Mit freundlicher Unterstützung von / with friendly support of:
Anton Urspruch-Gesellschaft e. V. www.antonurspruch.de
Erwa rtun g LIEDER VON ANTON URSPRUCH, JOACHIM RAFF & FRANZ LISZT SIBYLL A RUBENS Sopran / soprano CARL-MARTIN BUT TGEREIT Klavier / piano
D
Edition Kaleidos · KAL 6342-2 Recording / Aufnahme: 01/2018, Sendesaal des Hessischen Rundfunks, Frankfurt am Main Recording Producer / Tonmeister: Christoph Claßen Piano technician / Klaviertechnik (Steinway & Sons D-274): Andreas Seibert Liner notes / Booklettexte: Dr. Thomas Seedorf, Dr. Veronica Kircher Translations / Übersetzungen: Imke Pinnow, privat (Vitae) Artist photos / Künstlerfotos: © Stephan Boehme (Rubens), © Patrick Buttgereit (Buttgereit/Rubens) Autograph (pp.13, 26): © Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main Cover design & text layout / Grafikgestaltung: Jens F. Meier (www.kaleidos.media)
A co-production with hr2-kultur / Eine Co-Produktion mit hr2-kultur Executive Producer: Jens F. Meier p& c Kaleidos Musikeditionen · www.musikeditionen.de
1 2 3 4 5 6 7
ANTON URSPRUCH (1850–1907) Rosenlieder op. 5 ( W O R L D P R E M I E R E R E C O R D I N G ) Leise zieht durch mein Gemüth 1:18 Von rothen, rothen Röslein 1:02 Es hat die Rose sich beklagt 1:24 Mein Herz ist ein Blumengärtchen 1:24 Der Schmetterling ist in die Rose verliebt 1:31
JOACHIM RAFF (1822–1882) Das verlassene Mädchen op. 98 Nr. 14 2:23 Keine Sorg’ um den Weg op. 98 Nr. 10 1:09
8 9 10 11
ANTON URSPRUCH Deine weißen Lilienfinger (Sechs Lieder op. 3 Nr. 2) 1:21 Ich lieb’ eine Blume (Liebeslieder op. 6, Heft III, 2) 1:23 Mit Rosen hast du mich geweckt (Sechs Lieder op. 8 Nr. 5) 2:26 Nachtgesicht (Vier Lieder op. 25 Nr. 1) 4:07
FRANZ LISZT (1811–1886) 12 Freudvoll und leidvoll (1849) 3:06 13 Die Loreley (1854/59) 6:12
4
14 15 16 17 18 19 20 21
ANTON URSPRUCH Acht Lieder op. 23 Abendständchen Ariette Nachtgesang Mit einem gemalten Bande An den Mond Erwartung Edone Der Kuss
3:59 1:42 5:18 2:52 5:43 3:41 3:52 1:16
SIBYLL A RUBENS Sopran / Soprano CARL-MARTIN BUT TGEREIT Klavier / Piano
Anton Urspruch (1895)
Joachim Raff (1878)
Franz Liszt (1886)
5
VORWORT
A
ls Enkelin des Komponisten Anton Urspruch schreibe ich das Grußwort für diese Lieder-CD mit besonderer Freude!
Vor 19 Jahren hatte ich zusammen mit einigen Musiker-Freunden angefangen, die weitgehend vergessenen Werke meines Großvaters aus der Versenkung zu holen. Unsere erste Veröffentlichung war damals eine Lieder-CD mit Heike Hallaschka und Michael Biehl. Jahre später ist die Anton Urspruch-Gesellschaft entstanden, und im Laufe der Zeit konnten viele, auch große Werke Urspruchs eingespielt und veröffentlicht werden, immer wieder begleitet von sehr positiver Resonanz. So ist Anton Urspruch in der heutigen Musikwelt nicht mehr der gänzlich unbekannte Komponist. Fragen des Gesangs haben Urspruch immer wieder in besonderer Weise interessiert. Für ihn war die menschliche Stimme das vollkommenste Instrument, und so entstanden neben den großen Vokalwerken auch die Liederzyklen in allen Phasen seines künstlerischen Schaffens. Für mich persönlich gehören diese Lieder zu den schönsten Kompositionen meines Großvaters; es sind bezaubernde Miniaturen, jede einzelne mit ihrem eigenen poetischen Charme. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass eine Sängerin von internationalem Renommee sich auf dieser CD den Liedern Urspruchs erneut gewidmet hat, einige davon in Ersteinspielung. Herzlich bedanke ich mich auch bei meinem Freund, dem Pianisten Carl-Martin Buttgereit für sein langjähriges Engagement für Urspruchs Liedschaffen, das schließlich zu der Produktion dieser neuen Lieder-CD mit Sibylla Rubens geführt hat. Danke aber auch den Mitgliedern der Anton UrspruchGesellschaft, die mit ihren Beiträgen die Realisierung dieses Projekts substanziell gefördert haben, und – nicht zuletzt – dem Produzenten für sein persönliches, verlegerisches Engagement. Veronica Kircher 6
Aus dem fruchtbaren Niemandsland Anton Urspruch und das Lied
E
s ist üblich, Komponisten bestimmten Epochen, Stilen oder Schulen zuzuordnen: Mozart ist ein Wiener Klassiker, Schumann ein Romantiker, Liszt ein Vertreter der Neudeutschen Schule. Solche Zuweisungen sind eine von vielen dankbar wahrgenommene Möglichkeit, Ordnung in die Fülle der Phänomene zu bringen, denn sie erleichtern das Gespräch über diese Komponisten und die Auseinandersetzung mit ihrer Musik. Doch was geschieht mit jenen Komponisten, die sich nicht ohne weiteres einem gewissen Lager zuordnen lassen, für die kein Etikett so recht passen will? Sie scheinen in einer Art Niemandsland zu Hause zu sein, für das es keine Bezeichnung gibt und über das sich daher nur schwer sprechen lässt. Nicht selten erweist sich dieses namenlose Gebiet aber als fruchtbarer Boden, auf dem besondere musikalische Blüten gedeihen. Einer, der in dieser Gegend heimisch war, ist der Komponist Anton Urspruch. Zu Lebzeiten hochgeschätzt und häufig aufgeführt, wurde er nach seinem Tod im Jahr 1907 umso schneller und gründlicher vergessen. Dafür lassen sich viele Gründe angeben: die starke lokale Bindung an seine Vaterstadt Frankfurt am Main, das Fehlen eines Schüler- und Interpretenkreises, der sich auch nach dem Tod des Komponisten für die Aufführung seiner Werke einsetzte, und nicht zuletzt die künstlerische Eigenart Urspruchs, die sich einer Zuordnung nach gängigen Kategorien entzieht. Geboren wurde Anton Urspruch 1850 in Frankfurt. Die Großeltern väterlicherseits waren Theaterkünstler, sein Vater Carl Theodor Urspruch studierte Rechtswissenschaft und war 1848 als Redakteur für die Nationalversammlung in der Paulskirche tätig. Einige der Autoren, deren Texte Anton Urspruch später in Musik setzte,
