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Eine Lösung gibt es nicht
Rechnete nie damit, einmal die steirische SPÖ zu führen.
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Eine Wahl mit sichtbaren Bruchlinien
Traditionell liegt das Wahlergebnis bei „Schulterschluss-Parteitagen“ weit über der 90-ProzentHürde. Am Parteitag in Trofaiach folgten dem Slogan „Hier. Lang.“ nur 88,5 Prozent der Delegierten. Wie viele der steirischen SPÖ und Anton Lang bei der Landtagswahl 2024 folgen werden, steht in den Sternen. Vor knapp einem Jahr waren es 23,02 Prozent. In Trofaiach passierte aber auch Historisches. In Zukunft wählen den neuen am 28. Oktober in Wien vergeben wird, holte sich in der Kategorie „Jugend“ das Maturaballkomitee der 8a des
Bundesrealgymnasium Leibnitz. Der von den Maturanten 2019 organisierte
Maturaball war der erste Ball eines
Gymnasiums in Österreich, der mit dem Österreichischen Umweltzeichen Vorsitzenden die Parteimitglieder und nicht mehr der Vorstand. Ein mutiger Reformschritt. Ob sich das der dann 66-jährige Anton Lang antun wird, ließ er völlig offen. Auf dem Parteitag gab es von ihm kein kritisches Wort über die Schützenhöfer-ÖVP, seinem Koalitionspartner. Nur allgemeine Kritik „an die anderen“. Jüngere Funktionäre zeigten sich lautstark unzufrieden darüber in ihren Wortmeldungen. Die steirische SPÖ zeige zu wenig von den Grundsätzen, für die sie stehen sollte. Daher bekam sie im November 2019 auch die Rechnung serviert. Nach dem Debakel trat bekanntlich der weit jüngere Michael Schickhofer als Vorsitzender zurück und machte so erst den Weg frei für Anton Lang. Der vorher nie damit gerechnet hatte, einmal
„Goldenes Ticket“ für Leibnitz
Energy Globe Styria Award 2020
LR Ursula Lackner gratulierte Amelie Steiner
Foto: Werner Krug
Das „goldene Ticket“ für den nationalen Energy Globe Bewerb, der die steirische SPÖ zu führen.
als „Green Event“ zertifi ziert wurde. Die Schülerinnen und Schüler entwickelten einen eigenen Leitfaden für einen umweltschonenden Maturaball, der nicht nur ein eigenes Abfallwirtschaftskonzept enthält, sondern auch wertvolle Tipps für einen nachhaltigen Lebensstil, auch beim Feiern. Die Preisträger in den andere Kategorien fi nden Sie unter www.energyglobe.at
„Eine Lösung gibt es nicht“
Präsident Elie Rosen nach geklärtem Anschlag auf Grazer Synagoge
Ist dieser Zufall typisch für Graz? Oder für die Polizei? Ziemlich zeitgleich zum Anschlag auf die Grazer Synagoge wurden rechtsextreme Umtriebe auf Grazer Polizeiwache öffentlich. Der Polizist nannte seinen Wachhund „Adolf“, schimpfte über Frauen und Juden. Er wurde nach dem Verbotsgesetz angeklagt. Der Beamte war ausgerechnet auch für den Objektschutz der Grazer Synagoge verantwortlich. Das Kirchenhaus der Jüdischen Gemeinde Graz liegt im Bezirk Gries und war seit seiner Wiedereröffnung im Jahr 2000 wiederholt im Mittelpunkt von anonymen Drohun- Foto: Jüdische Gemeinde Graz / Foto Fischer gen und gefürchteten Anschlägen. Präsident Elie Rosen: Wünscht sich ehrlich Über lange Zeit gab es daher eine gesagt nicht, dass ein Medikament gegen 24-Stunden-Bewachung der Syna- das Coronavirus in Israel gefunden werde. goge durch die Exekutive. die Juden, auf Schwule und Lesben Interview in der „Die Zeit“ (Nr. 37, Daher wirft die Vorgeschichte zu September 2020). Man würde Antiden Vandalenakten und der Attacke semitismus nur allzu leicht und gerauf Elie Rosen, den Präsidenten der ne allein zu einem integrationspoliJüdischen Gemeinde Graz, doch tischen Thema machen, so Rosen, einige Fragen auf. und das wäre falsch. Natürlich dürfe man sich nicht davor verschließen, Warum die Grazer Polizei nicht dass mit Migration auch eine für schon nach der ersten Ak- uns neue Form des Antisemitismus tion (Scheiben gingen zu Bruch, zu uns kommt, weil Migranten eine Außenmauer wurde mit Parolen andere Sozialisation und Geschichbeschmiert) des mittlerweile ge- te aufweisen. Aber Antisemitismus fassten syrischen Flüchtlings eine habe nicht nur mit Migration zu tun. Rund-um-die-Uhr-Bewachung der „Wir haben auch selbst HausaufSynagoge veranlasst hat. In der Ver- gaben zu machen.