CORONA-WEIHNACHT Schützenhöfer für Impfpflicht
„Bitte nicht kopflos reagieren!“
as geplante Ausweiten der Maskenpflicht entzweit die Menschen in unserem Land, lässt die Solidarität bröseln. Aber nicht nur bei uns. Im deutschen Bundestag besteht Maskenpflicht, im österreichischen Parlament gibt es diese für Abgeordnete nicht. Dies hänge mit dem freien Mandat zusammen, wird Präsident Wolfgang Sobotka zitiert. Sein Parteikollege Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer kündigt hingegen an, die Impfpflicht einführen zu wollen: „Wenn die Gesundheit alles ist, dann muss man manche zu ihrem Glück zwingen.“ Noch vor Weihnachten werde das Land über die Ausweitung der Maskenpflicht in der Grazer Innenstadt beraten. Wie so oft will Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer noch keine Details nenne. Nur soviel: „Was sinnvoll ist, soll man machen.“ Bereits fix ist die Maßnahme, dass private Weihnachtsfeiern im größeren Kreis mit bis zu zehn Erwachsenen nur am 24. und 25. Dezember erlaubt sind. Nicht jedoch am Stefanitag, der auch ein Feiertag ist. Ist das nicht ein zu tiefer Eingriff in die Grundrechte? Kann so etwas bei einer Klage vor dem Verfassungsgerichtshof halten? - fragte KLIPP Anwalt Georg Eisenberger, der auch Professor für Öffentliches Recht an der Universität Graz ist. Eisenberger: „Der Verfassungsgerichtshof prüft nicht, welche der Experten Recht hat oder nicht, son-
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Streit um die Maske und die Privatsphäre dern entscheidet über die Frage, ob sich die Regierung ausreichend Gedanken darüber gemacht hat und dazu auch die Experten befragt und deren Meinung eingeholt hat. Wenn sich die Regierung das entsprechend schlüssig begründen hat lassen, dann wird der Kläger verlieren.“ Und wie sieht es mit der gedachten Maßnahme aus, die Quarantäne durch die Polizei in privaten Haushalten überprüfen zu lassen? Eisenberger: „Die Polizei kann nur überprüfen, ob ich zu Hause bin. Sie darf ohne Gerichtsbeschluss den privaten Wohnbereich nicht betreten.“ Und wie ist das in den Betrieben? Eisenberger: „Da ist auch der Zutritt erlaubt. Ich bin total unglücklich mit dieser Maßnahme. Es sind brutale Eingriffe ohne gerichtliche Beschlüsse in die Grundrechte. Das ist grenzwertig. Und wir werden uns als Kanzlei überlegen, Individualan-
„Koste es, was es wolle“
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ufgrund seiner politischen Erfahrung lässt sich Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer selten zu unklugen politischen Äußerungen verleiten, die von einem inhaltlichen Unverständnis zeigen. Und wenn es der Fall ist, wie im Zusammenhang mit Corona, dann scheuen sich die großen, meist liebdienerisch berichtenden steirischen Medien davor, entsprechende Position zu beziehen. Jüngst bekräftigte LH Schützenhöfer in einem Zeitungsinterview seinen Standpunkt, dass er die Aussage von Kanzler Sebastian Kurz zur Bewältigung der Krise „koste es, was es wolle“ nie akzeptiert, verstanden und unterstrichen habe. Dabei ist es genau diese Aussage, die hunderttausenden, ja, wahrscheinlich Millionen, Österreichern Hoffnung ge-
beim Verfassungsgerichtshof Individualanträge einbringen. Dieser konnte diese an die Regierung zustellen, aber die Regierung hatte durch die Verlängerung der Fristen Zeit, ihre Antwort erst nach Ablauf der Fristen zu übermitteln. Hätte die Regierung die Maßnahmen noch einmal verlängert, dann hätte sie noch mehr Zeit gehabt, theoretisch auch zwei Jahre. Der Verfassungsgerichtshof hat in dieser Zeit entschieden, nichts zu tun. Das wurde
