung von Atemwegsbeschwerden und als Schleimhaut abschwellendes Mittel verwendet – inzwischen ist auch dies durch aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt. J silke stä ding
Weiterführende Informationen: Kilian/Mayer/Witasek: Heilkraft der Klosterernährung, Ursel Bühring: Meine Heilpflanzenschule
FOTOs: Fotolia.com: kesu, printemps
Rezept gegen Husten Ein klassisches Hausmittel gegen Husten ist Zwiebelsirup. Eine Zwiebel kleinhacken, in ein Glas füllen und mit etwas Honig oder Zucker vermischen. Anschließend das Glas verschließen und die Mischung mindestens einen halben Tag lang ziehen lassen. Der so entstandene Saft wird mit einem Sieb von den Zwiebelstücken getrennt. Mehrmals täglich einen Teelöffel voll einnehmen.
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Im Fokus
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alle schuld, nur ich nicht Ob kleiner Fauxpas oder großer Fehler – wenn wir etwas falsch gemacht haben, leugnen wir gern unsere Verantwortung oder verdrängen sie. Dabei öffnet die ehrliche Auseinandersetzung mit unseren Fehltritten den Weg zu Wachstum und Entwicklung.
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anche Dinge sind zu groß für uns. Da hilft ein simples „bitte entschuldige“ nicht weiter. Diese Erfahrung hat auch Sebastian gemacht. Vor einiger Zeit wurde er von seiner Frau verlassen. Sebastian war verzweifelt, „monatelang wie taub und starr“, sagt er. Seiner Frau machte er bitterböse Vorwürfe. Eines Tages, als der Berliner alte Fotos durchschaute, sah er ein Bild, auf dem seine Frau „so unglaublich einsam aussah. Trübe, verlassen, gestresst. Es war, als hätte sie in der Ehe mit mir ihre Ausstrahlung verloren.“ Das Bild blieb hängen. Und auf einmal begriff Sebastian, er hatte in der Beziehung, wie er heute sagt, „gefehlt“. Er erinnert sich, wie er seine Frau an diesem Tag beim Einkaufsbummel angetrieben, ja fast gescheucht hatte. „Es ging nur noch ums Funktionieren.“ Er hatte ihr zuletzt kaum noch gegeben, was er selbst erwartete: liebevolle Aufmerksamkeit. Die Schuldgefühle und der Verlust fraßen Sebastian fast auf. Irgendwann vertraute er sich einem Priester an und arbeitete anschließend sein „Beziehungsverhalten“ beim Psychologen auf. Sebastian weiß nun: „Der Ehebruch hatte eine Vorgeschichte.“
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Weil der Mensch frei ist, macht er Fehler Solche Schuldeinsichten sind, so hat es Raphael Bonelli in seiner Praxis beobachtet, heute eher die Ausnahme. Bonelli ist Neurowissenschaftler, Psychiater und Leiter des „Instituts für Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie“. In seinem Buch „Selber Schuld! Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen“ beschreibt er, wie die Schuld, die Einsicht in das eigene Fehlverhalten, vor allem von jungen Menschen immer häufiger auf andere geschoben wird. Auf die Eltern, die Erziehung, die sozialen Umstände, die Kirche. Alle sind irgendwie schuld. Nur man selbst nicht.
Die Sätze „ich konnte ja nicht anders“ oder „das machen doch alle“ sind – egal ob Steuerbetrug, Seitensprung oder die raubkopierte Doktorarbeit – längst zum Allgemeingut geworden, so Bonelli. Dabei ist es „für ein gelingendes Leben“ extrem wichtig „zu bekennen, was wir für einen Bock geschossen haben“, sagt Bonelli. Er kann auch den Weg von Sebastian zum Seelsorger gut nachvollziehen. Für den Neurowissenschaftler ist die Beichte schlicht eine „positive Sensation“. Denn weil der Mensch frei ist, macht er Fehler. Sünden gehören zum Leben dazu. Aus Fehlern lernen wir. Bonelli vergleicht Schuldgefühle mit körperlichen Schmerzen. Beides sind Alarmsignale dafür, dass etwas nicht stimmt. Da aber niemand gerne Schmerzen hat, werden Schulgefühle sowie das ihr zugrunde liegende, sündhafte Verhalten oft verdrängt. Daran trage auch die moderne Psychologie eine gewisse Mitschuld. In ihr wird fast jeder Täter zum Opfer umgedeutet. „Psychologen unterscheiden eher in verständlich und unverständlich. Nicht aber in gut und böse. Das können eher Seelsorger“, sagt Manfred Lütz, katholischer Erfolgsautor und psychiatrischer Chefarzt des Alexianer Krankenhauses in Köln. In den frühen, griechisch verfassten Bibeln heißt die Sünde noch „hamartia“. Das Wort bedeutet so viel wie „nicht treffen“, „ein Ziel verfehlen“. Als Maßstab zur Unterscheidung für zielführendes und zielverfehlendes Verhalten kennen Juden und Christen die Gesetze Moses, vor allem die Zehn Gebote. Mord, Diebstahl, Ehebruch, aber auch üble Nachrede werden darin als besonders verwerflich angeprangert. Einen ebenso simplen wie praktischen Grundsatz für die Unterscheidung von richtig und falsch liefert die „goldene Regel“. Der ethische Grundsatz „Behandle deinen Nächsten so, wie du von ihm behandelt werden willst“, den auch Jesus Christus vertrat, ist in allem Religionen fest verankert. Vom Konfuzianismus über den Buddhismus und Hinduismus bis hin zum
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Islam. Dass kein Mensch immer nur gut ist, weiß auch Stephan Ernst, Professor für Moraltheologie an der Universität Würzburg. Eine schwere Sünde liege immer dann vor, wenn hinter der Tat die bewusste Absicht steht, anderen zu schaden.
