Optimal 02/2018: Get up, stand up! Wie agile Transformation bewegt

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GET UP, STAND UP!

Kundenmagazin der Agentur kernpunkt

Wie agile Transformation bewegt


... stand up for your rights! So oder so ähnlich könnte es im Moment in vielen Unternehmen lauten, die agile Transformation anstreben. Agile Transformation bewegt, und nicht nur weil es beim täglichen Standup unter den Kollegen heißt: Hoch vom Stuhl! Oder weil Teams und die Mitarbeiter nun eigenverantwortlich und autonom für ihre Rechte und Ideen kämpfen. Nein, Agilität bewegt in viel tieferen Sphären. Ganze Organisationsstrukturen und viele Werte bewegen sich. Nichts bleibt wirklich still, sei es im Dialog oder eben auch beim Verrücken von Stühlen und Bürotischen. Daher haben wir uns in unserer letzten Printausgabe der Optimal etwas mehr mit diesem Thema beschäftigt: Was bedeutet es eigentlich, agil zu arbeiten? Dazu haben wir mit vielen Kollegen und auch Kunden gesprochen. Eine kleine Bestandsaufnahme ist so entstanden. Wie gehen Unternehmen Agilität erfolgreich an? Gibt es auch Schattenseiten? Welche Hindernisse kommen beim Thema auf? Interviewt haben wir diesmal unsere Kollegin Natalie Otto, Director for People und Culture bei kernpunkt. Denn auch wir bei kernpunkt mussten im Zuge der agilen Transformation feststellen: Wer A sagt, muss auch B sagen.

Viel Spaß bei der Lektüre – and don’t give up the fight!

Jan Eickmann, Director Consulting & Business Development

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Inhalt 4 Schwerpunkt Warum es sich (immer noch) lohnt, agil zu werden

Mitwirkende dieser Ausgabe

6 Agil macht man nicht Agil wird man 8 Wasserfall 2.0 Im neuen Gewand: Agile Methoden 10 Wer A sagt, muss auch B sagen Interview mit Natalie Otto

Judith Geuking Autorin

Andreas Berger Autor

Kay Schleißing Autorin

Igor Dieter Designer

12 Auf ins Abenteuerland Lernkultur schaffen 14 Warum agiles Marketing Sinn macht Machen ist besser als Nicht-Machen 16 Unbekanntes Terrain Herausforderungen mit einem agilen Dienstleister 18 Miteinander reden will gelernt sein! Wie Gewaltfreie Kommunikation bei der agilen Transformation hilft 20 Agil kalkulieren Was bedeutet agiles Projektmanagement aus Kaufmannssicht?

Impressum: kernpunkt Digital GmbH, Oskar-Jäger-Str. 173, 50825 Köln | Verantwortlich

22 Der Selbsttest Sind wir schon agil?

für den Inhalt: Simon Biela | Auflage: 2.300 Stück | Erscheinung: zweimal pro Jahr | Bildmaterial: kernpunkt Digital GmbH, istockphoto.com, unsplash.com (Dylan Gillis & Quino Al) www.kernpunkt.de

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Schwerpunkt

WARUM ES SICH (IMMER NOCH) LOHNT, AGIL ZU WERDEN Agile ist nicht neu. Trotzdem wird es heiß diskutiert. Meinungen dazu siedeln sich zwischen „der Weg zum Erfolg“ oder aber „die nächste Sau durchs Dorf treiben“ an. Das Thema bewegt nach so vielen Jahren immer noch viele Unternehmer, und die Standpunkte sind vielfältig. Genau betrachtet kann in der heutigen Zeit aber gar nichts gegen den Kern von agilem Arbeiten sprechen. Er ist notwendig geworden. Daher lohnt es sich, Agilität weiter zu etablieren. Was hat der Spargelanbau mit Agilität zu tun? Und was das Edelgemüse mit dem Internet der Dinge? Eine ganze Menge, wie das Unternehmen Bosch schon 2015 gezeigt hat. In nur drei Wochen hat Bosch eine vernetzte Sensorlösung für den Spargelanbau entwickelt. Spargelanbauer können durch die Bosch-Sensoren den Temperaturverlauf in der Erde über das Smartphone verfolgen. Das erleichtert ihre Arbeit, denn Spargel mag es warm. Nicht selten beheizen Landwirte ihre Spargelfelder schon im Januar, decken ihre Felder mit Folie ab und müssen tagesaktuell den Wetterbericht verfolgen. Nun landen die Informationen über die Erdtemperatur in einer App, und die Landwirte können einfacher und datenbasiert Entscheidungen treffen. Drei Wochen sind eine kurze Entwicklungszeit für neue Technologien und vor allem für ein funktionierendes, fertiges Produkt.

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Doch nach dieser kurzen Zeit stand bei Bosch dank agiler Methoden und der Zusammenarbeit interdisziplinärer Bosch-Geschäftsbereiche eine ganze Menge: die Funkverbindung, die App, Landwirte als Partner und die Cloud-Lösung. Zwei Systeme konnten nach drei Wochen funktionstüchtig durch Landwirte in Betrieb genommen werden. Neues Mindset für neue Märkte Nicht nur Bosch, sondern viele der erfolgreichsten Unternehmen sind in ihrer ganzen Organisation und Zusammenarbeit agil. Von Spotify über Google bis hin zur ING Bank, sie alle haben sich für agile Modelle entschieden. Warum haben sie das getan? Weil wir in einer Welt angekommen sind, die von Unsicherheit und schnellen Veränderungen geprägt ist. VUCA nennt sich das und steht für volatility, uncertainty, complexity und ambiguity. Auf


Deutsch: Volatilität oder Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Märkte verändern sich rasant, und auch Kundenanforderungen sind morgen schon wieder andere als heute. Unternehmen müssen sich daher ständig neu erfinden und auf Veränderungen reagieren können. Produktentwicklung wird damit schneller und Time-to-Market ist entscheidend. Auch am Spargel-Beispiel kann das gut verdeutlicht werden: Hätte sich die Produktentwicklung länger hingezogen, wäre die Spargelsaison ja schon längst wieder vorüber. Alte, langwierige Prozesse und Projektplanungen reichen nicht mehr aus. Unternehmen setzen daher immer mehr auf Reaktionsfähigkeit und Flexibilität. Nur so bleiben sie wettbewerbsfähig. Das macht agiler werden zu einer Notwendigkeit.

Wir brauchen keine Gedankensilos Agil werden bedeutet, Prozesse vollständig neu zu denken und nach neuen Wegen und Ansätzen zu suchen. Gedankensilos müssen aufgelöst werden, denn sie erschweren das Finden von Lösungen und Innovationen. Damit brechen Unternehmen aus gefestigten Komfortzonen heraus, was aber auch heißt, an gemeinsamen Werten zu arbeiten. Gemeinsame Werte im agilen Sinne wurden konkret im Agilen Manifest festgehalten: Individuals and interactions over processes and tools Working software over comprehensive documentation Customer collaboration over contract negotiation Responding to change over following a plan Diese Werte machen den Kern von Agilität aus: Menschen stehen über Prozessen. Funktionstüchtige Produkte und Ergebnisse sind wichtiger als deren Dokumentation. Zusammenarbeit steht über Vertragsverhandlungen. Und das Reagieren auf Veränderungen ist wichtiger, als sich an den ausgearbeiteten Plan zu halten, der schon längst seine Aktualität verloren hat. Verinnerlichen Unternehmen diese Werte, ergeben sich viele Vorteile. Kundenzentriertheit ermöglichen Unternehmen beschäftigen sich zum Beispiel täglich damit, den bestmöglichen Nutzen für Kunden zu schaffen. So muss es heute auch sein. Denn eine positive Nutzererfahrung entscheidet über Erfolg von Unternehmen. Agilität sorgt dafür, in Echtzeit auf neue Kundenanforderungen reagieren zu können. Durch enge Zusammenarbeit können Bedenken und Anforderungen verstanden werden, sodass erfolgreiche Ergebnisse entstehen. Am Kunden vorbei entwickeln ist dann passé. Auch im B2B-Um-