8
wurzelten im selben politischen Milieu wie sein Vater, unter ihnen der VormärzDichter Robert Prutz oder Wilhelm Jordan, der 1848/49 Abgeordneter in der Nationalversammlung war. Urspruchs musikalisches Talent wurde früh erkannt und gefördert. Mit 21 Jahren ging er zu Franz Liszt nach Weimar. Unter dessen Anleitung vervollkommnete er sein pianistisches Können und schon 1872 spielte er auf Empfehlung seines Lehrers dessen Es-Dur-Klavierkonzert im Rahmen der Tonkünstlerversammlung des von Liszt mitbegründeten Allgemeinen Deutschen Musikvereins in Kassel. Liszt weckte in dem jungen Pianisten auch das Interesse für das Komponieren. Als erste Opera erschienen 1872, kaum verwunderlich, Werke für Klavier. Mit dem 1875 veröffentlichten Opus 3 aber eröffnete Urspruch die Reihe seiner Lieder. Im selben Jahr erschienen die „Vier Gesänge aus den Liedern des Mirza Schaffy“ op. 4, Vertonungen einiger Nachdichtungen aserbaidschanischer Lyrik, mit denen dem Schriftsteller und Slawisten Friedrich von Bodenstedt einer der großen literarischen Erfolge des 19. Jahrhunderts gelang. Ebenfalls 1875 erschien die Sammlung „Rosenlieder“ op. 5, 1876 gefolgt von fünf Heften „Liebeslieder“ op. 6 auf Gedichte Heinrich Heines, an die sich 1877 die sechs Lieder op. 8 anschlossen. Als Komponist wandte Urspruch sich dann zunächst anderen Gattungen zu und erkundete die großen Formen wie das Klavierkonzert und die Symphonie. Auch beruflich orientierte er sich neu: Er kehrte nach Frankfurt zurück und wurde 1878 Lehrer für Klavier und Komposition am neu gegründeten Hoch’schen Konservatorium, an dem auch Clara Schumann und der Komponist Joachim Raff wirkten. Der Liedkomposition wandte sich Urspruch erst nach vielen Jahren wieder zu. Die acht Lieder op. 23 erschienen 1888, mit den „4 Dichtungen von Wilhelm Jordan“ op. 25 schloss Urspruch sein Liedschaffen 1889 ab. Hauptwerke seiner letzten Jahre sind zwei Opern, eine nach Shakespeares Drama „Der Sturm“, eine weitere, „Das
9
Unmöglichste von allem“, nach einer Comedia des spanischen Barockdichters Lope de Vega, ein Werk, das von der zeitgenössischen Presse als Modell für die moderne komische Oper gefeiert wurde. Eine dritte Oper über die „Heilige Caecilie“, zu der er selbst das Textbuch verfasst hatte, blieb unvollendet, als Urspruch nach mehreren Herzanfällen Anfang 1907 kurz vor Vollendung seines 57. Lebensjahrs starb. Zur Zeit der Komposition seiner ersten Lieder bewegte Urspruch sich noch im LisztKreis, zu dessen besonders geschätzten Mitgliedern er gehörte. Obwohl in seinem kompositorischen Schaffen Werke für das Klavier überwiegen, hat Liszt auch eine Fülle von Liedern geschrieben, in deren Sprachenvielfalt – neben Deutsch, Französisch, Italienisch auch Ungarisch, Englisch und Russisch – und stilistisch-formaler Bandbreite sich der künstlerische Kosmopolitismus des Komponisten eindrucksvoll spiegelt. Einige charakteristische Merkmale des Liszt’schen Komponierens wie die Erweiterung der Harmonik durch neue Arten der Akkordverbindung oder die Ausgestaltung von Details durch variierte Wiederholung sind auch in vielen seiner Lieder anzutreffen, auf engem Raum etwa in der Vertonung von Klärchens Lied „Freudvoll und leidvoll“, in dem Freude und Leid als Gegenüber von Dur und Moll gefasst sind, oder als Großform wie in der Geschichte von der Loreley, die Liszt als breit angelegte dramatische Erzählung komponiert hat. Bei Urspruchs ersten Liedern standen aber offenkundig nicht die Gattungsbeiträge seines Meisters Liszt Pate, sondern eher die Lieder von Robert Schumann und Johannes Brahms. „Deine weißen Lilienfinger“ auf einen Text von Heine ist als variiertes Strophenlied angelegt, in dem die durch und durch melodisch geformte Singstimme das musikalische Geschehen in jedem Takt prägt, gestützt von einer zart bewegten Klavierstimme mit einer synkopierten Nebenstimme, wie sie sich oft bei Brahms findet. Noch schlichter, liedhafter in einem traditionellen Sinne ist „Leise zieht durch mein Gemüth“, das erste der „Rosenlieder“ op. 5, ebenfalls auf einen Text von Heine, dem Dichter, zu dem sich Urspruch wie so viele Kompo-
10
nisten seiner Zeit besonders hingezogen fühlte. In „Von rothen, rothen Röslein“ verdoppelt die Oberstimme des Klaviers die Singstimme nicht, wie in vielen anderen Liedern, sondern setzt ihr, als wäre es ein Duett, eine eigenständige textlose Stimme entgegen. In den „Liebesliedern“ op. 6 auf Gedichte Heines stellt Urspruch sich offensiv dem Vergleich mit Schumann, indem er mehrere Texte aufgreift, die dieser bereits in seinem Zyklus „Dichterliebe“ in Musik gesetzt hatte, darunter „Im wunderschönen Monat Mai“, „Ich will meine Seele tauchen“ oder „Wenn ich in deine Augen seh’“. Für jedes Gedicht findet Urspruch aber einen ganz anderen Zugang als der ältere Komponist. Das gilt auch für Urspruchs Interpretation von „Ich weiß nicht was soll es bedeuten“, die im Unterschied zu Liszts zwischen Rezitativ und Arioso changierender Vertonung der „Loreley“ als