Optimal 02/2016: Internationalisierung

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#2 | 2016

ANDERE LÄNDER, ANDERE ...

Kundenmagazin der Agentur kernpunkt

Schwerpunkt: Internationalisierung


Hello World! Zugegeben: Ein internationales Unternehmen sind wir nicht. Im Gegensatz zu manchem Start-up können wir keine zweistellige Zahl von Nationalitäten unserer Mitarbeiter auf unserer Webseite veröffentlichen. Und auch wenn es zwischen unseren Büros in Köln und Stuttgart regionale Unterschiede gibt – einen Kulturschock erlebt man beim Ausstieg am Stuttgarter Hauptbahnhof nicht. Aber dennoch werden wir bei kernpunkt immer internationaler: durch die Anforderungen unserer Kunden. Immer mehr Projekte finden in einem internationalen Kontext statt. Erste Projekte werden vollständig auf Englisch geplant, gesteuert und kommuniziert. Unsere Kunden führen internationale Rollouts ihrer Web- und E-Commerce-Projekte durch. Dies erfordert nicht nur Kompetenz in Projektsteuerung und Kommunikation, sondern auch umfassendes fachliches und technisches Wissen über Mehrsprachigkeit, unterschiedliche Währungen und Maßeinheiten, Übersetzungsprozesse oder Schnittstellen zu Backend-Systemen. Neben dem Wandlungsprozess zu einer Agentur für eine digitale Welt – den wir seit einigen Monaten durchlaufen – beschäftigt uns die Internationalisierung unserer Kunden in unserem Tagesgeschäft. Welche Dimensionen dies hat, wollen wir in der ersten Ausgabe unseres vollständig überarbeiteten Kundenmagazins Optimal beleuchten. Hierzu haben wir unseren Kunden Wirtgen Group näher betrachtet, Claudia Fernus, Marketingleiterin bei Wirtgen China, befragt und die Ergebnisse unserer Studie zum Thema „Internationale Webseiten“ zusammengefasst. In Zukunft wollen wir mit diesem Format die Herausforderungen und Themen betrachten, die eine Klammer um unsere tägliche Arbeit bilden. Mit Optimal wollen wir Impulse geben und Ihnen aufzeigen, vor welchen Herausforderungen wir alle in den nächsten Jahren stehen. Herausforderungen in einer digitalen, globalen Welt. Viel Spaß bei der Lektüre!

Matthias Steinforth, Geschäftsführung Marketing und Vertrieb

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Inhalt 04 Schwerpunkt Es wächst zusammen, was zusammengehört

Autoren dieser Ausgabe

06 Umfrage im Mittelstand Wie weit sind deutsche Unternehmen mit der Internationalisierung ihrer Onlineangebote? 08 Wirtgen Group Deutschland und seine Hidden Champions 10 Interview mit Claudia Fernus Marketing Director bei der Wirtgen Group in China

Matthias Steinforth Geschäftsführer

12 China und seine Online-Klone Baidu, WeChat & Co. Nur Kopien? 14 Bockspringen in Afrika Mobile First

Marco Bitonti Marketing

16 Mon dieu! Der einsame Kampf gegen englische Einflüsse 18 Interkulturelles Webdesign Andere Länder, andere Farben, Bilder, Layouts ... 20 Interview mit Robert Bredlau VC Partner Management bei der e-Spirit AG

Judith Geuking Marketing

22 15 Jahre kernpunkt: Südamerikanischer Flair zur Jubiläumsfeier

Impressum:

Thomas Scholtyssek Konzeption

kernpunkt Holding GmbH, Oskar-Jäger-Str. 173, 50825 Köln | Verantwortlich für den Inhalt: Matthias Steinforth | Auflage: 1.800 Stück |Erscheinung: dreimal pro Jahr | Layout: Verena Stark | Bildmaterial: kernpunkt Holding GmbH, istockphoto.com, flickr.com, Wirtgen GmbH www.kernpunkt.de

Laura Schwarz Office Management # 2 | 2016

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Es wächst zusammen, was zusammengehÜrt Technologieriesen wie Apple vertrauen auf die Ingenieurskunst "made in Germany" hiesiger Konzerne, aber auch auf die Innovationskraft des deutschen Mittelstands. Die Digitalisierung ist Treiber und ErmÜglicher einer Internationalisierungsstrategie.

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Wo Apple draufsteht, ist nicht nur Apple drin: Nur das Betriebssystem und das Produktdesign des iPhones sowie einige wenige Einzelteile stammen aus den USA. Der überwiegende Teil des Geräts wird – wenig überraschend – in China zusammengebaut. Die dorthin exportierten Einzelteile kommen aus der ganzen Welt. Die Bildschirme werden in Japan durch Japan Display oder in Südkorea durch Apples Wettbewerber LG Display oder Samsung hergestellt. Der Fingerabdruck-Sensor wird in Taiwan gefertigt. Die Kamera kommt von Sony, Speicherkarten von Toshiba in Japan. Auch deutsche Unternehmen versorgen Apple, besser gesagt, chinesische Produktionsfirmen mit Komponenten. Der Münchner Leuchtmittelkonzern Osram exportiert Leuchtdioden, Chiphersteller Infineon beliefert gleich mehrere Hersteller mit Hightech „made in Germany“, und die Henkel AG produziert Klebstoffe zur Oberflächenmontage sowie Schutzlacke für das Mobiltelefon des US-Technologiegiganten. Apple vertraut vielfach deutscher Ingenieurskunst, auch aus dem Mittelstand. Beim Bau seiner weltweiten Stores setzt Apple auf einen deutschen Hersteller mit dem Namen „seele“ und attestiert dem „Hidden Champion“ des Fassadenbaus mit Wurzeln im bayrischen Gersthofen auf seiner Website die „fortschrittlichste Verarbeitung von Aluminium, Stahl und Glas weltweit“. Seele hat an mehr als 60 Stores mitgearbeitet, darunter auch am markanten Glaswürfeldesign des Apple Store in New York.

