VIOLETA DINESCU
N
JOHANN SEBASTIAN BACH
Su ites & Ro ses for Violoncello Solo
KATHARINA DESERNO c ello
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Edition Kaleidos · KAL 6344-2 Recording / Aufnahme: 10/2018, Alte Kirche Fautenbach, Achern Recording Producer / Tonmeister: Jens F. Meier Liner notes / Booklettexte: Egbert Hiller, Violeta Dinescu, Katharina Deserno Translations / Übersetzungen: Anika Mittendorf Artist photos / Künstlerfotos: © Sihoo Kim (Deserno), © Nicolae Manolache (Dinescu) Artwork (Booklet p. 1) / Gemälde (S. 1): „Polyphone Klänge“ © Hans-Werner Berretz, 2019 Cover design & text layout / Grafikgestaltung: Jens F. Meier Executive Producer: Jens F. Meier p& c 2019 Kaleidos Musikeditionen · www.musikeditionen.de
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VIOLETA DINESCU (*1953) Sieben Rosen (2014/2018) I. Rubato 1:11 II. Malincolico 1:40 III. Vivo 1:10 IV. Con voce 1:53 V. Feroce 1:15 VI. Largo 1:27 VII. Dal niente 1:32
JOHANN SEBASTIAN BACH
(1685–1750)
Suite Nr. 1 G-Dur BWV 1007 8 Prélude 2:13 9 Allemande 5:32 10 Courante 2:48 11 Sarabande 3:19 12 Menuet I & II 3:32 13 Gigue 1:57
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VIOLETA DINESCU
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Kleine Suite (2018) I. Libero 2:57 II. Molto rubato 3:51 III. Vivo 4:13 IV. Tranquillo 3:59 V. Agitato 3:36 JOHANN SEBASTIAN BACH
Suite Nr. 2 d-Moll BWV 1008 19 Prélude 4:40 20 Allemande 4:33 21 Courante 2:10 22 Sarabande 4:58 23 Menuet I & II 3:21 24 Gigue 2:59 VIOLETA DINESCU 2 5
Abendandacht
(1985/2018) 4:57
KATHARINA DESERNO cello
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A
ls ich vor einigen Jahren Katharina Deserno kennengelernt und spielen gehört habe, war ich sofort überzeugt, eine Interpretin gefunden zu haben, die die Möglichkeiten besitzt, meine „musikalischen Gedanken“ zu fühlen (ohne vorher mit mir zu kommunizieren). Es sind jene Gedanken, die man nicht in der Notation finden kann. Die Notation ist immer noch eine Konvention geblieben, auch wenn man sie in kleinsten Details definiert und eine Partitur herstellen kann, die wie ein Spitzengewebe aussieht. Katharina Deserno hat damals ein Stück von mir gespielt; da wir vorher nicht proben konnten, war ich neugierig wie sie spielen würde, ohne bestimmte Erwartungen zu haben. Die Überraschung war besonders und so wünschte ich mir, dass sie auch andere Werke von mir erarbeitet und aufführt. Jahre sind vergangen … und mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen!
Die Melodiebögen (im Kontext verschiedener Strukturen) sind wie Naturerscheinungsformen, die wie ein „Atembogen“ erscheinen, sich entfalten und wieder verschwinden. Ich bin der Meinung, dass Musik, wenn sie „parlando rubato“ komponiert ist, immer neugestaltet werden kann und muss, und dass die ideale Erscheinungsform nie definitiv kristallisiert werden kann. Die Interpreten brauchen eigene Initiative, eine Art innere Instanz, welche die Freiheit der Entscheidung ermöglicht. Katharina Deserno hat all das, was notwendig ist meine Musik wahrhaftig zum Klingen zu bringen! Violeta Dinescu
Charakteristisch für meine Musik ist die „Einladung“, eine kreative Interpretation zu realisieren durch eine bestimmte Art von Notation, welche die Flexibilität der Gestaltung eines melodischen Bogens hervorruft. Die Phrasierung, die dafür nötig ist, ist nicht exakt zu notieren.
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V
ioleta Dinescus Musik ist für mich ganz besonders ausdrucksstarke und poetische Musik. Ich war sofort begeistert von ihrer Klangsprache – eine Schönheit, die sich übrigens auch in ihren zauberhaften Handschriften spiegelt! Das Stück Abendandacht ist in seiner schlichten Expressivität eine wichtige Inspirationsquelle des CD-Programms. Diese Melodie hat mich sehr berührt und ich fragte Violeta Dinescu, ob sie mir für ein Konzert in Hamburg eine Version für Cello und Orgel schreiben würde. Sie komponierte in der Folge dieser Idee zwei großartige Stücke: aspettare e aspettare für Orgel und Cello mit räumlicher Distanz und ein Werk für Solocello und Chor (E dopo continuai ad aspettare ed aspettare…), die ich beide 2016 uraufgeführt habe. Die Sieben Rosen habe ich zum ersten Mal in München im Gasteig gespielt und da entstand die Idee einer Gegenüberstellung mit Bach. Um es in einem Bild auszudrücken: Die „Rosen“ ranken sich um diese kostbaren Suiten, diese einmaligen und komplexen Werke, wie um einen verwunschenen Schatz. Es wird ein Blick in einen geheimen Garten der Vergangenheit geworfen aus der Perspektive einer expressiv-poetischen, einer kommentierenden und zugleich eigenständigen Moderne. So hat Violeta Dinescu für dieses Projekt eine Suite komponiert, in der sie sich auf die Cellosuiten von Bach bezieht.
