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Brauereilehrpfad
www.visitjihlava.eu
Säule mit dem Mälzersymbol – der Limpe. Pestsäule mit Pietà und der Ausblick auf die Stadt
Verehrte Besucher, Sie begeben sich auf eine Wanderung entlang des Brauereilehrpfads. Dieser Lehrpfad vermittelt die Geschichte der königlichen Bergstadt Iglau und zugleich auch die Geschichte eines alten Gewerbes – der Mälzerei und brauberechtigten Bierherstellung. Es gibt viele Städte, wo diese Symbiose jahrhundertelang währte, es gibt nur wenige Städte (zu denen auch Iglau und das Brauhaus „Pivovar Jihlava“ zählen), wo diese Kontinuität bis in die Gegenwart erhalten blieb. Generationen von Menschen, deren Schicksale, Erfolge und Niederlagen, Bemühungen und Anstrengungen, Freuden und Leiden. Dies alles können Sie während der Wanderung kennen lernen und nostalgische alte Zeiten mit ihrer herrlichen Atmosphäre hervorrufen, von denen man träumen und die man gerne genießen möchte. Malerische Stadtwinkel, kleine Brauereien, Malzhäuser und brauberechtigte Häuser, Gaststätten mit deren unwiederholbarem Ambiente, wo es nach Tabak, Bier und Schnaps roch. Das alte Iglau kann in vieler Hinsicht als Vorbild dienen. Beispielsweise durch sein Berggesetz, das während des Silberbergbaus und mehrere Jahrhunderte danach angewendet wurde. Erwähnenswert ist auch das Zusammenleben von Deutschen und Tschechen. Die Stadt besitzt sakrale Kunstschätze, die von der Tätigkeit der Dominikaner, Prämonstratenser, Minoriten, Jesuiten und Protestanten zeugen. Es gibt hier auch genügend Andenken an die brauberechtigte Bierherstellung. Neben den bereits erwähnten brauberechtigten Häusern, Brauereien und Gaststätten sind es beispielsweise der Mälzeraltar und die Grabsteine unter dem Fußboden der St. Jakobskirche oder diverse Archivalien und Dokumente, z.B. reich illustrierte Zunftbücher. Das Bier begleitet die Menschheit nahezu zehn tausend Jahre lang. Die meiste Zeit war es auch geläufiger und wichtiger Bestandteil der menschlichen Nahrung. Es gibt insgesamt an die 150 verschiedene Biersorten. Die Geschichte des Iglauer Brauwesens spielt dabei eine bedeutende Rolle, was beispielsweise die Abhandlung Tadeáš Hájeks von Hájek aus dem Jahr 1585 dokumentiert. Iglau hatte auch einige spezifische Biersorten: Märzbier, Altbier und Grandbier. Die Biertradition ist jedoch nicht von der Geschichte der Stadt und ihres Lebens zu trennen. Deshalb haben wir auch historische Ereignisse und Schicksale der Stadtbürger in unsere Darlegungen einfließen lassen. Die Geschichte eines Gewerbezweiges und einer Stadt kann im Rahmen eines Lehrpfads nicht ausführlich behandelt werden. Wenn Sie ihn jedoch als Kostprobe betrachten und wenn er Ihr Interesse für weitere Informationen erweckt, dann erfüllt er den Zweck, den sich dessen Gestalter vorgenommen haben. An dieser Stelle sei allen gedankt, die sich an der Vorbereitung und Umsetzung des Lehrpfads monatelang beteiligten. Ich bin stolz darauf, dass die Statutarstadt Iglau und das Brauhaus „Pivovar Jihlava“ Partner in diesem Projekt waren. Eine Danksagung geht auch an das Regionalmuseum „Muzeum Vysočiny Jihlava“, konkret an Radim Gonda, für die historischen Recherchen und die Verfassung des begleitenden Textteils. Gott gebe Glück und Segen! Eine spannende Wanderung entlang des Brauereilehrpfads wüschst Ihnen Jaromír Kalina, Bierbrauer und Leiters des Brauhauses „Pivovar Jihlava“