feld, gerade zwischen Unternehmen und Agenturen, ist das wichtig. Denn nicht selten rückt durch den Fokus auf den Endkunden eines Unternehmens die Customer Experience des Unternehmens selbst in den Hintergrund. Agile Zusammenarbeit, aufbauend auf gemeinsam verstandenen Werten, bietet die Möglichkeit, die Zusammenarbeit partnerschaftlich auf Augenhöhe zu gestalten. Das schafft vertrauensvolle Kundenbeziehungen. Unnötiges Risiko reduzieren Durch solche Kundenbeziehungen kann Risiko abgebaut werden. Agilität ist ein Katalysator für kontinuierliche Verbesserungen und schafft Ergebnisse, die zählen. Für erfolgreiche Produkte kommt es nicht mehr nur auf hohe Qualität und niedrige Kosten an, sondern vielmehr auch auf Geschwindigkeit und User Experience. Traditionelle Wasserfall-Projekte können das nicht mehr bieten. Sie erhöhen das Risiko, irrelevant zu werden, und sind dazu unkalkulierbar. Flexibilität und Transparenz, wie sie durch agile Modelle ermöglicht werden, verhindern das. Dazu gehört auch, dass agile Teams tagtäglich in engem Austausch mit Kunden und anderen Stakeholdern stehen und sich potenzielle Herausforderungen früh abzeichnen. Es minimiert das Risiko, am Ende eines Projektes vor einem bösen Erwachen zu stehen. Stolz und Begeisterung für Ergebnisse schaffen Dass auch ein WasserfallProjekt bei bestimmten Voraussetzungen gelingen kann, soll hier nicht in Frage stehen. Jedoch wird das immer seltener, und die Zufriedenheitsraten sind sehr gering. Denn viel zu häufig stimmen Planung und Budgetierung kaum mit der Realität überein. Agiler sein gibt Teams wieder die Möglichkeit, Verantwortung in die Hand zu nehmen und zu reagieren. Ihnen wird nicht mehr die Kompetenz abgesprochen, selbst mit Herz und Verstand gute Entscheidungen treffen zu können. Viele kleine Meilensteine, die Teams auch einhalten können, bringen die entscheidende Motivation und Commitment. Menschliche Bedürfnisse zentrieren Natürlich versprechen agile Modelle betriebswirtschaftliche Ergebnisse wie schnellere Time-to-Market und Wettbewerbsfähigkeit. Doch bei einem agilen Mindset geht es noch viel stärker um Menschen, Bedürfnisse und Motivatoren. Es kann heute nicht mehr gang und gäbe sein, dass in Silos aufgrund eines veralteten Plans an überholten Features geschraubt wird, über die erst zu spät gesprochen wird. Dann entstehen Unzufriedenheit und vor allem Irrelevanz, denn es wurde auf keine Bedürfnisse Rücksicht genommen. Agiles Arbeiten ermöglicht es Unternehmen sowie Kunden, letztendlich gemeinsam wertschöpfend zu arbeiten und erfolgreich zu sein. Auch bei Bosch standen menschliche Bedürfnisse im Vordergrund. Das Ergebnis waren zufriedene Produktentwickler sowie glückliche Spargelanbauer, die Spargel nun effektiv und zum richtigen Zeitpunkt ernten können.

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AGIL MACHT MAN NICHT Agil wird man „Wir arbeiten agil“ oder „Wir probieren jetzt Scrum“ sind Sätze, die immer mehr auch in sonst traditionellen, hierarchischen Unternehmen und Agenturen zu hören sind. Die ganze Thematik ist aber nicht so einfach und kann in Frust und Überforderung enden. Agil macht man nicht einfach so. Häufig steht Unternehmen ein langer und mit Stolpersteinen besetzter Weg bevor, auf den sie sich aber dringend einlassen müssen. Wie sieht also der Weg zum Agil-Sein aus?

Viele Führungskräfte wissen gar nicht genau, wie sie ihr Unternehmen zu einer agilen Organisation transformieren können. Sie wollen aber trotzdem schon im Vorfeld sehen, wie sich die Transformation abspielen wird. Denn die Führungsebene hat Verantwortlichkeiten und muss sich nicht selten auch vor Stakeholdern rechtfertigen, wie sich das ganze wirtschaftlich auszahlt. Sie braucht messbare Werte und Ergebnisse, Plan und Struktur. Agilität wird daher häufig eigentlich nur an der Oberfläche angetastet, um Unvorhersehbares zu vermeiden. Das Problem dabei ist: Unternehmer wollen die Erfolgsversprechen und Ergebnisse agiler Arbeitsweise, sie hoffen auf die Früchte von Agilität, sind aber nicht bereit, den ganzen Weg zu gehen. Das Verständnis und das Mindset sind nicht vorhanden. Nicht die Lösung fokussieren Agilität ist keine weitere Methode für Erfolg, sondern muss ganz tief im Kern

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eines Unternehmens verankert werden. Der wichtigste Schritt auf dem Weg zum Agil-Sein ist also das Verständnis. Viel zu oft stellen Entscheider Agilität aber schon als Lösung dar. Sie fokussieren weniger die Probleme in einer Organisation, die es zu lösen gilt. Es wird gar nicht thematisiert, warum ein Unternehmen agil werden soll. Wie kann auf diese Weise ein Mindset für ein ganzes Unternehmen etabliert und verankert werden? Wie sollen Mitarbeiter mitgenommen werden, wenn ihnen eine Lösung vorgesetzt wird, ohne den Sinn dahinter zu verstehen? Dann kommt schnell die Frage nach dem Warum auf. Welchem Zweck sollen die Veränderungen dienen? Frust und das Gefühl von Zeitverschwendung folgen nicht viel später. Doch das ist sehr kontraproduktiv. Denn erst wenn sich Teams engagiert und hingebungsvoll der neuen Idee widmen können und wollen, kann durch die Transformation etwas Gutes entstehen. Und dazu

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braucht es: • Wissen und Input über das Warum • Die Chance, herauszufinden, was an agilen Organisationsformen Sinn macht • Die Chance, den Sinn im Arbeitsalltag zu erleben, Stück für Stück • Klein anfangen, groß werden


Muss. Agil zu sein, ist nicht gleich der Aneinanderreihung von Zeremonien wie Stand-ups und hat nichts mit starren Praktiken oder Ritualen zu tun. Es ist kein Cargo-Kult. Das Nachahmen von Verhalten, ohne den Sinn dahinter zu verstehen, bringt Unternehmen nichts.

Kein Cargo-Kult Das Wissen um das „Warum“ muss zusätzlich um weiteres Knowhow im operativen Sinne angefüttert werden. Denn im Zuge der agilen Transformationen wählen Unternehmen natürlich auch eine Methode. An dieser Stelle können Begriffe wie Kanban, Extreme Programming, Lean oder Scrum fallen. Entscheidet sich ein Unternehmen beispielsweise für die agile Methode Scrum, stehen Mitarbeiter und andere Stakeholder erst einmal unbekannten Rollen und Begriffen gegenüber: Sprint, Backlog, Daily Standups, Refinement, Product Owner und Co. Unternehmen müssen hier gemeinsam die Basics abarbeiten, sich mit den „Zeremonien“ wie Daily Stand-ups vertraut machen und die Rollen verstehen.

Was ist also entscheidend? Sei agil, nicht Agile! Unternehmen führt nicht „Agile“, also eine bestimmte Methode, zum Erfolg, sondern agiler sein. Das Verstehen und Adaptieren der Werte und Prinzipien steht hier an erster Stelle. Dazu gibt das Agile Manifest ja ganz klar vor: Value individuals and interactions over processes and tools! Menschen und Interaktionen stehen über Prozessen und Tools. Die Methodik muss mit ihren Zeremonien hintenanstehen. Das agile Metaspiel Agile Werte betreffen dabei nicht nur die Mitarbeiter und Teams. Der Weg zum AgilSein hört nicht im Tagesgeschäft auf. Eine neue, veränderte Führung, die den Anforderungen gerecht wird, ist nötig. Sie muss für eine ganzheitliche Transformation:

• offene Kommunikation und Informationspolitik fördern • sinnvolle Werte und Kulturaspekte im Unternehmen erhalten Erst wenn das gesamte Unternehmen auch auf der Metaebene die Werte trägt und vorlebt, kann Agilität verstanden werden und funktionieren. Falsch ist dabei die Vorstellung, es gebe keine Führung mehr. Führung schafft vielmehr die kreativen Rahmenbedingungen und ist als Coach zu verstehen. Mehr als ein Methodenwechsel In den Medien liest man, dass Agilität wie Digitalisierung ist. Sie geht nicht wieder weg. Und da haben die Medien recht. Digitalisierung und unsere Schnelllebigkeit verlangen einfach Agilität. Genau aus diesem Grund müssen Unternehmer verstehen: Es führt kein Weg an agileren Arbeitsweisen vorbei. Agilität muss aber richtig angegangen werden, um erfolgreich zu sein. Und das beinhaltet, auf dem agilen Weg einen ganzheitlichen Mindset-Wechsel zu verfolgen. Die Methodik für sich macht keinen Erfolg aus.

• Hierarchie abbauen Trotzdem gilt testen und lernen. Unternehmen sollten nicht von Anfang an auf einer Methode beharren, sondern ausprobieren, was passt. Denn für agile Arbeitsweisen sind die Methoden eine Option, aber kein

• als Vorbild für agiles Arbeiten stehen • Raum für Entwicklung und Wachstum geben # 2 | 2018

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WASSERFALL 2.0 Im neuen Gewand: Agile Methoden Unsere unbeständige Welt benötigt flexible Projektmanagement-Methoden, um auf sich schnell ändernde Anforderungen reagieren zu können. Wasserfallige Vorgehen wurden daher durch agile Methoden ersetzt. Doch statt Agilität und der versprochenen Vorteile stehen agile Teams oft nur vor einem Wasserfall 2.0 – mit alten und auch neuen Problemen.

