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Beratungsstellen Eltern erzählen von ihrer Zeit im Lockdown

Eltern erzählen von ihrer Zeit im Lockdown

Der Lockdown hat Familien hart erwischt. Kindergärten und Schulen wurden geschlossen – Familien, die nicht in systemrelevanten Berufen arbeiten, mussten und müssen ihre Kinder selber betreuen und beschulen, egal ob sie dabei gleichzeitig im Homeoffice arbeiten. Das Abitur wurde verlegt, Schüler, die keine der relevanten Jahrgangsstufen besuchen, werden ihre Schule vor den Sommerferien wenn überhaupt lediglich an einzelnen Tagen und unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen von innen sehen. Familien sind in diesen Wochen näher zusammengerückt. Was bedeutet das im Einzelfall? Wie geht es Familien, die gerade besondere Herausforderungen wie eine schwere Krankheit gemeistert haben und dann mitten in der CoronaKrise landen? Wir haben nachgefragt und lassen einige Familien zu Wort kommen.

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Näher zusammengerückt Ich habe eine 14-jährige Tochter und einen dreijährigen Sohn. Meine Tochter geht auf ein Gymnasium und mein Sohn normalerweise 35 Std./Woche in die Kita. Mein Mann hat einen „systemrelevanten“ Job und musste die meisten Tage arbeiten gehen. Ich bin Risikogruppe und mache ein Fernstudium von zu Hause aus. Ich habe einen angeborenen Herzfehler. Ich bin sehr ängstlich und vorsichtig momentan außerhalb unserer Wohnung. Ich kann es nicht nachvollziehen, wie sich manch anderer verhält, und ich werde auch, wenn wieder mehr öffnet und gelockert wird, weiter vorsichtig sein.

Die Schule meiner Tochter hat eine Online-Plattform mit Aufgabenstellungen für jede Klasse hochgefahren. Die Aufgaben mussten regelmäßig bearbeitet und teilweise per E-Mail eingeschickt werden. Teilweise hat meine Tochter bis zu fünf Std./Tag gesessen und gelernt. Später hat die Schule für jedes Kind ein Office-Paket und einen Zugang zu einer Online-Lernplattform bereitgestellt. Zum Teil erfolgt nun auch Unterricht per Telko. Hier, muss ich sagen, bin ich zufrieden und alles läuft prima.

Mein Sohn ist sehr unausgeglichen. Wir haben diverse Lernhefte für die Vorschule angeschafft. Ich setze mich täglich mit ihm zum Lernen hin, um ihn sinnvoll zu beschäftigen. Ein Fahrrad haben wir auch angeschafft, auf dem er fleißig übt, wenn wir spazieren sind. Wir haben weder Garten noch Balkon. Diese Zeit der Isolation war eine außergewöhnliche Zeit. Auf der einen Seite musste man auf Freunde und Familie verzichten. Auf der anderen Seite bin ich gerade meinem Teenie wesentlich näher gekommen. Wir haben gemeinsam gekocht, gebacken, Beautyabende veranstaltet, hatten gute Gespräche und haben uns auch mal richtig angezickt. Der Kleine hatte auch eine gute Zeit zu Hause. Und vor drei Tagen waren wir das erste Mal nach all den Wochen mit einer Bekannten und den Kindern auf dem Spielplatz. Er hat sich mega gefreut! anonym