“ Man müsse sich gangenheit reagierte die Exekutive mit jeder Form des Antisemitismus auf derartige Vorfälle sofort und auseinandersetzen. Den Rechten, umfassend. Damit wäre auch der den Linken, den Muslimischen oder Angriff auf Elie Rosen, der den Täter auch den Katholischen. Er habe das mit Steinen am Gelände Tage dar- Gefühl, dass die eine Seite der anauf erwischte, nicht mehr möglich deren beweisen wolle, wo die besgewesen. seren Antisemiten zu Hause wären. Der seit 2013 als Flüchtling aner- nur Impulse setzen, eine Lösung kannte in Österreich lebende Syrer gibt es nicht. Bewirken könnte man hat bei seiner Vernehmung seinen nur etwas über die Erziehung bei Hass auf Israel eingestanden, auf Kindern.“ Rosen: „Das Tragische ist, man kann sowie auf Prostituierte. Das Bundes- Und Elie Rosen lässt dann auch mit amt für Fremdenwesen und Asyl hat einer interessanten Äußerung zur bereits ein Aberkennungsverfahren Coronakrise und Verschwörungserdes Flüchtlingsstatus eingeleitet. zählungen aufhorchen: Er wünsche sich ehrlich gesagt nicht, dass ein Integrationsministerin Susanne Medikament gegen das CoronaRaab (ÖVP) sprach nach der Tat virus in Israel gefunden werde. Das von „importiertem Antisemitismus“, wäre perfekt für diesen Kreis, der den es zu bekämpfen gelte. Dieser von Verschwörungen fabuliere und vereinfachten Sicht der Dinge diesen Antisemitismus bediene. widerspricht Elie Rosen in einem „Das ist traurig, aber wahr.“
Eine Verfassung in schlechter Verfassung
Typisch österreichisch: Unser wichtigstes Gesetzeswerk, feiert 100 Jahre, ist ein Flickwerk
Im Mai 2019 feierte Deutschland 70 Jahre Grundgesetz. Und Deutschland hatte jeden Grund dazu. Denn das nach Ende des nationalsozialistischen Regimes völlig neu konzipierte Werk ist verständlich und schlüssig formuliert, beginnt mit der Aufl istung der Grundrechte, die sich an der UNO-Menschenrechtsdeklaration orientieren und ist in den Verwaltungsbestimmungen präzise wie zukunftsorientiert.
Im Mai 2019 zog durch Deutschland eine Euphorie. Der Hamburger Journalist und Verleger Oliver Wurm hat nach einer Startaufl age von 10.000 Stück noch drei Neuaufl agen des Grundgesetzes in Form eines Hochglanzmagazins auf den Markt gebracht. Tausende parteiübergreifende Festreden im ganzen Land trugen zur Popularisierung des Grundgesetzes bei.
Im Jahr 2020 feiert Österreich 100 Jahre Verfassung und man muss sich ernsthaft fragen, ob das ein Grund zum Feiern ist. Das Bundesverfassungsgesetz (B-VG) war nach Abschaffung der k.u.k.-Monarchie darauf angelegt, die noch junge Demokratie durch einen starken Beamtenapparat zu stützen. Grundrechte und Grundwerte kommen im sogenannten „Nebenverfassungsrecht“ vor. Das beginnt mit dem Staatsgrundgesetz von 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (von Österreich-Ungarn) und führt über ein paar willkürlich eingestreute Werte-Appelle im Hauptteil des B-VG bis zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2009). 1945 waren die Politiker Österreichs offenbar der Meinung, man könne fünf Jahre Austrofaschismus und sieben Jahre Nazi-Diktatur aus der Geschichte des Landes streichen und dort weitermachen, wo der Rechtsgelehrte Hans Kelsen 1920 aufgehört hat.