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Pestsäule mit Pietà, Detail
Pestsäule mit Pietà Hopfenanbau Von der Pestsäule mit Pietà öffnet sich der Ausblick auf die gut erhaltene Befestigungsanlage der Stadt Iglau. Obwohl sich die Iglauer Bierbrauerei hauptsächlich innerhalb der Stadtmauern entwickelte, musste sie über ein breiteres Umfeld verfügen, das die Bierbrauer mit den notwendigen Rohstoffen versorgte. Zu den wichtigsten Rohstoffen gehörte der Hopfen, der früher zum lokalen Verbrauch an vielen Orten der Böhmisch-Mährischen Höhe angebaut wurde. Bis vor Kurzem wurde anhand der schriftlichen Quellen aus dem 18. Jahrhundert angenommen, dass sich der nächstgelegene Hopfengarten in der Gemeinde Ranzern befand, die zum Iglauer Herrschaftsgut gehörte. Der Hopfen wurde beispielsweise auch in Pirnitz, in der Umgebung von Telč oder Měřín angebaut. Die neuen Feststellungen berufen sich auf einen Eintrag in den Archivquellen und beweisen, dass der Hopfenanbau in der frühen Neuzeit direkt in Iglau betrieben wurde. In der Rechtsverfügung, die 1746 in die Stadtbücher eingetragen wurde, übernehmen die Erben das Vermögen des Iglauer Bürgers und Mälzers Johann Anselm Neumann. Dessen Tochter Anna Francisca, verheiratete Österreicher, erwarb die Mälzerei mit dem brauberechtigten Haus. Der gleichnamige Sohn des Verstorbenen erbte den Hopfengarten, der sich „vor dem Pirnitzer Tor“ erstreckte. Dieses Tor bewachte die Einfahrt in die Stadt und befand sich an der Stelle der jetzigen Ampelkreuzung der Straßen Znojemská, Brněnská und Hradební. Der Hopfengarten, der geerbt wurde, lag also südlich vom Pirnitzer Tor, im abfälligen Gelände der ersten Station des Brauereilehrpfads.
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2 In Iglau steht auch eine Säule, die manchmal als Mälzersäule bezeichnet wurde. Deren Kapitel ziert nämlich die Limpe – ein Streichholz, das zum Herabstreichen der Hefedecke nach dem Gärprozess und zum Malzverteilen diente. Die Säule befindet sich an der Kreuzung der Straßen Křižíkova und Dlouhá stezka.
Ehemalige Malzschrotmühle Malzursprung Die Iglauer Mälzerzunft besaß die notwendigen Räumlichkeiten und Ausstattungen zur Bierherstellung, einschließlich der Gerstenmalzmühle, die sich unweit vor dem einstigen Böhmischen Tor befand. Die Rohstoffe für die Bierherstellung stammten meistens aus lokalen Ressourcen. Es handelte sich insbesondere um die Gerste, die auf der Böhmisch-Mährischen Höhe angebaut wurde. Iglau konnte dabei die Ressourcen aus den Dörfern nutzen, die zum Iglauer Herrschaftsgut gehörten, die Stadt mit den notwendigen Feldfrüchten versorgten und zugleich den Absatzmarkt für die Produkte der Iglauer Bierbrauer darstellten. Die Gerste wurde auch aus den Regionen Třebíč und Jaroměřice in die Iglauer Mälzereien und die Schrotmühle angeliefert. In der Biegung der jetzigen Čajkovského-Straße stand im Mittelalter und der frühen Neuzeit der sogenannte Henkerturm, nach dem benachbarten Henkerhaus benannt. Unmittelbar daneben, ungefähr an der Stelle des Hauses Nr. 9, befand sich das Dirnenhaus. Im Adressbuch aus dem Jahre 1834 ist die Schrotmühle am Brünner Tor angeführt
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Ein Mälzer auf dem Stich von Jost Amman aus dem Jahre 1586