„Das ging bei Adam und Eva los“ Von leichten Sünden spricht man, „wenn die Bereitschaft zum verantwortlichen Handeln grundsätzlich gegeben ist, aber aus Unachtsamkeit, aus äußerem Druck oder aus Angst ein Schaden verursacht wird“, so Ernst. Da jedes Fehlverhalten einem Menschen gegenüber auch eines gegen Gott ist, meint „Todsünde“ in der theologischen Tradition, dass durch sie die Beziehung des Menschen zu Gott stirbt. Einig sind sich Theologen und Psychologen darin, dass eine Gemeinschaft nur dann funktionieren kann, wenn der Einzelne sich und seiner Willkür Grenzen setzt. Deswegen gibt sich jeder Staat Gesetze. Wie das sündhafte Verhalten von nur wenigen Menschen sogar eine ganze Gesellschaft in den Abgrund reißen kann, wissen wir nicht erst seit der Euro- und Bankenkrise. Sünden, das hatten schon die Urchristen vor fast 2000 Jahren erkannt, entstehen vor allem aus sieben schlechten Charaktereigenschaften: Superbia (Hochmut, Eitelkeit), Avaritia (Geiz, Habgier), Luxuria (Wollust, Genusssucht), Ira (Zorn, Wut, Rachsucht), Gula (Völlerei, Maßlosigkeit, Selbstsucht), Invidia (Neid, Eifersucht) und Acedia (Faulheit, Ignoranz, Trägheit). Vor solchen „Dämonen“ – Psychologen heute würden sagen: inneren Prozessen – ist niemand gefeit. Es geht vor allem darum, wie man mit seinen Neigungen umgeht, ob man sie in die Tat umsetzt oder nicht. Auch die Schuldverdrängung ist keinesfalls neu. „Das ging bei Adam und Eva schon los. Dass man sich für seine Schuld schämt und dann dieser Scham zu entfliehen versucht“, sagt Lütz. Auch Sigmund Freud wusste: Wir alle laufen mit geschönten Bildern von uns selbst durchs Leben.
Doch je mehr sich ein Mensch etwas vormacht, desto neurotischer ist er. Nach Ansicht von Bonelli macht Verdrängung unfrei, beziehungsunfähig und verbittert. „Unfrei, weil sie die Verbesserung des Menschen verunmöglicht und man sich an das Schlechte gewöhnt. Beziehungsunfähig, weil eine Partnerschaft schwer lebbar ist, in der eine Seite jeglichen Anteil am Konflikt leugnet und immer dem anderen die Schuld in die Schuhe schiebt. Und verbittert, weil man durch diese Fehlhaltung immer mehr den Eindruck bekommt, man muss immer wieder Unrecht erleiden und tut nie selber Unrecht. Dadurch verheddert man sich in der Opferfalle.“ Dort wo Schuldgefühle ganz fehlen, mutiere der Mensch leicht zum Monster wie einst Stalin oder Hitler, glaubt Bonelli.
Schuld wird man durch Annehmen los „Wieder gut machen lässt sich eigentlich nichts. Das ist ja das Entsetzliche. Jeder Augenblick ist absolut einmalig. Unwiederbringlich“, sagt Psychiater Lütz und berichtet dann von Mördern oder Missbrauchstätern, die von ihren Schuldgefühlen geradezu aufgefressen wurden. Immerhin aber öffnet uns die Auseinandersetzung mit den eigenen Fehlern, so schmerzhaft diese oft auch sein mag, den Weg zu Wachstum und Entwicklung. Schuld wird man dadurch los, indem man sie annimmt, und daraus Schlussfolgerungen für sein zukünftiges Handeln ableitet, meint auch Bonelli. Wer sich auf „die Infragestellung seiner selbst einlässt, setzt einen psychodynamisch heilsamen Prozess in Gang.“ Dass an dem alten Sprichwort „Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung“ viel Wahres dran ist, hat auch Sebastian erkannt. „Erst dadurch wurde es mir möglich, meine Frau zu verstehen und ihr irgendwann auch den Ehebruch zu verzeihen.“ Sebastian hofft nun, dass er die alten Fehler nicht noch einmal macht. „Ich denke schon, ich bin reifer geworden.“ J A nd r eas K aise r
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Nach biblischer Darstellung kam mit Adam und Eva die Sünde in die Welt.
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Engagiert
Auch Mode für Kinder gibt es in St. Joseph.