Bachelorarbeit abgebrochen Fehlende Perspektive für Mütter

Ich bin mit meiner 14 Monate alten Tochter daheim. Ich musste meine Bachelorarbeit abbrechen, um mich um unser Kind zu kümmern. Da mein Mann der Alleinverdiener ist, geht es nur so. Anfangs war ich sehr gestresst, bis wir einen gemeinsamen Alltag hatten. Jetzt bin ich oft einfach nur noch müde und habe Zukunftsängste. Ich bin auch nicht mehr so geduldig wie vorher. Gar keine Hilfe mehr zu haben und gerade keine Perspektive, wann sich wirklich was ändert, macht mürbe. In meinem Umfeld geht es allen Müttern so, wir sind verunsichert, müde und wütend, weil wir keine Perspektive haben im Moment. Bianca In der Abiphase alleingelassen Unterschiedliche Erfahrungen mit verschiedenen Schulen Wir haben vier Kinder, 9, 14, 17 und 21 Jahre. Zwei unserer Kinder gehen zur freien Waldorfschule und ich schreibe Euch auch, weil wir Lehrkräften und Schulleitung einmal ein dickes Lob aussprechen möchten. Wir wurden immer zeitnah per Mail informiert, welche Regelungen gerade politisch und schulorganisatorisch aktuell waren. Die Lehrer/-innen riefen/rufen regelmäßig an und sprechen mit den Kids die Lerninhalte ab, halten aber auch Smalltalk. Aufgaben gibt es per Mail oder Post. Mein 14-jähriger Sohn organisierte alles selbst, was Mutters Nerven zugutekommt. Der Neunjährige tat/ tut sich schwer mit der Umstellung und muss immer wieder motiviert werden. Da ich zurzeit aber zu Hause bin, ist es machbar und wir genießen auch die freie Zeit.

Was mich wirklich geärgert hat, ist, dass mein 17-jähriger Sohn in der Abiturphase von seinem Regelgymnasium sehr alleingelassen wurde. Es gab nur vereinzelte Lehrer, die Vorbereitungsmaterial gesendet hatten.

Alles in allem haben und hatten wir eine gute Zeit, in der wir uns alle gegenseitig unterstützen. So kann der 14-Jährige jetzt endlich die Waschmaschine bedienen und die studierende Schwester konnte noch einmal ihr Mathematikwissen der dritten Klasse auffrischen.

Sorgen machen mir Kinder aus bildungsfernen und sozial schwachen Haushalten. Ich denke, dass hier die Politik dringend handeln muss, damit sie nicht zu den Verlierern des Ganzen werden. Britta

„Die Corona-Krise hat uns nach dem Umzug eiskalt erwischt“

Kurz vor der Corona-Krise sind wir Anfang März in Belgien umgezogen. Wir haben drei Jungs im Alter von acht, sechs (gerade geworden) und drei Jahren, die alle unterschiedliche Einrichtungen besuchen. Mein Mann ist Busfahrer und ich bin Verkäuferin (Grenzpendler, in Deutschland tätig). Ich bin umgemeldet, mein Kleiner und mein Mann noch nicht, da die Gemeinde zu ist und uns ein Papier fehlte.

Anfangs hatten wir noch nicht alles in unserem neuen Haus fertig, sodass wir die erste Zeit kein warmes Wasser und keine Heizung hatten und auch keinen Internetanschluss. Das heißt, wir haben auch nicht alles in den Medien mitbekommen. So hat es uns eiskalt erwischt, als es hieß, die Kinder dürften nicht mehr in die Schule und in den Kindergarten gehen. Bei unserem Kleinsten hätten wir das noch irgendwie hinbekommen, eine Betreuung zu bekommen. Bei den zwei Großen war das eine Tortur, der Direktor wollte meine Arbeitsbescheinigung nicht akzeptieren etc., wir mussten es dann über den Minister in Ostbelgien regeln. Das war uns dann irgendwann zu blöd, aber ich habe zum Glück einen relativ kulanten Arbeitgeber, so hab ich die Arbeitszeiten geändert und mache nun immer die Gegenschicht, sodass immer einer von uns zu Hause ist, da ja Oma und Opa auch nicht in Frage kommen. Das war anfangs eine große Umstellung.