Globale Vernetzungen von Wertschöpfungsprozessen sind längst Alltag. Tech-Konzerne wie Apple sind auf innovative Technologie weltweiter Anbieter angewiesen. Diese internationale Arbeits-

teilung macht es erst möglich, dass wir solche Technologien und Produkte nutzen können. Kaum ein anderes Land ist so stark in globale Handelsströme und internationale Arbeitsteilung verflochten wie Deutschland. Produkte deutscher Unternehmen sind nach wie vor weltweit gefragt. Entsprechend attraktiv ist es für hiesige Unternehmen, die Internationalisierung ihres Geschäfts voranzutreiben. In welcher konkreten Form Internationalisierung erfolgt, wird von der Situation und den Zielen des jeweiligen Unternehmens sowie von seiner Strategie beeinflusst. Vom Export bis hin zur Tochtergesellschaft im jeweiligen Land agieren Unternehmen unterschiedlich stark im Ausland. Dabei gilt: Je stärker das internationale Engagement, desto mehr Herausforderungen und Risiken müssen sich Unternehmen stellen. Prozesse der Zusammenarbeit und Kommunikation müssen ebenso neu definiert werden wie das Verständnis des Kunden im Zielland. Digitale Lösungen ermöglichen heutzutage beispielsweise eine umfassende Kundenanalyse und damit ein besseres Verständnis der Zielgruppen vor Ort. Daten können in viel größeren Mengen erfasst und mithilfe entsprechender Analysetools ausgelesen werden. Wie verhalten sich Nutzer weltweit? Was sind ihre Präferenzen? Was ihre Problemstellungen? Bereits im Vorfeld

kann geklärt werden, ob das Produkt auf Nachfrage im Ausland trifft. Die Digitalisierung schafft Spielraum für proaktive Entscheidungen. Ebenso schaffen digitale Möglichkeiten später dann die kritischen Interaktionen mit globalen Kunden an verschiedenen Kontaktpunkten.

In Zeiten der Digitalisierung war es nie einfacher, den Weg ins Ausland zu wagen. Dazu gehört auch, dass Arbeitsprozesse und Kommunikation zwischen internationalen Partnern und Kollegen digital vereinfacht und gestärkt werden. Ein globaler Wissenstransfer kommt effektiven Arbeitswegen zugute und bündelt das weltweit vorhandene Know-how, um Prozesse zu optimieren. Kosten werden reduziert und Produktivität wird gesteigert. Digitalisierung und Internationalisierung gehen Hand in Hand. # 2 | 2016

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GlobalE Website: ja Prozesse: schwierig kernpunkt und die e-Spirit AG, Hersteller der Content-Management-Lösung FirstSpirit, fragten bei 126 international tätigen Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland nach: Wie steht es um die Internationalisierung der Corporate Website? Wie weit sind sie? Was sind Herausforderungen? Die Ergebnisse haben wir nun zusammengefasst:

Wer hat teilgenommen?

63 %

97 % 54 %

Vertriebsregionen der Unternehmen

40 %

57 %

38 %

47 %

25 % Deutsch

48,41 % Französisch

43 %

(SChweiz)

94 % Deutsch (deutschland)

48 % englisch

38 % Spanisch

53 % englisch

27 % portugiesisch

(UK)

(US)

21 % japanisch 6

59 %

59 %

34 % chinesisch

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34 % Russisch

Sprachen, die angeboten werden


Technologie

Länderseiten • Daumen hoch: Fast 2/3 bieten spezifische Länderseiten für internationale Niederlassungen an

Ausblick

Jedes fünfte Unternehmen nutzt für die Länderseiten mehrere CMS.

• Aber noch 25 % davon unterscheiden sich bei der Gestaltung stark von der Hauptseite.

• 63 % planen Maßnahmen zum Ausbau internationaler Webseiten. • Weniger als 40 % Prozent befinden sich in der Umsetzung.

• Auffällig: Nur wenige Onlineangebote sind vollständig für die Darstellung auf mobilen Endgeräten optimiert.

OnlineMarketing • Die Unternehmen sind sich einig: 1. 76 % Suchmaschinen-Optimierung (SEO), 2. 69 % Social Media und 3. 65 % Newsletter-Marketing werden in Deutschland im Online-Marketing genutzt. • Aber nur die Hälfte aller Unternehmen betreiben länderspezifische OnlineMarketingmaßnahmen.

PT? E Z N technisc KO he budg basis? et?

76% SEO

Pflege und Übersetzung • Weniger als 20 % produzieren die Länderseiten ausschließlich zentral – ein Großteil der Unternehmen erstellt sie dezentral in den Niederlassungen. • Aber fast 2/3 der Unternehmen fehlt der Überblick über Prozesse und Abläufe von Übersetzung, Freigabe oder Pflege.

Herausforderungen: ZEIT

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BUDGET

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Ergebnisse im Überblick: • Länderspezifische Websites erhalten die nötige Aufmerksamkeit und sind CI-konform. • Die meisten Unternehmen steuern ihre Länder-Websites über ein zentrales CMS. • Definierte Prozesse zur Content-Erstellung sind selten vorhanden. • Internationales SEO und Social Media brauchen eine differenzierte Betrachtung. • Konzept ja, Umsetzung nein? Bei vielen Unternehmen fehlen interne Ressourcen, um internationale Relaunches zu stemmen. # 2 | 2016

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Fast unbemerkt die Welt erobern

Deutschland und seine Hidden Champions. Beispiel: die Wirtgen Group

Was hat die Kleinstadt Windhagen im nördlichen Rheinland-Pfalz mit Guerrero Negro im Westen Mexikos, Acland in Queensland, Australien, mit den Anden in Peru oder den Olympischen Spielen in Peking zu tun? Sie alle verbindet ein deutscher Unternehmer, der 1961 mit nur einem LKW für Transportaufträge startete: einem alten Magirus, den er nach Feierabend auch noch selbst reparierte.

Viele deutsche und mittelständische Unternehmen gründeten sich auf solch einer Geschichte. Heute gehören nicht wenige von ihnen zur Weltspitze in ihren Marktsegmenten. Die Öffentlichkeit kennt sie meist nicht. Dabei bilden sie das Fundament der deutschen Wirtschaft: Hidden Champions. Die heimlichen Gewinner. In Deutschland gibt es viele dieser heimlichen Gewinner, die in ihrer Branche entscheidend wirtschaften und oft noch inhabergeführt sind. In einem kleinen Ort gestartet, haben sie mit Pioniergeist und deutscher Ingenieurskunst bald die weltweiten Märkte erobert. 8

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So auch aus einer Kleinstadt wie Windhagen heraus, im nördlichen Rheinland-Pfalz, an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen. Der Ort hat keine 5000 Einwohner. Hat Reinhard Wirtgen im November 1961 geahnt, dass aus seinem Ein-Mann-Betrieb aus Windhagen einmal eine internationale Unternehmensgruppe mit rund 7000 Mitarbeitern wird? Frische Ideen und Visionen Wie ist das möglich? Der Grund sind eine Vorreiterrolle und Innovationen. Sie sind und wollen die ersten ihrer Branche sein. Reinhard Wirtgen erreichte dies durch seine ersten Erfolge mit ei-