3 Ehemaliges Brauhaus in der Brněnská-Straße Das Braurecht Der süßliche Geruch des gebrauten Biers breitete sich aus der kleinen Bierbrauerei bereits zu dem Zeitpunkt aus, als die Stadt im 15. Jahrhundert von den Hussiten belagert wurde. Der älteste bekannte Besitzer dieses Brauhauses war in den Jahren 1425–1438 der Bürger Muckenprunner. Das Braurecht wurde streng geregelt und überwacht. Ursprünglich konnte jeder Bürger, der ein Haus innerhalb der Stadtmauern besaß, Bier brauen. Nach und nach wurde das Braurecht auf vermögende Bürger beschränkt, die am Hauptplatz und in den umliegenden Hauptstraßen lebten. Diese brauberechtigten Häuser hatten das Recht, in einem der städtischen Brauhäusern Bier zu brauen. Im 18. Jahrhundert konnte der Mälzer dreibis viermal pro Jahr ein Gebräu von 80 Eimern (ca. 44,8 hl) herstellen. Das hergestellte Bier wurde von den Bierverlegern in ihren Häusern verkauft. Im Laufe der Zeit wurde der Bierverkauf in zahlreiche Iglauer Gasthäuser verlagert. Die Anzahl der brauberechtigten Häuser stabilisierte sich im Jahre 1748, unter der Regierung der Kaiserin Maria Theresia, auf 123. Durch die Gegenüberstellung der Ausgaben und Einnahmen aus dem Jahre 1728 weiß man, dass der Reingewinn aus der Brautätigkeit in diesem Zeitraum bis zu 25% betrug. Die Gewinnhöhe bezeugt auch der Verkaufswert der brauberechtigten Häuser. Am Ende des 18. Jahrhunderts kostete ein brauberechtigtes Haus in Iglau sechs bis acht tausend Gulden. Das Braurecht selbst wurde auf vier tausend Gulden geschätzt und ergab pro Jahr 320 Gulden. Für den Besitzer des Braurechts war es also eine sehr günstige Geldanlage.
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4 Die St. Jakobskirche Der Mälzeraltar Die Mälzerzunft demonstrierte ihre gesellschaftliche Stellung durch die Finanzierung der Kunstwerke in der Pfarrkirche des hl. Jakob des Älteren. Der sogenannte Mälzeraltar, errichtet 1513, war reich vergoldet und mit aufwändigen liturgischen Gegenständen ausgestattet. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde sein Altarbild vom bedeutendsten Iglauer Maler Wenzel Heinrich Nosetzky gefertigt. 1728 bezahlte die Mälzerzunft ein weiteres Bild, auf dem die Kreuzigung Christi dargestellt wurde. 1752 wurde von der Mälzerzunft die Ausschmückung für den St. Thekla-Altar bezahlt. Die Plastiken am Altar wurden vom örtlichen Bildhauer Wenzel Kovanda geschaffen, das Altarbild malte der Brünner Künstler Josef Rotter. Außerdem ließ die Mälzerzunft 1706 ein bemaltes Banner aus rotem Damast fertigen. Die Mälzer und Bierverleger wollten ihren Reichtum nicht nur während ihres Lebens, sondern auch nach ihrem Tode zur Schau stellen. 2008 wurden in der St. Jakobskirche Dutzende Grabsteine freigelegt. Zahlreiche Grabsteine wurden den Personen gewidmet, die sich in der Vergangenheit mit dem Bierbrauen beschäftigten. Die Inschrift auf einem Grabstein besagt: „DAS SEHNLICH WÜNSCHEN ZU ERFÜLLEN RUHT HIER GEMÄßß DEM LETZTEN WILLEN NÄCHST MARIA HÜLFF IN ZUVERSICHT DAßß AN DEM LETZTEN WELTGERICHT WERD NEÜERLEBET AUFERSTEHEN UND FROCH ZUR RECHTEN SEITEN GEHEN DER WOHLACHTBARE HERR FRANTZ JOSEPH POLLÄY BURGERLICHER BIERVERLEGER KAUF UND HANDELSMANN ALLHIER SO GEBOHREN DEN 14. HERBST MONATH 1731 UND GESTORBEN DEN 19 CHRISTMONATH 1770.