Die Sechs Suiten für Violoncello solo von J. S. Bach haben eine Sonderstellung im Repertoire von Cellistinnen und Cellisten. Nach Bachs Tod wurden sie nahezu vergessen, im 19. Jahrhundert wurden sie, wenn überhaupt, zu Studienzwecken gespielt. Bachs Handschrift der Suiten ging verloren. Die älteste Abschrift ist die seiner Frau Anna Magdalena Bach. Erst durch Pablo Casals wurden die Suiten zu Beginn des 20. Jahrhunderts sozusagen wiederentdeckt und nach und nach zum zentralen Bestandteil des CelloRepertoires. Sie sind hochanspruchsvoll, musikalisch wie technisch, fordern Auseinandersetzung mit dem Urtext, mit den erhaltenen Handschriften und mit einer historisch-informierten Spielweise und Interpretation. Die Kleine Suite von Violeta Dinescu entstand 2017 und ich habe das Werk in Köln uraufgeführt. Mit den Möglichkeiten der Stimme sowie einer Performance-Ästhetik der Hände ergänzt Violeta Dinescu das avantgardistische und klassische Klangrepertoire, bezieht sich auf alte rumänische Melodien, wie in der Abendandacht, und explizit auf Johann Sebastian Bach. Die Bezüge sind manchmal ganz eindeutig, manchmal subtil verborgen. Mein Dank gilt Violeta Dinescu für die inspirierende Zusammenarbeit und für ihre wunderbare Musik, deren besonderer Zauber im Mittelpunkt dieser CD steht und die uns vielleicht auch die Bach-Suiten noch einmal anders hören lässt. Katharina Deserno
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J. S. Bach: Sarabande aus der Suite Nr. 2 d-Moll BWV 1008 Abschrift von Anna Magdalena Bach
SUITES & ROSES
Violeta Dinescu und Johann Sebastian Bach Gestische Dimensionen – seelische Regungen Auf den ersten „Blick“ haben Johann Sebastian Bach und Violeta Dinescu nicht viel gemeinsam – zum einen der Meister des Spätbarock und Thomaskantor, der im Spannungsfeld aus „göttlicher“ Ordnung und individueller Entfaltung „stets zum Lobe des Höchsten“ schrieb, und zum anderen die rumänische Komponistin der Jetztzeit, die Klänge als „Lebewesen“ auffasst, die sich der absoluten Kontrolle ihres „Schöpfers“ entziehen und ihre eigenen „Geschichten“ erzählen. Auf höherer Ebene lassen sich aber Verbindungslinien ziehen: in der zwar grundverschiedenen, aber jeweils eigentümlichen Verknüpfung von Klangsinnlichkeit und struktureller Kontrolle sowie im Moment des Tänzerischen. Dieses in Bachs Violoncellosuiten per se hervorstechende Merkmal hat in Violeta Dinescus Musik sein Pendant in sachten tänzerischen Elementen, die vor allem an gestische Dimensionen und seelische Regungen appellieren, sich aber in latentem Rückbezug auf die rumänische Volksmusik auch der Idee des Tanzes als unmittelbarem körperlichem Ausdruck annähern. So geraten Strenge und Bestimmtheit ebenso zum Kennzeichen des CD-Programms wie das Schwebende und Visionäre, ganz wie es auch in dem im Booklet abgedruckten Gemälde (siehe S. 1) von Hans-Werner Berretz in einem anderen Medium aufscheint. (Anm. d. Red.: Das Gemälde ist inspiriert durch die „Kleine Suite“ von Violeta Dinescu; gleichzeitig reagiert der Maler damit auf die Interpretation von Katharina Deserno.) Zum imaginären Tanz aufspielen Johann Sebastian Bach: Suiten für Violoncello Nr. 1 G-Dur und Nr. 2 d-Moll Bachs Suiten für Violoncello solo (BWV 1007–1012) zählen zu jenen außergewöhnlichen Kunstwerken, die sich so weit über das Repertoire und den Formenkanon ihrer Zeit erheben, dass sie als „zeitlos“ gelten dürfen – „zeitlos“ nicht aufgrund formaler und satztechnischer Details, aber hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds als 11
Ganzes. Ob Bachs Suiten lediglich zu Studienzwecken oder explizit für ein Mitglied der Köthener Hofkapelle, die er von 1717 bis 1723 leitete, entstanden sind, ist unklar. Dass er in allen sechs Violoncellosuiten die Satzfolge strikt einhielt und mithin ihre Grundcharaktere einheitlich vorprägte, spricht für die Anlage als zusammengehörige Werkgruppe. Sehr groß ist indes der Reichtum in der musikalischen Ausgestaltung zwischen Stilisierung und Entfesselung, zwischen polyphoner Konzeption und nackter Einstimmigkeit. Dem Prélude schließen sich die gemessene Allemande, die quirlige Courante und, als Herzstück, die zeremonienhaft getragene Sarabande an. Nach zwei variablen Intermezzi bildet die Gigue das beschwingte Finale. Die ersten beiden Suiten enthalten als Intermezzo-Paare zwei Menuette. Für die Bachzeit markant ist das Zwitterwesen der Violoncellosuiten zwischen Tanzund Konzertmusik – wobei sich dahinter die damals erst in Ansätzen sich abzeichnende Spaltung von „funktionaler“ und „autonomer“ Musik verbirgt. Zentral ist eine symbolische Bedeutungsebene, da nicht mehr real getanzt wird, sondern nur mehr in der Vorstellung. Das vermenschlichte Violoncello „singt“ und spielt zum imaginären Tanz auf. Obwohl nie im engeren Sinne als Tanzmusik gedacht und verwendet, bleiben die Tanzsätze melodisch und rhythmisch an ihre Gattungsvorbilder gebunden. Definition des musikalischen Raums Eine Ausnahme bilden die Préludes, die als Einleitungssätze freier Formbehandlung unterliegen. Das Prélude der Suite Nr. 1 in G-Dur (BWV 1007) umfasst zwei etwa gleich lange, von einer Fermate getrennte Abschnitte. Während der erste Abschnitt stoßweise linear vorwärts drängt, erweitert der zweite den Tonraum beträchtlich, indem er sich wellenförmig ausbreitet. Durch diesen Gegensatz definierte Bach – als Generalexposition – den musikalischen Raum in horizontaler und vertikaler Rich12