Lied von großer Einheitlichkeit komponiert ist. Wie man sich als Künstler im Liszt-Kreis ein hohes Maß an Selbständigkeit bewahrt, konnte Urspruch bei Joachim Raff, dem allseits geschätzten Direktor des Hoch’schen Konservatoriums, beobachten. Raff zählte mehrere Jahre lang zu den engsten Mitarbeitern Liszts, zu dessen Musik er aber innerlich auf Distanz blieb. Lieder wie das heitere „Keine Sorg’ um den Weg“ oder eine eindringliche Miniatur wie „Das verlassene Mädchen“, beide in Raffs 3o Lieder umfassender Sammlung „Sanges-Frühling“ erschienen, sucht man bei Liszt vergeblich. Als Urspruch sich nach mehr als zehn Jahren Pause mit seinem Opus 23 wieder der Liedkomposition zuwandte, hatte sich sein Liedideal gewandelt. Schon in der Wahl der Dichter zeigt sich ein bewusster Abstand zu den älteren Liedern. Dominierten dort neben Heine Autoren der Gegenwart, so greift Urspruch hier ausschließlich auf ältere Dichter zurück: Goethe ist mit drei Gedichten vertreten, Wieland und Herder, zwei andere Protagonisten der Weimarer Klassik, mit je einem Gedicht, ebenso Klopstock und der Anakreontiker Hagedorn sowie der Jüngste in diesem
11
Kreise, der Frühromantiker Clemens Brentano, dessen „Abendständchen“ dem ersten Lied des Opus 23 zugrunde liegt. An die Stelle der von der Singstimme dominierten Miniaturform treten jetzt Gesänge von teilweise beträchtlichem Umfang, in denen Stimme und Klavier in einem vielgestaltigen Dialogverhältnis zueinander stehen. „Abendständchen“ exponiert diesen neuen Liedton in exemplarischer Weise: Das Klavier beginnt mit einer weitgeschwungenen Melodie, die nur von zart arpeggierten Akkorden begleitet wird. Die Singstimme greift diese Melodie auf, gibt sie dann an das Klavier zurück, bis beide Parts sich schließlich imitierend ineinander verschlingen. „Nachtgesang“ lässt die Liebesszene aus dem 2. Aufzug von Wagners „Tristan und Isolde“ anklingen, fasst Wagners drängende Chromatik aber in eine liedhafte Gestalt von beinahe klassizistischem Gepräge. „An den Mond“ gestaltet Urspruch als großflächige musikalische Landschaft von unvergleichlicher Schönheit. Diese Musik ist im Wortsinne „unvergleichlich“, denn man kann sie weder auf offenkundige Vorbilder zurückführen noch Lieder anderer Komponisten benennen, denen sie vielleicht als Vorbild diente. Musik aus einem fruchtbaren Niemandsland. Thomas Seedorf
12
Autograph (Urspruch) „An den Mond“ op. 23 Nr. 5; Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main
SIBYLLA RUBENS „Ihre Sopranstimme funkelt wie ein Diamant” schrieb die WAZ über die Bach-Interpretationen von Sibylla Rubens. Sie nehme „die schwierigen, reich ornamentierten Arien”, so heißt es weiter, „mit bestechender Geschmeidigkeit und verleiht ihnen Grazie und Herzenswärme”. Die Sopranistin, Konzert- und Liedsängerin Sibylla Rubens studierte Gesang an der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen und der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Frankfurt am Main sowie bei Elsa Cavelti in Basel und in der Liedklasse bei Irwin Gage in Zürich. In den zwischenzeitlich mehr als 90 CD Einspielungen dokumentiert Sibylla Rubens ihr Können nicht nur als herausragende Bach-Interpretin, sondern überrascht mit Einspielungen bis weit in die romantische Literatur hinein. In Zusammenarbeit mit internationalen Barockensembles, Kammerorchestern, Münchner-Philharmoniker, Berliner-Philharmoniker, Rundfunk-Orchestern WDR / SWR / MDR / NDR / SR, deren Chören und Dirigenten wie Ton Koopman, Philipp Herreweghe, Helmuth Rilling, Rudolf Lutz, Bachstiftung St. Gallen, Sir Roger Norrington, Frieder Bernius, Reinhard Göbel, Riccardo Chailly, Michael Gielen, Christian Thielemann, Ivan Fischer, Kent Nagano, Enoch zu Guttenberg und vielen mehr, ist sie ein gern gesehener Gast auf internationalen Musik-Festivals und Konzertpodien. Liederabende, Kammermusik und Ensemble-Arbeit sind ihr darüber hinaus ein besonderes Anliegen. Sibylla Rubens leitete 2014–2016 die Oratorienklasse am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg. Als Jurymitglied war sie beim „XX. Internationalen J. S. Bach-Wettbewerb Gesang in Leipzig 2016“ tätig. Neben ihren Konzertverpflichtungen unterrichtet und coacht Sibylla Rubens zahlreiche internationale junge ProfisängerInnen in Meisterkursen und Einzelarbeit und ist auch hierbei eine gefragte Kapazität und Anlaufstelle. 14
CARL-MARTIN BUTTGEREIT Carl-Martin Buttgereit erhielt seine Ausbildung in Essen, Berlin, Wien und Zürich. Zu seinen Lehrern zählen Klaus Hellwig und Jürg von Vintschger. Weitere Studien führten ihn zu Karl-Heinz Kämmerling. Nach seinem „Mit Auszeichnung“ absolvierten Klavierstudium entwickelte CarlMartin Buttgereit eine rege solistische und kammermusikalische Tätigkeit. Darüber hinaus gab es Verpflichtungen als Begleiter diverser Internationaler Meisterkurse und Wettbewerbe, u. a. durch den Bayerischen Rundfunk beim Internationalen ARD-Wettbewerb in München. Konzertreisen führten ihn in verschiedene europäische Länder, nach Südafrika, sowie 2016 nach Brasilien, wo er mit der Sängerin Angelika Kirchschlager beim Internationalen Festival „Musica em Trancoso“ auftrat. Seine Neigung, interessante Werke heute eher vergessener Komponisten aufzuspüren, führte u. a. auch zur Beschäftigung mit den Kompositionen Anton Urspruchs, dessen Lieder ihn besonders ansprechen. Seit 2009 ist er Gründer und künstlerischer Leiter des CYPRIAN ENSEMBLE FREIBURG. Mit diesem, aus Bläsern, Streichern und Klavier bestehenden Ensemble widmet er sich seither erfolgreich der Wiederaufführung von ihm wiederentdeckter Kammermusikraritäten vom Trio bis zum Oktett. Rundfunk-, Fernseh- und CD-Aufnahmen beim BR, SWR, der Deutschen Welle und dem HR dokumentieren seine vielseitige künstlerische Tätigkeit.