Konzeption, Design, technische Umsetzung, Rollout – in einem Projektvorgehen nach Wasserfall-Modell gibt es einen klar definierten Ablauf. Eine Aufgabe wird erst begonnen, wenn die vorherige Stufe abgeschlossen ist. Bei großen Projekten mit konstanten Anforderungen schafft das Planungssicherheit. Doch diese konstanten Anforderungen gibt es heute immer seltener. Der Faktor des Unvorhersehbaren verlangt mehr Flexibilität und damit agile Methoden, allen voran Scrum. Scrum verspricht, die starren Wasserfall-Probleme zu lösen. Unternehmen erwarten nun Flexibilität, maximale Anpassungsfähigkeit durch Austausch, höchste Nutzerorientierung sowie autonome, verantwortungsbewusste Entwicklerteams, die eigenständig die zu erledigenden Aufgaben wählen. Die Teams können funktionale Ergebnisse schon nach zwei Wochen liefern. Was die Theorie jedoch verspricht, sieht in der Realität leider noch ganz anders aus. Agile Transformation bleibt eine Herausforderung und die versprochenen Vorteile auf der Strecke. Keine wirkliche Unabhängigkeit Im Zuge einer agilen Transformation agilisieren Unternehmen leider oft nur ihre „Mitte“. Es werden agile Teams mit ihren Rollen aufgebaut, die dennoch von wasserfalligen Prozessen umgeben bleiben. Entscheidungen werden selten in die Hände von Entwicklern und Teams gelegt, die im agilen Sinne ja eigentlich selbstorganisiert und autonom handeln sollen. Wie entscheiden sich Unternehmen stattdessen für neue Produkte, Investments oder Initiativen? Da hat sich oft nicht viel geändert: Außenstehende 8

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Komitees in oberster Ebene treffen, etwa aus finanziellen Gründen, fernab von wirklichem Mehrwert, Business-Entscheidungen, obwohl ihnen das technische Verständnis fehlt. Doch wenn sich das Management aus finanziellen oder sogar emotionalen Gründen nicht raushalten kann oder will, dann werden Agilität und Scrum nicht erfolgreich sein. Teams zwar Verantwortung zu geben, aber eben keine Autorität und Kompetenz über Entscheidungen, ist der Todesstoß für Erfolg. Oft werden dadurch Produkte entwickelt, die am Ende von niemandem gebraucht werden. Teams werden demotiviert, denn Entscheidungen, hinter denen sie nicht stehen, wurden durchgesetzt. Das ganze Vorgehen bleibt business-orientiert und nicht wirklich nutzerorientiert. Wenn agile Teams stark abhängig sind (und eben nicht in die Lage versetzt werden, selbst zu entscheiden), werden agile Projekte scheitern. Keine gesteigerte Qualität Eigentlich soll Scrum technische Schulden verringern und zeitgleich für mehr Produktivität und Transparenz sorgen. Doch durch die engen Sprintziele und täglichen Stand-ups erhöhen sich


Druck und Stress für viele Teams. Die vielen Scrum-Meetings klauen ihnen gefühlt auch noch weitere Zeit. Arbeiten sie nun zu langsam? Was ist, wenn sie die Tagesaufgabe oder das Sprintziel nicht schaffen? Cancelt der Kunde womöglich das ganze Projekt? Nicht selten werden Fehler dann hingenommen, vielleicht sogar verschwiegen, um doch noch das Sprintziel und den Meilenstein zu erreichen. Damit am Ende doch alle Storypoints „geburnt“ und Projekte abgeschlossen werden können. Und damit nicht vielleicht noch die eigene Karriere durch Fehler oder Projektscheitern belastet wird. Auch wenn also Austausch und Zusammenarbeit gefördert werden sollten, sorgen die täglichen Stand-ups und Velocity-Charts eher für das Gegenteil. Sie werden als Werkzeuge des Controllings wahrgenommen. Die vielen Meetings, die kürzeren Deadlines und die Sichtbarkeit von Arbeit sorgen vielerorts eher für mehr Stress und weniger Produktivität. Dabei sollte eigentlich einleuchten: Ein fehlerhaftes Produkt abzuliefern und technische Schulden anzuhäufen, ist schädlicher, als die Deadline noch etwas weiter nach hinten zu verschieben. Aber der Druck ist da. Bloß nicht als langsamer Arbeiter dastehen! Hauptsache die Performance verbessern! Es liegt nahe, dass wenige Teammitglieder da noch das große, langfristige Ziel im Blick haben, sondern nur noch die einzelne Story. Kein Raum für Kreativität und Spontanität Wo ist die versprochene Flexibilität? Das Scrum-Regelwerk mit seinen Ritualen und Routinen bietet keinen Platz für impulsive Entscheidungen, Innovationen und Spontanität. Was nicht im aktuellen Sprint priorisiert wurde, muss halt warten, auch wenn die Idee noch so gut ist. Denn die ganze Zeit eines Teams muss verbucht und in Kennzahlen wie Flow Efficiency und Velocity festgehalten werden. Eigene Ideen haben zwischen den Sprintzielen und der noch hinzukommenden ungeplanten Arbeit keinen Raum. Und sowieso: „eigene“ Ideen schon gar nicht, denn das ganze Team muss sich ja auf eine Sache committen. Geht da nicht Innovationspotenzial verloren? Und was ist mit Weiterbildung und dem lebenslangen Lernen, das in Zeiten der Digitalisierung von Unternehmen und ihren Mitarbeitern gefordert ist? Keine Zeit, denn es zahlt nicht auf ein Sprintziel ein. Agil ist nicht das Problem Natürlich liest sich das nun hart. Es gebe keine Unabhängigkeit, keine Qualität, keine Innovation. Man könnte ja fast meinen, es spricht vieles gegen Agilität. Und diese Härte ist so gewollt. Denn leider findet sich diese Wahrheit zulasten der Teams und der Motivation in vielen Unternehmen wieder. Doch an dieser Stelle muss klar gesagt werden: Nicht Agilität oder die Methode Scrum sind das Problem, selbst wenn sie bei richtiger Einführung auch nicht alle Herausforderungen lösen. Die Umsetzung, die Art und Weise der Transformation, das fehlende Verständnis für agiles Arbeiten und für Scrum sind die wirklichen Probleme. Fehlt die Bereitschaft zu ganzheitlichem Wandel, zu einer offenen Kommunikation und dazu, auch auf die Unterstützung eines erfahrenen Agile Coachs zu setzen, bleibt am Ende nur Wasserfall 2.0. # 2 | 2018

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Interview

WER A SAGT, MUSS AUCH B SAGEN Unternehmen, die sich für eine agile Transformation entscheiden, wissen meist nicht, welche Folgen und Konsequenzen auf sie zukommen. Oder welche Hindernisse überwunden werden müssen. Es reicht nicht, den Projektleiter zum Scrum Master umzubenennen und den Mitarbeitern zu sagen „Ihr entscheidet selbst!“. Es bedarf viel mehr für eine erfolgreiche Transformation. Klassische Hierarchien müssen aufgebrochen und bestehende Strukturen vollständig transformiert werden. Zu diesem Thema haben wir Natalie Otto, Director People & Culture bei kernpunkt, befragt. Denn auch unsere Agentur hat sich agil transformiert. Ganz besonders interessiert uns: Was hat die Transformation mit den Mitarbeitern und dem Management gemacht? Wie wichtig war ein agiler Coach für die Transformation bei kernpunkt, Natalie? Wirklich ganz entscheidend! Für uns war klar, dass wir einen agilen Coach für die Transformation brauchen – vor allem für eine erfolgreiche. Agil war zwar schon lange ein Thema bei kernpunkt, aber erst durch die Einstellung unseres Agile Coachs und seine Unterstützung auf diesem Weg hat das Management den finalen Schritt gewagt. Bei einer derartigen Veränderung sind Menschen, die vorlaufen und die Herausforderungen kennen, besonders wichtig. Denn es muss jemanden geben, der den Mitarbeitern zur Seite steht und sie in den neuen, ihnen unbekannten Situationen versteht. Welche Folgen hatte die agile Transformation für die ehemalige Organisationsstruktur? Da kernpunkt eher eine Alpha-Organisation war, waren die Folgen nicht gerade unbeachtlich. Ich würde sagen, besonders einschneidend war es für die ehemaligen Abteilungsleiter, die eine scheinbare Aufhebung ihrer Position akzeptieren mussten. Die Umwandlung vom Abteilungsleiter zum beispielsweise Product Owner ist jedoch keineswegs eine Abstufung der Rolle. Und auch die Umwandlung einiger ehemaliger Projektleiter hin zu Scrum Masters war mehr eine Erweiterung und Veränderung als eine Abschaffung der bisherigen Rolle. Denn sie haben in ihren neuen Rollen viel mehr die Aufgabe, ihr Team zu motivieren, zu inspirieren und zu beschützen – statt zu delegieren und zu koordinieren. Und der künstlich aufgebaute Druck für einen Abtei10