St. Thekla-Altar
Joseph-Polläy-Grabstein
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Sieg des Generals Laudon bei Schweidnitz
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Aufhebung des Jesuitenordens Illumination aus dem Mälzerbuch
Ehemaliges Brauhaus in der jetzigen Straße U Mincovny Die Mälzerzunft Bis zum ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde das Bier auch im Haus Nr. 3 in der damaligen Kleinen Pfarrgasse gebraut. Das brauberechtigte Haus sowie den Anteil an der hiesigen Bierbrauerei besaß im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts auch der Maler Wenzel Heinrich Nosetzky, der sich neben der Malerei, die ihm Ruhm einbrachte, auch mit der Mälzerei beschäftigte. Die Mälzerzunft ist in Iglau zwar erst durch die Satzung braseatorum aus dem Jahre 1531 belegt, mit Sicherheit war sie hier schon früher tätig. Das Bier wurde bereits im 13. Jahrhundert in der Stadt gebraut. Der älteste schriftliche Beleg über die Iglauer Mälzerei befindet sich im Stadtbuch aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die Achtung, die die Iglauer Mälzer ihrer Zunft entgegenbrachten, beweist auch die Aufmerksamkeit, die sie ihren Zunftbüchern widmeten. Die Eintragungen in den Rechnungsbüchern aus dem 18. Jahrhundert sind mit Illuminationen eingeleitet, die verschiedene Allegorien, bedeutende politische Ereignisse, Herrscherwechsel oder Feldzüge festhielten. Es handelt sich beispielsweise um die Darstellung der Kaiserin Maria Theresia vor ihrer Thronbesteigung oder des bekannten Artilleriegenerals und kommandierenden Generals in den böhmischen Ländern Ernst Gideon von Laudon im Jahre 1761 (während des Siebenjährigen Krieges) bei der Eroberung der schlesischen Stadt Schweidnitz (Swiednice). Ein anderes wichtiges Ereignis ist die Aufhebung des Jesuitenordens durch den Papst Clemens XIV. im Jahre 1773. Die lateinische Inschrift im Mälzerbuch besagt: Vernichtet, zerstört, tot ist die Gesellschaft Jesu.“
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Das Gasthaus „Zum goldenen Löwen“ am Ende des 19. Jahrhunderts
Ehemaliges Gasthaus „Zum goldenen Löwen“ Die Wurzeln des Iglauer Gaststättenwesens Das einstige Gasthaus „Zum goldenen Löwen“ hatte von 1796 bis 1945 seinen Sitz im Haus Nr. 16. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Gastgewerbe im Haus Nr. 14 betrieben, das weiter oben am Marktplatz lag. Beweis dafür ist das mächtige Steinportal mit dem Relief des Löwenkopfes. Unter diesem Hauszeichen wird das Haus bereits 1402 erwähnt. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts wird als ältester bekannter Hausbesitzer der „Gastgeb“ Georg von Počátky angeführt. Nach der Auflassung des im oberen Hauptplatzbereich stehenden Stubik-Gasthauses, das 1626 zur Jesuitenkirche umgebaut und später durch die St. Ignazkirche ersetzt wurde, wurde das Gasthaus Zum goldenen Löwen zum bedeutendsten Gastbetrieb Iglaus. Es wurden hier hochrangige Persönlichkeiten untergebracht, beispielsweise die Kommandanten der durch Iglau ziehenden Heerestruppen. Eine der hochkarätigen Persönlichkeiten, die hier Unterkunft und somit Eingang in die Geschichte und Sagen Iglaus fanden, war der Oberst Samuel Österling – Kommandant der schwedischen Besatzung in den Jahren 1645–47. Nach dem Abmarsch der Schweden wurden hier Österlings Gegner, der österreichische General Puchheim, und der bekannte Verteidiger von Brünn, General Raduit de Souches, untergebracht. Bei der Renovierung des Gebäudes im Jahre 2012 wurden hier Papierfetzen gefunden, darunter auch ein einzigartiges Dokument, die schriftliche Konzession für das Bierbrauen, die 1740 dem Bürger Johann Georg Siegel erteilt wurde. Es handelt sich um die Anwendung des „reihum“ ausgeübten Braurechts in einem der städtischen Brauhäuser.