2019 bekundet der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen (VdB) seine Euphorie für Österreichs Verfassung: „Gerade in Zeiten wie diesen, zeigt sich die Eleganz, ja die Schönheit unserer österreichischen Bundesverfassung. Jeder Schritt, der jetzt getan wird, ist vorgesehen und in der Verfassung verankert. Ich achte dabei penibel auf die Einhaltung jedes einzelnen Details. Im Zentrum meines Buches „Baustelle Parlament“ steht die grundsätzliche Frage: Grund für diese Verfassungs-Euphorie des Bundespräsidenten war aber nicht eine Reform des behäbigen, durch hunderte parteipolitische Interventionen zusammengeschusterten Flickwerks, sondern die elegante Absetzung eines ihm unliebsamen Ministers. Nach dem Rücktritt des FP-Vizekanzlers H.C. Strache (IbizaAffäre) musste auch noch der Kopf des FP-Innenministers Herbert Kickl rollen. Dass er damit eine Lawine auslöste, hat der Bundespräsident höchst wahrscheinlich nicht beabsichtigt.
Erstmals in der Geschichte der 2. Republik musste die gesamte Regierung inklusive der Drei-TagesMinister vom Bundespräsidenten ausgetauscht werden. Nach wenigen Tagen konnte der Präsident – natürlich verfassungskonform – eine Expertenregierung vereidigen. Der Begriff „Expertenregierung“ lässt die Frage aufkommen, ob die Jahre und Jahrzehnte davor keine Experten zum Wohle des Volkes in Regierungsfunktionen waren. Aber das ist eine andere Frage.
Ich habe mich der Lektüre hingegeben. Naja, sagen wir ausgeliefert. Meine Diagnose (ich weiß, mangels rechtswissenschaftlicher Ausbildung ist sie naiv): Unsere Verfassung ist in einer schlechten, ja sogar bedauerlichen Verfassung! Das VOLK kommt im B-VG nur zwei Mal vor: in Artikel 1 und 91, das BUNDESVOLK erhält seinen Platz in den Artikeln 44 und 60.
Das Recht geht vom Volk aus, kommt nie wieder zurück und ist dann ausschließlich im Staatsapparat zu Hause.
Kann es Sinn einer Verfassung sein, dass sie nur hundert oder bestendes Landes verstehen und richtig auslegen können? Wie kann der Zweck einer Verfassung, Fundament der Bundesgesetze zu sein, erfüllt werden, wenn sogar die Mehrheit der Nationalratsabgeordneten diese Verfassung nicht gelesen hat? Wie kann eine Verfassung Grundlage unserer Demokratie und einer aufgeklärten Bevölkerung sein, wenn die Österreicher zur Unmündigkeit erzogen werden, indem ihnen suggeriert wird, sie seien gar nicht imstande dieses
falls tausend Verfassungsexperten Werk zu verstehen, folglich auch nicht berechtigt, es zu beurteilen?
Fußnoten
• Das Bundesverfassungsgesetz 1920 ist für einen Staat erlassen, an dessen Existenz nur die wenigsten glaubten. Es war eine wenig geliebte Kompromisslösung. • In der ersten Republik hing die sogenannte Bundesbürgerschaft von der Landesbürgerschaft ab und diese wiederum vom Heimatrecht in einer Gemeinde. Im Nazi-Regime gab’s die deutsche Staatsbürgerschaft – für jene, die die Nürnberger Rassengesetze erfüllten. • Die einheitliche österreichische Staatsbürgerschaft nach Kriegsende 1945 bestand lange als Provisorium und fand erst in den 80er-Jahren ihren Weg in die Bundesverfassung. • Hans Kelsen (1881-1973) war der Architekt der Bundesverfassung. Beim DollfußPutsch 1934 versagte diese und bis 1945 war sie gar nicht in Geltung. • Von1920 an wurde sie 130 Mal geändert. 40 weitere Verfassungsgesetze und unzählige Verfassungsbestimmungen kamen dazu. • Im internationalen Vergleich ist die österreichische Bundesverfassung ein Sammelsurium an Bestimmungen. Fast so etwas wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit. Seit Jahrzehnten wird über eine konstitutionelle Neuordnung diskutiert.