Das nächste Problem kam dann auch schnell auf uns zu – wir hatten kein gutes Internet, so konnten wir keine großen Dateien, die wir für unseren Sohn von der Schule bekamen, runterladen oder ausdrucken. Die wurden uns dann irgendwann zugeschickt. Mein Sohn ist in einer Förderung, denn er braucht Hilfestellung in der Schule. Wir hatten jedoch so dermaßen viele Aufgaben zu tun, dass mein Mann und ich uns ständig in den Haaren hatten, da wir nicht jeden Tag die Zeit dazu haben, unser Kind zu beschulen – der Direktor verlangte dies aber sechs Stunden am Tag, so wie die Schule auch normal ist. Das ging bei uns auf keinen Fall, und wir haben dann alles sein lassen, da wir ja auch noch zwei kleinere Kids haben und beide arbeiten. Irgendwann gab es dann wieder was Neues von der Schule, es sollte eine App her, fürs Tablet, PC etc. – zum Glück haben wir Tablets, aber was würden wir nur ohne machen bzw. wenn wir mehr Schulkinder hätten? Da hatten wir allerdings immer noch das Internetproblem. Mittlerweile haben wir es aufgegeben und ich überlasse es meinem Sohn, was er machen will. und das war es dann auch schon bzw. einen Tag nach dem Geburtstag von unserem Mittleren haben wir einen Umschlag im Briefkasten gehabt mit Arbeitsblättern, aber noch nicht einmal Glückwünsche – das finde ich sehr schlecht organisiert. Mein Kleinster bekommt seit Anfang Mai jeden zweiten Tag eine E-Mail mit Spielideen und Videos, und es sind tolle Sachen dabei.

Zwei unserer Kinder sind sehr aktiv und wollen ständig beschäftigt werden. Da ich selber als ausgebildete Sportlehrerin sehr fit bin, habe ich mir Sachen ausgedacht. Unser Garten war eine reine Hügellandschaft, da haben wir uns zwei Leitern genommen, eine von Berg zu Berg ausgelegt und eine den Berg hoch, so hatten wir einen eigenen Spielplatz. Unsere Kinder sind jeden Tag draußen, da ich sie definitiv nicht einsperren kann. Wir machen jeden Tag was anderes, meistens sind wir mit dem Fahrrad unterwegs, machen weitere Touren durch Wälder und Dörfer, um mal was anderes zu sehen. Die Kinder treffen draußen auch die zwei Kinder der Nachbarin. Anfangs waren wir nicht so dafür wegen strenger Kontrollen. Aber mittlerweile ist es uns egal, da die Kinder auch Kontakte brauchen und sie sonst vereinsamen, wie man bei anderen Nachbarn sieht, die nur drinnen bleiben. Wir haben ein neues Hobby: Steine sammeln, bemalen, verstecken und weiterreisen lassen. Die Kids machen das bis jetzt alle gerne, daher müssen wir jeden Tag raus Steine suchen und weiterreisen lassen. (FB-Gruppen: DG-Stone und PL-Pierres)

Das nächste Problem, was wir anfangs hatten, war, dass wir nur in Belgien einkaufen gehen durften, ich immer mit dem Kleinen im Schlepptau. Dann war nicht immer alles im Supermarkt, was wir haben wollten, die Regale meistens leer. Da kam noch die finanzielle Sache dazu, hier in Belgien ist das alles relativ teuer. Fritten etc. waren wir auch öfters vor Corona essen, ich war einmal in einer Fritüre, die hatten die Preise so dermaßen angehoben in der Corona-Krise, dass wir nur einmal dort waren und seitdem nicht mehr (so unterstützen wir leider auch keine Restaurants). Da ich zum Glück selber in einem Supermarkt in Deutschland arbeite, konnte ich alles hierhin mitnehmen und ich habe so gut wie immer alles bekommen. Auch wenn manche Dinge nicht immer zu haben waren/sind, ich bringe mittlerweile auch schon mal Nachbarn, Freunden und Familie was mit, wenn sie es brauchen, da es sehr viele Leute gibt, die nicht rüberfahren dürfen. Wir selber leben immer noch provisorisch ohne Kleiderschränke und aus Kartons, da diese weder im Internet bestellt werden können oder wir einfach nicht über die Grenze kommen.

Wir sind total enttäuscht von der Regierung hier in Belgien, sie unterstützt uns in keinster Weise, weder finanziell noch wird an die Kinder gedacht, und es fühlt sich durch die Grenzkontrollen auch nicht mehr so an, als würde man in Europa leben. Die Logik der Belgier in den Schulen muss man auch nicht verstehen. Bei denen, die Abitur machen, ist klar dass die Vorrang haben und die Abschlussklassen/Wechselklassen, aber danach das 1. Schuljahr, was das soll, weiß ich auch nicht. Den Stoff, den mein Schulkind lernen sollte, bekommen wir persönlich sowieso nicht mehr aufgeholt und bald sind dann Ferien ...