tung. In der variierten und transponierten Reprise wird dem Eingangsmotiv am Schluss nachdrücklich neue Farbkraft zugeführt. Auch das Prélude der Suite Nr. 2 in d-Moll (BWV 1008) ist in zwei Glieder unterteilt, die allerdings ungleich gewichtet sind: Die Längen entsprechen etwa dem Verhältnis 3:1, und das zweite Glied stellt keinen Kontrast zum ersten dar, sondern formuliert eine Art Coda oder Nachklang. Im Sinne der Tonart d-Moll, die für Bach Trauer und Düsternis anzeigte, dominiert zunächst ein verhalten melancholischer Tonfall. Dieser weicht aber tastendem Aufbegehren und wachsender Expressivität, die in der „Coda“ wieder verebben. Von den Préludes ausgehend, entfalten die idealisierten Tanzsätze ihren ganzen Schwung und spröden Charme, gepaart mit reflexiver Verinnerlichung, insbesondere in den Sarabanden. Spuren der Erinnerung Violeta Dinescu: Kleine Suite, Sieben Rosen und Abendandacht „Violeta Dinescus Musik empfinde ich als ganz besonders ausdrucksstark und poetisch. Ich war sofort begeistert von der Schönheit ihrer Klangsprache“, bemerkte die Cellistin Katharina Deserno, die vor einigen Jahren auf Dinescus Schaffen aufmerksam wurde. Sie wünschte sich die „Kleine Suite“ (für Cello mit 6 Celli und / oder Zuspielband ad. lib.) und regte die Komponistin an, darin auf Bach zu „reagieren“. Bereits mit dem Titel des 2017 entstandenen – und von Deserno in Köln uraufgeführten – Werks verweist Dinescu augenzwinkernd und ehrfürchtig auf dessen „große“ Suiten. Offen zitiert wird Bach aber nicht. Dinescus Referenzen an ihn sind nicht sofort hörbar, sondern kommen, als ein „chemischer Prozess“ untergründiger Anverwandlung und Transformation, im Inneren des Tonsatzes zur Geltung. Dieser Prozess vollzieht sich sowohl auf der Ebene charakteristischer formaler Parallelen als auch in der Sphäre des Visionären: als, so Dinescu, „Spuren der Erinnerung an Tanzgesten, die sich in fluktuierenden Bewegungen entladen“.
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Versteckte polyphone Strukturen verharren als Klangschatten, wenn die musikalische „Erzählung“ wiederholt den Zauber eines vermeintlichen Neustarts entfacht, ohne – wie im Leben selbst – das Vergangene auszublenden bzw. ausblenden zu können. Im Kreisen und Belauern, im Drängen und Bohren, teils mit scharfer Klinge insistierend, dann sich wieder lösend, zerfließend, satte Wärme ausstrahlend, faltet sich in Raum und Zeit ein vielschichtiger Klangorganismus auf. In Projektion auf die Gegenwart ist die Korrespondenz mit Bach eine „gefühlte“, eine Substanzgemeinschaft im Geiste, die auch an den dunklen Seiten der Existenz rührt. Großformal dominieren in der „Kleinen Suite“ Wechsel von Spannung und Entspannung. Introvertierte Phasen alternieren mit herben Aufwallungen, Signale werden ausgesandt, Energie bricht sich widerborstig Bahn, bis zum kontemplativen Verlöschen in fächerförmiger Mehrstimmigkeit. Auch die Binnenstrukturen halten die Balance zwischen Bindung und Freiheit, Stringenz und Entgrenzung, wenn sie ihr Korsett sprengen, plötzlich implodieren, verwischen, zu expandierenden Farbflecken mutieren, um ebenso plötzlich in scheinbar geordnete Bahnen zurückzufinden. Trotz der Brüche und Gegensätze schwebt über allem ein gesanglicher Duktus, der von Vokalisen der Interpretin, die eben nicht nur ihr Instrument „singen“ lässt, unterstrichen wird. „Mit den Möglichkeiten der Stimme sowie einer spezifischen Performance-Ästhetik der Hände“, so erläutert Katharina Deserno, „ergänzt Violeta Dinescu das avantgardistische und klassische Klangrepertoire, greift auf alte rumänische Melodien genauso zurück wie ganz explizit auf Johann Sebastian Bach, manchmal ganz eindeutig, manchmal subtil im Verborgenen.“ „Sieben Male ruf ich dich“ Violeta Dinescus Zyklus „Sieben Rosen“ wurde Anfang 2012 vollendet und war zunächst für Flöten gedacht. Die Fassung dieser Miniaturen für Cello spielte Katharina Deserno erstmals in München, und die Auseinandersetzung mit dem Zyklus
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„Sieben Rosen“ (aus: „Vier Liebeslieder“ von Bertolt Brecht) Handschrift von Violeta Dinescu