Hilfe aus dem Kleiderschrank Es gibt eine Herrenabteilung, eine Abteilung für Damen und eine für Kinder. Die Kleiderkammer neben der Kirche St. Joseph ist aufgeteilt wie ein Modegeschäft. Und modisch ist auch die Kleidung, die bedürftige Menschen hier erhalten können.
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nzüge, Mäntel, Jacken, Hosen, Blusen, Hemden, Herrenhalbschuhe, Damen-Pumps, winzige Kinderschuhe, Strampelanzüge – es gibt kaum Kleidungsstücke, die es im Keller des Gemeindezentrums an der Goslarschen Straße 7 nicht gibt. Sogar Faschingskostüme sind hin und wieder dabei. Die unzähligen Sachen zum Anziehen sind allesamt Spenden. Mitglieder der Gemeinde St. Aegidien, zu der die Kirche St. Joseph gehört, Anwohner oder Menschen aus anderen Braunschweiger Gemeinden haben die Kleidungsstücke vorbeigebracht. „Fast alles, was kommt, ist gewaschen und gebrauchsfertig zum Anziehen. Es sind Topsachen. Dass wir etwas entsorgen müssen, kommt ganz selten vor“, sagt Dieter Ruben. Der Beamte im Ruhestand kümmert sich gemeinsam mit Zofia Edler ehrenamtlich um die Kleiderkammer. Hin und wieder ist auch Gerlinde Schulz dabei. Sie sorgen dafür, dass die Sachen nach Größen sortiert in den Regalen bereitliegen oder an Kleiderstangen hängend auf ihre Abholung warten. Menschen, die wenig haben, können sich zweimal pro Woche in der Kleiderkammer mit dem einkleiden, was sie benötigen. Ein kleiner Betrag, zum Beispiel 1,50 Euro für ein Paar Schuhe, wird dann fällig. „Wenn jemand wirklich nichts hat, kriegt er auch schon mal eine Hose umsonst“, sagt Dieter Ruben, „ansonsten bitten wir aber aus Prinzip um eine Spende. Wir wollen verhindern, dass jemand sich hier umsonst Sachen mitnimmt, um sie anschließend auf dem Flohmarkt zu verkaufen.“ Zu den Kunden der Kleiderkammer gehören Hartz-IVEmpfänger, Obdachlose, Migranten, Rentner, Alleinerziehende oder kinderreiche Familien mit geringem Einkommen. „Es ist die ganze Bandbreite derjenigen, die materiell oft wenig haben“, sagt Diakon Detlef Schötz von der Gemeinde St. Aegidien. Er lobt die hohe Spendenbereitschaft der Menschen: „Die vielen Spenden machen das Angebot erst J möglich. Wir sind dafür sehr dankbar.“
Zofia Edler und Dieter Ruben halten ehrenamtlich die Kleiderkammer am Laufen.
Anschrift der Kleiderkammer St. Joseph: Goslarsche Straße 7, 38118 Braunschweig, Öffnungszeiten: dienstags von 13.00 bis 16.00 Uhr und freitags von 10.00 bis 11.00 Uhr.
Volker Rö pke
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Die sPUr DEr SANDALEN Mit der Landesausstellung „roms vergessener Feldzug. Die Schlacht am Harzhorn“ erinnert das Braunschweigische Landesmuseum vom 1. September bis 19. Januar an eine folgenschwere Begegnung zwischen römern und Germanen in einem Waldstück kurz vor Northeim in der Nähe der A 7. Das Harzhorn war im 3. Jahrhundert Schauplatz dramatischer Gefechte, seit 2008 wird das Areal wissenschaftlich erforscht. Experten sprechen von einem „archäologischen Jahrhundertfund“.
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ls die Germanen sich in eine große, feuchte Senke zurückzogen und die Römer zögerten, ihnen nachzufolgen, stürzte sich Maximinus selbst in die Niederung, bis das Wasser bis zum Bauch seines Pferdes stand; und so hieb er auf die Feinde ein, die ihn umringten.“ Antike Heldenpropaganda für den Soldatenkaiser Maximinus Thrax (235–238 n. Chr.), die sein Zeitgenosse Herodian, der griechische Geschichtsschreiber im Verwaltungsdienst des Römisches Reiches, im 3. Jahrhundert verfasst hat. Die Spurensuche vor Ort beginnt im Kopf. Ob Herodian dieses einsame Waldstück am Harzhorn gemeint hat, bleibt im Dunkeln. Fest steht hingegen, dass die Römer im Jahr 235 n.