Eigentlich sollte dieses Jahr ein schönes Jahr werden, unser Großer sollte auf Klassenfahrt gehen und auch die Kommunion hätte er gehabt und über Ostern fahren wir eigentlich immer in meine alte Heimat, Familie und Cousinen und Freunde besuchen – fiel alles ins Wasser.

Wie das Ganze hier noch weitergeht, weiß ich nicht, aber irgendwann haben die Leute keine Lust mehr und es wird definitiv was passieren. Wir merken das beide auf der Arbeit, die Leute werden irgendwie auch aggressiver und sind auch nicht immer so freundlich. Nicole

Corona nach überstandener Krebserkrankung Eigentlich sollte gerade ein wenig Alltag einkehren

Die Corona-Krise erwischte uns zu einem relativ ungünstigen Zeitpunkt. Nach gerade überstandener Krebserkrankung mit monatelanger Chemotherapie und damit verbundenem Ausnahmezustand und psychischer Belastung der gesamten Familie sollte jetzt so langsam wieder ein wenig Alltag einkehren. Zugegeben, wäre das Virus ein paar Monate früher ausgebrochen, wäre es noch ungünstiger gewesen. Eine Chemotherapie unter verschärften hygienischen Bedingungen in den Kliniken und zusätzlicher psychischer Belastung ohne die wichtige Begleitung eines Angehörigen möchte ich mir gar nicht vorstellen. Wir drücken all denen, die sich aktuell in solch einer Situation befinden, die Daumen.

14 Die Maßnahmen der Regierung haben wir begrüßt, dafür sind wir dankbar. Unsere Situation hat das etwas entschärft. Aufgrund des noch angeschlagenen Immunsystems hätten wir in der Corona-Zeit ohnehin mit Abstandsregeln, Kontakteinschränkungen etc. leben wollen. Wenn alle danach handeln, fällt es doch um einiges leichter. In der bisherigen Hochphase der Pandemie wurden wir von lieben Nachbarn und Freunden sehr unterstützt, die Einkäufe wurden am Gartentor abgegeben. Wir haben uns strikt an die Regeln gehalten. Unsere neunjährige Tochter hat abseits von Skype praktisch keine persönlichen sozialen Kontakte mit Gleichaltrigen mehr. Das hat uns besonders traurig gemacht, zumal sie schon während der Krebsphase sehr vorsichtig im Umgang mit Freunden sein musste. Das verantwortungslose Handeln einiger weniger Menschen hat uns sehr verärgert und auch ein Stück weit wütend gemacht. Auf unserer Spielstraße mussten wir beobachten, wie die Kinder ungeachtet des Kontaktverbotes zum Spielen nach draußen geschickt wurden. Es herrschte zunehmend Trubel auf der Straße, während unsere Tochter und die Kinder der Nachbarn, die verantwortungsbewusst handelten, vom Fenster aus zuschauen mussten. Den Alltag während des Lockdowns haben wir versucht zu strukturieren, indem wir morgens im Homeoffice und beim Homeschooling unsere Grenzen ausgetestet haben. Zum einen galt es, nach der Krebserkrankung in der Wiedereingliederung wieder in den beruflichen Alltag – zumindest virtuell – stundenweise zurückzufinden, und zum anderen durften wir unsere Tochter durch die Wochenpläne der Grundschule begleiten. Hier haben wir sehr engagierte Lehrerinnen erlebt, die sich große Mühe mit persönlichen Videos und bereitgestellten Materialien gegeben haben. Auf der anderen Seite trugen wir natürlich auch einige Konflikte mit unserer Tochter aus. Durch gemeinsame Familienprojekte, wie den Aufbau eines riesen Legoschlosses, gelang es uns jedoch immer ganz gut, Anreize zu schaffen und die zeitlich begrenzte Schulzeit gut zu erledigen. Die Nachmittage haben wir mit langen Spaziergängen mit unserem Hund in der Aachener Umgebung gefüllt. Wir haben viele tolle Gegenden kennengelernt. Die Situation hat uns erheblich entschleunigt und wir sind als Familie sicher mehr zusammengewachsen.