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motivierte sie, eine Konfrontation mit Bach zu wagen. In ihrer bildlichen Vorstellung „ranken sich die Rosen um diese kostbaren Suiten, diese einmaligen und komplexen Werke, vor denen nicht nur wir Cellistinnen und Cellisten große Hochachtung haben, wie um einen verwunschenen Schatz; so wird ein Blick in einen geheimen Garten der Vergangenheit geworfen aus der Perspektive einer poetischen, einer kommentierenden und zugleich eigenständigen Moderne .“ Inspiriert wurde Dinescu zu den „Sieben Rosen“ von Bertolt Brechts Gedicht „Liebeslied III“ (aus den späten „Liebesliedern“): „Sieben Rosen hat der Strauch / Sechs gehör`n dem Wind / Aber eine bleibt, daß auch / Ich noch eine find. // Sieben Male ruf ich dich / Sechsmal bleibe fort / Doch beim siebten Mal, versprich / Komme auf ein Wort.“ Allen „Sieben Rosen“ gemeinsam ist ein bestimmter Vorrat an Klanggesten, Farben und Akzenten, die jedoch stets in anderen Konstellationen auftauchen. Jede „Rose“ nimmt einen individuellen Charakter an, der sich, wie beim genauen Anschauen von Rosen in der Natur, bei eingehender Betrachtung immer deutlicher offenbart. In der metrischen Organisation räumt Dinescu ihren Interpretinnen und Interpreten viele Freiheiten ein, was auch für die Version für Violoncello gilt: „Das Tempo soll Rubato sein – eine Einladung zu einer flexiblen rhythmischen Bewegung ohne die festen Grenzen eines Taktes. Um eine absolute Freiheit des Rhythmus zu vermeiden, gibt es eine Hierarchie von Notenwerten (zunehmende Tondauern). Die Ordnung meint weder eine proportionale Notation noch eine komplizierte metrische Eingliederung. [...] Auskomponierte Tondauern sollen frei im Rahmen der entsprechenden rhythmischen Notation interpretiert werden.“ Volkstümliche Allusionen, aus der für Violeta Dinescu nach wie vor innerlich präsenten rumänischen Folklore, und hoch artifizielle Aspekte sind in den „Sieben Rosen“ untrennbar miteinander verwoben. Auf diesem Fundament blühen die einzelnen „Rosen“ auf; in verschiedenen Stimmungen und Lichtverhältnissen geraten sie zu Metaphern für Werden und Vergehen. Blüten werden vom Wind umschmeichelt, Blätter öffnen und schließen sich – und fallen nieder. 16
Von der engen Verwandtschaft der „Sieben Rosen“ untereinander leitet sich eine direkte inhaltliche Verbindung zum zentralen Vers „Sieben Male ruf ich dich“ aus Brechts Gedicht ab. Sämtliche „Rufe“ zielen in die gleiche Richtung, werden jedoch in Gestus und Emotionalität, da die Angesprochene „fortbleibt“, bei jedem neuen „Versuch“ variiert. Am Kern der Aussage, der Aufforderung an die (potenzielle) Geliebte, wird indes nicht gerüttelt. „Ruhig und melancholisch“ „Abendandacht war“, so Katharina Deserno, „der Ausgangspunkt und die Quelle dieser CD. Die Melodie des Stücks hat mich sofort sehr berührt, und ich bat Violeta Dinescu um eine Version für Cello und Orgel für ein Konzert in Hamburg. Daraufhin schrieb sie gleich zwei großartige Stücke, eins für Cello solo mit Chor und das für Cello und Orgel. Beide habe ich 2015 uraufgeführt.“ Hier nun widmet sich Deserno der von 1985 stammenden Fassung „für Trompete oder Instrumentalstimme“. Die Übertragbarkeit der „Ur-Konstruktion“ (Dinescu) auf andere „Stimmen“ hat die Komponistin schon bei der Entstehung mitgedacht, und jede Form klanglicher Verräumlichung führt zu einer spezifischen Sicht auf die wenigen Töne und schlichten Konturen. Der Titel „Abendandacht“, untermauert von der Anweisung „Placido e melancolico“ („ruhig und melancholisch“) gemahnt ans Spirituelle, an Momente der Stille und des Trostes, in Erwartung des Einbruchs der Nacht. „Besungen“ wird in dieser Atmosphäre das Leben selbst. Schönheit und Härten, Sehnsüchte und Hoffnungen passieren Revue, das lärmende Weltgetriebe – samt seiner Irrungen und Wirrungen – bleibt außen vor. Für die produktive Fantasie ist die „Abendandacht“ ein unerschöpfliches Reservoir; von Anfang bis Ende, dem betörenden Abschied, wenn sie in vielfacher Wiederholung der letzten Sequenz allmählich verklingt: „molto cantabile“, nachdenklich, zuversichtlich (?), jedenfalls ohne zu klagen, sich dem Unvermeidlichen beugend, ihm sehnend entgegensehend. Egbert Hiller 17
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ie Cellistin Katharina Deserno, geboren in Frankfurt am Main, ist bekannt für ihr breites Repertoire, ihre ausgefallenen Konzertprogramme sowie ihr expressives und sensibles Spiel. Ihre internationale Konzerttätigkeit als Solistin u. a. mit dem Spanischen Nationalorchester, als Kammermusikerin in verschiedenen Besetzungen und insbesondere seit mehr als 15 Jahren im Duo mit dem Pianisten Nenad Lečić ist dokumentiert in CD-Produktionen, zahlreichen Uraufführungen, Tourneen und Festivaleinladungen (Rolandseck-Kammermusikfestival, Moments Musicaux, Euroarts u. a.) sowie Rundfunkübertragungen im WDR, HR, Deutschlandfunk, Radio Clasica, ORF, u. a.