17
FOREWORD
A
s a granddaughter of Anton Urspruch, I write the opening words for this album with particular pleasure!
19 years ago, together with some befriended musicians, I started to dust off the mostly forgotten musical work of my grandfather. Our first recording at that time has been a lied-CD together with Heike Hallaschka and Michael Biehl. Years later, the Anton Urspruch-society was founded, and, in the course of time, many other (also greater) compositions of my grandfather have been recorded and released; consistently accompanied by highly positive response. Thus, in the musical world of today, Anton Urspruch has finally overcome his image as an unheard-of composer. Urspruch had a lifelong interest in singing and lied composition, in particular. For him, the human voice was the most accomplished instrument. That is why he always turned towards lied composition throughout his artistry; composing song cycles next to his greater vocal works. In my eyes, these cycles belong to my grandfather’s finest work; they are enchanting miniatures, each possessing its own special poetic charm. That is why I am most thankful, that on this record a vocal artist of international reputation has agreed to devote herself to Urspruch’s lieder again – some of them being first recordings. Furthermore, I would like to particularly thank my friend, the pianist, Carl-Martin Buttgereit, whose initiative has made this album possible. In addition, I like to express my gratitude to the members of the Anton Urspruchsociety, whose contributions benefited the realization of this project substantially. Last but not least, I would like to thank the producer of this recording for his personal publishing commitment. Veronica Kircher
18
Coming from fertile no-man’s-land Anton Urspruch and the German Lied
I
t is common practice, to associate composers with a certain musical period, style or school: Mozart is a representative of Viennese Classicism, Schumann of the romantics, while Liszt belonged to the North German School. To use classifications like this is a happily embraced possibility to get the welter of musical phenomena organized in order to simplify conversation about composers and their musical work. But what about those composers who cannot be classified into one of those categories just like that, who do not blend in well enough with one of the commonly used labels? They seem to belong to a kind of no-man’s-land for which there is no description and which cannot be discussed that easily, therefore. Frequently, those unnamed territories, however, show up as fertile land, where special musical blossoms flourish. One, who comes from this fringe area, is the composer Anton Urspruch. Highly esteemed and frequently performed in life, he fell into oblivion rather quickly and thoroughly after his death in 1907. For that, many reasons can be given: firstly, Urspruch’s strong local connection to his native city, Frankfurt on the Main, secondly, the lack of students and interpreters who would promote the performance of his work after his death, and, last but not least, Urspruch’s artistic peculiarity that defies any common classification. Anton Urspruch was born in Frankfurt in 1850. His paternal grandparents had been dramatic artists. His father, Carl Theodor Urspruch, had studied law and worked as a journalist for the National Assembly in St. Paul’s Church in 1848. Some of those writers, whose works Anton Urspruch set to music some time later, were rooted in the same political environment like his father; among them Robert Prutz, a Pre-
19
March poet, or Wilhelm Jordan, a member of parliament in the National Assembly. Urspruch’s musical talent has early been recognized and fostered. At the age of 21 he became a student of Franz Liszt in Weimar. Under his tutelage he perfected his pianistic competence. In 1872, he already performed Liszt’s Piano Concerto No. 1 in E flat major on the recommendation of his master at the assembly of musicians of the Allgemeiner Deutscher Musikverein in Kassel, whose co-founder Liszt had been. Liszt also aroused the young pianist’s interest for composition. His first published opuses were, hardly surprisingly, works for piano in 1872. With his Op. 3 in 1875, however, Urspruch started off his song series. In the same year, the “Vier Gesänge aus den Liedern des Mirza Schaffy“ Op. 4 were published; settings of Azerbaijani poetry adoptions, with which the writer and Slawist, Friedrich von Bodenstedt, celebrated a great literary success in the 19th century. Also in 1875, Urspruch published his collection of “Rosenlieder“ Op. 5, followed by five booklets of “Liebeslieder“ Op. 6 on poems of Heinrich Heine, which were added by six songs Op. 8 in 1877. After this, Urspruch applied his attention to other genres for the moment, like the piano concerto and the symphony. He also changed his professional position: in 1878, he went back to