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Passage aus Hájeks Schrift mit der Erwähnung des Iglauer Biers
Ehemaliges Malzhaus Ehemaliges Malzhaus Die älteste Abbildung des Hauses Nr. 3 in der Engen Gasse befindet sich in der Indikationsskizze aus dem Jahre 1835, worauf es als Malzhaus (Mälzhaus) bezeichnet wird. Es handelte sich ursprünglich um eine frühbarocke Mälzerei, die zum Haus Nr. 2 in der Brünner Gasse gehörte. Später im 19. Jahrhundert diente das Gebäude als Lagerhaus des jüdischen Getreidehändlers Aron Grünfeld. Das romantische Ambiente der Engen Gasse wird durch die Schwibbögen verstärkt, die die gegenüberliegenden Häuser verbinden. Der Brauprozess bestand wesentlich aus drei Grundverfahren: der Malzherstellung in den Mälzereien, wofür die Mälzer zuständig waren, dem Mahlen des aufgekeimten Malzes in der Schroterei, was von den Bierschrötern durchgeführt wurde und dem eigentlichen Bierbrauen, das die Domäne der Bierbrauer war. Zur Bierherstellung wurde meistens die Gerste eingesetzt, die zuerst geweicht und danach auf der Tenne verteilt wurde, wo sie keimen und entsprechende Enzyme bilden konnte. Anschließend wurde der Keimprozess durch das Trocknen – das Darren abgebrochen. Dabei wurden der Zuckergehalt im Malz sowie die Bierfarbe beeinflusst. Die Herstellung des Iglauer Biers wurde auch in der ersten Brauanleitung in den böhmischen Ländern unter dem Titel „Über das Bier, dessen Herstellungsweisen, Grundstoffe, Kräfte und Wirkungen“ erwähnt, die 1585 vom Naturwissenschaftler Tadeáš Hájek von Hájek auf Latein verfasst wurde. In dieser Schrift wird Iglau im Zusammenhang mit dem sogenannten Märzbier angeführt. Dies wurde im Frühjahr aus dem Gerstenmalz gebraut und soll heilende Wirkungen gehabt haben.
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8 Ehemaliges Gasthaus „Zum goldenen Stern“ Gesellschaftliches Leben Johann, von Beruf Parlier oder Baumeister, war im Jahre 1423 Besitzer eines Hauses, das einige Jahrhunderte später zu einem der namhaften Gastbetriebe Iglaus wurde. Die Iglauer Gasthäuser, einschließlich des „Goldenen Sterns“, wurden von bedeutenden Persönlichkeiten besucht. Hier spielte sich das gesellschaftliche Leben ab, hier wurden die Sitzungen der Zünfte und Versammlungen der Gesellen abgehalten. Und wenn der berauschende Trank den Gästen in den Kopf stieg, konnte es rasch zu Auseinandersetzungen kommen. Manchmal auch unter Vorspiegelung vorgesehener Kulturveranstaltungen. Ein solcher Streit wurde am 27. 12. 1660 im Gasthaus Zum goldenen Stern ausgetragen. An diesem Tag kamen die in der Stadt stationierten Soldaten zum Gastwirt Paul Pindtermichel mit der Bitte um Erlaubnis zur Veranstaltung eines Lustspiels in seinem Gasthaus. Sie wurden mit der Begründung abgelehnt, dass nach alljährlichem Brauch hier zu dieser Zeit die Versammlung der Iglauer Bäcker stattfindet. Die Soldaten wollten sich ihr Vorhaben nicht ausreden lassen, stürzten hinein und begannen eine Schlägerei mit den tagenden Bäckermeistern und Gesellen. Erst die herbeigerufene Stadtwache setzte der Ausschreitung ein Ende und führte die „kulturliebenden“ Militärs ab. Das Hotel „Zum goldenen Stern“ ist auch in die neuzeitliche Geschichte eingegangen. Am 6. Oktober 1992 erfolgte hier eine der wichtigsten Verhandlungen zwischen der tschechischen und slowakischen Regierung, an der Spitze mit V. Klaus und V. Mečiar, welche die Trennung der Tschechoslowakei zur Folge hatte. Gasthaus auf dem Foto vom Ende des 19. Jahrhunderts