Wir wünschen uns, dass wir auch nach der Pandemie die richtigen Schwerpunkte setzen und etwas bewusster leben. Wir empfinden die Lockerungen als zu früh und sind besorgt, dass das bisher Erreichte wieder verspielt wird. Frauke und Tom

In der Rolle als Mutter beeinträchtigt

Seit Anfang Dezember 2019 habe ich nicht mehr gearbeitet, weil ich zum zweiten Mal schwanger war und Probleme mit dem Kreislauf hatte. Ich habe schon einen Sohn, der zu dem Zeitpunkt anderthalb Jahre alt war, und war froh, ihn irgendwie beschäftigt bekommen zu haben. Ich bin, so wie es mir mein Körper erlaubt hat, oft mit ihm rausgegangen. Ende Februar kam meine Tochter auf die Welt, da kamen die ersten Meldungen von Corona-Erkrankten in Deutschland an. Zuerst habe ich es wie so viele andere mit einer Grippe über einen Kamm geschoren. Als die Situation ernster wurde, habe ich auch angefangen, es ernst zu nehmen, und habe selbst einen Lockdown gefordert. Ich habe mich auch weitestgehend dran gehalten und versucht, in der ersten Zeit recht kreativ damit umzugehen. Aber schon bald habe ich gemerkt, dass das ZuHause-Rumsitzen sowohl für mich als auch meinen Sohn anstrengend ist. Noch dazu mit einem neugeborenen Kind. Ich konnte meinem Sohn nicht mehr gerecht werden und merkte, wie unausgeglichen wir beide waren, weil wir keine Abwechslung zu unseren vier Wänden hatten. Da er leider noch ein Kleinkind ist, hat er nicht so viele Möglichkeiten und versteht die Situation noch nicht. An sonnigen Tagen, wenn mein Mann frei hatte (der Wechselschichten hat), sind wir dann in den Park gegangen, um zumindest irgendwie rauszukommen.

Letztendlich bin ich froh, dass die Spielplätze wieder offen haben, aber ich finde es schade, dass die ganzen Kurse nicht stattfinden können. Ich hatte mit meinem Sohn vor einen Kurs zu besuchen, damit er mit anderen Kindern in Kontakt kommen kann, weil er ab Sommer eigentlich in den Kindergarten gehen soll. Außerdem wollte ich mit meiner Tochter zur Rückbildung gehen und zur Babymassage, was ich auch mit meinem Sohn gemacht habe, was jetzt aber auch leider nicht möglich ist. Eigentlich wollte ich es bei beiden Kindern gleich halten, was aber durch den Coronavirus schon verwehrt wird und was mich in der Rolle als Mutter stark beeinträchtigt. Mittlerweile finde ich die Maßnahmen übertrieben.

Alle sind viel gereizter und unausgeglichen

Nichtsdestotrotz müssen wir mit der Situation leben und ich bete jeden Tag darum, dass es bald ein Ende hat, weil ich langsam eine Auszeit brauche. Wir können nicht mal eben an die holländische Küste oder mit dem Boot fahren oder ins Kino oder in die Sauna, um einfach mal Kraft zu tanken. Und das fehlt. Das ist auch einer der Gründe, warum mein Mann und ich uns öfter streiten, was ich auch im Verwandten- und Freundeskreis merke. Alle sind viel gereizter und unausgeglichen. Ich finde vor allem, für die Familien wird viel zu wenig getan. Man sucht Lösungen für die Bundesliga und für die Wirtschaft, aber danach, wie Kinder damit umgehen sollen, wird keine Lösung gesucht. Vor allem für diejenigen, die es am wenigstens verstehen und am wenigsten Alternativen haben, so normal wie möglich leben zu können (zu dem kommt noch, dass diese Gruppe von Menschen eigentlich am allerwenigsten mit der Krankheit zu tun hat, weil sie bei ihnen nicht ausbricht). Man müsste doch meinen, dass diejenigen, die gefährdet sind, über genug gesunden Menschenverstand verfügen, um sich an die Maßnahmen zu halten. Aber genau diese Menschen sind es, die sich am allerwenigsten dran halten. Die Forderung nach einem Impfzwang, um seine Grundrechte zu behalten, ist Körperverletzung und verstößt gegen den ersten Paragraphen im BGG. Das ist meine Meinung und Erfahrung, und wenn die Politik nicht bald was ändert, dann werde auch ich, wenn ich wieder in meine Arbeit einsteige, Probleme bekommen. anonym