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Chr. an dem Querriegel zwischen Elbe und Rhein mit den Germanen heftig aneinander gerieten – und am Ende die Sieger blieben. „Das war damals ein versumpftes Tal, den Abhang bis zur Autobahn muss man sich noch viel, viel steiler vorstellen.“ Der Archäologe Wolf-Dieter Steinmetz, Oberkustos für Ur-und Frühgeschichte am Braunschweigischen Landesmuseum, lenkt den Blick zunächst auf die angrenzende Landschaft. „Im Umkreis von rund zehn Kilometern gab es vermutlich keine einzige germanische Siedlung. Das war eine riesige Einöde.“
Antikes Schlachtfeld auf dem Vogelberg Auch heute ist die Region neben der viel befahrenen Autobahn A7 und der Bundesstraße 248 wenig spektakulär. Meist übersieht man den unscheinbaren Höhenzug, an dem einst Römer und Germanen aufeinander trafen. Hier am Harzhorn zwischen Bad Gandersheim und Northeim, etwa 60 Kilometer südwestlich von Braunschweig, begannen im Spätsommer 2008 wissenschaftliche archäologische Untersuchungen, die seitdem international für Aufmerksamkeit sorgen: Auf dem rund zwei Kilometer langen bewaldeten Vogelberg und etwas weiter, am Kahlberg, kamen Funde zutage, die die Beziehungen zwischen Römern und Germanen im 3. nachchristlichen Jahrhundert in ein neues Licht rücken. Rund zwei Jahrhunderte nach der epochalen Varusschlacht bei Kalkriese, bei der die Römer im Jahr 9 n. Chr. von den Germanen unter der Führung des Cheruskers Arminius in die Flucht geschlagen worden waren, kam es auch am Harzhorn erneut zu Kämpfen. Neben der Fundregion Kalkriese handele es sich hier um das am besten erhaltene antike Schlachtfeld in Europa und zudem um eine der wenigen größeren Fund-
Das Harzhorn war im 3. Jahrhundert Ort eines schweren Gefechtes zwischen Römern und Germanen.
stellen von römischem Kriegsgerät im norddeutschen Raum, bestätigen Archäologen – ein El Dorado für Altertumsforscher, die dort bereits Pfeile, Speerspitzen, Katapultprojektile, Teile der Rüstungen sowie Nägel von römischen Legionssandalen und viele andere historische Hinterlassenschaften aus dem Boden geholt haben.
FOTOS: Andreas Greiner-Napp; fotolia.com: Pictorius
„Aus diesem Wald taucht Geschichte auf“ „Das ist ein unfassbarer Glücksfall“, betont der Berliner Prähistoriker Michael Meyer. Seit 2009 durchkämmt der Professor für Prähistorische Archäologie an der Freien Universität Berlin mit seinen Studenten in mehrwöchigen Grabungskampagnen systematisch einzelne Abschnitte des Waldbodens. In einer lehmverfüllten Grube fand sein Team jüngst ein Pferde- oder Maultierskelett eines germanischen Reiters. Außerdem förderten die Forscher einen Sensationsfund zutage: ein römisches Kettenhemd. Derzeit untersuchen die Studenten unter Meyers Leitung exemplarisch einige Grabungsschnitte auf dem Kamm des Höhenzuges, bei dem hauptsächlich römische Wagenteile und Schuhnägel zutage kommen. „Unmittelbar unter der dünnen Ackerkrume finden wir Überreste eines Kampfes, die sich im Humusboden fast zwei Jahrtausende lang erhalten haben. Die Bodenverhältnisse am Harzhorn sind überaus günstig.“ Der Prähistoriker aus Berlin ist begeistert: „Aus diesem Wald taucht Geschichte auf.“ Das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege arbeitet mit mehreren Forschergruppen zusammen, und das Braunschweigische Landesmuseum präsentiert nun eine Auswahl der Funde aus dem laufenden Forschungsprojekt mit einer Fülle von bisher mehr als 2700 Fundstücken, dazu
Prähistoriker Michael Meyer untersucht mit seinem Team das Waldstück kurz vor Northeim.
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Fundstücke, die die Schlacht am Harzhorn dokumentieren, sind ab September im Braunschweigischen Landesmuseum ausgestellt.
Die Germanen warteten im Hinterhalt „Das Gefecht am Harzhorn, das sich aktuell aus den archäologischen Funden rekonstruieren lässt, präsentieren wir bei uns im Museum mit einem sechs Meter großen Modell“, stimmt Oberkustos Wolf-Dieter Steinmetz die Besucher auf die Landesausstellung ein. Dieses Modell mit einer Projektion des Kampfgeschehens ist in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig entstanden – auf der Basis des Datenmaterials aus dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Denn aus welcher Richtung die Pfeile damals abgeschossen wurden, wo die Katapulte standen und wie weit die Geschosse flogen, das konnten die Wissenschaftler vor Ort exakt dokumentieren. Fest steht nun: Der Angriff kam von Norden. Um die 10 000 Legionäre, so vermuten Archäologen heute, waren auf dem Rückweg von einer großen „Schlacht am Moor“, wie es in historischen Quellen beschrieben steht. Ein gewaltiger Heereswurm aus hoch gerüsteten Soldaten und einem Tross,
Die drei Initialfunde vom Harzhorn: Hipposandale, Akt und Zügelaufhängung, 3. Jh. nach Christus.
