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müssen auf Null kommen

Absichtserklärung wie Paris. Wir brauchen ein globales Abkommen mit den Anbietern, mit den Produzenten dieser Stoffe, mit den Saudis, mit den Ölproduzenten, mit den Kohleproduzenten, mit Australien, usw., dass sie die Stoffe in der Erde lassen und die Welt, die Weltgemeinschaft, den Preis für Öl, Kohle und Gas steuert – und zwar so, dass er systematisch steigt. Das muss man sich vorstellen. Das ist eine irre Aufgabe, über die man ja politisch in der Welt nicht einmal redet. Wenn ich auf UN-Konferenzen einmal die Hand gehoben habe, und gesagt habe, ,ihr müsst mal über Preise reden‘, dann haben alle weggeschaut und wollten es nicht wahrhaben. Nein, über Preise kann man nicht reden, da müsste man ja mit den Produzenten dieser Güter reden. Ja, ohne die Produzenten dieser Güter wird es einfach nicht gehen. Es wird nicht ohne die gehen. Die müssen mitmachen, müssen alle zusammenarbeiten, dass diese Stoffe in der Erde bleiben und das heißt auf Dauer, dass sie systematisch teurer werden müssen.

In Ihrem Buch geht es um die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie. „Wie es weitergehen könnte“, ist das letzte Kapitel Ihres Buches betitelt und das ist weniger pessimistisch, als man nach der Lektüre bis dahin glauben könnte.„Verstünden wir nur hinreichend gut, wie das System Marktwirtschaft funktioniert, könnten wir es auch umsteuern in Richtung eines auf lange Sicht ökologisch erträglichen Wirtschaftens“, heißt es da. Was verstehen wir daran nicht? Und mit dem „wir“ meinen Sie ja in erster Linie Ökonomen und Politiker.

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Flassbeck: Ja, wir verstehen zum Beispiel diesen einfachen Zusammenhang nicht, über den ich gerade geredet habe – den Ölmarkt. Europa war in den letzten zehn Jahren nicht in der Lage, sich halbwegs vernünftig zu entwickeln. Deutschland und Österreich waren ein bisschen besser, aber zulasten der anderen – nicht gemeinsam mit den anderen. Europa insgesamt hat es nicht geschafft, sein Problem Arbeitslosigkeit in den letzten zehn Jahren, also nach der Finanzkrise von 2008/2009, die Arbeitslosigkeit erheblich zu reduzieren und das Problem zu lösen. Und wenn wir das nicht lösen können, können wir es natürlich auch in Entwicklungsländern nicht lösen. Wir können den Entwicklungsländern nicht helfen bei der Verbesserung ihrer Lebensumstände. Und das ist absolut entscheidend dafür, dass erstens das Bevölkerungswachstum nachlässt und zweitens, dass sie bereit sind, so wie wir jetzt ja im Prinzip bereit sind, etwas für die Umwelt zu tun. Wer ums Überleben kämpft, den interessiert die Umwelt ganz ungeheuer wenig.

„Wir müssen auf Null kommen, damit Globus aufhört, sich zu erwärmen“

Umwelt-Ökonom Franz Prettenthaler von Joanneum Research in Graz

Das Coronavirus hat den drohenden Klimawandel als „Causa prima“ unseres Planeten abgelöst. Nur zögerlich verschaffen sich die Klimawarner wieder Gehör. Ein Gespräch mit Franz Prettenthaler, dem Umwelt-Ökonomen von Joanneum Research. Er ist auch Direktor von LIFE, dem Institut für Klima, Energie und Gesellschaft. Prettenthaler und sein Team benützen das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel für die Fahrt ins Büro in den Science Tower in der Smart City. Erst kürzlich gewann das Team den Energy Globe Styria Award für das Projekt „Rooftop Gardening“ (Lesen Sie auch „Innovation Belt Graz“, Seite 20).