Frankfurt, and became a teacher for piano and composition at the newly founded Hoch Conservatory, at which Clara Schumann and the composer, Joachim Raff, were occupied, as well. Not until many years, Urspruch turned his hand to song composition again. His eight songs Op. 23 were published in 1888, and with the “4 Dichtungen von Wilhelm Jordan“ Op. 25 Urspruch finally completed his work of song composition. Major works of his last living years are two operas; one of which is based on Shakespeare’s drama “The Tempest”, the other, “Das Unmöglichste von allem“, on a comedia of the Spanish baroque poet Lope de Vega. The later has been celebrated as a model for modern comic opera by the temporary press. A third opera about the “Heilige Caecilie“, to which he himself wrote the libretto, remained uncompleted.
20
Urspruch died after a series of heart attacks at the beginning of the year 1907; right before is 57th anniversary. At the time when he wrote his first song compositions, Urspruch still was part of the inner Liszt circle, being one of its most appreciated members. Although works for piano predominate in his master’s compositional artistry, Liszt himself wrote a vast number of songs. Their variety of languages – apart from German, French, and Italian, they also drew on Hungarian, English and Russian – and diversity in style and form impressively mirror the composer’s artistic cosmopolitanism. Some of Liszt’s composing characteristics, like the expansion of harmony by using new ways of chord connections, or the elaboration of details through varying repetitions, can be found in his songs. In a localized manner this can be observed, for example, in the setting of Clara’s song “Full of joy”, in which joy and sorrow appear as counterparts in major and minor. A further, large-format example is the story of the Loreley, which Liszt composed as a broad dramatic narrative. In his first songs, however, Urspruch was obviously not guided by the genre contributions of his master Liszt, but by songs of Robert Schumann and Johannes Brahms. “Deine weißen Lilienfinger“ (“Thy Dear Fingers“), based on a poem by Heine, is arranged as a varied strophic song, in which the all through tuneful singing voice shapes the musical happening in every single bar; the tenderly moving piano voice supporting it with a syncopated accompanying voice, like it is often found in Brahms’ work, too. ”Leise zieht durch mein Gemüth“ (“Sweet chimes are softly filling my soul”) appears even more modest, more song-like in a traditional way of meaning. It is the first of the “Rosenlieder” Op. 5, based on a poem by Heine, as well; that writer to whom Urspruch, like so many other composers of his time, felt especially attracted to. In “Von rothen, rothen Röslein“ the upper voice of the piano does not double the singing voice, like it so often does in other songs, but sets against it an independent textless voice, more like a duet.
21
In his “Liebesliedern“ (“Love songs”) Op. 6, again based on poems by Heine, Urspruch offensively faces comparison with Schumann by choosing various texts, which Schumann himself has set into music in his cycle “Dichterliebe” (“A Poet’s Love”), already; among them “Im wunderschönen Monat Mai“ (“In the beautiful month of May”), “Ich will meine Seele tauchen“ (“Oh, let me plunge my heart”) or “Wenn ich in deine Augen seh’“ (“When I am gazing in your eyes”). Nevertheless, Urspruch succeeds in approaching each poem in a rather different way than his predecessor. This is also true for Urspruch’s interpretation of “Ich weiß nicht was soll es bedeuten“ (“I do not know what it means“), which is arranged in a manner of great uniformity – much in contrast to Liszt’s setting of the “Loreley” that oscillates between recitative and arioso. Joachim Raff, the universally appreciated headmaster of the Hoch Conservatory gave Urspruch an idea of how to preserve a high level of independence in spite of being a close member of the Liszt circle. Raff was one of Liszt’s closest assistants for several years. However, he kept an inner distance to his master’s work. Works like the cheerful song ”Keine Sorg’ um den Weg“ (“Don’t worry about the way”) or a powerful miniature like “Das verlassene Mädchen“ (“The forsaken maiden”), both published in Raff’s 30 songs comprising collection “Sanges-Frühling”, would not be found in Liszt’s œuvre. When Urspruch turned back to song composition with his opus 23 after a break of more than ten years, his concept of song writing had changed. A deliberate distance to his earlier works is recognizable in his choice of writers, already. Whereas in his earlier songs contemporary writers like Heine predominate, Urspruch then drew back on more traditional ones: Goethe is present with three poems, the same goes for Wieland and Herder – two further protagonists of Weimar Classicism – both with one poem each. Klopstock is represented, just like the anacreontic writer Hagedorn, and – being the youngest of the lot – the Early Romanic writer, Clemens Brentano, whose “Abendständchen” (“Serenade”) underlies the first song of 22