Auf ihren CDs, die bei KALEIDOS und WERGO erschienen sind, präsentiert Katharina Deserno Werke von Ludwig van Beethoven, Sergej Rachmaninov, Alexander Grechaninov, Clara Schumann, Fanny Mendelssohn, Rebecca Clarke und Konrad Lang u. a. sowie Kammermusik von Barbara Heller. Alle Alben enthalten Weltersteinspielungen und wurden von der Fachpresse vielfach gelobt. Rezensionen sprechen von „vollendetem Spiel“ und „technischer Perfektion“ (Rondo-Magazin). Ihre künstlerische Ausbildung erhielt Katharina Deserno in Frankfurt, Paris und Köln bei Maria Kliegel, Gerhard Mantel und Philipp Muller und schloss diese mit dem Konzertexamen ab. Weitere Inspiration und künstlerische Impulse durch János Starker, Wolfgang Boettcher, Siegfried Palm, György Kurtág, José Luís de Delás u. a. sowie Rainer Zipperling für Barockcello. Sie erhielt Auszeichnungen und Stipendien, u. a. wurde sie von der Konrad Adenauer Stiftung und Yehudi Menuhin Live Music Now gefördert. Bereits während des Studiums war sie Assistentin von Maria Kliegel. 2008 begann sie als eine der jüngsten Lehrenden an der Hochschule für Musik und Tanz Köln eine Violoncelloklasse zu unterrichten, mittlerweile sind viele ihrer Studierenden Preisträger internationaler und nationaler Wettbewerbe. Katharina Deserno wird regelmäßig eingeladen Meisterkurse für junge Cellistinnen und Cellisten zu geben. Ihr Buch über Cellistinnen und die Wandlungsprozesse in der Instrumentalkunst ist 2018 im Böhlau-Verlag erschienen. Beim Schott-Verlag publizierte sie ein Celloheft, das lange Zeit ein Noten-Topseller war. Seit 2015 ist Katharina Deserno Professorin an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt. Seit 2016 ist sie zudem Künstlerische Leiterin von Yehudi Menuhin Live Music Now Frankfurt. Katharina Deserno spielt ein italienisches Violoncello von Carlo Antonio Testore aus dem Jahr 1712 aus einer privaten Sammlung, das ihr von einem deutschen Mäzen großzügig zur Verfügung gestellt wird. 18
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ioleta Dinescu wurde 1953 in Bukarest geboren. Nach dem Abitur begann sie 1972 ein Musikstudium am Konservatorium „Ciprian Porumbescu“ (heute Nationale Musikuniversität Bukarest). Mit der Musikethnologin Emilia Comișel betrieb sie gemeinsam Feldforschung und unternahm Expeditionen in das extrem vielfältige Folklore-Repertoire Rumäniens. Die traditionelle Musik ihres Heimatlandes ist für sie bis heute, ebenso wie die byzantinisch-orthodoxe Kirchenmusik, eine maßgebliche Quelle der Inspiration. Violeta Dinescu beendete ihre Ausbildung 1976 mit drei Diplomen (Prädikat: mit Auszeichnung) in Komposition, Klavier und Pädagogik. Anschließend studierte sie, ermöglicht durch das „Förderprogramm George Enescu“, ein Jahr in Bukarest Komposition bei Myriam Marbe, die zu ihrer wichtigsten Lehrerin wurde. Von 1978 bis 1982 unterrichtete sie selbst Musiktheorie, Musikästhetik, Kontrapunkt, Harmonielehre und Klavier an der Musikschule „George Enescu“ in Bukarest. 1980 wurde sie Mitglied des rumänischen Komponistenverbandes. Konzerte, Preise und Rundfunkaufnahmen rückten sie zunehmend ins Licht der Öffentlichkeit. In der Folge der Preisverleihung eines Kompositionswettbewerbes in Mannheim und einem dreimonatigen Stipendium wurde Deutschland zu ihrem ständigen Wohnsitz. Violeta Dinescu studierte Musikwissenschaft bei Ludwig Finscher und unterrichtete an der Hochschule für Evangelische Musik in Heidelberg, an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt und an der Fachakademie für Evangelische Kirchenmusik Bayreuth. Aufführungen ihrer Werke, Rundfunksendungen, Vorträge, Workshops, Kurse an Institutionen im In- und Ausland sowie Kompositionsaufträge zeugten von wachsender Anerkennung. 1996 wurde Violeta Dinescu als Professorin für Angewandte Komposition an die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg berufen. Dort initiierte sie eine Internationale Komponisten-Colloquienreihe, die bis heute existiert und inzwischen in die Lehre integriert ist. Ebenfalls bereits 1996 begründete sie ein Archiv für osteuropäische Musik mit dem Schwerpunkt Rumänien und 2006 das jährlich stattfindende Symposium „ZwischenZeiten“. Für ihre Kompositionen wurden ihr etliche internationale Auszeichnungen verliehen, so der Grand Prize for Composition Utah, der IAWM-Preis Kassel, der Carl-Maria-von-Weber-Preis Leipzig, der BaldreitPreis Baden-Baden und der NYU Prize for Composition New York. Zudem erhielt sie diverse Stipendien. Violeta Dinescus Werkverzeichnis umfasst Musik verschiedenster Gattungen und Besetzungen, veröffentlicht auf zahlreichen CDs. In vielen Kommissionen und Jurys ist sie als Gutachterin tätig. 2017 wurde sie als Mitglied in die Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste aufgenommen. 21
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hen I met Katharina Deserno a few years ago and heard her play, I was convinced straight away that I had found a performer with the ability to sense my “musical thoughts”, without having to communicate with me beforehand. I mean the thoughts that you cannot find in the notation. The notation still remains a convention, even when you define it down to the smallest details to create a score like a piece of fine lace fabric. Katharina Deserno played a piece of mine back then; as we were unable to rehearse beforehand I was curious how she would play it, without having any particular expectations. The surprise was so special, and so I hoped she would interpret other works of mine and perform them. Years passed... and my wish was fulfilled! The “invitation” is characteristic of my music – to bring a creative interpretation to fruition by a certain type of notation, in which the flexibility evokes the shape of a melodic arc. The necessary phrasing cannot be exactly notated. The melodic arcs (in the context of different structures) are like organic manifestations that appear like exhalations that evolve and disappear again. When music is composed “parlando rubato”, in my opinion this should and must always be shaped anew,
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so that an ideal version can never be definitively realised. The performer needs be proactive, have a certain inner authority that allows them liberties in decision-making. Katharina Deserno has everything necessary to truly bring my music to life! Violeta Dinescu
