6 minute read

losef Hader: Meine Kabarett- karriere begann in Graz. ..'.'

Next Article
tilly Lotterblume

tilly Lotterblume

Er ist einer der vielseitigsten Künstler Österreichs. losef Hader: Kabarettist, Drehbuchautor, Filmschauspieler und gesellschaftspolitisch engagiert. lm neuen Film ,,Silentium" mimt er wieder den Detektiv Brenner. Es ist ein genial-böser Film über die Kirchenund Festspielstadt Salzburg die distinguierte Society dort ist darob nicht amused. Cespannt sein dürfen Hader-Fans auf ein neues Kabarettprogramm, Titel ,,Hader muss weg", das im Dezember starle! berichtet Josef Hader im KLIPP-lnterview.

losef lladers Produktivität innerer Reibereien

Advertisement

[Ileine lhharettkarriere hegann in Graz

Iosel Hader als Brenner, das ist l.u.rr, einmal ein unsäglich Jtrurrig., Blick. Kann einer.

der so schaut, überhaupt aktiv

werden? Er kann, weil er muss, von den Ereignissen getrieben, irgendwie österreichisch. Josef Hader als er selbst hat aber auch einen ,,trainierten Blick", wie er sagt, besonders für alte (Grazer) Caf6s. So trifft man sich im den vergilbten Chame der 50er Jahre (20. Jahrhundert) verströmenden ,,Caf6 Eisvogel" in der Grazer Annenstraße, dessen gedämpfte düstere Atmosphäre ,,dem Innenleben des Brenner", so Hader, entspricht: ,,irgendwie hängen geblieben in der früheren Zeit, der ideale Ort für Stille und Kontemplation". Wenngleich

sich an diesem draußen strahlenden Montag hier im düsteren

Cafd die Joumalistlnnen zu Interviews anstellen.

Seit Ende September läuft Silentium in den steirischen Kinos. Böser ist er und atmosphärisch dunkler als der Vorgängerf,lm,,Komm süßer Tod". In einer kongenialen Drehbuchgemeinschaft haben

Autor Wolf Haas, Schauspieler Josef Hader und Regisseur Wolfgang Mumberger eine Drehbuchvorlage und damit einen Film geschaffen, der die Ingredienzien eines österreichischen Hitchcock aufweist. Der Kontrast ist nicht ohne: Josef Hader spielt den Detektiv Simon Brenner, der so gar nicht in die Schickeriagesellschaft der Society- und Festspielstadt Salzburg passt. ,,Jetzt ist schon

ln ,,Silentium" trägt Brenner olios tosef Hoder dos Kreuz der Kirche, die in einem bizorren Sumpf versinkt: St. Pölten kein Vergleich.

wieder was passiert", lautetAutor Wolf Haas' berühmter Stehsatz. Der Konffast zur Salzburger Po-

Spannung: Man zeigt kein ,,Festspieltourismussommersalzburg", sondern ein nebliges, herbstliches Salzburg, in dem hinter den Fassaden der feinen Gesellschaft allerhand passiert. In ,,Silentium" passiert einiges: Missbrauch in den höheren Kreisen der katholischen Kirche, Mädchenhandel und

Prostitution zur Verbesserung der kirchlichen Finanzsituation, ein

feister, geiler Opemsänger, ein ihn mit,,Frischfleisch" versorgender

Festspielpräsident, vier Morde ... Gewalttätige, bizarre Gegenwart, in Z,eiten von St. Pölten gar nicht so realitätsfern. Das Drehbuchautorentrio Hader, Haas, Murnberger plant übrigens eine weitere Verfilmung eines

Haas-Romans: ,,Das ewige Leben", Brenners Rückkehr in seine Heimat Graz-Puntigam inklusive offener Rechnungen mit dem Polizeipräsidenten, rechtsextremer Bürgerwehren, dubioser Drogengeschichten rund ums Schwarzeneggerstadion etc.,

auchArnold S. himself bekommt eins drüber ... viel Dings eben. Die Grazer Gesellschaft kann

sich schon warm anziehen.