Opus 23. Songs of partially considerable length take the place of the miniature form normally predominated by the singing voice; singing voice and piano voice now sharing a multifarious dialogue relationship. “Abendständchen” is exemplary for this new style of song composition: The piano comes in with a widely spread melody, which is only joined by softly arpeggiated chords. The singing voice adopts this melody, returns it to the piano, again, until both parts imitate each other, and finally intermingle. “Nachtgesang” (“Night song”) sounds the love scene of the 2. Act of Wagner’s “Tristan and Isolde”. However, it arranges Wagner’s urging chromaticism into a songlike form of almost classic character. “An den Mond” (“To the moon”) is designed like a widespread musical landscape of incomparable beauty. This music is literally “incomparable“, for neither does it follow any apparent example, nor can any composer be named, to whom it served as a model itself: music from fertile no-man’s-land. Thomas Seedorf
23
SIBYLLA RUBENS “Her soprano voice sparkles like a diamond” German daily WAZ wrote about Sibylla Rubens’ interpretations of J. S. Bach. She takes „the difficult richly ornamented arias with captivating smoothness and confers grace and warm-heartedness in them“. The soprano, concert singer and interpreter of lieder studied singing at the State Academy of Music in Trossingen and at the State Academy of Music and Performing Arts Frankfurt am Main as well as with Elsa Cavelti in Basle and in the lied class of Irwin Gage in Zurich. In more than 90 CD recordings by now, Sibylla Rubens documents her mastery as an outstanding Bach performer (interpreter). But she also surprises with recordings which extend well into the romantic repertoire. She is a frequent guest at international Music Festivals and concert stages where she performs with internationally renowned baroque ensembles, chamber orchestras, the Munich Philharmonic, the Berlin Philharmonic, Radio Orchestras WDR / SWR / MDR / NDR / SR, their choirs and conductors like Ton Koopman, Philipp Herreweghe, Helmut Rilling, Rudolf Lutz Bach Foundation St. Gallen, Sir Roger Norrington, Frieder Bernius, Reinhard Göbel, Riccardo Chailly, Michael Gielen, Christian Thielemann, Ivan Fischer, Kent Nagano, Enoch zu Gutenberg and many more. Moreover, lieder recitals, chamber music and ensemble work are one of her particular concerns. Sibylla Rubens taught the oratorio classes at the Leopold-Mozart-Center of the University of Augsburg in 2014–2016. She was active at the “XX. International J. S. Bach Singing Competition in Leipzig 2016” as member of the jury. In addition to her concert engagements Sibylla Rubens is a sought-after capacity and distinguished expert and coaches numerous young professional singers in Master Classes and individual supervision. 24
CARL-MARTIN BUTTGEREIT Carl-Martin Buttgereit studied piano in Essen, Berlin, Vienna, and Zurich. Among his teachers were Klaus Hellwig and Jßrg von Vintschger, including courses with Karl-Heinz Kämmerling. After graduating with distinction, Mr. Buttgereit has enjoyed an active performing career both as soloist and chamber musician. As an accompanist he has worked for many music courses and competitions, among others for the Bavarian Radio station ARD Music Competition in Munich. Concert tours have taken him to many european countries, to South Africa and to Brazil in 2016 where he performed with the singer Angelika Kirchschlager at the international music festival Musica em Trancoso. His curiosity in discovering great works of lesser-known composers has led him to Anton Urspruch whose songs have especially inspired him. In 2009 Carl-Martin Buttgereit founded and became the artistic director of the CYPRIAN ENSEMBLE FREIBURG. The ensemble for wind and string instruments and piano has since specialized in the performance of re-discovered rarities of chamber music, from trios to octets. Radio, television, and CD recordings at the BR, SWR, the Deutsche Welle, and HR document his multifaceted artistic work.
25
Autograph (Urspruch) „Der Kuss“ op. 23 Nr. 8; Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main
1
ANTON URSPRUCH Leise zieht durch mein Gemüth Heinrich Heine (1797–1856)
3
Leise zieht durch mein Gemüth Liebliches Geläute, Klinge, kleines Frühlingslied, Kling hinaus ins Weite.
Es hat die Rose sich beklagt, Daß gar zu schnell der Duft verwehe, Den ihr der Lenz gegeben habe! Da hab’ ich ihr zum Trost gesagt, Daß er durch meine Lieder wehe, Und dort ein ew’ges Leben habe!
Kling hinaus bis an das Haus, Wo die Veilchen sprießen, Wenn du eine Rose schaust, Sag, ich laß sie grüßen. 4 2
ANTON URSPRUCH Von rothen, rothen Röslein Wilhelm Osterwald (1820–1887) Von rothen, rothen Röslein Der Strauß auf meinem Hut, Von wem auch könnt’ er anders sein, Als von der Allerliebsten, Die mein gedenken thut? Und wenn ich auf dem Berge steh’, Schau ich mich um nach ihr, Und werf’ mein Hütlein in die Höh’, Von rothen, rothen Röslein, O du mein süß’ Herzliebchen, Ich wollt’ ich wär’ bei Dir!
ANTON URSPRUCH Es hat die Rose sich beklagt Friedrich von Bodenstedt (1819–1892)
ANTON URSPRUCH Mein Herz ist ein Blumengärtchen Karl Christian Gärtner (1712–1791) Mein Herz ist ein Blumengärtchen, Das blühet gar lustig und fein, Die Gedanken sind seine Blumen, Die Liebe sein Sonnenschein. Inmitten aber leuchtet Eine Rose königlich, Das ist der süße Gedanke An dich, mein Kind, an dich! Mein Herz ist ein Blumengärtchen Das blühet gar lustig und fein, Die Gedanken sind seine Blumen, Die Liebe sein Sonnenschein.