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9 Das Gasthaus „Zu den drei Fürsten“ Überregionales Bindeglied Das Gasthaus hieß seit dem 16. Jahrhundert „Zum wilden Mann“. 1825 erhielt es einen vornehmeren Namen: „Zu den drei Fürsten“, wohl als Verweis auf den Aufenthalt des Kommandanten des 1. Armeekorps der napoleonischen Großen Armee, Marschalls Bernadotte, im Jahre 1805, die Unterbringung seines Gegners, des österreichischen Erzfürsten Ferdinand, der Bernadotte in der Schlacht bei Stecken besiegte, beziehungsweise den Iglauer Aufenthalt des sächsischen Königs im Jahre 1815. Das Gasthaus hatte bewegte Schicksale. Im 15. Jahrhundert war es im Besitz der aus Schlesien stammenden Patrizierfamilie Lidl und ab 1540 gehörte es Johann Freisleben, dem mutmaßlichen Bruder des Iglauer humanistischen Lehrers Leonhard Freisleben. Nach dem damaligen verheerenden Brand wurde das Gasthaus im Renaissancestil neu erbaut. Das Gebäude diente nicht nur als Gasthaus. 1585 wurde hier der Landtag der Markgrafschaft Mähren abgehalten. In den Jahren 1592–1602 befand sich das Haus im Besitz der Tuchmacherzunft, ihren Sitz hatte hier die sog. Tuchmachercompanie, deren Tätigkeit den Höhepunkt der zunftmäßig organisierten Tuchherstellung und zugleich den Versuch einer höheren Produktions- und Absatzform darstellte. Nach der Schlacht am Weißen Berg wurde das Gasthaus im Zuge der Rekatholisierung vom königlichen Richter Heidler von Bukau konfisziert. Im 19. Jahrhundert wurden hier bedeutende Feste, Konzerte und Bälle veranstaltet. In den Jahren 1825–1850 fanden hier Theatervorstellungen des Iglauer Theaterensembles statt. Das Gasthaus „Zu den drei Fürsten/ am Ende des 19. Jahrhunderts
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10 Ehemaliges Brauhaus in der Palackého-Straße Reichtum und Konflikte Die Besitzer der im nordwestlichen Stadtbereich stehenden brauberechtigten Häuser gehörten zum Brauhaus, das sich an der Stelle des Hauses Nr. 19 in der Palackého-Straße befand. Die historische Kontinuität der Bierherstellung reicht hier weit in die Vergangenheit zurück. Das Brauhaus war hier vom 15. Jahrhundert bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Betrieb. Der älteste bekannte Brauhausbesitzer war im Jahre 1425 Johann Rudl. Die Mälzer, die zu den reichsten Stadteinwohnern gehörten, wurden zusammen mit den Bergbauunternehmern und Kaufleuten zur wichtigsten Sozialgruppe in der Stadt – der herrschenden Patrizierschicht, die den Stadtrat voll unter Kontrolle hatte. Diese Kontrolle wurde zugunsten der Patrizier durchgeführt, was den Widerstand der Handwerker und der armen Schichten hervorrief. Infolgedessen kam es in den 1620er- Jahren zu großen sozialen Unruhen in Iglau. Nicht einmal der Gesandte König Ludwigs Jagiello, Žibřid von Bobolusk, der die Patrizier begünstigte, vermochte die Zwistigkeiten beizulegen und die protestierenden Bürger haben an den vor dem Rathaus stehenden Pranger ein Herrscherbildnis mit schmählicher Aufschrift „Mälzerkönig“ angeschlagen. Erst nach vier Jahren wurden die Sozialunruhen in der Stadt unterdrückt. Infolgedessen schrumpfte die Anzahl der im Stadtrat vertretenen Mälzer auf vier Personen. Die größte Blüte erreichte die Iglauer Mälzerei am Ende des 15. Jahrhunderts und im 16. Jahrhundert. Das brauberechtigte, unter der Nummer 426 im Adressbuch aus dem Jahre 1834 geführte Haus in der jetzigen Palackého-Straße (damals Richtergasse)