WINDHAGEN

nem Betonzertrümmerer, den er in einer Werkstatt in Windhagen ständig weiterentwickelte. Auf der Suche nach neuen Methoden folgten Innovationsschritte: bye bye Betonzertrümmerer, bye bye Heißfräsen, hallo Kaltfräsen! So hat sich Wirtgen über die Jahre zur Wirtgen Group gemausert: heute ein Familienunternehmen, das mit seinen Lösungen für für mobile Maschinen und Anlagen für den Straßenbau, die Straßeninstandsetzung sowie die Gewinnung und Aufbereitung von Nutzmineralien in rund 125 Ländern der Welt vertreten ist. Die Integration der Produktmarken Vögele, Hamm, Kleemann und Benninghoven hat der Wirtgen Group die Technologieführerschaft weiter gesichert. Entscheidend bei der internationalen Ausrichtung und Markterschließung: ein Ausbau des Vertriebs- und Servicenetzes, mit weiteren Niederlassungen und Investitionen in Auslandswerke.

kret: eine Fertiger-Reihe speziell für den US-Markt entwickeln. Hier hatte Produktivität, neben der Ebenheit der Fahrbahn oberste Priorität. Nicht nur andere Größen der Maschinen, auch andere Sicherheitsvorgaben oder andere Materialien spielten eine Rolle. Um auch in den USA Marktführer zu werden, wurde ein ganz neuer Fertiger für den US-Markt geschaffen. Deswegen sind „amerikanische Fertiger“ entstanden, nicht etwa „europäische Produkte im US-Gewand“, erklärte der damalige Leiter Entwicklung und Konstruktion der Jospeh Vögele AG in Mannheim, Martin Buschmann. Auch in China: Bei einem Bauprojekt des Wasserkraftwerks in der chinesischen Provinz Henan wurde ein Fertiger für einen 31° steilen Hang fit gemacht, um ein Wasserreservoir mit einer Asphaltschicht abzudichten. Damit wurde ein Vögele-Fertiger durch Modifikationen zu einem „Hang“-Fertiger in China. Innovationen, Spezialisierungen und weltweite Ausrichtung auf den Kunden – das haben alle Hidden Champions gemein.

Think global, act local Auf jedem Kontinent vertreten – auch wenn es bei verschiedenen Kulturen, Sprachen und Erwartungen nicht einfach scheint: Kundennähe und damit eine Differenzierung bringt weltweite Erfolge, egal ob in Mexiko, Australien oder China. Global denken, lokal handeln heißt hier zum Beispiel ganz kon# 2 | 2016

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Interview

„Ich wurde mitten ins kalte Wasser geworfen.“ Seit über 30 Jahren agiert das deutsche Unternehmen Wirtgen Group bereits im chinesischen Markt und ist mit acht eigenen Standorten sowie einem Netzwerk von rund 35 Händlern vor Ort präsent. Wir haben mit Claudia Fernus, Marketing Director von WIRTGEN CHINA mit Hauptsitz in Langfang (Hebei Province, in der Naehe von Peking), über ihre Erfahrung als Marketingleiterin in China gesprochen.

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Frau Fernus, Sie arbeiten seit bald drei Jahren in China. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren ersten Arbeitstag? Ich wurde mitten ins kalte Wasser geworfen und durfte mich bei einer Händlerschulung als neue Marketingleiterin vorstellen. Dort wurde ich mit allen möglichen Fragen zur Händlerunterstützung bombardiert. Heute weiß ich: Unsere Händler sind die wirklich wichtigsten internen Kunden im Marketing, und sie erwarten eine extrem kurze Reaktionszeit in allen Belangen. Das ist auch die Asien-Dynamik, das Tempo hier ist einfach höher. Wie haben Sie sich damals auf dieses „Abenteuer“ vorbereitet? China kannte ich bereits von Messen und Projekten. Der gelebte Alltag und das richtige Arbeitsleben sind dann aber doch etwas ganz anderes! Ich habe mich vor allem bei Kollegen informiert, die mehrere Jahre in China gelebt und gearbeitet haben. Gute Ratschläge gab es viele, die richtigen Rezepte gab es weniger. Wie man sich integriert und wohlfühlt, das hängt sehr vom Standort ab, also ob man eher in den Metropolen Shanghai oder Peking lebt oder in


dung mit der neuen Produktionsstätte, in die hohe Investitionen geflossen sind. Dieser Schritt zementiert das Vertrauen. Der Innovationsgrad ist auch wichtig, denn der Markt ist hart umkämpft, und Kunden müssen mit innovativen Produkten punkten, die Bauarbeiten z. B. schneller und effizienter abwickeln. Wie gut funktioniert dabei noch „Made in Germany“? „Made in Germany“ hat tatsächlich einen Stellenwert. Wenn wir auf die Baustelle gehen und einen Kunden fragen, warum er sich für eine Maschine aus der Wirtgen Group entschieden hat, kommt oft die Antwort: weil man Vertrauen in das Produkt und die Marke hat, weil Zuverlässigkeit zählt und letztendlich die Qualität stimmt. Eine ausländische Marke zu kaufen, weckt beim Kunden hohe Erwartungen, die tagtäglich über den Maschinenverkauf hinaus auch im Service erfüllt werden müssen, nur so lassen sich auch höhere Preise rechtfertigen.

der Provinz, und von der eigenen Offenheit gegenüber Land und Leuten. Und heute: Wie klappt die Kommunikation mit Ihren chinesischen Kollegen oder Kunden? Gelten dort andere Regeln als in Deutschland? In der Regel gut. Die Kommunikation kann auch ihre Tücken haben und fordert oft viel Feingefühl, manchmal sicher auch eine drastische Verhaltensänderung. Als Deutscher neigt man dazu, sehr direkt zu kommunizieren und gleich auf den Punkt zu kommen. Das ist eher unhöflich, hier entwickelt sich das Gespräch erst langsam vom Nebensächlichen zum Konkreten. Oft sind die letzten Minuten die entscheidenden, denn dann kommt das Eigentliche zur Sprache und wird geklärt. Hat das Konsequenzen für das Marketing? Wie vermarktet man deutsche Maschinen in China? Der konsequente Beziehungsaufbau zu den Kunden ist entscheidend und die Kontinuität. Das Unternehmen ist über 30 Jahre im Markt und genießt hohes Vertrauen. Das ist sicher ein Riesenvorteil, in Verbin-