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der sich wohl auf eine Länge von rund acht bis zehn Kilometer hinzog, schob sich zurück in Richtung Rhein. Der Trupp war vermutlich über den Ostharz durch die norddeutschen Moore und Sümpfe bis in die Altmark gezogen und hatte dabei ganze Landstriche der Magna Germania geplündert und verwüstet. Auf dem Rückmarsch zum Stützpunkt nach Mainz nahmen die siegreichen Römer den Weg über den Westharz und kamen so auch zum Harzhorn. Allerdings wollten sie mit ihrem schweren Gerät nicht schon wieder durch sumpfiges Gelände ziehen und entschieden sich deshalb für den trockeneren Weg über den Höhenzug. Doch in der Umgebung hatten sich die Germanen postiert, vermutlich waren mehrere Tausend von ihren Häuptlingen zusammengetrommelt worden. Offenbar aber hatten sie es nicht auf einen strategischen Sieg gegen das Römische Imperium abgesehen, sondern auf den Tross der Römer: Die Germanen warteten im Hinterhalt und wollten Beute machen. „Es war wohl eher ein Raubüberfall als eine Schlacht“, räumt Wolf-Dieter Steinmetz ein. Die Fundsituation jedenfalls spreche dafür: Bestandteile von Wagen, Pferdegeschirr, die Ausrichtung der Pfeilspitzen. Doch während sich die Germanen auf den Tross stürzten, formierten sich bereits die römischen Kampftruppen in der Ebene, kesselten die Plünderer ein und besiegten sie in einem erbitterten Kampf, der nicht länger als einen Vormittag gedauert haben dürfte. „Die Germanen scheiterten an ihrer Disziplinlosigkeit“, vermutet der Ur- und Frühgeschichtler Wolf-Dieter Steinmetz
Münze mit Bildnis des Maximinus Caesar, 3. Jh. nach Christus.
FOTOS: ANDrEAS GrEINEr-NAPP, CHrISTA S. FUCHS, C. COrDES
kommen Exponate aus rund 80 internationalen Museen und Sammlungen, zu den Prunkstücken gehören die Büsten des römischen Kaisers Severus Alexander aus der Glyptothek in München und die seines Nachfolgers, des ersten Soldatenkaisers Maximus Thrax aus den kapitolinischen Museen in Rom sowie 40 Objekte aus dem Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf mit germanischen Funden aus dem Thorsberger Moor.
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vom Braunschweigischen Landesmuseum. „Im Siegestaumel beim Plündern des Trosses ließen sie sich von den Römern provozieren. Von dem Moment an hatten sie allerdings verloren.“ Dass dieser Kampf besonders heftig gewesen sein muss, zeigen die vielen Sandalennägel im Boden, die die Römer im Gefecht mit den Germanen verloren haben. „Wir Archäologen nennen das auch die Spur der Sandalen“, sagt Steinmetz. „Denn nur bei starken Bewegungen, also im Kampf, konnten so viele Schuhe gleichzeitig kaputtgehen.“ Die Germanen trugen Ledersandalen ohne Beschläge und kämpften im bequemeren Lederwams. Damit waren sie zwar weitaus wendiger als die römischen Soldaten mit ihren Helmen, Kettenhemden und Schuppenpanzern, aber auch längst nicht so gut geschützt, erklärt der Ur- und Frühhistoriker. „Für die Sonderausstellung haben wir mit unseren Museumspädagogen eine Römerausrüstung nachgebaut, sie ist so schwer, damit würde ich nicht kämpfen wollen.“ Doch selbst in den norddeutschen Sumpfgebieten haben die Römer mit ihrem schweren Kriegsgerät Germanien bezwungen – wenn auch unter hohen Verlusten, davon berichtet sogar der antike Öffentlichkeitsarbeiter Herodian: „Eine große Zahl Männer fiel auf beiden Seiten, doch während viele Römer ihr Leben ließen, wurde fast die ganze barbarische Armee vernichtet ...“ Von Frieden jedenfalls war damals nicht die Rede. J
Infos zum Museum „roms vergessener Feldzug. Die Schlacht am Harzhorn“, ist vom 1. September 2013 bis 19. Januar 2014 im Braunschweigischen Landesmuseum zu sehen. öffnungszeiten: dienstags 10.00 bis 20.00 Uhr, mittwochs bis freitags 10.00 bis 18.00 Uhr. Geschlossen am 24., 25. und 31. Dezember. Eintritt: Erwachsene 10 Euro, ermäßigt 8 Euro, Kinder von sechs bis 16 Jahren 3 Euro, bis fünf Jahre kostenlos. Familienkarte 1 (zwei Erwachsene und drei Kinder bis 16) 20 Euro, Familienkarte 2 (1 Erwachsene und drei Kinder bis 16) 13 Euro. öffentliche Führungen sonnabends, sonntags und an Feiertagen um 11.00 und 14.00 Uhr, 1,5 Stunden, zuzüglich 4 Euro. Kontakt: Braunschweigisches Landesmuseum, Telefon 0531 12150. WWW.lanDesMUseUM-BraUnschWeiG.De
Der Ausstellungsbesuch lässt sich mit einer Besichtigung des Schlachtfeldes am Harzhorn verbinden. Informationen und Führungen über die Touristinformation Bad Gandersheim 05382 73700. Mehr dazu auch unter WWW.roeMerschlachtaMharZhorn.De
KArIN Dz I O N A rA
www.bistumsjubilaeum-hildesheim.de
„Hier spielt für uns die Musik ! "
Endlich zuhause! Für die musikbegeisterte Familie ist Wolfenbüttel der Lebensmittelpunkt. Papa Stefan ist hier geboren, aufgewachsen und hat eine Familie gegründet. Mama Carmen liebt die Liveauftritte von Papas Band Funhouse, Sohn Lucas spielt Schlagzeug und Tochter Luisa besucht mit Begeisterung die Ballettschule Wolfenbüttel. Zahlreiche Einrichtungen fördern den Nachwuchs und sorgen dafür, dass jeder Musikstil in Wolfenbüttel zuhause ist.