Wir haben vier Kinder zwischen zwei und neun Jahren und arbeiten beide im Homeoffice. Wir haben für uns festgestellt, dass jetzt alles entspannter ist – schon dadurch, dass der „Freizeitstress“ der Kinder wegfällt und ich nicht den halben Tag Mamataxi spielen muss. Natürlich ist es stressig, wieder dreimal am Tag für Essen zu sorgen, dennoch hat sich unser Stress eher reduziert und wir genießen das Familiendasein und den Zeitgewinn als Luxus. Den Tag haben wir strikt strukturiert. Die Kinder sitzen ab 8 Uhr an ihren Wochenplänen. Der Große geht in die Gesamtschule, die sechsjährigen Zwillinge sind in der ersten Klasse – die beiden können sich zum Glück sehr gut zusammen beschäftigen. Einmal die Woche unterstützt uns eine Studentin der Coronaschool über Skype bei schwierigerem Schulstoff. Mein Mann hat als angestellter Informatiker feste Arbeitszeiten, zu denen er tagsüber im Homeoffice in unserem gemeinsamen Arbeitszimmer sitzt. Ich kann mir meine Zeit als virtuelle Assistentin selbst einteilen und sitze jetzt morgens von 5 bis 8 Uhr und ab 19 Uhr am Schreibtisch. Das ist anstrengend, aber nicht anders möglich. Eltern als verlängerter Arm der Lehrer Wir empfinden unsere Situation als privilegiert, denn wir haben einen großen Garten und können dadurch immer rausgehen, zudem spielt derzeit auch das Wetter mit. Mein Mann sagte zu Beginn der Krise, so könne es einfach bleiben. Der Ansicht sind wir noch immer bezüglich der schulischen Situation – allerdings vermisse ich staatliche (finanzielle) Förderung für Eltern als verlängerten Arm der Lehrer und eine erhöhte Anzahl der Urlaubstage, wie ihn jetzt pflegende Angehörige erhalten sollen. Die Kinder vermissen kaum etwas, da sie ja zu viert sind und immer jemanden zum Spielen haben. Ihrem Musikunterricht gehen sie jetzt online nach, zudem machen sie gerne Hausmusik. Der Große vermisst die Schule sehr, aber nachdem es jetzt einen Termin gab und alles so anders ablief, vermisst er sie weniger. Katarina „Sollen wir heute in den Tierpark gehen?“, schlug ich an einem sonnigen Freitagnachmittag vor. „Lass uns auf den Papa warten. Der kommt gleich von der Arbeit und dann gehen wir los.“ „Hat der Tierpark denn auf?“, kam aus dem klugen Kopf gegenüber heraus. Dass eine Dreijährige das Thema, das uns alle nahezu gefesselt hat, so gut verstehen würde, hätte ich zu Beginn der radikal beschlossen Maßnahmen nicht gedacht. „Wann kann ich denn wieder in den Kindergarten?“ „Wann kann ich denn wieder mit Melissa spielen?“ „Warum hat die Schwimmhalle zu?“ „Warum muss Mama einen Mundschutz tragen und ich nicht?“ Zugegeben, irgendwann war das Tragen des Mundschutzes sehr cool, auch wenn Kindergartenkinder diesen gar nicht tragen sollten, mussten, durften. Nach ein wenig Training war es irgendwann normal, ständig Hände zu waschen, in die Arme zu husten, nicht mehr jeden Mittwoch zum Kinderturnen zu gehen, nicht mit den Freunden auf dem Spielplatz zu toben und die Oma nicht zu drücken – auch wenn es nicht normal werden sollte. Die Antwort auf alle Fragen war eigentlich immer die gleiche: „Es ist Corona-Krise: Zeitgewinn ist Luxus Vorsicht und Panik – Nicht das Gleichgewicht verlieren