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lungsleiter, der einzige Entscheidungsträger und Verantwortliche zu sein, wurde durch die Transformation aufgehoben. Das ist viel wert. Damit das funktioniert und auch erkannt wird, mussten wir die ehemaligen Führungskräfte wie Abteilungsleiter und Projektleiter von Beginn an in die Umstrukturierung miteinbinden. Denn diese konnten anschließend ihre Teams und Abteilungen unterstützen. Und wir mussten vorleben, dass ein Titel eben nicht alles ist. Löst die Transformation mehr Druck auf die Mitarbeiter aus? Wenn der „Druck“ von den Abteilungsleitern abgeleitet wird? Teilweise. Die Mitarbeiter sind unterschiedlich mit der Umstrukturierung und den neuen Verantwortlichkeiten umgegangen. Besonders die Mitarbeiter, die in der Alpha-Organisation Probleme hatten, sich unterzuordnen, kamen gut mit der neuen Organisationsform zurecht. Sie konnten die neue Verantwortung und die damit verbundenen Entscheidungen sinnvoll dosieren und sind in ihrer „neuen“ Rolle sofort aufgegangen. Andere Mitarbeiter waren mit der neuen Entscheidungsfreiheit zunächst auch überfordert. Jeder hat sein eigenes Tempo, und darauf müssen wir achten. Aus diesem Grund wurden Scrum Master und ehemalige Abteilungsleiter gezielt dafür eingesetzt, in den Teams das Gefühl von Sicherheit und Wertschätzung zu stärken. Das A und O in dieser Zeit war der Aufbau unserer Fehlerkultur. Denn Fehler sind nichts, wofür Mitarbeiter oder auch die Geschäftsleitung sich schämen müssen. Denn aus ihnen kann man lernen und sich so Schritt für Schritt weiterentwickeln.


Und wie ist das Management mit Unruhen umgegangen? Schnell haben wir gemerkt, dass unsere Mitarbeiter Ängste und Sorgen haben. Um diese gemeinsam anzugehen, haben wir die Community of Practice gegründet. Wöchentlich können hier Bedürfnisse geäußert und gemeinsam eine Lösung gefunden werden. Dem Management war es besonders wichtig, die Sorgen der Mitarbeiter zu verstehen und sie mit diesen nicht allein zu lassen. Denn Veränderung bedeutet immer Angst, und „neu“ heißt nicht für jeden „gut“. Aber die Schmerzen mussten ausgehalten werden. Denn eine Transformation tut am Anfang immer weh, aber wir sind diesen Weg gegangen und haben nicht aufgegeben. Auch hier war unser agiler Coach einer der wichtigsten Ansprechpartner. Er sorgte dafür, dass die Mitarbeiter ihre Ängste und Sorgen auch kommunizieren konnten. Gerade die offene Kommunikation und die nötige Transparenz waren von großer Bedeutung. Welche Auswirkung hatte die Transformation für die Personalabteilung? Auch wenn viele denken, die Personalabteilung wird unwichtig oder schafft sich selbst ab – im Gegenteil. Gerade dieser Abteilung ist es wichtig, die Scrum Master zu unterstützen und wenn nötig auch zu coachen. Auch wenn agil sein bedeutet, Entscheidungen und Verantwortung im Team zu übernehmen, kann dies nicht von heute auf morgen passieren. Besonders bei Entscheidungen darüber, wer eingestellt wird, wer die Probezeit übersteht usw., brauchen die Teams und auch die Scrum Master die Unterstützung und die Fachkenntnisse aus der HR-Abteilung. Sind die Mitarbeiter durch die Neuausrichtung zufriedener? Grundsätzlich hatten und haben wir eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit bei kernpunkt. Aber besonders in den Produktivgewerken haben wir gemerkt, dass die Arbeitsweise und die wasserfalligen Prozesse nicht mehr zeitgemäß waren und dadurch auch Unzufriedenheit in Projekten aufkommen konnte. Um also in Zeiten von digitalem Wandel und immer schneller wechselnden Marktsituationen reagieren zu können, und auch um Zufriedenheit zu sichern, haben wir uns bewusst für die agile Transformation entschieden. Da Umstellungen und Umstrukturierungen für Mitarbeiter etwas Neues sind, können auch Unsicherheit und Ungewissheit die Folge sein. Wir befinden uns im Moment noch mittendrin, aber umso gefestigter die Teams werden, umso zufriedener werden sie wieder. Zudem glaube ich, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter auch verantwortlich für den Erfolg des Unternehmens ist. Ein zufriedener Mitarbeiter ist produktiver und auch loyaler dem Unternehmen gegenüber. Die Bedürfnisse der Mitarbeiter sind uns stets wichtig. Daher suchen wir sehr oft die offenen Gespräche und holen uns Rückmeldung ein. Gab es etwas, womit du vorab so gar nicht gerechnet hast? Für mich war die gravierendste Veränderung die notwendige Auflösung der bestehenden Abteilungen und somit der bestehenden Gewerke. Einige Gewerke haben die Umstrukturierung sofort angenommen und waren begeistert – andere wiederum mussten wirklich von Scrum und der agilen Arbeitsweise überzeugt werden. Besonders der Ansicht, dass Scrum nur etwas für Produktivgewerke ist, musste entgegengewirkt werden. Wir sind zu Beginn eigentlich davon ausgegangen, dass die Mehrheit der Mitarbeiter

Natalie Otto Director People & Culture

von der Transformation und von agilem Arbeiten überzeugt wäre und mehr oder weniger nur die Frage im Raum steht, wie wir die organisatorischen Prozesse mit den Kompetenzen und Fähigkeiten übereinkriegen. Aber wir wurden eines Besseren belehrt. Umso wichtiger war die offene Kommunikation mit den Mitarbeitern. Ihr konntet also nicht nur A, sondern musstet auch B sagen. Würde sich das Management rückwirkend erneut für eine agile Transformation entscheiden? Ja, immer wieder. Wir können sagen, dass die Mitarbeiter durch die agile Transformation schon heute viel selbstständiger arbeiten und Verantwortung übernehmen können. Wenn wir es aber erneut machen müssten, könnten wir von Anfang an stärker auf die notwendige Überzeugungsleistung und auch auf das Aufzeigen von den enormen Vorteilen der agilen Arbeitsweise achten. Uns wurde insgesamt noch mal verdeutlicht, wie wichtig die Kommunikation in einem Unternehmen ist, und das nicht nur während eines Changemanagement-Prozesses. Also: Agil werden bedeutet nicht nur, „Ja“ zu sagen, den Mitarbeitern neue Rollen zuzuteilen und ein Framework zu implementieren. Ganze Strukturen und Prozesse und vor allem die Unternehmenskultur müssen angepasst und vollständig transformiert werden, bis hin zur Führungsebene. Dabei kann die Transformation nicht von heute auf morgen stattfinden. Veränderungen benötigen Zeit und Geduld. Es ist auch normal, dass es Widerstände und Unruhen gibt. Grundlegend für eine erfolgreiche Transformation ist es vor allem, die Balance und das Gleichgewicht zwischen Veränderungen, organisatorischer Neuausrichtung und den Bedürfnissen der Mitarbeiter zu halten und die Fähigkeiten und Kompetenzen weiterhin zu fördern.

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Lernkultur schaffen

AUF INS ABENTEUERLAND Transformationen bringen viel Umschwung und Unsicherheit mit sich. Unternehmen sollten einen Wandel aus Angst vor etwas Neuem und Ungewissem aber nicht stoppen, sondern zulassen. Solche Veränderungen schaffen enorme Lernpotenziale und kÜnnen Aufschwung bringen. Gemeinsame Werte und eine Anerkennung von Angst sind aber notwendig.

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Helikopter-Eltern hat jeder schon einmal getroffen, oder man hat zumindest von ihnen gehört. Es handelt sich um überfürsorgliche Eltern, die ihre Kinder behüten und nicht aus den Augen lassen, denn es könnte ja etwas passieren. Das fängt schon auf dem Spielplatz an: Klettert nicht so weit hoch, das ist zu gefährlich. Kindern wird so leider viel zu häufig beigebracht, Risiko zu vermeiden und bloß nicht zu scheitern. Lieber auf der sicheren Seite bleiben und einen Weg verfolgen, der schön gepflastert ist. Was für Menschen wachsen da heran? Sie merken sich schon in ihren frühen Jahren: Seid nicht mutig, geht kein Risiko ein, geht keine unbekannten Pfade. In Unternehmen finden wir diese Spezies wieder. Helikopter-Führung nennen wir das jetzt einfach mal. Nötiger Wandel wird gestoppt, um Risiko zu vermeiden und um weiter komfortabel zu vegetieren. Mitarbeiter werden nicht mehr gefördert sowie gefordert und können kaum über sich hinauswachsen. An Innovation ist dann nicht mehr zu denken und Stillstand ist vorprogrammiert. Grenzen testen erwünscht Doch wann lernen Kinder (und eben auch Mitarbeiter) wirklich etwas und können sich weiterentwickeln? Bestimmt nicht, wenn sie sich nur auf Gewohntem ausruhen. Sie erreichen Ungeahntes, wenn sie Kind sein dürfen, wenn sie Dinge entdecken, mutig sind und sich trauen. Dazu zählt auch, sich mal zu verletzen, hinzufallen und wieder aufzustehen. So testen sie ihre Grenzen und erweitern ihren Horizont. Mit dem Schritt in Richtung agile Organisation öffnen sich Unternehmen schon einmal für das Potenzial ihrer Mitarbeiter. Sie geben Kontrolle ab, lösen starre Hierarchien und schaffen Raum für Lernen und Wachstum. Trotzdem meinen Unternehmen, dass eine solche Transformation am besten in zwei Wochen abgeschlossen sein sollte. Die Reise könnte ja unkomfortabel und zu ungewiss werden. Aber genau das sollten sich Unternehmer zunutze machen und gezielt fördern – nicht eindämmen. Schließlich müssen auch Mitarbeiter, um lernen zu können, unbekannte Pfade betreten.