www.wolfenbuettel.de
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r e d je l h o w t n n e k e Diese Sprüch Die Bibel prägt unsere Alltagsprache, ohne dass uns das immer bewusst ist. Denn eine Menge Sprichwörter und Redensarten, die wir ganz selbstverständlich im Gespräch verwenden, stammen ursprünglich aus der Heiligen Schrift – hier ein paar besonders berühmte Beispiele.
„Von Pontius zu Pilatus gehen“ „Hochmut kommt vor dem Fall“ „Wer anderen eine Grube Das sagen wir gern, wenn wir mit unDieses Zitat stammt aus dem Buch der gräbt, fällt selbst hinein“ serem Anliegen von einer zur anderen Stelle geschickt werden, weil sich niemand für uns zuständig fühlt. Der Ursprung der Redensart findet sich im Lukas-Evangelium. In Kapitel 23 wird berichtet, wie Jesus der Prozess gemacht wird. Dabei schickt der Statthalter Pontius Pilatus den Angeklagten Jesus zu Herodes, weil er zunächst keinen Grund sieht, ihn zu verurteilen. Doch Herodes fühlt sich nicht zuständig und schickt Jesus erneut zu Pilatus.
FOTOS: Fotolia.com: katia25; Picture-alliance (Cartoons)
„Der Glaube versetzt Berge“ Wer vor einer Herausforderung steht, macht sich vielleicht Mut, indem er sich sagt „Ich schaffe das“ oder „Ich kann das“. Ist der Erfolg eingetreten, passt das Sprichwort vom Glauben an die eigene Stärke, der Berge versetzen kann. Christen erklären sich einen Erfolg aber nicht allein damit, dass sie von ihren Fähigkeiten überzeugt waren und diese im entscheidenden Augenblick abrufen konnten. Sie glauben, dass Gott ihnen geholfen hat, die Herausforderung zu meistern. Die Quelle des Sprichwortes ist das MatthäusEvangelium (Kapitel 21).
Sprüche Salomos (Kapitel 16), das im Alten Testament enthalten ist. Damit soll ausgedrückt werden: Wer sich seiner Sache zu sicher ist, wer sich aus Arroganz selbst überschätzt, wird scheitern.
„Im Dunkeln tappen“ Wenn wir die Lösung eines Problems noch nicht gefunden haben, tappen wir sprichwörtlich im Dunkeln. Das biblische Original aus dem Buch Deuteronium (Kapitel 28) des Alten Testaments lautet so: „Am hellen Mittag tappst du im Dunkel wie ein Blinder. Deine Wege führen nicht zum Erfolg. Dein Leben lang wirst du ausgebeutet und ausgeraubt und niemand hilft dir.“
„Aus allen Wolken fallen“ Wenn wir – in der Regel böse – überrascht werden, wenn etwas eintritt, mit dem wir überhaupt nicht gerechnet haben, dann kommt uns diese Bemerkung über die Lippen. Die Redewendung geht wahrscheinlich zurück auf das alttestamentliche Buch des Propheten Jesaja, in dem vom „aus dem Himmel fallen“ die Rede ist (Kapitel 14).