Mit Blick auf unsere digitalisierte Welt: Welchen Stellenwert hat Online-Marketing in der Kundenkommunikation in China? Wir müssen viele Kundengruppen direkt und schnell erreichen. Mobile digitale Medien sind dafür perfekt, gerade für die Wirtgen Group mit ihren 5 Marken und der Fülle an Informationen, die an die einzelnen Kundensegmente gesendet werden müssen. Dabei sprechen wir die jeweiligen Kunden der Road Technologies und der Mineral Technologies in unterschiedlichen digitalen Kanälen an. Können Sie sich vorstellen, dass in China in ein paar Jahren eine Baumaschine online gekauft wird? Dazu gab es in China bereits Ansätze für einfach zu konfigurierende Produkte wie Bagger oder Radlader. Auch Gebrauchtmaschinen und Ersatzteile werden online angeboten. Die Onlinekanäle für Neumaschinen sind derzeit noch Anfrageplattformen, ein Direktverkauf findet weniger statt. Natürlich sind Wirtgen-Fräsen oder Vögele-Fertiger komplexere Beratungsprodukte und ganz klar Investitionsgüter, die auch in Zukunft noch viel Expertise bei der Analyse von Bedarf und Anwendung erfordern, bevor die Kaufentscheidung beim Kunden erfolgt.

Wenn Sie die Online-Affinität zwischen China und Europa vergleichen: Wo sind die maßgeblichen Unterschiede? Gerade mobile digitale Medien sind sowohl im privaten Alltag als auch im Geschäftsleben schon viel stärker verankert und selbstverständlicher Dreh- und Angelpunkt von Kommunikation und Interaktion. Sie bieten einen klaren Mehrwert. Zentral ist die Smartphone-App WeChat, die von mindestens 500 Millionen Menschen genutzt wird. Über die App tauscht man nicht nur Text- und Sprachnachrichten oder Medien aus, sondern sie bietet viele Zusatzfunktionen. Man kann damit z. B. auch das Taxi bestellen oder im Supermarkt bezahlen. Auch im B2B-Marketing ist es deshalb essenziell, einen WeChatMarketingkanal zur direkten Kundenkommunikation aufzubauen und damit das Markenimage zu stärken. Das ist viel effizienter als eine Website, weil dieses Medium die Menschen ohne Umwege und ohne eigene Aktivität des Nutzers direkt auf dem Smartphone erreicht, sobald der Kunde den Kanal abonniert hat. Das B2B-Marketing in China ist im mobilen digitalen Bereich Europa deutlich einen Schritt voraus. Und zum Abschluss: Was können wir Deutsche von den Chinesen lernen. Ganz wichtig: Geduld. Am Ende gibt es immer eine Lösung, auch wenn es anfangs vielleicht nicht danach aussieht! Viele Wege führen zum Ziel, da wir Europäer doch eher dazu neigen, uns auf einen Weg zu versteifen. Und natürlich: Beziehungen sind einfach alles.

Claudia Fernus leitet seit drei Jahren das Marketing von WIRTGEN CHINA. Sie verfügt über 13 Jahre B2B-Marketingerfahrung im Maschinenbau. Vor ihren Stationen bei der Wirtgen Group war sie auch für Hilti und die Wacker Neuson Group tätig. Frau Fernus studierte an der Universität Augsburg und der University of Vermont. # 2 | 2016

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China und seine OnlineKlone In China sind westliche soziale Netzwerke und Plattformen für die eigene Bevölkerung gänzlich verboten. Auf die Vorzüge moderner Internetangebote müssen Chinesen dennoch nicht verzichten. Sie haben einfach eigene Onlineangebote, die unseren ähnlich sind. Aber handelt es bei Baidu, WeChat & Co. um einfache Kopien?

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Soziale Netzwerke und mobile Apps boomen überall. Für Chinesen sind soziale Netzwerke Informationsmedium Nummer 1. Mehrere hundert Millionen Nutzer sind in China auf den Plattformen aktiv – und diese spielen deswegen in China auch in der Unternehmenskommunikation eine große Rolle. Westliche Unternehmen, die einen Markteintritt in China planen, dürfen sich hier aber nicht zu früh freuen. Es gibt große Unterschiede, und vor allem: Sprache allein ist nicht das entscheidende Hindernis. Internetzensur: Westliche Medien sind gesperrt Der chinesische Staat kontrolliert das Internet und die Kommunikation – denn Internetsicherheit ist dort Teil der nationalen Sicherheit. Die Bevölkerung soll vor schädlichen Inhalten geschützt werden. Die Kontrolle unterstützt eine chinesische Mauer. Dabei ist kein Konstrukt aus Stein gemeint, sondern die große chinesische Firewall. Einzelne Schlüsselwörter oder auch ganze IP-Adressen werden gefiltert

und blockiert. Das macht nicht-chinesische Internetseiten nicht nur unzumutbar langsam, einige Dienste sind auch ganz gesperrt. Das beeinträchtigt die Arbeit von internationalen Unternehmen in China. Interne Kommunikation über E-MailDienste oder Clouds ist genauso betroffen wie Marketing-Aktivitäten. Chinesische Alternativen für Google, Facebook, YouTube, Twitter So sind Anwendungen wie Twitter, Facebook, YouTube, Google oder Gmail und Instagram alle zu 100 % zensiert. Sie sind geblockt und innerhalb von China nicht aufzurufen. Für viele ausländische Unternehmen bedeutet das unbekanntes Terrain: Marketing und Kommunikation müssen auf anderen Plattformen stattfinden. Chinesische Internetunternehmen wie Tencent, Baidu und Sina haben dafür eigene WhatsApp- und Twitter-Klone geschaffen. Dabei stehen die Anwendungen ihren Vorbildern in nichts nach und gehen über die Dienste einer einfachen MessagingApp oder eines Newsfeeds hinaus. Trotzdem: Auch chinesische Dienste unterlie-

gen der Zensur. Nicht nur durch die „Great Firewall of China“, sondern auch durch Selbstzensur. Betreiber sozialer Netzwerke müssen Zensoren einstellen, die die Seiten nach gelisteten Schlagwörtern und Inhalten durchsuchen und Beiträge oder Nutzer löschen. Mobile Marketing Nicht nur aufgrund anderer Plattformen: Die Nutzung sozialer Netzwerke in China passt sich der Umgebung an. 88 % der 680 Millionen chinesischen Internetnutzer gehen aktiv über ihr Mobiltelefon online. Dies beeinflusst ihr Surfverhalten maßgeblich. Die chinesischen Apps sind deswegen nicht nur Klone, sie sind auf die Vorlieben ihrer chinesischen Nutzer ausgerichtet. O2O ist hier wichtig: Online- und OfflineAktivitäten verknüpfen. Die Apps sind im Alltag verankert und vernetzen Unternehmen und Privatpersonen über neue Features. So könnten die „Klone“ mit integrierten Bezahlsystemen oder standortbasierten Diensten bald die Apps von morgen in der restlichen Welt sein.