,,lch bin nicht sehr sicher und unerschütterlich", Josef llader

Aufgewachsen in der Mühlviertler 1 O00-Seelengemeinde Nöchling, prägt JosefHader die bäuerliche Umgebung gleichermaßen wie die das Bischöfliche Kna-

benseminar in Melk, wo er ,,unglaubliches soziales Engagement und Offenheit" erlebt, die ihn gesellschaftspolitisch erdet, indem er sich etwa bei SOS-Mitmensch engagiert. ,,Die Privatperson Hader und der Kabarettist Hader", sagt Josef Hader, ,,weisen über weite Strecken die gleichen menschlichen Abgründe auf." ,,Meine Stärke ist nicht, dass ich sehr sicher und unerschütterlich bin, sondern dass ich viele verschiedene Seiten habe, die nicht zusammenpassen. Diese inneren Reibereien sind nicht schlecht für das Schreiben. Das sind produktive Reibereien ohne zu großen Leidensdruck, sodass die Selbsttherapie Kunst ausreicht", ge-

steht Josef Hader. S ein Kabarettprogramm,.Privat" war ein kabarettistischer Meilenstein. Begonnen hat seine Karriere übrigens in Graz. Sein erstes Programm überhaupt hat er einst im Theatercaf6 gespielt. Die Fernsehaufzeichnung von,,Privat" wurde im Grazer Orpheum

mitgeschnitten. Über das steirische Kabarett-Publikum gerät Josef Hader regelrecht ins

Schwärmen: ,,Die Dichte an guten Vorstellungen im Süden und Westen Öster:reichs ist markant höher als im Osten". weiß Josef Hader. Im Dezember hat sein neues Prograrnm ,,Hader muss weg" Premiere. Eine Anspieiung auf den ,,alten" Hader von ,,Privat"? Vielleicht. ,,Es spielt nicht mehr der Hader von Privat." Es wird anders sein, weil die Erfahrung als Filmschauspieler auch seine weitere kabarettistische Arbeit befruchte: ,,Filme machen und Kabarett spielen inspiriert sich gegenseitig. Kabarett und Drehbuch schreiben ist Zusammenbauen von Szenen. Durchs Filmen lernt man das

Spielen aus sich heraus. Beides ist für meine Arbeit wichtig. Seit ich

Filme mache, spiele ich jedenfalls besser Kabarett. weil ich nicht mehr so viel an die Zuschauer denke." HBI

,,'Privat' war eine Riesenlügengeschichte"

KLIPP: Werden Sie ei- dann sind das sehr

gentlich öfter von Leu' prägende Figuren

ten aus lhrem Umkreis angesprochen, die sich von Ihrem Kabarettprogramm ,,Privat" auf die Schaufel ge'

nommen.fühlen? und man versteht die auch sehr gut, weil man von dort her ist. Satire oder jede Form von Kabarettkann man am

losel Hoder: Meine ver' Hader: Nein. Weil das schiedenen Seiten posProgramm Privat ist rnssesamt erne l(e-"'-o---"--- sen nicht zusommen' das ist gonz gut fürs schreiben. senlügengeschichte gewesen. Ein paar Geschichten über meine Großeltern

besten machen über Dinge, über die man gut Bescheid weiß. Meine Kabarettprogramme sind ein bissel Forschungsprojekte und Ver-

und über den Bauernhof sind wirklich wahr. Dass sich sonst wer erkennen könnte, das wollte

ich dann nicht haben. suchsstationen über die menschliche Existenz.

KLIPP: Das Forschungsobjekt Mensch scheint aber auch sehr

KLIPP:Wiekommen Sie zu Ihren Kabarett-Figuren?