27
5
ANTON URSPRUCH Der Schmetterling ist in die Rose verliebt Heinrich Heine (1797–1856) Der Schmetterling ist in die Rose verliebt, Umflattert sie tausendmal, Ihn selber aber goldig zart Umflattert der liebende Sonnenstrahl. Jedoch in wen ist die Rose verliebt? Das wüßt’ ich gar so gern! Ist es die singende Nachtigall? Ist es der schweigende Abendstern? Ich weiß nicht, in wen ist die Rose verliebt; Ich aber lieb’ euch all: Rose, Schmetterling, Sonnenstrahl, Abendstern und Nachtigall.
6
JOACHIM RAFF Das verlassene Mädchen Carl Siebel (1836–1868) Erworben, Verdorben! Mein Herz ist schwer, Ich bin nicht gestorben Und lebe nicht mehr. Sie haben Begraben, Was stets mir blieb! Begraben sie haben Die Treue und die Lieb’. Ich traute Und baute Auf ihn allein; Dem einzig ich traute, Er musst’ Verräter sein. Erworben, Verdorben! Mein Herz ist schwer, Ich bin nicht gestorben Und lebe nicht mehr.
28
7
JOACHIM RAFF Keine Sorg’ um den Weg Klaus Groth (1819–1899) Kein Graben so breit, keine Mauer so hoch, Wenn Zwei sich nur gut sind, sie treffen sich doch. Kein Wetter so graulich, so schwarz keine Nacht, Wenn Zwei sich nur seh’n woll’n, wie bald ist’s gemacht! Da gibt’s einen Mondschein, da scheint wohl ein Stern, Da blinkt noch ein Lichtlein, man nimmt eine Latern’.
8
ANTON URSPRUCH Deine weißen Lilienfinger Heinrich Heine (1797–1856) Deine weißen Lilienfinger, Könnt’ ich sie noch einmal küssen, Und sie drücken an mein Herz, Und vergehn in stillem Weinen! Deine klaren Veilchenaugen Schweben vor mir Tag und Nacht, Und mich quält es: was bedeuten Diese süßen, blauen Rätsel?
Da findet sich schon eine Leiter, ein Steg: Wenn zwei sich nur gut sind, keine Sorg’ um den Weg.
29
9
ANTON URSPRUCH Ich lieb’ eine Blume Heinrich Heine (1797–1856)
10
Ich lieb’ eine Blume, doch weiß ich nicht welche; Das macht mir Schmerz. Ich schau’ in alle Blumenkelche Und such’ ein Herz.
Mit Rosen hast du mich geweckt, Da ich versenkt in Schlummer lag, O du mit Rosen überdeckt, Du selbst ein blüh’nder Sommertag! Und wie der Rosen Düfte zieht Durch die entzückten Sinne mir, So send’ ich, Liebste, dieses Lied, Es stammt von dir, es strebt zu dir!
Es duften die Blumen im Abendscheine, Die Nachtigall schlägt. Ich such’ ein Herz, so schön wie das meine, So schön bewegt. Die Nachtigall schlägt, und ich verstehe Den süßen Gesang; Uns beiden ist so bang und wehe, So weh und bang.
ANTON URSPRUCH Mit Rosen hast du mich geweckt Robert Eduard Prutz (1816–1872)
11
ANTON URSPRUCH Nachtgesicht Wilhelm Jordan (1819–1904) Allabendlich vor Schlafengeh’n Muß ich der Liebsten Bild beseh’n; Dem sag’ ich leise gute Nacht Und frag’ es: Hast du mein gedacht? Und lösch’ ich dann der Lampe Licht So taucht dein holdes Angesicht Hervor aus finsterm Hintergrund Wie aus Gewölk des Mondes Rund. Da lächelst du so liebevoll Und winkst mir, daß ich folgen soll; Du reichst mir helfend deine Hand, Schlägst auch um mich ein Lichtgewand.
30
Wir halten innig uns umfaßt Und schweben, frei der Erdenlast, Bis in ein Land von Sonnenschein – Da bin ich dein, da bist du mein! Doch ach, dies’ Land ist nur ein Wahn Und wachend find’ ich nie die Bahn. Mein Glück hat nicht im Leben Raum, Es ist und bleibt ein schöner Traum!
12
FRANZ LISZT Freudvoll und leidvoll Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) Freudvoll Und leidvoll, Gedankenvoll sein, Langen Und bangen In schwebender Pein Himmelhoch jauchzend, Zum Tode betrübt; Glücklich allein Ist die Seele, die liebt.
13
FRANZ LISZT Die Loreley Heinrich Heine (1797–1856) Ich weiß nicht, was soll’s bedeuten Daß ich so traurig bin; Ein Märchen aus alten Zeiten Das kommt mir nicht aus dem Sinn. Die Luft ist kühl und es dunkelt, Und ruhig fließt der Rhein; Der Gipfel des Berges funkelt Im Abendsonnenschein. Die schönste Jungfrau sitzet Dort oben wunderbar, Ihr gold’nes Geschmeide blitzet Sie kämmt ihr gold’nes Haar. Sie kämmt es mit gold’nem Kamme Und singt ein Lied dabei; Das hat eine wundersame Gewalt’ge Melodey. Den Schiffer im kleinen Schiffe Ergreift es mit wildem Weh, Er schaut nicht die Felsenriffe, Er schaut nur hinauf in die Höh’. Ich glaube, die Wellen verschlingen Am Ende Schiffer und Kahn; Und das hat mit ihrem Singen Die Loreley getan. 31
14
ANTON URSPRUCH Abendständchen Clemens Brentano (1778–1842)
ANTON URSPRUCH Nachtgesang Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
Horch, es klagt die Flöte wieder * Und die kühlen Brunnen rauschen, Golden weh’n die Töne nieder, Stille, stille, laß uns lauschen!