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or me, Violeta Dinescu’s music is incredibly expressive and poetic. I was immediately enthralled by the beauty of her tonal language – which, by the way, is reflected in her enchanting manuscript! The piece “Abendandacht” (Evensong), in its unpretentious expressiveness, is a key source of inspiration for the programme of this CD. I found its melody very touching and I asked Violeta Dinescu if she would write a version for cello and organ for my concert in Hamburg. She subsequently composed two superb pieces “aspettare e aspettare” for cello and organ spatially distanced and a work for cello solo and choir (“E dopo continuai ad aspettare ed aspettare…”), both of which I premiered in 2016. I performed “Sieben Rosen” (Seven Roses) for the first time at the Gasteig in Munich and the idea to juxtapose it with Bach arose there. Pictorially, the roses twine around these precious suites, these unique and complex works, like around an enchanted treasure. It casts a glance in a secret garden of times past from the perspective of a poetic, reflective and at the same time independent modernity. I invited Violeta Dinescu to compose a “suite” for this project which draws on the cello suites by Bach. The Six Suites for Violoncello Solo by J. S. Bach have a special role in the repertoire for cello. After Bach’s death they were virtually
forgotten, in the 19th century, they were used for study purposes, if at all. Bach’s manuscript of the pieces was lost. The oldest transcription is by Anna Magdalena Bach, his wife. It was Pablo Casals at the beginning of the 20th century who “rediscovered” the suites, so to speak, and over time they became an essential part of the cello repertoire. They are highly demanding, musically and technically; they require interaction with the original manuscript, the surviving transcription, and with an historically informed style of playing and interpretation. “Kleine Suite” was written by Violeta Dinescu in 2017 and I premiered this work in Cologne. With the possibilities of the voice as well as a specific performance aesthetic of the hands, Violeta Dinescu expands the avantgarde and classical repertoire of sounds, draws on old Romanian melodies such as “Abendandacht” and explicitly on Johann Sebastian Bach. The references are sometimes straightforward, sometimes subtle and furtive. My thanks go to Violeta Dinescu for the inspriational collaboration and for her wonderful music, whose particular allure is the main focus of this CD and allows us, perhaps, to hear the Bach Suites once more in another way. Katharina Deserno 23
SUITES & ROSES
Violeta Dinescu and Johann Sebastian Bach Gestural Dimensions – Spiritual Expressions At first glance, Johann Sebastian Bach and Violeta Dinescu have little in common. On the one hand, Bach, the master of the late baroque and Thomaskantor, who composed in the tension-filled area between divine order and individual expression always in “praise of the Highest”. On the other hand, Dinescu, a Romanian composer of today, who understands sound as “living beings”, which renege on the ultimate control of their creator to tell their own tales. Similarities can, however, be drawn at a higher level: the way that each idiosyncratically connects sensitivity of sound with structural control as well as with the element of dance, albeit fundamentally different. Per se a preeminent characteristic of Bach’s Suites for Violoncello, the equivalent dance elements in Violeta Dinescu’s music are subtle and above all call upon gestural dimensions and spiritual expressions, although with a latent reference back to Romanian folk music drawing on the idea of dance as intuitive physical expression. Thus rigour and resolve as well as ethereal and visionary qualities have become hallmarks of this album, likewise appearing in another artform, in the painting by Hans-Werner Berretz printed in this booklet. Dance music of the imagination J. S. Bach: Suites for Violoncello No. 1 in G major and No. 2 in D minor Bach’s Suites for violoncello solo (BWV 1007–1012) rank among those extraordinary artworks which rise so far above the repertoire and canon of their times that they are considered “timeless”; not due to their details of form and compositional techniques, but “timeless” with respect to the work in its entirety. Whether they were written merely for the purpose of study or specifically for a member of the Hofkapelle in Köthen, where he was Kapellmeister from 1717 to 1723, is unknown.
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In all six cello suites the order of movements are strictly kept, thus uniformly shaping their basic character and indicating them as a group of pieces which belong together. Within this unity there lies a great wealth of musical design – between conforming to and freedom from musical constraints, between intricate polyphony and the plain single line. The prélude is followed by a measured allemande, an exuberant courante and, as a centrepiece, a ceremonial, solemn sarabande. After two variable intermezzi, a gigue forms the lively finale. The first two suites both incorporate two minuets as a pair of intermezzo movements. What is striking for Bach’s time is that the cello suites morph between dance and concert music. Hidden behind this is the emerging division between “functional” and “autonomous” music, of which first attempts were made at the time. The symbolic layer of meaning is quintessential as the dance occurs only in the imagination. The anthropomorphised cello “sings” and invites to an imaginary dance. Although it was not strictly conceived as dance music, the movements remain melodically and rhythmically bound to the standards of the dance genre. Definition of musical space The préludes are an exception: as introductory movements they are not subject to any particular form. The prélude from Suite No. 1 in G major BWV 1007 comprises two sections, almost equal in length and separated by a fermata. While the first section intermittently and linearly presses forward, the second section extends the range considerably by expanding in waves. Through this juxtaposition as the general exposition, Bach defines the musical space in horizontal and vertical directions. In the recapitulation with variations and transpositions, the opening motif is emphatically given new intensities of colour.