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11 Das größte historische Brauhaus in der Husova-Straße Niedergang der Mälzereien nach der Schlacht am Weißen Berg An der Stelle des Hauses Nr. 3 in der jetzigen Husova Straße stand eines der am längsten betriebenen Brauhäuser in Iglau. Es zählte zu den größten Braubetrieben in Iglau – in der ältesten Eintragung in den Stadtbüchern wird das Haus im Zusammenhang mit einem gewissen Czecherlin genannt. Das Brauhaus war hier bis zur Gründung der jetzigen Iglauer Bierbrauerei im Jahre 1860 in Betrieb. Den Zusammenhang mit der Bierherstellung beweist auch der historische Straßenname „Trebergasse“. In den Jahren 1904–1905 wurde auf einem Teil seines Flurstücks das Grandhotel im Jugendstil erbaut. Nach der Schlacht am Weißen Berg hatten die Iglauer Mälzer mit zunehmender aggressiver Konkurrenz zu kämpfen. Ihre uralten Privilegien wurden nicht nur durch die kirchlichen Institutionen und den Adel, sondern auch durch den Stadtrat verletzt. Auf der einen Seite waren es also die Iglauer Dominikaner, Minoriten und Jesuiten, auf der anderen Seite die adeligen Besitzer der umliegenden Gutshofe, insbesondere der Graf Jan Anton Pachta von Rájov und Phillip Ludwig Graf von Sinzendorf. Diese haben das Meilenrecht der Mälzer (d.h. Bannmeile in einem Umkreis von ca. 7,5 bis 14 km von der Stadt) durch Herstellung und Ausschank von Bier auf einem Territorium verletzt, das bisher de jure den Iglauer Mälzern zustand. Das mittelalterliche Monopol der Bürger für Herstellung und Ausschank von Bier in der Stadt und das durch die Bannmeile festgelegte Stadtumfeld wurden 1788 durch die Dekrete Kaiser Josephs II. offiziell aufgehoben. 1859 wurden die Zünfte aufgelöst und eine neues Gewerbesystem eingeführt.
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Die Iglauer Brauereigebäude heute
12 Das historische Iglauer Brauereigebäude Das historische Iglauer Brauereigebäude Im Jahre 1859, als die Mälzerzunft aufgehoben wurde, beschlossen die Iglauer brauberechtigten Bürger, die Tätigkeit der alten, kleinen Brauhäuser zu beenden und eine neue Brauerei zu errichten. Die Mitgliedschaft in der für den Bau der neuen Brauerei gegründeten Gesellschaft war durch den Besitz eines brauberechtigten Hauses bedingt. Die Anteilscheine haben 107 von insgesamt 123 Bierverlegern gekauft. 1859 wurde das Projekt erstellt und am 4. 4. 1861 fand die Einweihung des neuen Brauhauses statt. Das Brauhaus selbst bezieht sein Entstehungsdatum auf das Jahr 1860, den Mittelpunkt seines zirka zwei Jahre dauernden Gründungsprozesses. 1945 wurde die Brauerei von der sog. Nationalverwaltung übernommen und im Mai 1948 verstaatlicht. In der Zeit der kommunistischen Herrschaft wurde das Brauhaus mehrere Male modernisiert, infolgedessen wurde sein Ausstoß 1984 bis auf mehr als 215 tausend Hektoliter Bier erhöht. Nach der Wende 1989 wurde das Brauhaus 1993 privatisiert. 1995 erwarb der österreichische Unternehmer Karl Schwarz, Brauhausbesitzer im österreichischen Zwettl, den Mehrheitsanteil von 75%. Eine durchgreifende Umgestaltung – Bierherstellung in den zylinderkonischen Gärtanks – erfolgte auch bei den technischen Anlagen. 1997 erwarb den MehrheitsanDer Konkurrent der Iglauer Bierbrauer, Phillip Ludwig Graf von Sinzendorf (1671–1742), Besitzer des Gutshofs in Holzmühle und des Brauhauses in Beranov. In den Jahren 1715–1742 übte er das bedeutende Amt des obersten Hofkanzlers aus.