Ist das der persönliche Beitrag zur CO2-Verminderung? Prettenthaler: „Wenn Sie so wollen – ja.“ Viel weniger Verkehr auch in der Luft – der Lockdown führt ja nachweislich zu einer Reduktion der Emissionen von rund 70 Prozent. Für das Klima also gut? Dem stimmt Umwelt-Ökonom Franz Prettenthaler zu. Aber: „Es ist eine riesengroße Illusion, zu glauben, dass damit alles gut wird. Wir müssen bei den CO2-Emissionen Richtung Null kommen, damit sich der Globus nicht weiter erwärmt. Wir brauchen Klimaneutralität und haben dafür noch acht Jahre Zeit, das zu schaffen.“ Das Klima hat sich aber auch über Jahrhunderte gewandelt, als es noch keine CO2-Belastung gab, die durch die Menschen verursacht wurde. „Ja, das sind aber natürliche Faktoren und längerfristige, etwa verursacht durch die Sonnenaktivität, durch vulkanische Aktivität, durch Schwankungen im Winkel der Erdachse oder etwa den Kontinentaldrift.“ Das Beängstigende aus Prettenthalers Sicht sind nicht die 1,5 Grad oder 2 Grad an Erwärmung, sondern wie sich dadurch die Extreme verändern und die Erhitzung durch das Überschreiten von Kipppunkten nicht mehr gestoppt werden kann: „2 Grad bedeuten schon, dass zum Beispiel in Spanien eine Hitzewelle nicht mehr 15 Tage dauert, sondern 70 Tage. Und was heißt das von der Bewohnbarkeit her, wenn es 70 Tage lang immer über 30 Grad hat – in Regionen, die das nicht gewohnt sind. Wenn wir nicht bei 2 Grad stoppen, löst das auf unserem Planeten Kipppunkte aus, wo auf dem Planeten als solches dann selbst verstärkende Mechanismen in Kraft treten. Zum Beispiel das Freisetzen von Methan in Permafrostböden bzw. die Tatsache, dass es dann keine weißen Oberflächen mehr auf der Erde gibt.“ Was heißt das? „Weiße Oberflächen reflektieren noch viel Energie in den Weltraum. Während eine dunkle Oberfläche massiv die Wärme speichert. Wir können als Menschen diesen Vorgang dann nicht mehr stoppen. Das CO2 löst diesen Treibhauseffekt aus. Wie bei einem Glashaus. Es kommen das Licht und die Energie hinein, aber sie kann nicht mehr heraus. Man muss im Sommer ein Glashaus kräftig lüften, sonst hast du dort 50, 60 oder 100 Grad.“

„Weg von den fossilen Energien“, fordern die Klimaforscher. Es gehe eigentlich darum, die alternativen Energien deutlich billiger zu machen.

Wie soll das konkret gelingen? Prettenthaler führt das am Beispiel der Stahlproduktion an. „Sie müsste auf Klimaneutralität umgestellt werden, da sie ja 10 Prozent

Kürzlich: LR Ursula Lackner übergibt „Energy Globe Styria Award“ an Franz Prettenthaler von Joanneum Research

Foto: Werner Krug

der weltweiten Emissionen ausmacht.“ „In Europa gibt es die Einsicht, dass das notwendig ist. Und wir verfügen auch über das technische Know-how, das zu tun. Gerade bei Dingen, die für Europa immens wichtig sind, gilt es nun, die EU-Binnenmarktregeln nicht mehr auf Punkt und Beistrich einzufordern, und uns nicht selbst daran zu hindern, die wichtigen Dinge zu tun. Dazu gibt’s nur eine Chance: Dass wir in Europa massiv einen Wasserstoff-Schwerpunkt setzen. Für die Industrie ist die Photovoltaik (PV), die unbedingt ausgebaut werden muss, als variabler Strom aber nicht direkt einsetzbar. Corona hat eines gezeigt: Wir müssen uns selber helfen. Wenn es darum geht, in Europa eine Versorgungssicherheit zu haben – selbst bei so trivialen Dingen wie Masken. Wir können eben dann zum Beispiel an unseren Grenzen für ,dreckigen Stahl‘ aus China oder woher auch immer sonst hohe Zölle einführen. Ein Großteil der Emissionen kommt ja aus China, aber verursacht durch Aufträge aus der ganzen Welt, vor allem auch unseren Konsum. Es ist also besser, den Stahl hier zu produzieren, aber sauber. Die Industrieländer sind für 70 Prozent der Emissionen verantwortlich – sind die Verursacher dafür. Wenn Europa, China und die USA das Ruder herumreißen, dann ist der CO2-Emissionsstopp möglich.“

Was Corona auch noch gezeigt hat: „Wir müssen unseren Lebensstil checken – wie wir mit unserem Energieverbrauch umgehen. Das ist zum Beispiel für die Flugzeugindustrie eine ganz große Herausforderung. Wir haben alle gesehen durch Corona – es geht mit viel weniger Fliegen. Wir sparen uns damit Geld, Nerven und Zeit, wenn wir das über mehr Videokonferenzen machen. Die Politik ist also gefordert. In unseren Breiten müssen die Menschen einsehen, dass es da zu einem Lastenausgleich kommen muss – was die Energie betrifft. Es wird viel mehr lokale Energie-Communitys geben müssen – einen sinnvollen Zusammenschluss von Verbrauchern und Konsumenten. Ich habe zum Beispiel ein Ferienhaus in der Obersteiermark. Meine Eltern leben rund 300 Meter weiter davon. Auf dem Haus ist eine Photovoltaik-Anlage installiert. Wenn ich nicht dort bin, kann ich den Strom nicht nützen. Also sollte der Netzbetreiber mir in Zukunft das lokale Netz günstig zur Verfügung stellen, damit meine Eltern diesen Strom nützen können. Das ist logischerweise nur ein kleines Beispiel für neues Energie-Denken, wird aber den notwendigen PV Ausbau voranbringen.“

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