träge beim Verfassungsgerichtshof einzubringen.“ „Es sind alles schwierige Fragen und es hängt davon ab, inwieweit die Regierung in ihren Verordnungsakten belegen kann, dass es sein muss. Also hängt es von der Qualität der Begründung ab. Sie muss die Maßnahme nachvollziehbar begründen. Stelle ich die richtigen Fragen an die Gutachter, dann kriege ich auch die entsprechenden Antworten. Diese müssen darstellen, dass der Eingriff in die Grundrechte erforderlich ist. Dann wird die Regierung auch vor dem Verfassungsgerichtshof gewinnen.“ Und das ist ja beim ersten Lockdown im März nicht gut gelungen. Eisenberger: „Das war eine ganz spannende Situation und die haben nur wenige mitgekriegt. Denn für die Zeit von 15. März bis zum 30. Mai hat die Regierung die Rechtsprechung zitiert, also ausgesetzt. Da hat die Regierung in dieser Zeit alle Fristen verlängert. Man konnte
auch massiv kritisiert. Wir waren auf dem Weg in eine Staatskrise und der Verfassungsgerichtshof sagt: ,Wir kümmern uns später darum.‘ Von vielen Seiten wurde daher angeregt, ein Eilverfahren für solche Situationen zu schaffen. In Deutschland gibt es das, in Österreich nicht. Die Lehre aus dem Ganzen ist: Wir brauchen dieses Eilverfahren. Der Verfassungsgerichtshof muss innerhalb von ein oder zwei Wochen eine Entscheidung treffen und nicht Monate danach.“ „Das Ganze ist wie eine Blaupause für einen Staatsstreich. Es war möglich gewesen, die Demokratie auszuhebeln. Jetzt unterstelle ich aber niemandem, dass er das wollte. Aber es war zu sehen, wie fragil unsere Demokratie eigentlich ist. Was wir bei Corona erlebt haben, das war nicht nur für mich, sondern für viele Verfassungsjuristen ein richtiges Aha-Erlebnis. So nach dem Motto: Schau‘, unsere gesamte Demokratie und die Aufpasser dafür, der Verfassungsgerichtshof – die kann ich aushebeln.“
Wer hat nun Recht – Kurz oder Schützenhöfer?
geben hat, die Pandemie existenziell zu überleben. Sie war DIE Kernbotschaft für die Krise und fußte auf dem Gedankengut der christlichen Soziallehre im Sinne des Allgemeinwohls. Sie war genauso wichtig und richtig, wie seinerzeit in der Finanzkrise der damalige österreichische Bundeskanzler, aber auch die deutsche Kanzlerin Merkel, unmissverständlich zugesichert haben, dass die jeweiligen Regierungen die Spareinlagen der Österreicher bzw. der Deutschen garantierten und die Haftung dafür übernehmen. Damit wurden die Existenzen von Millionen Menschen gerettet, Bankenpleiten und Panik verhindert. Oder noch ein Beispiel aus der Geschichte: Als seinerzeit ein Kanzler Bruno
Kreisky sagte, einige Milliarden mehr Staatsschulden machten ihm weniger Sorgen als einige hunderttausend Arbeitslose mehr. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer will nicht akzeptieren, dass eine Geldwirtschaft ohne Schulden nicht funktioniert. Dass der Eine nur sparen und sich ein Vermögen schaffen kann, wenn sich ein Anderer dafür verschuldet. Mit seinem Einkommen hat Schützenhöfer viele Möglichkeiten zu sparen. Er, der ein ganzes Berufsleben (gut) von der Politik lebt, der Monat für Monat, Jahr für Jahr sicher sein Geld überwiesen bekommt. Seit 2019 sind es rund 17.000 Euro brutto im Monat. Und schon vor 20 Jahren hat er als Politiker im Vergleich zu anderen Gehaltsbezie-
hern ausgesprochen gut verdient. Es sei ihm gegönnt und ohne Neid angemerkt: Hermann Schützenhöfer hat – weil im geschützten Bereich von der Politik lebend – aus finanziellen Gründen nie Existenzsorgen haben müssen. „Nie musste er in schlaflosen Nächten darüber grübeln, wie er die doppelten Weihnachtsgehälter für seine Mitarbeiter auszahlen soll“, hat es kürzlich bei einer Diskussion in einer erfolgreichen Unternehmerfamilie jemand treffend ausgedrückt, „weil das Geschäft nicht wie erwartet gelaufen ist oder läuft, wie jetzt in Coronazeiten. Fast wäre man versucht zu sagen, wer im Glashaus sitzt, der soll …“
10 Dezember 2020 / Jänner 2021
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