O, gib vom weichen Pfühle, Träumend, ein halb’ Gehör! Bei meinem Saitenspiele, Schlafe! was willst du mehr?
Holdes Bitten, mild Verlangen, Wie so süß zum Herzen es spricht! ** Durch die Nacht, die mich umfangen, Blickt zu mir der Töne Licht.
Bei meinem Saitenspiele Segnet der Sterne Heer Die ewigen Gefühle; Schlafe! was willst du mehr?
* Original: „Hör, es klagt die Flöte wieder“
Die ewigen Gefühle Heben mich hoch und hehr Aus irdischem Gewühle; Schlafe! was willst du mehr?
** Original: „Wie es süß zum Herzen spricht!“
15
16
ANTON URSPRUCH Ariette Christoph Martin Wieland (1733–1813) Ein Küßchen ist auch gar so bald geküßt! kaum spitz’ ich die Lippen, es schlürfend zu naschen, kaum glaub’ ich es zu haschen, so ist’s entschlüpft! Weg ist die Lust, so bald wir zählen müssen! Wie leicht wird von gezählten Küssen einer überhüpft! 32
Vom irdischen Gewühle Trennst du mich nur zu sehr! Bannst mich in diese Kühle; Schlafe! was willst du mehr? Bannst mich in diese Kühle, Gibst nur im Traum Gehör. Bei meinem Saitenspiele, * Schlafe! was willst du mehr? * Original: „Ach! Auf dem weichen Pfühle“
17
ANTON URSPRUCH Mit einem gemalten Bande Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
18
ANTON URSPRUCH An den Mond Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
Kleine Blumen, kleine Blätter Streuen mir mit leichter Hand Gute, junge Frühlingsgötter Tändelnd auf ein luftig Band.
Füllest wieder Busch und Thal Still mit Nebelglanz, Lösest endlich auch einmal Meine Seele ganz.
Zephir, nimm’s auf deine Flügel, Schling’s um meiner Liebsten Kleid! Und so tritt sie vor den Spiegel All’ in ihrer Munterkeit.
Breitest über mein Gefild Lindernd deinen Blick, Wie des Freundes Auge mild Über mein Geschick.
Sieht mit Rosen sich umgeben, Selbst wie eine Rose jung. Einen Blick, geliebtes Leben! Und ich bin belohnt genung.
Jeden Nachklang fühlt mein Herz Froh und trüber Zeit, Wandle zwischen Freud’ und Schmerz In der Einsamkeit.
Fühle, was dies Herz empfindet, Reiche frei mir deine Hand, Und das Band, das uns verbindet, Sei kein schwaches Rosenband!
[Fließe, fließe, lieber Fluß! Nimmer werd’ ich froh, So verrauschte Scherz und Kuß, Und die Treue so.] * [Ich besaß es doch einmal, Was so köstlich ist! Daß man doch zu seiner Qual Nimmer es vergißt!] * * von Urspruch nicht vertont
33
Rausche, Fluß, das Thal entlang, Ohne Rast und Ruh’, Rausche, flüst’re meinem Sang Melodien zu, Wenn du in der Winternacht Wüthend überschwillst, Oder um die Frühlingspracht Junger Knospen quillst. Selig, wer sich vor der Welt Ohne Hass verschließt, Einen Freund am Busen hält Und mit dem genießt, Was, von Menschen nicht gewußt Oder nicht bedacht, Durch das Labyrinth der Brust Wandelt in der Nacht.
34
19
ANTON URSPRUCH Erwartung Johann Gottfried Herder (1744–1803) Du murmelst, kleiner Silberbach Im Kosen sanfter Wellen Der Liebe süße Wünsche nach, Die mir den Busen schwellen. Voll Ruh’, wie du, Ist meine Vielgeliebte. O, daß doch nie ein Sturm noch Ungemach Ihr schönes Leben trübte! Du, dieses Eichthals Widerhall, Vernimm der Treue Lieder! Und tön’ in zwiefach starkem Schall Der süßen Namen wieder! Vielleicht erreicht Der Ton des Liebchens Wohnung. Dann harrt sie mein am Wasserfall, Gibt küssend mir Belohnung.
20
ANTON URSPRUCH Edone Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803)
21
ANTON URSPRUCH Der Kuß Friedrich von Hagedorn (1708–1754)
Dein süßes Bild, Edone, Schwebt stets vor meinem Blick; Allein ihn trüben Zähren, Daß du es selbst nicht bist.
Wie unvergleichlich ist Die Schöne, die recht küßt, In ihren Küssen steckt, Was tausend Lust erweckt.
Ich seh’ es, wenn der Abend Mir dämmert, wenn der Mond Mir glänzt, seh ich’s und weine, Dass du es selbst nicht bist.
Den Mund gab die Natur Uns nicht zur Sprache nur, Das, was ihn süßer macht, Ist, daß er küßt und lacht.
Bei jenes Thales Blumen, Die ich ihr brechen wollt’, Bei jenen Myrtenzweigen, Die ich ihr flechten wollt’,
Ach, überzeuge dich Davon, mein Kind, durch mich Und nimm und gib im Kuß Der Freuden Überfluß.
Beschwör’ ich dich, Erscheinung, Auf, und verwandle dich! Verwandle dich, Erscheinung, Und werd’ Edone selbst!
35