Welche Netzwerke spielen in China eine Rolle? Sina Weibo

WeChat von Tencent

Baidu

Mircoblogging-Dienst, der Twitter ersetzt. Nutzer informieren sich hier über aktuelle Nachrichten. Auf der Plattform finden sich Privatpersonen sowie auch Unternehmensprofile. Weibo wird deswegen als Marketing-Plattform genutzt und ermöglicht das Erstellen von Kampagnen. Um aber eine gewisse Reichweite zu bekommen, wird eine hohe Follower-Anzahl benötigt. Ähnlich wie bei Twitter gilt die 140-ZeichenBegrenzung – mit 140 chinesischen Zeichen kann aber deutlich mehr ausgedrückt werden.

Social Media für alles – mit um die 600 Millionen aktiven Nutzern. Setzt sich aus Kurznachrichten, Profilseiten, Pinnwänden, Onlinespielen und einem Shopsystem, um etwa Geld zu überweisen oder Flüge und Kinotickets zu buchen, zusammen. Es gibt private Accounts, aber auch öffentliche für Unternehmen und Medien. Über Company Accounts wird auch eine Plattform für interne Unternehmenskommunikation bereitgestellt. Standortabhängige Dienste sind weit verbreitet und der QR Code ist sehr beliebt und als Scanner integriert.

Suchmaschine mit mehr als 60 % Marktanteil. Insgesamt erinnert vieles an Google: nicht nur Suchmaschine, sondern auch Kartendienst, Cloud-Anbieter, Wiki, Buchverzeichnis etc. Im Ranking bestraft Baidu doppelte Inhalte und legt Wert auf ein regelmäßiges Bereitstellen von neuem Content. Die URL sollte auf .cn oder .com. cn enden, um stärker berücksichtigt zu werden. Inhalte sollten in chinesischen Kurzzeichen erstellt werden und Meta Keywords sind immer noch sehr wertvoll. Außerdem bevorzugt Baidu Webseiten, die auch lokal in China gehostet werden.

Qzone, Kaixin001 oder Renren

Youku

Soziale Netzwerke, ähnlich aussehend wie Facebook. Auch mobile Apps, wie Spiele, werden angeboten.

Videoportal, das in seinen Funktionen YouTube ähnelt. # 2 | 2016

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Bildquelle: Emil-Sjöblom, Flickr, Creative-Commons

Bockspringen in Afrika: Mobile First Der afrikanische Kontinent hat das Medium Desktop-PC so gut wie einfach ausgelassen. „Leapfrogging” (Bockspringen) nennt sich das Phänomen, bei dem die Stufen eines Entwicklungsprozesses einfach übersprungen werden. Die Länder südlich der Sahara schaffen technologische Quantensprünge und nehmen Vorreiterrollen ein. Mobile Applikationen sowie innovative und mobil-optimierte Dienstleistungen sind stark im Kommen. Wie kann das sein? 2013 waren nur ca. 16 Prozent der afrikanischen Bevölkerung im Internet unterwegs. Das McKinsey Global Institute (MGI) prophezeite 2013: Schon 2025 soll sich der Anteil auf 50 % erhöhen. Bei einer Bevölkerung von mehr als eine Milliarde Menschen ist das 14

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nicht wenig. Ausschlaggebend: Mobiles Internet und auch mobile Endgeräte werden immer zugänglicher. Laut eines Reports der Weltbank und African Development Bank kommen viele Afrikaner ganz einfach in den Besitz von Mobiltelefonen: Handys können schon für weniger als 100 US-Dollar gekauft werden. Ein Computer eher nicht. Ein Grund, warum in vielen Schwellenländern auf dieser Erde „Mobile First“ gilt. In Afrika kommt noch hinzu: Mit mehr als 200 Millionen Bewohnern zwischen 15 und 25 Jahren ist Afrika einer der jugendlichsten Kontinente und steht damit technischen Neuerungen offen gegenüber. Ein Beispiel: Nigeria, ein Land mit um die 180 Millionen Einwohnern, hat laut einem Bericht der Financial Times über 150 Millionen aktive, mobile Netzwerkverbindungen. Nigeria beschreibt seinen Markt als „100 % Mobile First“. Wenn online, dann mobil auf dem Handy. Mehr als 80 % aller Webseiten-Zugriffe in Nigeria sind mobil. Wichtig ist aber: Es geht in Afrika nicht um den Computer oder das neueste Smartphone an sich – sondern um die Möglichkeiten, die durch neue Applikationen entstehen. Viele Afrikaner besitzen kein Bankkonto und haben auch sonst keinen Zugang zu einem Finanzinstitut. Durch die mobile Entwicklung hat sich aber handygestützter Geldtransfer durchgesetzt. Eine mobile Geldbörse ermöglicht das Überweisen per SMS oder App. Nutzer können Geld über die SIM-Karte oder auch bei vielen Händlern, Tankstellen oder im Kiosk aufladen. Da der Zugang zum Internet nicht immer gewährleistet ist, ist es wichtig, dass der Dienst über ein so simples Medium wie die SMS und nicht


Digital in Afrika GESAMTBEVÖLKERUNG

INTERNETNUTZER

SOCIAL-MEDIANUTZER

ANGEMELDETE HANDYNUTZER

MOBILE SOCIALMEDIA-NUTZER

1,2

349

129

986

102

MILLIARDEN

MILLIONEN MILLIONEN

MILLIONEN

MILLIONEN

Quelle: wearesocial.com, Stand Januar 2016

nur über Apps funktioniert. Wo vorher kein Konto vorhanden war, können Angelegenheiten wie Einkäufe, Gehalt oder etwa Stromrechnungen oder Schulgebühren jetzt ohne Mittelsmann günstig und beglaubigt beglichen werden. Das Zahlungssystem „M-Pesa“, von der Mobilfunkfirma Safaricom und Vodafone entwickelt, ist vor allem in Ostafrika Vorreiter und wurde bereits 2007 in Kenia eingeführt. So gibt es in Kenia, Tansania und Uganda mehr mobile Geldkonten als Bankkonten. Neue Märkte: M-Commerce E-Commerce weist global riesige Potenziale auf und ist das große Thema in vielen Ländern. Doch Afrika konzentriert sich direkt auf M-Commerce, überspringt also eine Stufe. Aufgrund der mobilen Zahlungssysteme und des Zugangs zum Internet fast ausschließlich über das Handy sind hier mobile Einkaufsmöglichkeiten der Schlüssel zu neuen Kunden. Mobile Kampagnen und soziale Netzwerke Laut eines Artikels der Online-Autorinnen von „Das Netz" entfällt „ein Drittel der Internetnutzung des Kontinents auf Facebook, Twitter und Co“. Auch Nicola Mendelsohn, Facebook-Vizepräsidentin für Europa, den Nahen Osten und Afrika, bestätigt: Die mobilen Internetnutzer in Afrika sind auf Facebook, nutzen die Plattform sogar, um Unternehmen aufzubauen. Einige Mobilfunkanbieter ermöglichen laut GTAI (Germany Trade & Invest) die Nutzung von Facebook, Twitter und Google kostenfrei für Nutzer an. Das lockt Kunden an und sorgt für eine weite Verbreitung

der Dienste. Mobil werden diese daher zu einem entscheidenden Medium in der Kundenbetreuung von Unternehmen und spielen auch bei Werbung eine zentrale Rolle.