Mit diesem Sprichwort ist gemeint: Das Schlechte, das man anderen antun möchte, wird einem selbst passieren. Es findet sich ebenfalls im Buch der Sprüche Salomos (Kapitel 26). Dort heißt es: „Wer eine Grube gräbt, fällt selbst hinein, wer einen Stein hochwälzt, auf den rollt er zurück. Eine verlogene Zunge führt zum Zusammenbruch, ein heuchlerischer Mund verursacht den Sturz.“
„Perlen vor die Säue werfen“ Erhält jemand etwas Wertvolles, ohne das zu schätzen zu wissen, sprechen wir umgangssprachlich davon, Perlen vor die Säue zu werfen. Ihre Popularität verdankt die Redewendung der Bibelübersetzung Martin Luthers. Dort steht im Matthäus-Evangelium (Kapitel 7) des Neuen Testaments: „Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben, und eure Perlen nicht vor die Säue werfen, auf dass sie dieselben nicht zertreten mit ihren Füßen und sich wenden und J euch zerreißen.“ volke r rö pke
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Gesehen, gelesen, gehört
Literatur Stephanie Schneider Der kleine Streitberater
Ra tgeb er
Streit kommt in den besten Familien vor, kein Grund also, extra die Außenfassade doppelt zu dämmen oder sich im Supermarkt beim Streit um die richtige Käsesorte hinter der Kühltheke zu verkriechen. Mit dieser Erkenntnis beginnt dieser unterhaltsame und zugleich informative Elternratgeber von Stephanie Schneider. Es gelingt der Autorin, in kurzen Kapiteln in lockerer, verständlicher Sprache und mit viel Humor die wesentlichen Aspekte von Auseinandersetzungen und ihren Auswirkungen auf die Familie und ihre Mitglieder zu skizzieren. Ihre knappen Anregungen oder auch nur Anstöße zum Nachdenken verschaffen den Lesern Aha-Erlebnisse oder das Gefühl, richtig zu liegen. Die pfiffigen Illustrationen von Kai Pannen sorgen in Momenten der Anspannung, weil man sich selbst wiedererkennt, für die nötige Entspannung und das erlösende Lachen. Eine wundervolle Idee, einen Elternratgeber so aufzubereiten. 2013, Kösel, 9,99 €
Alexandra Kuitkowski Die Welt ist eine Scheibe Von oben betrachtet hat Rache eine ganz andere Perspektive. Wiebke sitzt auf einem Baum und schaut auf alles herab, auf das Feuer, das sie selbst gelegt hat, auf die Welt, auf ihre Welt, in die sie seit ihrer Geburt gehört. Nun rechnet sie mit ihr ab, mit allem, mit der Spießigkeit, den Enttäuschungen, den unerfüllten Erwartungen. Die Welt, ihre Welt ist eine Scheibe. Manche schaffen den Absprung und manche bleiben, so wie ihre Mutter, kleben an alten Gewohnheiten, am alten Leben. Wiebke steht am Rand und schafft den Absprung nicht. – Das Buch ist ein Schauprozess, in dem die Protagonistin mit sich und ihrem Umfeld ins Gericht geht. Eingängig, melancholisch mit besonderem Sprachstil erzählt Alexandra Kuitkowski von der inneren Zerrissenheit eines jungen Menschen, der mehr will, als er scheinbar erreichen kann. Und wer ist schuld? Ein Buch zum Nachdenken, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Sehr lesenswert. 2013, Hoffmann und Campe, 17,99 € Ro man
Der Borromäusverein e.V. aus Bonn unterstützt uns bei der Bücherempfehlung. Weitere Informationen: www.BORROMAEUSVEREIN.de
Hörbuch Rafik Schami Das Herz der Puppe Nina kann so wie alle Kinder mit Puppen reden. So erstaunt es nicht, dass sie Widu auf dem Flohmarkt in der untersten Kiste hören kann. Widu ist eine besondere Puppe, die Ängste wegsaugen kann. Da sie schon so lange lebt, weiß sie oft Rat und gibt Nina manchen Tipp im Umgang mit Erwachsenen. Doch auch Nina ist für Widu eine ganz besondere Puppenmama. Zum ersten Mal in ihrem Dasein verspürt sie Sehnsucht nach einem Kind und sogar Eifersucht, wenn Nina mit anderen Puppen spielt. Sie wünscht sich so zu sein wie ein Mensch und dafür braucht sie ein Herz. Eine sehr nachdenkliche Geschichte über das Kindsein, das Erwachsenwerden und die Sehnsucht nach Geborgenheit und Kameraden im Leben. Für Kinder erzählt und aufbereitet. Sehr zu empfehlen. 2012, Hörcompany, 2 Audio-CDs, 14,95 €
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Erlebenswert
Das Landesjugendblasorchester spielt in Goslar, Ute Lemper tritt in Peine auf.
Musik
FOTOs: Jörg Scheibe; Musiktage
Niedersächsische Musiktage Konzert-Ausflüge im Braunschweiger Land und im Harz Das Thema Freundschaft beschäftigt Philosophen und Dichter seit der Antike. Aristoteles sprach euphorisch von „einer Seele in zwei Körpern“, Cicero lobte die Balance – „Freundschaft macht das Glück strahlender und erleichtert das Unglück“, Simone Weil, die französische Philosophin, gläubige Katholikin und moderne Mystikerin des 20. Jahrhunderts, erkannte noch etwas anderes: „Lerne allein zu sein, und sei es auch nur, um wahre Freundschaft zu vedienen.