Hader: Wenn man in einemDorf groß wird und in einer Familie,

s ubj ektiv e Zü g e aufzuw e i s e n.

Hader: Ja. Das ist ein dauernder Wechsel. Jedes Programm be-

ginnt mit dem Schreiben. Und gerade beim Schreiben wechselt das ständig. .ldan fetzt was aus sich heraus, ohne dass man ganz genau weiß, was das eigentlich ist, macht dann einen riesigen Bauplan und eine Dramaturgie und versucht wie ein kleiner Herrgott drauf zu schauen und schickt Menschen hin und her wie Schachfiguren.

KLIPP: Witl lhr Kabarett etvvas aufzeigen, auch im politischen Sinn?

Hader: Das, was ich mache, hat ungefähr so viel Aufzeigefunkti-

on wie ein Roman oder ein Theaterstück, nämlich dass man immer in einem gesellschaftlichen Bezug steht. Nur emphnde ich nicht direkt, dass es meine Aufgabe ist, nur weil ich Kabarett mache, dass ich so ganz darauf hinweisen muss auf gesellschaftliche Probleme, außer es passt mir wirklich und es gehört zu meiner Geschichte.

Woistdasnoch lfunst?

i

Peter Weibel ist Österreichs einziger international anerkannter Medrenkünstler und Konzeptkünstler, zudem Theoretiker, Mathematiker, Logiker, Kurator... ein Polyartist, der in jedem Bereich auf der Höhe der Zeit theoretisiert(e) und agiert(e). Nun zeigt eine Ausstellung in der Neuen Calerie sein FrÜhwerk.

Peter Weibel: Rebell im künstlerischen Aufstond gegen die stootlich verordnete Wirklichkeit.

as Phänomen Peter Weibel ist auch von seinen Sprachkunstfreunden nicht in den Griff zlt bekommen: ,,der

bemüht etwa Graz-Dichter

Wolh Bauer den Superlativ im

Dro schl -B uch ,,X-Dream" zt)

Weibels 60. Geburtstagi Peter Turrini huldigt ihm ebendort als

,,seltenes Exemplar: ein Berserker. ein Gigant der Phantasie

und ein sehr zarter Mensch" Die Ausstellung,,Peter Weibel - das offene Werk 1964-1919" unternimmt nun den Ver-

such, die frühe, künstlerische Arbeit des ,,Berserkers" in den Griff zu bekommen. Weibels Archiv, vom Künstler in

Kisten aufbewahrl, quillt über. Die beiden Ausstellungskuratoren

Günther Holler-Schuster und Peter Peer haben

darin angewandte Chaosforschung betrieben

und eine übersichtliche Ausstellung geschaffen, der auch Weibel aus-

drückliches Lob zollt. Sein Frühwerk startet Weibel als visueller Poet, bald überträgt er die visuellen Arbeiten auf den Bildschirm. Seine von großem Witz und Humor getragenen ,,Kunstwerke" und Aktionen zielen schon immer gegen eine ge-

schlossene Kunstwelt und gesellschaftliche Wirklichkeit. Peter

Kritik an der Massenkultur mit viel WiE gewürzt.

Weibel als Künstler ist eigentlich keiner mehr. Sein Werk bearbeitet Themenlelder und Problemzonen. die die Mechanismen von Wahrnehmung und Denken bis hin zu Politik und Ökonomie einer Kritik unterziehen. ,,Ist das noch, ist das schon Kunst?", fragten sich die Instanzen. Heute wissen wir. Weibel hat vieles bereits damals vorweggenommen. Eine interessante Sammlung seiner Medien- und kunsttheoretischen Schriften führt in den Kosmos des

Polyartisten ein: ,,Peter Weibel: Gamma und Amplitude", Berlin, Philo Fine Arts, 2004. I fnfo:

Peter Weibel. das offene Werk 1964-1979. Neue Galerie,

Sackstraße 16. 8010 Graz

This article is from: