Leseprobe: Codename: DEREC

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Buch: Codename: DEREC | Franziska K. Hahn www.visionbakery.com/derec ............................................................................................................. Fundingtitel: Codename: DEREC Genre/Tags: Jugendroman, Young Adult Fiction, Crime Romance, Manuskript: abgeschlossen Format: 11 x 18 Visuals: Zeichen: ± 627.500 ␣
 Diese Leseprobe entspricht nicht der Gestaltung und dem Satz der Publikation.

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Er betrachtete das Farbbild, das er neben seinen Instruktionen in dem Umschlag gefunden hatte. Es zeigte einen jungen Mann, der am Flughafen am Schalter stand. Irgendwoher kam er ihm bekannt vor, aber er konnte sich nicht mehr genau erinnern. Nicht, dass es von großer Wichtigkeit wäre, ob er das Opfer kannte oder nicht; am Ende waren sie sowieso alle tot. Ohne Ausnahme. Wie immer war kein Grund angegeben. Natürlich, warum auch? Er hatte sich nicht dafür zu interessieren, warum sein Boss irgendjemanden tot sehen wollte. Er musste einfach nur den Auftrag ausführen. Rio de Janeiro? Es wunderte ihn kein bisschen. Wie jeder normale Mensch hatte dieser David Miles jr. die Flucht ergriffen, nachdem der Mordanschlag auf ihn vor einer Woche kläglich gescheitert war. Und jetzt, da die „normalen“ Killer versagt hatten, kam er zum Einsatz. Die Eliteeinheit. Er verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln. Rio war weit, aber nicht weit genug. Noch immer das Bild in der Hand, lief er Richtung Schlafzimmer, fuhr sich dabei mit der anderen Hand durch sein schwarzes Haar und fischte auf dem Weg sein Handy aus der Tasche seines Jacketts, das an einem Haken neben der Tür hing. Die Blutspritzer waren noch immer deutlich darauf zu erkennen. Vielleicht nicht für den normalen Bürger, aber seinen geübten Augen entgingen die dunklen Flecken auf der Vorderseite nicht. Er seufzte und machte sich im Hinterkopf eine Notiz, dass er das Jackett schleunigst in die Reinigung geben musste. Er tippte die Nummer ein – ohne hinzusehen natürlich, diese Nummer konnte er auswendig -,


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klemmte sich das Handy unters Ohr und öffnete mit beiden Händen den großen weißen Schrank, der seinem Bett gegenüber an der anderen Seite des Zimmers stand. „Was brauchst du?“ Er lachte. „Hallo Jake, es freut mich ebenfalls mal wieder etwas von dir zu hören.“ Er gab sich nicht die geringste Mühe, den Sarkasmus zu verbergen. Das Schnauben, das am anderen Ende der Leitung zu hören war, schien er sich auch nur einzubilden.

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„Entschuldige, wie unhöflich von mir. Aber jetzt mal im Ernst, was brauchst du?“

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„Wie kommst du auf die Idee, ich könnte etwas brauchen? Kann ich meinen alten Freund

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nicht einfach mal so anrufen?“

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„Ich bitte dich. Du hast mich noch nie >einfach mal so< angerufen. Im Normalfall brauchst

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du immer irgendwas, wenn du meine Nummer wählst. Also was ist es diesmal?“

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Er seufzte. Man konnte Jake nichts vormachen. „Ich muss nach Brasilien.“ „Wo genau?“ „Rio.“

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Jake ließ einen anerkennenden Laut vernehmen.

„Ach du meine Güte. Deinen Job möchte ich haben. Was machst du, dass du immer so weit weg reisen musst?“

Er runzelte die Stirn. Wie oft hatte Jake diese Frage gestellt und wie oft hatte er die immer gleiche Antwort gegeben? Und er war sich sicher, dass Jake seinen Job ganz sicher nicht haben wollte, sollte er irgendwann erfahren, um was es bei seiner Arbeit wirklich ging. „Jake, du weißt genau, dass ich dir das nicht sagen darf. Strengste Geheimhaltung.“ „Ja, ist ja gut. Das sagst du immer. Also ein Flugticket nach Rio de Janeiro. Wie immer ohne Zollkontrolle, nehm ich an. Darf es sonst noch was sein?“ Jake war nicht wirklich enttäuscht. Dafür kannte er ihn zu lange. Seit drei Jahren stand er ihm immer zur Seite, sobald er irgendetwas brauchte. Neue Papiere, ein Flugticket, einen neuen Namen oder hochbedeutende Informationen – Jake hatte alles. Er überlegte. Es konnte nicht schaden, sich in Rio einen neuen Namen zuzulegen. Bei all den Drogendealern und Mafiabossen, die es überhaupt nicht leiden konnten, wenn irgendwer in ihren Gebieten Schaden anrichtete, war doppelte Vorsicht geboten. Wie die Notiz seines Chefs bereits gesagt hatte: Er konnte es sich nicht leisten, noch mehr Aufmerksamkeit zu


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erregen. „Ja durchaus. Reservier ein Zimmer für mich in irgendeinem Hotel. Aber bitte keine billige Absteige, ja? Denk dir irgendeinen neuen Namen aus und buch das Zimmer für drei Tage. Ach ja und noch was… lass mir am besten auch gleich einen neuen Anzug liefern, ich schaffe es nicht mehr in die Reinigung.“ Für einige Sekunden herrschte Stille in der Leitung. „Okay, ist das alles?“ „Ja.“ „Und welchen Namen soll ich dir dieses Mal geben?“ Er seufzte.

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„Keine Ahnung, denk dir einfach was aus.“ „Okay, na dann. Viel Spaß in Rio!“

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„Danke“. Er klang nicht wirklich erfreut. Schließlich war er nicht im Urlaub, sondern

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erledigte nur seinen Job. Einen kurzen Moment dachte er darüber nach, sich länger Urlaub zu

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nehmen. Bilder von goldgelben Stränden, kristallklarem Wasser und riesigen Palmen

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entstanden vor seinem inneren Auge. Fast konnte er das salzige Wasser riechen, die

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Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht spüren.

Jetzt nahm er das gleichmäßige Tuten an seinem Ohr war und ließ sein Handy wieder in seiner Hosentasche verschwinden.

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Er seufzte wieder und wandte den Blick, der während des Gesprächs mit Jake durch das Dachfenster nach draußen gewandert war, wieder dem weißen Schrank zu. Links neben dem dritten Brett von oben befand sich ein kleiner roter Knopf. Er betätigte ihn und der Teil, in dem seine Kleider lagen, klappte nach hinten weg. Stattdessen kamen, wie ein Fächer ausgefahren, mehrere kleine und große Metallplatten mit weicher Innenpolsterung zum Vorschein. Jetzt wurde es interessant.

„Bist du dir sicher? Absolut sicher?“ „Oh Gott Rose, ja!“ Rose kicherte, während ich die Stirn runzelte. „Wenn du wirklich Recht hast, Kat, und er morgen kommt…“ Sie beendete den Satz nicht und ich verdrehte die Augen, als sie wieder kicherte wie ein kleines Mädchen.


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„Warum interessiert dich das so, Rose? Er ist auch nur ein Mensch.“ „Ach Kat, das ist doch mega aufregend! Wir hatten schon so lange keinen neuen Schüler mehr! Was meinst du, wie er aussieht?“ „Mir doch egal. Hauptsache er ist kein Arschloch.“ Meine Stimme klang monoton. Anstatt mir ihre offensichtlich empörte Miene anzusehen, folgte ich meinem besten Freund, wie er auf unseren Stammplatz im Pausenhof zulief. Jason fiel auf. Nicht allein wegen seines Kleidungsstils, sondern mehr wegen seiner Haare. Sie waren so hellblau wie der Himmel und die Strähnen so dunkelblau wie der Ozean. Als ich auf diese Schule gekommen war, hatte ich mich sofort mit ihm angefreundet. Er war genauso

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anders wie ich es gewesen war.

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Ja, ich war anders gewesen, als ich vor zwei Jahren von Bulgarien hierhergekommen war.

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Instinktiv erinnerte ich mich an den Moment, als ich mit ihm zusammen gestoßen war,

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nachdem ich an meinem ersten Schultag das Sekretariat verlassen hatte.

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Wie dankbar war ich ihm gewesen, weil er sich meiner angenommen hatte; mich zu meinem

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Klassenzimmer und auch zu allen anderen Räumen geführt hatte. Seit diesem Tag waren wir

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beste Freunde und Rose gehörte mit dazu.

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Über deren mürrische Miene lachend setzten Jason und ich uns auf eine der schwarzen

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Holzbänke, die rechts und links neben einem großen Tisch standen. Die Beschichtung war

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bereits schrecklich beschädigt und hier und da blätterte der Lack ab und legte das unbearbeitete Holz darunter frei. Gedankenverloren strich ich mit den Fingern über eine der tieferen Furchen, während der Wind mir eine Strähne meines langen weinroten Haares ins Gesicht wehte.

„Ihr seid so langweilig!“, beschwerte sich Rose lautstark, woraufhin ich zu ihr aufsah. Mit verschränkten Armen stand sie vor uns und fokussierte uns mit grimmigem Blick. „Rose, warum gehst du nicht zu den Tratschtanten, um mit ihnen über den „mysteriösen Neuen“ zu fachsimpeln?“, schlug Jason vor. Ich durchschaute ihn sofort. Es ging ihm nicht darum, dass er sich nicht mit Rose unterhalten konnte. Er wollte sie loswerden. Er wollte reden. „Ja genau! Erzähl ihnen von deinen Vermutungen. Die können wenigstens was damit anfangen.“ Rose‘ Augen verengten sich. „Na gut, wenn ihr meint.“ Mit einer würdevollen Drehung wandte sie uns den Rücken zu und machte sich vom Acker. Jasons Miene veränderte sich schlagartig.


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Sein Gesicht war schmerzverzerrt und er biss sich auf die Unterlippe, um die sich rechts und links zwei Piercings wanden wie kleine schwarze Schlangen. Vor einer Woche hatte seine Freundin mit ihm Schluss gemacht, weil „ihr seine Liebe nicht mehr reichte“. Nach eineinhalb Jahren Beziehung. Seitdem war seine Stimmung dauerhaft im Keller und in manchen Momenten, in denen er sich unbeobachtet fühlte, sah man ihm an, dass er litt. Außerdem hatten seine Augen aufgehört zu leuchten, wenn er über sie sprach. Soweit ich wusste, war ich die einzige Person, gegenüber der er vollkommen offen war. Offen sein konnte. „Was ist los, J?“ Eine komplett bescheuerte Frage, Kat. „Sie hat sich nicht gemeldet, Kat. Kein Sterbenswörtchen hat sie gesagt. Dabei hatte ich

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gehofft…“ Er stockte.

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Oh Gott, der Arme. Mitleidig verzog ich das Gesicht.

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„Ich hatte gehofft, wir könnten noch mal miteinander über alles reden, aber … anscheinend ist für sie bereits alles geklärt.“

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Er tat mir wirklich leid. In den ersten Tagen nach der Trennung war er kaum ansprechbar

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gewesen und wenn ich ihn mir so ansah, befand er sich nur sehr langsam auf dem Weg der Besserung.

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„J, es tut mir so leid. Aber wenn sie nun wirklich denkt, ihr hättet nichts mehr zu bereden…“

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„Nichts mehr zu bereden?! Kat, sie hat vom einen auf den anderen Tag Schluss gemacht, ohne irgendeinen akzeptablen Grund! Wir waren eineinhalb Jahre zusammen! Eineinhalb Jahre! Wenn man da nichts mehr zu bereden hat, dann haben wir irgendwas falsch gemacht. Oder ich…“ Versteckte er die Traurigkeit hinter seiner Wut? „Nein Jason, du hast überhaupt nichts falsch gemacht. Wenn sie denkt, du kannst ihr nicht geben, was sie braucht, ist es doch wahrscheinlich besser einen Schlussstrich zu ziehen, als das ihr in eurer Beziehung etwas habt, das ständig zwischen euch steht. Du hast jemanden verdient, der dich zu schätzen weiß. So wie du bist und mit allem, was du mitbringst. Und wenn sie das nicht kann, dann hat sie dich nicht verdient.“ Ich versuchte es mit einem aufmunternden Lächeln. Jason zupfte an dem Ärmel seines karierten Hemds. Als er antwortete, schien es mir jedoch, als hätte er mich gar nicht gehört. „Ich hab mir vorgenommen, die Bilder wegzuwerfen … oder zu verbrennen. Aber ich hab es


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nicht geschafft, ich hab es nicht übers Herz gebracht. Es kam mir vor, als würde ich einen Teil von mir für immer loslassen.“ Mein Gott, er liebte sie so sehr. Ich wusste, dass ich die Gefühle, die in ihm tobten, nicht richtig nachvollziehen konnte, aber trotzdem griff ich über den Tisch, legte meine Hand über seine und blickte ihm in die sandbraunen Augen. „Dafür ist es noch zu früh. Versuch nicht, sie jetzt völlig aus deinem Leben zu verbannen. Du musst zwar akzeptieren, dass es vorbei ist, aber du kannst dich trotzdem an die schönen Momente erinnern. Wenn du dir von nun an jeden Gedanken an sie verbietest, kommst du nicht weiter.“ Insgeheim wusste ich, dass weder meine Worte noch ich selbst noch irgendjemand anders ihm

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wirklich helfen konnten. Nur er selber konnte das.

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Eine kalte Brise ließ mich erschauern und ich blickte mich auf dem Pausengelände um. Die

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meisten Schüler begaben sich gerade zurück ins Schulgebäude. Jason und ich hatten die

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Klingel glatt überhört.

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Ich erhob mich, wobei sich unsere Hände voneinander lösten.

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„Wahrscheinlich hast du Recht, Kat.“, sagte er so leise, dass ich es fast nicht verstanden hatte,

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und lächelte, aber das Lächeln erreichte seine Augen nicht.

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Ich klopfte ihm noch einmal auf die Schulter, bevor wir uns ebenfalls auf den Rückweg machten.

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