Das Lernzonenmodell Bei der Kindererziehung gibt es bereits einen Begriff dafür: Abenteuerpädagogik. Diese Form der Pädagogik hat zum Ziel, den Horizont und die Persönlichkeit von Schützlingen gezielt durch Erlebnisse zu erweitern. Denn erst Situationen mit ungewissem Ausgang starten einen Lernprozess. Abenteuerpädagogik sollte daher auch in gewisser Weise bei Mitarbeitern angewandt werden. Das Modell der Lernzonen von Diplom-Sozialpädagoge und Agile Coach Tom Senninger (in: „Abenteuer leiten, in Abenteuern lernen“, Ökotopia Verlag) greift diese Idee auf. Es beschreibt erfolgreiches Lernen anhand der verschiedenen Zonen Komfort-, Lern- und Panikzone. Komfortzone: In der Komfortzone kennen wir schon alles. Es ist familiär, die Umgebung ist uns bekannt und wir fühlen uns wohl. Es gibt keine Risiken, und damit ist die Komfortzone unser Zufluchtsort. Über 80 % unserer Kollegen halten sich eher hier auf. Leistung kann auf konstantem Niveau gehalten werden. Doch soll Performance „nur“ konstant bleiben? Lernzone: Um etwas Neues entdecken zu können, müssen wir die Komfortzone verlassen und uns in die Lernzone begeben. Sie ist ein unbekanntes Terrain, und damit gehen wir Risiken ein. Erfolg ist am Ende nicht garantiert. Doch nur hier können wir Lernen und Wachsen, auch wenn wir uns nicht mehr ganz so komfortabel fühlen und unsere Grenzen testen. Damit erweitern wir langsam, aber stetig unsere Komfortzone. Hier sollten Mitarbeiter sich bewegen. Panikzone: Wir sollten dennoch auf unsere Grenzen achten. Denn lehnen wir uns zu weit aus der Komfortzone und überschreiten womöglich die Lernzone, wartet die Panikzone auf uns. Hier ist ein Lernen unmöglich. Wir sind durch Angst regelrecht blockiert und können das Neue in dieser Zone nicht mehr bewältigen. Unsere Energie wird in ein Angstmanagement gesteckt, und wir sind frustriert. Durch zu viel Angst sinkt die Performance.

Mitarbeiter, die ihnen nicht genommen werden sollte. Im Unternehmen ist eine Kultur des Ausprobierens, Testens und auch Scheiterns daher wünschenswert. Nur so können Lernzonen betreten werden. Bei der ganzen Abenteuerpädagogik ist eins aber entscheidend: Mitarbeiter sollten sich in Lernzonen aufhalten und eben nicht in Panikzonen. Diese bringen niemandem etwas. Dass es Panikzonen gibt, müssen Unternehmen aber dringend anerkennen. Denn oft ist der Übergang zur letzten Zone ein sehr schmaler Grat. Gerade bei unternehmensweiten Transformationen – wie es bei einem Wandel hin zu einer agilen Organisation der Fall ist – kann es verstärkt zu Angst und Ungewissheit kommen. Es wird also in der Tat unkomfortabel und eine Führung darf sich nicht darauf ausruhen, den Ball jetzt in die Hände der Mitarbeiter gespielt zu haben. Diesen schmalen Grat muss sie meistern: Panikzonen verhindern, aber Lernzonen fördern. Das geschieht durch eine rücksichtsvolle Lernkultur, die Mitarbeiter nur dazu einlädt, Lernzonen zu betreten und so die Komfortzone zu erweitern. Zwingen können Unternehmen die Mitarbeiter nicht, denn Panikzonen klopfen schneller an als gedacht. Wer weiß schon, wann für einen Mitarbeiter die eine Zone beginnt und wann sie endet? Eine agile Führung muss also Rücksicht darauf nehmen, dass die drei Zonen in jeder Situation und auch für jeden Mitarbeiter ganz unterschiedlich sind. Jeder Mensch hat seine individuelle Komfort- sowie Lernzone und befindet sich vielleicht schneller in einer Panikzone als seine Kollegen. ‘If you want to feel secure Do what you already know how to do. But if you want to grow ... Go to the cutting edge of your competence, Which means a temporary loss of security. So, whenever you don’t quite know What you are doing Know ...

Aber bitte keine Panik! Jede unbekannte Variable im Arbeitsalltag ist eine potenzielle Lernmöglichkeit für

That you are growing ...’ - David Viscott # 2 | 2018

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Bildquelle: Dylan Gillis, Unsplash

WARUM AGILES MARKETING SINN MACHT Machen ist besser als Nicht-Machen Die agilen Prinzipien wurden primär für das Software Development entwickelt. Doch auch außerhalb der Softwareentwicklung springen immer mehr Bereiche auf den agilen Zug auf. Lohnt es sich denn überhaupt, agile Methoden zum Beispiel auch im Marketing zu etablieren? Haben die Prozesse der Softwareentwicklung etwas mit Marketing-Kampagnen gemeinsam? 14

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Wenn man genau hinsieht, haben das Marketing und die Softwareentwicklung mehrere gemeinsame Nenner. Eigentlich ähnelt sich fast alles, außer dem finalen Produkt. So haben beide Bereiche vor allem ähnliche Herausforderungen und Hürden bei der tagtäglichen Arbeit. Auch im Marketing sind zum Beispiel sehr viele Rollen – etwa SEO- und SEA-Manager, Redakteure und Grafiker oder Analytics-Beauftragte – an der Entwicklung eines „Produktes“ beteiligt. Dazu können Unmengen an internen oder externen Stakeholdern und deren Meinungen involviert sein. Außerdem bringen endlose Feedback- und Freigabeschleifen lange Wartezeiten mit sich. Und noch mehr: Kundenanforderungen und Kontaktpunkte ändern sich ständig und müssen auch im Marketing in Echtzeit berücksichtigt werden. Was vor einer Woche vielleicht noch der letzte Schrei war, ist morgen schon wieder überholt.


Am besten schon gestern Um bei Kunden überall und auf jeder Stufe der Customer Journey – am besten schon gestern, denn der Wettbewerb schläft nicht – für Begeisterung und Verlangen zu sorgen, kann eine Strategie nicht mehr auf gradlinige Push-Methoden setzen. Stattdessen wollen Interessenten selbst zum Unternehmen finden. Um das in Zeiten der Digitalisierung zu erreichen, wird der Marketing- und Methodenmix immer komplexer. Marketing ist schon lange nicht mehr ein einfacher, gerader Weg, der an ein einzelnes Ziel führt. Marketing bewegt sich kreuz und quer, muss dabei aber ohne Umwege reagieren und alle Kanäle bedienen können. Überhaupt muss alles schneller passieren, konsumentenzentriert, personalisiert und datengestützt. Dabei behindern jedoch alte Prozesse wie lange Jahrespläne, häufige Unterbrechungen durch dazwischengeschobene Aufgaben oder ein Warten auf andere Abteilungen und Freigaben.

munikation fördern, Unterbrechung vermeiden, effizienter werden • Iterativ: Produzieren, schnell live bringen, um dann zu testen, zu messen, zu lernen, zu verbessern, auf Veränderungen reagieren können • Visuelles Board: Eine gute Übersicht über Aufgaben bieten und Feedback ermöglichen • Daily Stand-ups: Was wurde erledigt? Woran arbeitet man gerade? Was hindert einen? Transparenz schaffen und Barrieren abbauen • User Stories: Die wirklichen Ziele der Nutzer bedienen, auf den Nutzer konzentrieren • Review: Stolz auf Ergebnisse sein, Stakeholder involvieren, kollaborieren und Stories weiterentwickeln Keine Zeitverschwendung Jede Veränderung braucht Zeit, um zu reifen. Agile Bausteine sollten immer individuell getestet werden, sodass ein Team die Entscheidungen zur Methodik nach und nach treffen kann. Nicht alle Elemente wirken direkt auf den ersten Blick sinnvoll, vielleicht sogar zeitverschwenderisch, aber können dann doch überraschen. Auch wenn der Weg weit sein kann – wie schon in der agilen Softwareentwicklung zeigt sich ebenso im agilen Marketing, dass sich ein Versuch lohnt. Die Ergebnisse im Arbeitsalltag sind:

• Nutzerzentriertheit, auf die es ankommt • Verbesserte Time-to-Market • Schnellere Reaktionsfähigkeit • Effizienz Agile hilft zu fokussieren Agile Methoden versprechen einen glatteren und effektiveren Workflow, um genau das zu erreichen: schneller, besser, nutzerzentrierter. Auch wenn die Wege zum Ziel kreuz und quer verlaufen, kann Agilität eben auch dem Marketing helfen, schneller auf Veränderungen und sich wechselnde Anforderungen zu reagieren. Marketing kann dann mit den Veränderungen wachsen und besser werden. Dadurch schafft es das Team auch, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: auf den Nutzer und darauf, Mehrwert für ihn zu schaffen. Diese Erkenntnis haben die Software-Teams schon machen können.