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teil die Firma Martens aus dem belgischen Bocholt, die 85 % kontrollierte, wogegen der Geschäftsleiter der Brauerei Jan Kylbergr über die restlichen 15 % verfügte. In den nachfolgenden Jahren war die Brauerei trotz schwieriger Situation bemüht, die verlorenen Märkte zurückzuerobern, was letzten Endes gelungen ist. 2008 übernahm die Mehrheitsstellung die tschechische Gesellschaft K Brewery Group, die heutzutage sieben Brauhäuser mit ähnlicher Größe wie die Aktiengesellschaft „Pivovar Jihlava a.s“ vereint. Sie ist auf dem Markt unter der Marke „Pivovary Lobkowicz, a.s“ präsent.
Die Bierbrauer bei der vermeintlichen 1100. Gründungsfeier Iglaus im Jahre 1899 Briefkopf auf dem Briefpapier der Iglauer Brauerei
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Standorte, an denen das Bier in Iglau gebraut und verkauft wurde Die Anzahl der Brauereien, in denen die Besitzer der brauberechtigten Häuser „reihum“ Bier kochen konnten, hat sich im Laufe der Jahrhunderte ständig geändert. In der Regel besaß jedes Stadtviertel der inneren Stadt einen bis zwei Braubetriebe. Im 15. Jahrhundert waren es z.B. vier Brauereien, im 16. Jahrhundert (in der Blütezeit des Braugewerbes) waren es acht Betriebe. Noch am Anfang des 19. Jahrhunderts waren fünf Brauereien in Iglau tätig: eine kleinere Brauerei (U Mincovny 3) und vier größere Betriebe: das Haus Nr. 15 in der jetzigen Brněnská-Straße, das abgerissene Objekt in der Mrštíkova Straße, das Brauhaus im Haus Nr. 19 in der Palackého und die wahrscheinlich größte Brauerei im Haus Nr. 3 in der Husova-Straße. Der kleinere Braubetrieb ist im ersten Drittel untergegangen. In den restlichen vier Brauereien wurde das Bier zum Ende der 1850-er Jahre gebraut, als die neue Bierbrauerei erbaut wurde. Mit ihrer Gründung hat ein neues Kapitel der Iglauer Bierbrauerei begonnen.
brauberechtigte Häuser kleine Braubetriebe bedeutende Gasthäuser am Hauptplatz Malzschrotmühle
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1 Pestsäule mit Pietà 2 Ehemalige Malzschrotmühle 3 Ehemaliges Brauhaus in der Brněnská-Straße
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Kirche der Mariä Himmelfahrt
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5 Ehemaliges Brauhaus in der jetzigen Straße U Mincovny
10 Ehemaliges Brauhaus in der Palackého-Straße 11 Das größte historische Brauhaus in der Husova-Straße 12 Das historische Iglauer Brauereigebäude
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9 Das Gasthaus „Zu den drei Fürsten“
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8 Ehemaliges Gasthaus „Zum goldenen Stern“
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7 Ehemaliges Malzhaus
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6 Ehemaliges Gasthaus „Zum goldenen Löwen“
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Svobodaplatz Brauereilehrpfads Stadtmauer
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Herausgeber: Stadt Jihlava in der Zusammenarbeit mit dem Brauhaus „Pivovar Jihlava“ und Museum Vysočiny Jihlava im Jahre 2013. Autoren: Radim Gonda, Ivan Holub, Eva Vařejčková, Jaromír Kalina Fotografie: Fotoarchiv des „Muzeum Vysočiny Jihlava“, Mährisches Landesarchiv Brünn – Staatliches Bezirksarchiv Jihlava, Ladislav Vilíemk’s Archiv Graphisches Design: Eva Bystrianská Übersetzung: Alena Jakubíčková Druck: Antonín Prchal PROTISK – Velké Meziříčí Auflage: 200 Stück
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