Mobile Start-up-Szene Die mobile Wirtschafts- und App-Szene boomt. Neben neuen sozialen Netzwerken wie dem mobilen Netzwerk „Mxit“ aus Südafrika und Messaging-Apps wie etwa „How Far“ aus Nigeria mischen auch Global Player wie „Uber“ oder „AirBnB“ mit. Doch auch ganz neue Innovationen entstehen:

SimbaPay: Mobile Banking-Dienstleistung, um Geld aus dem Ausland nach Nigeria und Kenia zu überweisen, auf ein Bankoder auch ein mobiles Konto. www.simbapay.com SmartEdu: für Lehrer und Eltern – Software, um die Schul- und Studienleistung der Kinder zu überwachen und um die Kommunikation zwischen Schule und Erziehungsberechtigten zu vereinfachen. www.smartedu.io Shield Finance: Mobile Banking-App für die Gehaltsabrechnung. Arbeitnehmer können sogar Gehaltsvorschüsse zu niedrigen Zinsen beantragen. www.shield.co.ke

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parlez-vous anglais?

Mon dieu! Der einsame Kampf gegen englische Einflüsse

Hinter jedem Vorurteil steckt ein Funken Wahrheit? Was ist dran am Klischee: Franzosen wollten oder könnten kein Englisch sprechen? Hier treffen zwei Lager aufeinander, denn viele Franzosen sprechen natürlich gut Englisch.

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Die Wahrheit dahinter: Die, die es nicht wollen – denen geht es nicht um die englische Sprache an sich, sondern um englische Einflüsse im Französischen. Die Gefahr: Bald spreche niemand mehr anständiges Französisch. Englisch sei die kulturelle Bedrohung. Und tatsächlich: Kein Land beschützt seine Sprache so sehr vor englischen Einflüssen wie Frankreich. Der Sprachenschutz ist eine Hürde für die Wirtschaft. Doch wie lange können FranglaisGegner den Kampf aufrechterhalten? Englisch ist und bleibt Weltwirtschaftssprache. Dagegen können sich Institutionen kaum wehren. Oder doch?

Loi Toubon Bereits Ende 1975 trat ein Gesetz in Frankreich in Kraft, das die französische Sprache schützen sollte. 1994 folgte eine Erweiterung: das „Gesetz Toubon“ über den Gebrauch der französischen Sprache, das durch den damaligen Kulturminister Jacques Toubon veranlasst wurde. Die Inhalte: Im firmenexternen Gebrauch, also der Öffentlichkeit zugänglich, bei Anleitungen und Beschreibungen, auf Plakaten oder auch auf Rechnungen ist der Gebrauch der französischen Sprache verpflichtend. Es zählt nicht nur das Geschriebene, sondern auch das Gesprochene im Radio oder beispielsweise in der Fernsehwerbung. Europaweite Werbekampagnen mit einheitlichem Slogan sind in Frankreich so nicht möglich. Das macht auch die Darstellung von technischen und informatisch besetzten Themen auf französischen Webseiten schwierig. Denn Fachbegriffe aus dem Englischen prägen bestimmte Industrien und erleichtern etwa in der IT-Branche das globale Verständnis. Viele Befürworter haben nicht den Schutz der französischen Sprache im Sinn, sondern den Schutz der Bürger – sie sollen weiterhin alles verstehen können. Die Sprache solle der Wirklichkeit entsprechen. In der Wirklichkeit der Wirtschaft ist aber Englisch nun einmal nicht wegzudenken. Also jedes englische Wort ersetzen? Fremdsprachige Wörter sind nur erlaubt, wenn es zum Beispiel um die Bezeichnung von ausländischen Produkten und Spezialitäten geht, die einem breiten Publikum bekannt sind, oder wenn ein entsprechendes französisches Wort nicht vorhanden ist, wie bei Hamburger, Jeans oder Sandwich. Nach einer Verfassungsklage gegen die „Loi Toubon“ ist jedoch der Gebrauch fest vorgeschriebener Wörter als Ersatz nicht mehr verpflichtend. Trotzdem sorgen Kommissionen oder Institutionen wie die Académie française, die französische Akademie, dafür, dass schöne Wortneuschöpfungen für die englischen Eindringlinge gefunden werden. Dass staatlich

vorgeschlagene Ersatzwörter in Ausnahmefällen anerkannt werden, zeigen die erfolgreichen Integrationen von logiciel für Software und ordinateur für Computer. Computer oder Software sind von der Bildfläche verschwunden. Weitere Vorschläge der Akademie sind:

english vs. français B2B commerce entreprise à entreprise en ligne Win-win gagnant-gagnant start-up jeune pousse USP Unique Selling Point argument émotionnel de vente Newsletter Une lettre d’information Digital numérique

Seine eigenen Bürger vor Missverständnissen durch Sprachbarrieren schützen zu wollen, kann als löblich ausgelegt werden. In Wirklichkeit bereitet die geringe Akzeptanz von Englisch als Wirtschaftssprache aber mehr Probleme. Was, wenn sich Kollegen nicht mehr richtig verständigen können, da die falschen Fachwörter überliefert werden? Wenn Texte durch französische Neuschöpfungen auch von Franzosen selbst nicht mehr verstanden werden und eine Rückübersetzung ins Englisch-Französische notwendig wird? Oder internationale Mitarbeiter ausbleiben, weil sie die französische Sprache nicht perfekt beherrschen? Dann kann man deutlich feststellen: Solch ein extremer Sprachenschutz ist ein Hindernis. Nicht gegen englische Einflüsse in der Sprache, sondern gegen das Verbot sollten Bürger sich wehren. # 2 | 2016