ja noch Corona, und das darf uns nicht fangen, sonst werden wir krank.“ „Wann geht dieser Corona weg?“, kam immer wieder als Gegenfrage, und nie war eine Antwort darauf so schwer zu finden wie auf diese Frage.

Das wochenlange Stayhome, abgesehen von der Arbeit und den nötigen Einkäufen, haben uns geprägt: zu Hause bleiben, malen, basteln, im Garten spielen, häufig mal eine Stunde zu lange vor dem Fernseher gesessen und immer wieder an die Leute gedacht, die wir so schrecklich vermissen. Für Kinder das vertraute Umfeld, die gewohnten Gesichter und die sicheren Abläufe wiederzubekommen, haben sich wohl viele Eltern gewünscht. Beschwerden der Eltern zählen nicht – für unsere Kinder war und ist das mindestens eine genauso harte Zeit. Vor allem nicht das Gleichgewicht zwischen Vorsicht und Panik zu verlieren, war für alle eine harte Probe, welche aber von Dankbarkeit übertrumpft wurde, einfach seine Gesundheit zu schätzen.

Also, auf in den Alsdorfer Tierpark, der heute zum ersten Mal nach den Beschlüssen wieder geöffnet war. Hier konnte man immer toben, springen und laufen, wann und wie man wollte. Wir gehen unsere vertraute Runde und wurden sehr freundlich darauf hingewiesen, dass wir nun bitte nur den oberen Eingang nehmen dürfen und dieser Weg nur als Ausgang fungiert. Es war kurz nach 18 Uhr und damit eigentlich kein Einlass mehr, aber der freundliche Mann hatte doch noch seinem Kollegen am Eingang durchgefunkt, uns noch hereinzulassen. Der Mann am Eingang erklärte uns kurz ein paar Regeln: Bitte nicht zu lange an einem Ort aufhalten, den Tierpark nur in eine Richtung ablaufen, Abstand halten, Tierfutter am Stand hier oben kaufen, da alle Futterstationen geschlossen waren, sowie den Mundschutz tragen, sollten wir die WC-Räume aufsuchen müssen. Die Schilder im Park haben alles Gesagte noch einmal schwarz auf weiß dargestellt. Am Spielplatz gestartet, hatten wir erwartet, unser Kind springt vor Freude in die Luft. Doch das tat es nicht. Von der Rutsche eigentlich nie zu trennen, wollte sie nach zweimal zum Waschbären weitergehen. Diesen hat sie dann kurz angeschaut und wollte dann wieder weitergehen. Ein für uns doch so vertrauter Platz war nunmehr mit einigen Umstellungen verbunden. Zu allem Überfluss war die Eisbude schon geschlossen, die sonst auch immer viel länger geöffnet war. Ja, alles war anders an einem sehr familiären Ort, den wir in und auswendig kannten.

Einfach über jeden Schritt, der ein wenig in Normalität lenkt, froh zu sein – mit ein wenig Umdenken und Training der eigenen Verantwortung wird auch das normal und zu meistern sein. Je besser die Großen dieses Prozedere vorleben, desto besser kommen auch die Kleinen damit klar. Haltet zusammen. Janine

KÜNSTLERINNEN DER SAMMLUNG LUDWIG 14.03. – 13.09.20 BL U MEN SPRENG NG

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Abb.: Annette Wehrmann, Blumensprengung, 1992-1995, Fotografie, Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen, Leihgabe der Peter und Irene Ludwig Stiftung, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020, Foto: Carl Brunn

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Wir haben in den Sommerferien tolle Workshops in den Aachener Museen für Euch! Schaut mal rein!

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