• Verbesserte Zusammenarbeit • Ununterbrochene Workflows • Klare, erreichbare Ziele • Weniger Motivationsblocker, weniger Stress = Machen anstatt Nicht-machen!

Agile Methodik im Marketing-Kontext Ob sich ein Marketing-Team nun für Kanban, Scrum oder Ähnliches als Mittel zum Zweck entscheidet, ist eigentlich zunächst nebensächlich. Wichtig ist, dass eine Vielzahl von agilen Bausteinen gewinnbringend und auch schnell und einfach im Marketing umgesetzt werden kann. • Cross-funktionale, interdisziplinäre Teams: Verschiedene Rollen in ein Team zusammenbringen, Interaktion und Kom# 2 | 2018

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Herausforderungen mit einem agilen Dienstleister

UNBEKANNTES TERRAIN Agile Software- und Produktentwicklung werden immer mehr zum Standard für Agenturen und mittelständische Unternehmen. Was für Agenturen und Dienstleister vielleicht gar nichts Neues mehr ist, kann für deren Kunden aber ein noch völlig unbekanntes Terrain sein. Was kommt auf ein Unternehmen mit einem agilen Dienstleister zu? Im Gegensatz zum klassischen Projektvorgehen ändert sich bei agilen Vorgehen aus Sicht eines Unternehmens eigentlich alles: Es gibt kein konkretes phasenbezogenes Projektvorgehen, kein Pflichtenheft, keine Angabe über das Fertigstellungsdatum eines Projektes und keinen Festpreis. Aus diesen Gründen scheint das agile Projektvorgehen viele Unternehmen abzuschrecken. Sie lehnen ihnen unterbreitete Angebote ab, nach dem Motto: „Sie arbeiten nach einem agilen Projektvorgehen? Nein, danke!“ - und warum? Weil Sie sich davor fürchten, ohne ihre gewohnten Planungsabläufe, ohne die festen Projektphasen und einen festgelegten Preis dazustehen. Unternehmen muss aber klar werden: Das Projektvorgehen hat sich nicht aus einer

Laune heraus verändert, sondern weil es sich dem digitalen Wandel angepasst hat. Wie sieht die agile Planungssicherheit aus? Unternehmen liegen falsch, wenn sie denken, dass es keine Planung im agilen Projektmanagement gibt. Denn jedes Projekt braucht eine Planung und Rahmenbedingungen – im agilen Vorgehen sehen diese schlichtweg einfach nur anders aus. Unternehmen legen mit ihren Agenturen die Rahmenbedingungen fest. Es erfolgt eine detaillierte Planung darüber, welche Tasks im nächsten Sprint umgesetzt werden sollen. Denn agile Projekte leben von der kurzfristigen Planung und vom täglichen Austausch. Das heißt: Vor jeder Iteration wird ein Sprintziel in Absprache mit dem Dienstleister definiert, welches im Zuge des nächsten Sprints erreicht werden soll. Unternehmen haben also in jedem Sprint die Chance, Anpassungen vorzunehmen und neu zu planen. Sie nehmen direkt Einfluss auf das Geschehen, sodass keine bösen Überraschungen drohen. Und genau hier liegen die entscheidenden Vorteile gegenüber dem klassischen Projektmanagement. Das etwas andere Pflichtenheft Um eine Übersicht über die zu erledigenden Tasks und Features zu bekommen, wird ein Product Backlog für das Projekt

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erstellt. Das Backlog wird gemeinsam mit dem beauftragten Team erstellt und dient dem Unternehmen nicht nur als Möglichkeit zur Übersicht, sondern auch zum Priorisieren. So stellt das Unternehmen als Kunde vor allem sicher, dass die von ihm gewünschten Tasks im nächsten Sprint umgesetzt werden. Anders als beim klassischen Pflichtenheft, bei dem Anforderungen wie in Stein gemeißelt sind, hat der Kunde jederzeit Zugang zum Backlog und kann die Arbeit des Entwicklungsteams überwachen und durch Priorisieren beeinflussen. Das stellt Reaktionsfähigkeit und Relevanz sicher. Wann geht es auf die Zielgerade? Auch die Ansicht, dass es keinen Zeitrahmen in agilen Projekten gibt, ist nicht richtig. Denn ein Zeitrahmen wird in der agilen Welt sehr wohl festgelegt. An einer Punktlandung festhalten zu wollen, ist einfach nicht zeitgemäß und hat auch nie der Wahrheit entsprochen. Was dazu auch nicht auf dem Radar ist: Time-to-Market entscheidet heute. Durch agile Methoden steht Unternehmen bereits nach einigen Iterationen ein marktfähiges Produkt zur Verfügung. Denn die Umsetzung erfolgt auf Basis des definierten Sprintziels und nach jeder Iteration erhält der Kunde ein nutzbares Produktinkrement, das weiterentwickelt wird. Das Erfolgsgeheimnis agiler Projekte liegt also im MVP, dem


Minimum Viable Product. Bei dem klassischen Vorgehen hätte ein Unternehmen zu diesem Zeitpunkt höchstens die erste Entwicklungsphase abgeschlossen – ohne funktionsfähiges Produkt. Festpreis ade Ja, der Festpreis verschwindet. Doch das sollte kein Hindernis sein, warum sich ein Kunde nicht auf die agile Arbeitsweise des Dienstleisters einlassen möchte. Denn „kein Festpreis“ heißt erstens nicht, dass es keinen definierten Preisrahmen gibt. Vor jedem Projekt werden Tagessätze vereinbart und die entsprechenden Personentage geschätzt. In etwa kann der Kunde also die Kosten absehen, auch wenn er keinen Festpreis bekommt. Zweitens ist eine Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand sehr viel genauer und ermöglicht Transparenz, sodass Unternehmen ganz genau wissen, wofür ihr Geld ausgegeben wird. Das A und O: Transparenz und Kommunikation Agiles Vorgehen lebt von Interaktionen, vielen kleinen Feedbackschleifen, Transparenz und ständiger Kommunikation. Es wird dadurch erfolgreich. Der Kunde wird nicht im Ungewissen darüber gelassen, wie der Projektstatus aussieht. So erhält das Unternehmen im gemeinsamen Daily jeden Tag ein Update, welche Aufgaben und Tasks erledigt wurden und wie die Fortschritte aussehen. Aber auch bei Problemen in der Entwicklung steht das Unternehmen als Kunde nicht allein da, sondern es werden gemeinsam mit dem Dienstleister Lösungen gefunden – und das schon von Beginn an. Ein Kunde wird also vollständig in die Prozesse der Entwicklung integriert, in Echtzeit, und mit der Möglichkeit zum kurzfristigen Reagieren. Und falls Verantwortliche die Ergeb-

nisse sehen wollen, haben sie dazu nach jedem Sprint die Gelegenheit. Nach jeder Iteration werden die Sprint-Ergebnisse in einer gemeinsamen Sprint Review präsentiert. Besonders hier hat ein Unternehmen noch einmal die Möglichkeit, Feedback und Verbesserungswünsche zu äußern und die Planung für den nächsten Sprint zu beeinflussen.

„Die Erfahrungen der letzten Jahre und Projekte zeigen, dass der Output wesentlich produktiver ist, auch wenn der Overhead sich (gefühlt) vergrößert.“ “ So bringt ein Unternehmen das agile Projektvorgehen und die Zusammenarbeit mit kernpunkt als agile Agentur ziemlich genau auf den Punkt.

Die Zukunft Unternehmen müssen verstehen, dass agile Methoden keine willkürliche Veränderung des Projektvorgehens ist. Das agile Projektmanagement ist nicht nur ein Trend, sondern die Zukunft. Vielleicht ist die anfängliche Planung bei einem klassischen Projekt intensiver und der Kunde fühlt sich sicherer – aber er hat keinerlei Einsicht in die internen Prozesse. Und genau hier liegt der Schlüssel für den Erfolg des Projektes. Mit dem agilen Projektvorgehen hat ein Unternehmen nicht nur jederzeit einen Überblick, welche Tasks derzeit bearbeitet werden. Es kann auch entscheiden, welche als Nächstes umge-

setzt werden sollen. Durch die verschiedenen Iterationen, die vielen Feedback-Gespräche und die Vorstellung der jeweiligen Sprint-Ergebnisse können Kunde sowie Dienstleister rechtzeitig und vor allem flexibel reagieren. Denn was bringt eine ausführliche Planung, wenn das Produkt nach anderthalb Jahren Entwicklung fertig ist, sich aber die Marktsituation und die Bedürfnisse der Kunden schon geändert haben? Auch wenn die Hürde, das unbekannte Terrain des agilen Projektmanagements zu betreten, aus Kundensicht sehr hoch scheint, lohnt sich der Schritt ins „scheinbar“ Ungewisse. Jedes Unternehmen, das zukünftig erfolgreich sein möchte, wird Agilität nicht umgehen können. # 2 | 2018

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MITEINANDER REDEN WILL GELERNT SEIN! Wie Gewaltfreie Kommunikation bei der agilen Transformation hilft Agiles Arbeiten spielt sich im Dialog ab: mit Teamkollegen, Stakeholdern, Kunden. Regelmäßige Termine sollen für Transparenz und gegenseitige Wertschätzung sorgen. Im Arbeitsalltag allerdings führt der ständige Austausch oft zu Stress, der Dialog gerät zur Diskussion, aus Kooperation wird Konfrontation. Mit der richtigen Kommunikationsstrategie wird diese Entwicklung vermieden und erfolgreiches agiles Teamwork ermöglicht. Die Grundlage agilen Arbeitens ist funktionierende Kommunikation – sowohl unter den Mitarbeitern als auch mit Kunden und externen Stakeholdern. Aber wann „funktioniert“ Kommunikation? Wenn sie transparent, wertschätzend und konstruktiv ist: ein Dialog auf Augenhöhe. Das Paradoxe: Gerade die Einführung agiler Arbeitsweisen kann die Dialogfähigkeit im Unternehmen gefährden! Denn eine agile Transformation bringt Unruhe mit sich. Sie beseitigt vertraute Strukturen und löst bei Mitarbeitern das Gefühl aus, die eigene Position neu finden und verhandeln

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zu müssen. Nur zu leicht entwickelt sich in dieser Stresssituation eine konfrontative anstatt einer konstruktiven Kommunikationshaltung. Probleme werden nicht offen angesprochen und eskalieren früher oder später. Aus Dialog wird Diskussion, und die produktive Arbeit im agilen Team kommt zum Erliegen. Kommunikationsprobleme – kann man sie vermeiden? Ist es erst einmal so weit gekommen, wird ein korrigierender Eingriff in den laufenden Geschäftsbetrieb mindestens aufwen-


dig und langwierig – schlimmstenfalls steht sogar der Erfolg der agilen Transformation insgesamt auf der Kippe. Diese Risiken sollte man also tunlichst vermeiden. Am besten, indem man proaktiv verhindert, dass sie überhaupt entstehen. Schon in der Planungsphase einer Transformation muss daher unbedingt bedacht werden, dass sich funktionierende agile Kommunikation eben nicht von allein entwickelt. Sie sollte durch ein gezieltes Training unterstützt und begleitet werden. Zum Beispiel auf Grundlage eines erprobten und effektiven Frameworks wie der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Marshall B. Rosenberg. Gewaltfreie Kommunikation – was ist das? Die GFK basiert auf einem ganzheitlichen Handlungskonzept, das seit den 1960er Jahren kontinuierlich entwickelt wird. Sie zielt darauf ab, Menschen einen respektvollen und ehrlichen Austausch miteinander zu ermöglichen – und dabei sowohl unnötig konfrontatives wie auch konfliktvermeidendes Verhalten zu überwinden. Die Kernannahme der GFK ist, dass Menschen einander grundsätzlich helfen wollen, dafür aber unbedingt eine „gewaltfreie“ Atmosphäre von Sicherheit und Vertrauen benötigen. Eine solche entsteht, wenn sich Gruppenkommunikation nicht mehr um das Durchsetzen individueller Absichten dreht, sondern die Erkenntnis wechselseitiger Bedürfnisse im Mittelpunkt steht. Daraus können die Gesprächsteilnehmer dann miteinander Lösungen entwickeln, von denen alle Seiten profitieren. Dieses Grundkonzept passt nicht nur ausgezeichnet zur Idee des konstruktiven Dialogs als Voraussetzung agiler Zusammenarbeit – es lässt sich auch durch wenige Techniken des Sprechens und Zuhörens vermitteln und einüben. Gewaltfrei kommunizieren – aber wie? Praktisch wird vor allem die Fähigkeit trainiert, ein Problem so zu verstehen und explizit anzusprechen, dass dem Gesprächspartner eine empathische, hilfreiche Reaktion leicht gemacht wird. Zu diesem Zweck teilt man einen Kommunikationsvorgang gedanklich in vier Bestandteile auf, die sogenannten „Vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation“: • Beobachtung (a): Ein Sachverhalt soll möglichst neutral ohne Interpretation geschildert werden. • Gefühl (b): Welches Gefühl oder welche Gefühle löst die Beobachtung aus? • Bedürfnis (c): Auf welches erfüllte oder unerfüllte Bedürfnis deutet das Gefühl hin? • Bitte (d): Was kann positiv, konkret formuliert jetzt getan werden, um das Bedürfnis zu erfüllen? So entsteht ein Formulierungsmuster: „Wenn ich a wahrnehme, dann fühle ich b, weil ich c brauche. Deshalb bitte ich dich, d zu tun. Wie wäre das für dich?“ Ein konkretes Beispiel aus dem Büroalltag könnte etwa lauten: „Wenn du mich in der Teamsitzung ständig unterbrichst (a), dann fühle ich mich gestresst (b), weil ich die Gewissheit brauche, dass mein Beitrag ernst genommen wird

(c). Darum bitte ich dich, deine Gedanken erst vorzutragen, wenn ich zu Ende gesprochen habe (d). Wie wäre das für dich?“ Wohl gemerkt: Dieses System ist eine Übung – keine Anleitung zum Ersetzen der Alltagssprache. Die vier Schritte sollen dabei helfen, die wichtigsten Grundlagen eines konstruktiven Dialogs zu erlernen: wertfreie Beobachtung, ehrliche Problemanalyse und offene Bedürfnisaussprache. Ganz einfach – oder? Erfahrungsgemäß ist der erste Kontakt mit Gewaltfreier Kommunikation mit einer gewissen Skepsis verbunden. Die Thematisierung von Gefühlen und die formelhafte Übungssprache fallen vielen Menschen nicht leicht, zumal vor Arbeitskollegen. Auch ist es gar nicht so einfach, Detailvorgaben wie etwa die „neutrale“ Wahrnehmung und Beschreibung eines Sachverhaltes umzusetzen. Es dauert daher eine gewisse Zeit, bis sich Erfolge einstellen. Also empfiehlt es sich, mit dem Training schon vor dem Beginn der eigentlichen agilen Transformation einzusetzen. Gerne auch unter dem Motto „einfach machen“: Ein Grundbewusstsein über den Zweck der GFK und die vier Schritte als Grundlagen genügen, damit ein Team in regelmäßiger Gesprächsrunde und mit simulierten Konfliktanlässen beginnen kann, die Scheu abzubauen und ein Bewusstsein für das Zustandekommen eines konstruktiven, gewaltfreien Dialogs zu entwickeln. Langfristiges Ziel ist es, dieses Training Stück für Stück in die eigene Gesprächspraxis zu übernehmen und Konflikte routiniert in Win-win-Situationen zu verwandeln. So lässt sich auch die Stresssituation einer agilen Transformation erfolgreich bewältigen, so werden aus Diskussionen wieder Dialoge und aus Konflikten Chancen – nicht zuletzt darauf, persönlich und als Team zu wachsen. # 2 | 2018

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AGIL KALKULIEREN Was bedeutet agiles Projektmanagement aus Kaufmannssicht? Zeiten, in denen Pflichtenhefte und exakt geplante Einsatzzeiten zur Kalkulation eines Projektes gehörten, sind vorbei. Wer heutzutage auf agiles Projektmanagement setzt, hat auch den Festpreis bereits ad acta gelegt. Agile Organisationen folgen zur Kalkulation dem Motto „gut geschätzt ist halb gewonnen“. Aber wie exakt kann man den Aufwand und somit die Kosten und den Umsatz schätzen?