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The prélude from Suite No. 2 in D minor BWV 1008 is also divided into two parts, however they are of unequal measure: the lengths almost correspond to the relation 3:1 and the second part does not pose a contrast to the first, but rather forms a kind of conclusion or coda. In consonance with the key of D minor, signifying sorrow and sombre mourning for Bach, a melancholic atmosphere dominates at the beginning. However this gives way to tentative insurgence and increasing expressiveness which subside again in the “coda”. From the préludes on, idealised dance movements unfold their unmitigated verve and demure charm coupled with reflexive internalisation, especially in the sarabandes. Traces of Remembrance Violeta Dinescu: Short Suite, Seven Roses and Evensong “I find Violeta Dinescu’s music to be incredibly expressive and poetic. I was immediately enthralled by the beauty of her tonal language”, notes the cellist Katharina Deserno, who became aware of Dinescu’s oeuvre a few years ago. She asked for a “short suite” (“Kleine Suite” for cello with 6 cellos and/or tape ad. lib.) and encouraged the composer to “respond” therein to Bach. Even in the title of the work, composed in 2017 and premiered by Deserno in Cologne that same year, Dinescu refers to the “great” suites lightheartedly, yet at the same time reverently. However, Bach is not plainly quoted. Dinescu’s references to him are not immediately audible – rather through a “chemical process” of hidden adaptation and transformation do they come into full effect within the inner workings of the composition. This process is implemented on both the level of characteristic formal parallels as well as in the realm of the visionary: according to Dinescu as “traces of remembrance of dance gestures which discharge themselves in fluctuating movements”.
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Hidden polyphonic structures linger as sonic shadows: when the musical “narrative” repeatedly kindles the magic of an ostensible new beginning without blocking out the past, just as in real life. Cycling and chasing, surging and persisting, sometimes coercing with a sharp blade; then easing off, deliquescing, radiating a saturated warmth: a multilayered organism of sound unfolds in space and time. Projected onto the present, this “perceived” correspondence with Bach, a shared essence in spirit, also touches upon the dark side of existence. In “Kleine Suite“ (Short Suite), the transition between tension and release dominates the large-scale form. Periods of introversion alternate with austere surges, signals are transmitted, energy recalcitrantly breaks fresh ground, until it is extinguished, fanning out in contemplative polyphony. The internal structures also achieve a balance of attachment and freedom, setting and breaking boundaries. When they burst from the rigour of their corset, suddenly implode, blur, mutate into expanding stains of colour, to just as suddenly find their way back onto their seemingly ordered track. Despite the disruptions and contradictions, a characteristic singing style hovers above all. This is emphasised by the performer’s voice, who does more than just let her instrument do the singing. “With the possibilities of the voice as well as a specific performance aesthetic of the hands” as explained by Katharina Deserno, “Violeta Dinescu expands the avantgarde and classical repertoire of sounds, draws on old Romanian melodies and equally quite explicitly on Johann Sebastian Bach, sometimes straightforward, sometimes subtle and furtive.” “Seven times I’ll summon you” Violeta Dinescu’s cycle of pieces “Sieben Rosen” (Seven Roses) was completed at the beginning of 2012 and was initially intended for flutes. This version of the miniatures for cello was performed for the first time by Katharina Deserno in Munich
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and her involvement with this cycle motivated her to embark upon a confrontation with Bach. In her pictorial imagination, “the roses twine around these precious suites, these unique and complex works held in high regard not only by us cellists, like around an enchanted treasure; thus casting a glance in a secret garden of times past from the perspective of a poetic, reflective and at the same time idiosyncratic modernity.” Dinescu was inspired to write “Sieben Rosen” (Seven Roses) by Bertolt Brecht’s poem “Liebeslied III” (from the later “Love Poems”): “Seven roses on the bush / The wind takes six away / But the seventh doesn’t fall / So one for me will stay / Seven times I‘ll summon you / Six times stay away / But promise me the seventh time / You’ll come without delay.” All “seven roses” together are a certain repertoire of sonic gestures, colours and expressions which materialise in different constellations. Each “rose” takes on an individual character, which on close examination reveals itself more and more, just as when one admires roses outdoors. Dinescu allows the performer a lot of freedom when it comes to the metre, also in the version for cello. “The tempo should be rubato – this allows for a flexibility of rhythmical movement without the fixed boundaries of the barline. To avoid the complete freedom of rhythm there is a hierarchy of note values (increasing durations). This system is neither intended to be proportional notation nor a complex metrical organisation. (…) The written durations of the notes should be interpreted freely in accordance with the rhythmical notation.” Folkloric allusions, from the Romanian folklore that is always internally present for Violeta Dinescu, as well as highly artificial aspects are inseparably intertwined in “Sieben Rosen”. On this foundation, each individual “rose” comes to bloom – in differing moods and shades of light they become metaphors for transience – they flourish and decay. The roses are caressed by the wind, they open, close and eventually the petals fall to the ground. 28