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Interview

„Kunden in den USA sind nicht an ‚Features & Functions’ interessiert“ Wie expandiert ein deutsches Softwareunternehmen in die USA? Die e-Spirit AG, Hersteller des Enterprise Content-Management-System (CMS) FirstSpirit™, wagte diesen Schritt und baute mit großem Erfolg eine Tochtergesellschaft auf. Wir sprachen mit Robert Bredlau, Vice President International Partner Management & Channels, über Vertriebsstrategien und den Unterschied zwischen deutschen und US-amerikanischen Kunden(-bedürfnissen). Herr Bredlau, Sie sind vor 7 Monaten aus den USA zurückgekehrt, wo Sie für e-Spirit seit 2011 die Niederlassungen 18

aufgebaut haben. Haben Sie sich schon wieder an Deutschland gewöhnt? Das Wetter hierzulande lässt leider sehr zu wünschen übrig. In den ersten Wochen nach unserer Rückkehr haben wir uns häufig gefragt, ob die Sonne irgendwann mal wieder zu sehen sein wird – da hat uns Boston, unabhängig von den Temperaturen, meist mit sehr klarem, sonnigen Wetter verwöhnt. Aber wir haben uns gut eingelebt. Beide Länder haben ihren Reiz und irgendetwas wird man immer vermissen, egal wo man gerade ist. Kommen wir zum USA-Geschäft: Was versteht e-Spirit unter einer „Best-of-

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Breed-Produktstrategie“? Die Produktstrategie gilt weltweit und bedeutet, dass wir FirstSpirit als Digital Content Hub kontinuierlich weiterentwickeln. Das heißt, Kunden können das CMS als zentrale Plattform für alle ihre Inhalte nutzen, beliebige vorhandene oder gewünschte Systeme, Anwendungen, Daten einfach integrieren. Oder auch andersherum das CMS in die Systeme integrieren, denn FirstSpirit ist ein sogenanntes Headless oder Decoupled CMS. Unternehmen haben durch diesen Ansatz viele Vorteile: Sie können auf ihrer bestehenden Infrastruktur aufbauen, diese weiternutzen und optimieren, da sie durch die Integration


netarisieren, das heißt über die zielgruppengerechte Präsentation von Inhalten Umsätze zu generieren.

Prozesse vereinfachen, Inhalte und Anwendungen konsistent zusammenführen und Silos aufbrechen. Außerdem gewinnen die Anwender Flexibilität und Agilität: Sie können bei Bedarf viel schneller neue Funktionen oder Services bereitstellen, ergänzen, austauschen, da wir eine schnelle Integration ermöglichen. Bei einem Headless CMS ist das Backend, in dem die Redakteure einfach arbeiten, Inhalte erstellen und managen können, vom Frontend, also der Präsentations- oder Ausgabeebene getrennt. Dadurch können Unternehmen ihr Frontend frei wählen und haben vollkommene Handlungsfreiheit für ihre Kommunikation. Sie müssen nicht die Darstellungsebene nutzen, die ein traditionelles CMS vorschreiben würde, sondern können zum Beispiel auch Commerce-Systeme oder ein Portal als führendes System für die Auslieferung von Inhalten nutzen. Inwiefern hilft Ihnen dieser Ansatz, sich gegenüber den vorherrschenden CMSAnbietern in den USA durchzusetzen? Anders als bei einem Suite-Ansatz haben Unternehmen mit einer Best-of-BreedStrategie und einem Headless CMS viel mehr Flexibilität und Handlungsspielräume – im Zuge der Digitalen Transformation ein klarer Vorteil, denn da gewinnen die Unternehmen, die schnell sind und sich einfach an neue Anforderungen anpassen können. Das hilft uns in den USA – unsere Lösung ist viel agiler und zukunftssicher. Abgesehen davon, dass Anwender vorhandene Lösungen weiternutzen können, was Budgets schont, ist unser Vorteil, dass wir es ihnen erleichtern, ihren Content zu mo-

Warum hat sich e-Spirit für eine Expansion in die USA und nicht nach Asien entschieden? In den USA gibt es Bedarf, und die sprachlichen sowie kulturellen Hürden sind nicht sehr hoch. Auch für viele unserer europäischen Bestandskunden ist Nordamerika ein extrem wichtiger Markt, sodass wir dort von vornherein schon sehr viele Projektinstallationen hatten. Wir haben zwar auch zahlreiche Kunden auf dem asiatischen Markt, aber der Aufbau einer Niederlassung und eigener Vertriebsstrukturen dort wäre doch ein anderes Kaliber. Wie baut man Vertriebsstrukturen bei null und fernab der Heimat auf? Wie haben Sie angefangen? Ich hatte den Vorteil, dass e-Spirit nicht mein erstes Unternehmen ist, das ich in USA aufgebaut habe. Da hilft die Erfahrung aus vergangenen Projekten schon sehr. Aber wie wahrscheinlich in jedem Land, in dem man neu startet, braucht man ein motiviertes und funktionierendes Partnernetzwerk, um die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen und die vertrieblichen Aktivitäten zu multiplizieren, also haben wir damit begonnen. Des Weiteren sind in unserem Fall auch die Beziehungen zu Analysten sehr wichtig, und wir haben den US-Start von Anfang an mit PR- und MarketingMaßnahmen begleitet, um in relevanten Medien stattzufinden und bei unseren Zielgruppen bekannt zu werden. Mit welchen Eintrittsbarrieren hatten Sie zu kämpfen? Damit, dass es kein gescheites Brot in Amerika gibt. Spaß beiseite: Es gibt zum einen viele rechtliche Themen, die berücksichtigt werden müssen, zum anderen ist das Land sehr groß, die Zeitverschiebungen von Ost nach West und die Entfernungen sind natürlich eine Herausforderung. Nach unserer Marktanalyse wollten wir uns zunächst auf die Ostküste fokussieren und haben uns unter anderem deshalb für Boston als Standort entschieden; aber wo kamen zunächst die meisten Anfragen her? Natürlich von der Westküste.

Verkauft man Software in den USA anders als in Deutschland? Wo liegen die Unterschiede? In den USA ist das Geschäft sehr stark Businessnutzen-getrieben: Der Kunde hat ein Problem und sucht hierfür eine Lösung und ist grundsätzlich nicht an „Features & Functions“ interessiert. Auf der einen Seite sind amerikanische Kunden grundsätzlich sehr positiv und optimistisch eingestellt und probieren auch mal etwas aus. Auf der anderen Seite ist die Verbindlichkeit eine andere – so kann im gesamten Prozess auch einfach mal eine absolut unerwartete „Funkpause“ eintreten, die Forecasts und Geschäftsabschlüsse teilweise unkalkulierbar macht.