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Jeder kennt die Situation: Man möchte die Straße überqueren und ein Auto kommt. Schaffen wir es noch rechtzeitig? Um zu einer Antwort und Entscheidung zu gelangen, schauen wir uns die Geschwindigkeit des Autos und den Weg bis zum Ziel an. Wir fragen uns also, wie viel Zeit wir bei der geschätzten Geschwindigkeit des Autos haben, um die andere Straßenseite zu erreichen. Die Zielsetzung ist klar formuliert, jedoch hängt das Erreichen des Ziels von der richtigen Schätzung ab. Genau wie bei der Überquerung einer Straße, wird auch bei einem agilen Projekt geschätzt. Schätzen statt Pflichtenhefte Früher war es üblich, die Kalkulation für ein Projekt auf Grundlage eines klassischen Pflichtenhefts zu erstellen. Hier wurden Anforderungen definiert, von Anfang an Ressourcen zugewiesen, die Dauer und der Aufwand des gesamten Projektes erörtert und zu einem Festpreis zusammengefasst. Die Planung zur genauen Umsetzung musste also im Vorhinein erfolgen – ohne dabei zum Beispiel Ressourcen für Eventualitäten wie Bug Fixing mit einzuplanen. Die Folge war, dass Projekte ziemlich oft überliefen und nie im vereinbarten Rahmen finalisiert werden konnten. Die Lösung: In agilen Organisationen wird heute in kurzen Iterationen geplant und nur noch nach Aufwand abgerechnet, das heißt, jeder tatsächliche Aufwand wird dem Kunden in Rechnung gestellt. Das macht ein langfristiges Kalkulieren aus Kaufmannssicht aber schwieriger. Um Aufschluss über die zu erwarteten Projektkosten, Ressourcen und gleichermaßen über die Wirtschaftlichkeit eines Projektes zu erlangen, können Unternehmen eine Aufwandsschätzung als Berechnungsgrundlage nutzen: Das Unternehmen erhält einen Auftrag, das Projektteam

schätzt den entsprechenden Aufwand sowie die „Geschwindigkeit“ der Mitarbeiter für die einzelnen Tasks und gibt eine Zeiteinschätzung, wann das gewünschte Ziel vom Kunden erreicht wird. Was nun aber fast einfach klingt, ist im Projektleben etwas komplexer – und damit genauer. User Stories als Zeiterfassung Zu Beginn eines agilen Projektes wird ein Product Backlog mit den gewünschten Anforderungen des Kunden erstellt. Die Anforderungen, die als User Stories festgehalten werden, werden in Story Points (1, 2, 3, 5, 8, 13) geschätzt. Die Story Points sind fiktive Größen, und sie beziehen sich nicht nur auf den Faktor Arbeitszeit. Das Projektteam muss zum Beispiel zusätzlich auf Funktionalität, Kapazitäten, Range, Komplexität und viele weitere Faktoren achten. Optional bietet es sich auch an, eine Worst-Case-Schätzung mit einfließen zu lassen, um Pufferzeitraum zu schaffen. Aber was bedeuten die Story Points für die Kalkulation? Um die Zeit für die Überquerung der Straße gut schätzen zu können, muss die Geschwindigkeit des Autos festgestellt werden. Und genauso schätzt man auch im agilen Projektmanagement anhand der Geschwindigkeit. Das Projektteam kann in etwa kalkulieren, wie lange es für eine 2erStory, eine 5er Story oder eine 13er-Story braucht. Je länger das Team zusammenarbeitet, umso exakter wird die Bewertung. Sie erfolgt aus Erfahrungen. Wichtig dabei ist es, dass es sich nicht um eine lineare Berechnung handelt, denn je höher der Story Point, umso höher auch das Risiko und im Zweifel die Worst-Case-Schätzung. Was hat die Velocity mit der Kalkulation zu tun? Ein wichtiger Bestandteil der Aufwandsschätzung ist die Velocity. Die Velocity gibt an, wie viele Story Points ein Team in einem Sprint erledigt hat. Am Ende ei-

ner Iteration kann man so festhalten, wie viele Story Points das Team geschafft hat und wie viele als technische Schuld in die nächste Iteration übernommen werden müssen. In etwa kann ein Team mit einer konstanten Funktionalität und Kapazität bei der Schätzung eines zukünftigen Projektaufwandes auf die Velocity der vergangenen Sprints zurückgreifen. Es sollte in etwa die gleiche Anzahl an Story Points schaffen. Der gesamte Vorgang wird in einem Sprint Burn-down Chart dargestellt, anhand dessen man die iterative Produktivität widerspiegeln kann. Die Velocity kann also wichtige Informationen bzgl. der Funktionalität eines Teams während eines Sprints liefern und darüber hinaus, wie schnell ein Team eine Idee umsetzen kann. Aber wie exakt kann man den Aufwand und somit die Kosten schätzen? Das Zusammenspiel aus berechneter Velocity des Projektteams und der geschätzten Geschwindigkeit für die jeweiligen Stories erzeugt die Kalkulationsgrundlage agiler Projekte. Das Team schafft beispielsweise 78 Story Points innerhalb eines Sprints. Zudem weiß es aus der Vergangenheit, dass es ca. 2 Stunden für 2er-Stories, 3,5 Stunden für 3er-Stories, 6 Stunden für 5erStories, 9 Stunden für 8er-Stories und 10 Stunden für eine 13er-Story benötigt. Diese Erfahrungswerte, Velocity + Geschwindigkeit, sind entscheidend und ermöglichen dem Team ein sehr genaues Schätzen und damit Kalkulieren. Ein kompliziertes Autobahnkreuz Aus der einfachen Überquerung einer Straße wurde dann doch das Überqueren eines komplizierten Autobahnkreuzes. Denn es gibt weitaus mehr Faktoren, die man bei der agilen Kalkulation beachten muss – nicht nur die Geschwindigkeit eines einzigen Autos. Und somit wurde aus der wohl „einfachen“ Kalkulation eines Projektes ein komplexes, adaptives System, das mit Erfahrung ziemlich exakt wird.

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Sind wir schon agil?

DER SELBSTTEST Viele Teams geben an, agil nach Scrum zu sein. Sie sind es in Wirklichkeit nicht. Wie sieht das bei Ihrem Unternehmen aus? Denken Sie, dass Sie und Ihre Teams wirklich Scrum benutzen? Mit dem folgenden Test, angelehnt an den von Jeff Sutherland entwickelten Nokia-Test, können Sie das ganz schnell selbst herausfinden.

So geht’s: Einfach und ehrlich ankreuzen, welche Aussage im Moment auf Ihr Unternehmen zutrifft. Am Ende zählen Sie die entsprechende Punktezahl zusammen und erhalten Ihr Ergebnis. Top-Scrum-Level oder doch noch Verbesserungsbedarf?

1. Haben Sie agile Rollen definiert? Keine agil definierten Rollen – 0 Punkte Definition der agilen Rollen nach vorheriger Hierarchieebene – 1 Punkt Autarke Teams, agil definierte Rollen, keine Hierarchie – 3 Punkte Holakratische Government Meetings – 4 Punkte

2. Sind die agilen Teams in der Sitzordnung berücksichtigt? Teammitglieder befinden sich im Home-Office – 0 Punkte Alle Teammitglieder sitzen allein bzw. in anderen Büros – 1 Punkte Scrum Team sitzt vollständig zusammen – 3 Punkte Die Teammitglieder sitzen in der vom Scrum Master festgesetzten Sitzordnung – 4 Punkte

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3. Sind Ihre Sprints zeitlich begrenzt? Keine Iterationen – 0 Punkte Lange Iteration (mehr als 6 Wochen) – 1 Punkt Iterationen mit unterschiedlicher Länge (weniger als 6 Wochen) – 3 Punkte Iteration mit einer gleichbleibenden Länge (weniger als 3 Wochen) – 4 Punkte


4. Wie würden Sie Ihre SprintSpezifikationen beschreiben? Keine Anforderungen – 0 Punkte Gute User Stories – 1 Punkt Agile Spezifikationen – 3 Punkte Gute User Stories mit entsprechend agiler Spezifikation – 4 Punkte

5. Beschreiben Sie Ihren Product Owner: Product Owner versteht Scrum nicht – 0 Punkte Product Owner unterbricht das Team – 1 Punkt Product Owner pflegt das Product Backlog – 3 Punkte Product Owner erstellt Releaseplan basierend auf der Velocity des Teams und motiviert und beschützt das Team – 4 Punkte

6. Was trifft für Ihr Backlog zu? Kein Product Backlog – 0 Punkte Mehrere Product Backlogs – 1 Punkt Ein Product Backlog – 3 Punkte Das Product Backlog wird anhand des Business Value vor Sprint Planning priorisiert – 4 Punkte

7. Was trifft für die Einträge im Product Backlog zu? Product Backlog wird nicht geschätzt – 0 Punkte Product Backlog und Stories werden nicht vom Team geschätzt – 1 Punkt Werden ermittelt, aber nicht mittels Planning Poker geschätzt – 3 Punkte Werden ermittelt und mittels Planning Poker geschätzt – 4 Punkte

8. Was trifft für Ihr Sprint Burn-down Chart zu? Das Team hat kein Burn-down Chart – 0 Punkte Wird nicht durch das Team aktualisiert – 1 Punkt Wird reduziert, falls Task erledigt ist – 3 Punkte Wird reduziert, sobald Story erledigt ist – 4 Punkte

9. Was trifft zu? Das Team kennt seine Velocity – 4 Punkte Der Product Owner hat einen Releaseplan basierend auf der Team Velocity – 4 Punkte Keins von beiden trifft zu – 0 Punkte

10. Wird Ihr Team während des Sprints von außen unterbrochen? Manager oder Projektleiter unterbrechen das Team – 0 Punkte Product Owner unterbricht das Team – 1 Punkt Es gibt einen Projektleiter und die Scrum-Rollen – 3 Punkte Niemand unterbricht das Team, es gibt nur Scrum-Rollen – 4 Punkte

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