The close relationship of the “seven roses” to each other is derived from a direct thematic link to the central verse of Brecht’s poem “Seven times I’ll summon you”. Every “summon” has the same direction, though the gesture and emotionality is varied in each attempt as the call remains unanswered. Meanwhile, the essence of the message, an invitation to a (potential) lover, does not stir. “Tranquil and melancholic” “Abendandacht”, according to Katharina Deserno, was “the starting point and source of this CD. I instantly found its melody very touching and I asked Violeta Dinescu if she would write a version for cello and organ for my concert in Hamburg. She subsequently composed two superb pieces, one for cello solo and choir and one for cello and organ. I premiered both in 2015.” Deserno has chosen here the version “for trumpet or instrumental voice” from 1985. The transferability of the “proto-composition” (Dinescu) to other “voices” was thought-out by the composer at the genesis of the work. Each form of tonal spatialisation leads to a unique perspective of the small number of notes and simple contours. The title “Abendandacht” (Evensong) reinforces the instruction “Placido e melancolico” (tranquil and melancholic), reminiscent of the spiritual, of moments of silence and of solace in anticipation of nightfall. Life itself is “extolled” in this atmosphere. Blessings and hardships, hopes and longings are reviewed; it turns its back on the turmoils of the world, its trials and tribulations. For the productive imagination, “Abendandacht” is an infinite reservoir; from beginning to end it is an enchanting farewell as multiple repetitions of the final sequence gradually fade away: “molto cantabile”, contemplative, sanguine (?), in any case without lament, accepting the inevitable, awaiting in yearning. Egbert Hiller 29
T
he cellist Katharina Deserno, born in Frankfurt/Main, is famous for her wide repertoire and her exciting concert programming as well as for her sensitive and expressive playing. Her international concert activities include appearances as a soloist i. a. with the Spanish National Orchestra, and as a chamber musician. Katharina performs as part of a duo with Serbian pianist Nenad Lečić, since more than 15 years. Her artistic work encompasses numerous world premieres of compositions written for her; concert tours and festival invitations (Rolandseck Festival, Moments Musicaux, Euroarts i. a.), radio broadcasts at WDR, Deutschlandfunk, Radio Clasica, ORF i. a. and CD-productions. Reviewers outline her “perfect playing” and “perfection of technique” (Rondo Magazine). On her debut CD “Hommage à Clara Schumann” (2011), she presented music for cello and piano and for cello solo by women composers; on subsequent albums for KALEIDOS and WERGO she has recorded music by Sergei Rachmaninov, Alexander Grechaninov, Konrad Lang and Ludwig van Beethoven, as well as chamber music by Barbara Heller. All recordings include world-premieres and have been praised highly by the press. Katharina Deserno received her artistic education in Frankfurt, Paris and Cologne from Maria Kliegel, Gerhard Mantel and Philipp Muller; further inspiration and artistic impulses came i. a. from János Starker, Siegfried Palm, Wolfgang Boettcher, György Kurtág, José Luís de Delás, and Rainer Zipperling for baroque cello. Already during her studies she became an assistant to Maria Kliegel. Being one of the youngest teachers at the Cologne University of Music and Dance, she established her own cello class in 2008. Meanwhile, many of her students are prizewinners of international and national competitions. Katharina is regularly invited to give master classes for young cellists. Her book on the history of women cellists was published in 2018 by Böhlau publishers. Her teaching book for young cellists, published by Schott, was a sheet music top seller for several years. In 2015, Katharina Deserno became professor at Frankfurt University of Music and Performing Arts. She is artistic director of Yehudi Menuhin Live Music Now Frankfurt. Katharina Deserno plays an Italian Violoncello by Carlo Antonio Testore from 1712 which has been generously loaned to her by a German Maecenas.
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ioleta Dinescu was born in Bucharest in 1953. After finishing secondary school, she began her music studies at the “Ciprian Porumbescu” Conservatorium (today the National University of Music Bucharest) in 1972. Together with the ethnomusicologist Emilia Comișel she conducted field research and undertook expeditions in the extremely diverse Romanian folklore repertoire. The traditional music of her homeland, along with the music of the Byzantine Orthodox church, has been an essential source of inspiration to her. Violeta Dinescu completed her studies (with distinction) with three diplomas in composition, piano and pedagogy in 1976. She subsequently studied composition on a George Enescu scholarship for one year in Bucharest with Myriam Marbe who would become her most important teacher. From 1978 to 1982 she taught lessons in music theory, music aesthetics, counterpoint, harmony and piano at the “George Enescu” Music School in Bucharest. In 1980, she became a member of the Romanian Composers’ Association. Concerts, prizes and recordings for radio increasingly put her in the limelight. After winning a composition competition in Mannheim and upon receiving a three-month stipend, Germany became her permanent residence. Violeta Dinescu studied musicology with Ludwig Finscher and taught at the University of Church Music in Heidelberg, at the Frankfurt University of Music and Performing Arts and at the Bayreuth Academy for Protestant Church Music. Performances of her works, radio broadcasts, lectures, workshops and courses at national and international institutes, including various universities in the USA, as well as commissions vouch for her increasing recognition. In 1996, Violeta Dinescu was appointed professor for applied composition at the Carl von Ossietzky University of Oldenburg. She initiated a series of international composers’ colloquia which has been incorporated into the curriculum and still continues today. Likewise, in 1996, she founded an archive of Eastern European music with a focus on Romania and in 2006 the annual symposium “ZwischenZeiten”. Her compositions have been awarded numerous international distinctions, such as the Grand Prize for Composition Utah, the IAWM Prize Kassel, the Carl Maria von Weber Prize Leipzig, the Baldreit Prize Baden-Baden and the NYU Prize for Composition New York. Furthermore, she has received various grants. Violeta Dinescu’s catalogue of works includes a wide range of genres and instrumentation published on a number of CDs. She works as a consultant in various committees and juries. In 2017, she was accepted as a member of the European Academy of Science and Arts. 31