Robert Bredlau ist seit diesem Jahr Vice President International Partner Management & Channels bei der e-Spirit AG. Zuvor baute er als COO & Managing Director die Standorte in den Vereinigten Staaten auf.

Die e-Spirit AG ist als Hersteller des Content-Management-Systems FirstSpirit™ Technologieführer im Bereich Content Management und Customer Experience Management. Das Unternehmen e-Spirit wurde 1999 gegründet, ist Teil der adesso-Gruppe und mit 16 Standorten in Deutschland, Großbritannien, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und den USA vertreten.

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IKEA DEUTSCHLAND

IKEA ARABISCHE EMIRATE

Interkulturelles Webdesign Wer eine Webseite aufruft, hat meistens eine Vorstellung davon, was ihn erwartet. Was, wenn Besucher weit nach unten scrollen müssten, um die Sprache zu wechseln oder das Menü zu finden? Wer bleibt da noch lange auf der Seite? Genau solche Fragen müssen sich Verantwortliche stellen, die eine Webseite internationalisieren möchten. Die Uhren ticken überall anders, und das bedeutet: In anderen Ländern werden andere Aspekte auf einer Webseite als selbstverständlich betrachtet. Schon ein paar simple Fragen können auf dem Weg zu einer internationalen Präsenz, die ankommt, helfen.

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IKEA CHINA

Wie sehen erfolgreiche Webseiten im Zielland aus? Je nach Branche und Produkt empfiehlt es sich zu überprüfen, wie Webseiten im jeweiligen Land aussehen und wie die Nutzungsgewohnheiten sind. Schnell fallen Unterschiede bei Layout und Aufbau auf. Das kann schon daran liegen, dass nicht jede Sprache von links nach rechts gelesen wird. Arabisch beispielsweise wird von rechts nach links gelesen, und so fällt diesen Nutzern eher der rechte Bildausschnitt ins Auge. Logos oder Menüpunkte sind deswegen im Gegensatz zu westlichen Webseiten rechts platziert und Social Icons finden sich oft links. Auch große Bilder auf der Startseite, die nach ein paar Sekunden automatisch zum nächsten wechseln und ein neues Thema bewerben, bewegen sich dort in die andere Richtung. Bilder ohne Grenzen? Bilder sind universeller als Text, denn sie sprechen ganz unbewusst und nebenbei die Emotionen der Konsumenten an. Wenn sie international gültig sind und verstanden werden, können sie dabei helfen, Sprachgrenzen zu überwinden. Aber: Es gibt kulturelle Unterschiede in der Bildsprache. Dadurch können „falsch“ gewählte Abbildungen und Icons auch zu Missverständnissen führen. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten beispielsweise

IKEA KUWAIT

Abbildungen von Tieren oder Handgesten vermieden werden. Diese haben in jeder Kultur eine andere Bedeutung. Auch Zahlen können symbolhaft sein: In Japan wird das Wort für die Zahl „4“ genauso ausgesprochen wie das Wort für „Tod“. Daher wird auf eine Darstellung mit vier Objekten in der Regel verzichtet. Fotos von Menschen sind nicht unbedingt negativ belastet. Doch ist es ratsam, die Motive dem Kulturkreis anzupassen. Zum Teil aus Respekt vor kulturellen Werten, aber besonders damit sich der jeweilige Nutzer wirklich identifizieren kann. Tipp: von Experten und Bewohnern der Zielregion bei der Auswahl beraten lassen. Farben sprechen lassen? Seine Website mit der richtigen Farbwelt zu schmücken, kann mühsam sein. Je nach kulturellem Umfeld sind auch Farben mit bestimmten Stimmungen oder Ereignissen assoziiert. In Europa steht Orange für Wärme und das Erreichen von Zielen; in den USA verbindet man Orange eher mit schlechter Qualität. Grün wird in Europa positiv bewertet. Es steht für die Natur oder Wachstum und Gesundheit. In China verbindet man die Farbe Grün aber mit Betrug. Rot ist in China die Farbe des Glücks, in den USA repräsentiert sie eher finanzielle Schulden.

Do you speak international? Am Ende nützt z. B. das schönste Layout nichts, wenn es in anderen Sprachen anders aussieht als geplant. Plötzlich ist alles „kaputt“. Überschriften und Texte passen aufgrund unterschiedlicher Längen und anderer Schriftzeichen nicht mehr in den vorgesehenen Bereich, der wohlüberlegte One-Pager wird ellenlang und unleserlich. Kurzum, der Erfolg der Seite ist infrage gestellt. Daher gilt es, die Konsequenzen der Internationalisierung der Website so früh wie möglich zu berücksichtigen. Wie verhält sich ein Layout in verschiedenen Sprachen? Englisch ist eher kurz, Spanisch sehr lang. Liegen die Schriften, die das Corporate Design vorgibt, in umfassenden Varianten vor? Können neben dem lateinischen auch andere Alphabete und Schriften abgebildet werden? Wie sieht das Layout aus, wenn die Seite auf Arabisch oder Japanisch angelegt wird? Sind unterschiedliche HTML- und CSS-Markups notwendig, um eine geänderte Schreibrichtung abzubilden? Last, but not least lohnt sich ein Ausblick auf die URL-Struktur. Für die internationale Sichtbarkeit und Nutzerakzeptanz kann es von Vorteil sein, nicht nur den Inhalt der Seite zu übersetzen, sondern auch den Pfad zu dieser Seite zu internationalisieren. # 2 | 2016

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Quinceañera Südamerikanischer Flair zur Jubiläumsfeier „Quinceañera” – der fünfzehnjährige Geburtstag wird in Südamerika groß gefeiert. Groß gefeiert haben auch wir, denn dazu gab es gleich zweifachen Grund: Am 3. Juni hieß es nicht nur „Feliz aniversário, kernpunkt!”, ebenfalls konnten wir die Gelegenheit nutzen, unsere neue Bürofläche zu präsentieren, in der sich seit dem 14. März unser tägliches Agenturleben abspielt. Zur Einweihungs- und Jubiläumsfeier sind rund 120 geladene Gäste erschienen. Kunden, Partner, Kollegen, Familie, Groß und Klein kamen zusammen. Gemeinsam wurden nachmittags die neuen Räume besichtigt und auf „15 kernige kernpunkt-Jahre” zurückgeblickt. Lustige Anekdoten aus den Anfängen und alte Fotos sorgten für Nostalgie und ein fröhliches Fest, aber auch auf die Neuausrichtung der Agentur und die Zukunft wurde angestoßen. Später empfingen Simon und Matthias in südamerikanischer Manier in weißen Anzügen und farbigen Hemden zu einer mexikanischen Mariachi-Band weitere Gäste im „DEINspeisesalon”.

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