“ Freundschaft hat viele Facetten, private Begegnungen, persönliche Erfahrungen, Nähe, Halt, Verlässlichkeit – mitunter sogar Enttäuschungen, doch Freundschaft muss auch belastbar sein. Die 27. Niedersächsischen Musiktage nähern sich diesem komplexen Phänomen mit Konzerten an ungewöhnlichen Orten – und auf ungewohnten Wegen: Selbst eine Wanderung oder eine Radtour kann zu einem Konzertereignis unter (Musik-)Freunden werden. „Big Bands, Big Friends“ heißt der musikalische Parcours, der am 14. September, 15 Uhr, an der Tourist-Information im Kurpark von Bad Sachsa startet und rund sechs Kilometer in die Umgebung führt. Auf dem Weg begegnen die Konzert-Pilger verschiedenen Big Bands, Chören und Musikzügen aus der Region, es gibt ein Lunchpaket, im Anschluss wird gemeinsam gegrillt. Eine rund 20 Kilometer lange Radtour unter dem Leitmotiv „Unterwegs mit Freunden“ führt am 15. September zu verschiedenen Stationen. In Kirchen, Schlössern und auf Rittergütern werden die Radler mit barocken Klängen von der
Hamburger Ratsmusik und mit Folksongs von Finnegan´s Five empfangen. Treffpunkt: um 14 Uhr am Bahnhof Schandelah. Die Freiluftmusik „Ritual“ von Georg Friedrich Haas, eine Komposition aus dem Jahr 2004 für mehrere Blaskapellen, 12 Trommeln und Kirchenglocken, ereignet sich am 22. September auf dem „Blauen Haufen“ oberhalb von Goslar. Dort trifft das Landesjugendblasorchester auf Blasmusiker aus Goslars Partnerstädten. Der landschaftlich reizvolle Spielort lässt sich über eine gut ein Kilometer lange, leichte Steigung vom Fuß des Rammelsbergs aus erwandern. Für den Weg sollte man etwa 30 Minuten einplanen, gespielt wird ab 15 Uhr – bei freiem Eintritt. Für Freunde klassischer Formate steht am 21. September, 20 Uhr, im Wolfsburger „Phaeno“ ein Konzert mit Arbeiten des Meisterregisseurs und seines Lieblinskomponisten auf dem Programm: „Fellini und Rota – eine Künstlerfreundschaft“. Und am 2. Oktober, 20 Uhr, kommt Ute Lemper ins Stadttheater Peine – „Beste Freunde“ ist ein Abend der Diven mit Songs von Marlene Dietrich und ihren Freundinnen Hildegard Knef und Edith Piaf. J ka rin d z ionar a
Informationen und Karten unter www.musiktage.de und Telefon 0800 45665400.
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Termine
offener schwangeren- und Babytreff Jeden Donnerstag 9.00 bis 11.00 Uhr Das Angebot des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) richtet sich an Eltern und werdende Eltern im westlichen ringgebiet Braunschweigs. Der Treff soll dem Erfahrungsaustausch und dem Kennenlernen dienen. Außerdem gibt es kostenlose und vertrauliche Beratung rund um die Themen Schwangerschaft, Geburt und Erziehung. Darüber hinaus veranstaltet der SkF jeden ersten Mittwoch im Monat von 9.00 bis 11.00 Uhr ein offenes Elterncafé und jeden ersten Donnerstag im Monat von 15.00 bis 16.30 Uhr ein offenes Elterncafé für Berufstätige. Die Angebote stehen jedem, unabhängig von Herkunft und religion, offen. Ort: Goslarsche Straße 7. Weitere Infos unter Telefon 0531 3800837 und im Internet: WWW.skf-BraUnschWeiG.De
schulung für ehrenamtliche Ab 27./28 September Sie sind verschwiegen und haben ein offenes Ohr für die Sorgen anderer: die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Mobbing-Hotline. Doch es werden weniger. Deshalb suchen der Caritasverband Braunschweig, die Katholische Arbeitnehmerseelsorge Braunschweig und der Deutsche Gewerkschaftsbund, region Südostniedersachsen, als Betreiber des Gesprächsangebots Menschen, die über Berufs- und Lebenserfahrung verfügen. Wer sich engagieren möchte, wird in drei Wochenend-Schulungen fachlich und psychologisch auf seine Aufgabe vorbereitet. Die Termine sind 27./28. September in Osterwieck sowie 25./26. Oktober und 1./2. November jeweils in Braunschweig. Infos und Anmeldung bei Arbeitnehmer-Seelsorger Otwin Paluch: Telefon 0531 3800827, E-Mail: otwinpaluch@kas-bs.de, WWW.kas-Bs.De
Impressum Jes . Das katholische Magazin für Braunschweig WWW.Jes-BraUnschWeiG.De Verlag Bernward Medien GmbH, Domhof 24, 31134 Hildesheim Verantwortlich für den Inhalt: Matthias Bode, Domhof 24, 31134 Hildesheim Redaktion Volker röpke, Propsteipfarramt St. Aegidien, Spohrplatz 9, 38100 Braunschweig, Telefon 0531 24490-25, info@jes-braunschweig.de, Mitarbeiter dieser Ausgabe: Karin Dzionara, Silke Städing, Andreas Kaiser Gestaltung Bettina Höhne, Bernward Medien GmbH Anzeigen Mirco Weiss (verantwortlich), Domhof 24, 31134 Hildesheim, Telefon 05121 307-858 Druck Westermann Druck GmbH, Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig Monatlicher Preis 1,50, für Mitglieder der Kath. Kirchengemeinden Braunschweigs kostenlos
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du musst dich leicht machen sagt dein sohn auf der spielplatzwippe nachdem er dich überredet hat mit ihm zu schaukeln. du spürst dein gewicht den alltag den trott die gewohnheit deine enttäuschten hoffnungen. du schaust ihn an wie er strahlt wie unbelastet er ist wie er platzt vor Unternehmungslust. alles verliert an Gewicht und er sagt dass du ein klasse schaukler bist. anne steinwart
Familie schaffen wir nur gemeinsam.
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