HINTERGRUND
Gefängniszelle statt Klosterzelle für de Ein Kirchenskandal spaltete vor 36 Jahren, im Herbst 1985, die Katholiken in der Steiermark
E
r wurde als Priester, Abt, Mann Gottes von den Gläubigen – überwiegend weiblich – gefeiert, verehrt. Auch Prominente suchten seine Nähe, wollten seinen Segen. Die Rede ist von Dr. Paulus Rappold, geboren am 15. August 1938, gestorben völlig vereinsamt am 26. Juni 2000. Als Kirchenfürst stellte er sogar den am 23. Mai vorigen Jahres verstorbenen volksnahen Bischof Johann Weber eindeutig in den Schatten. Das Zisterzienserstift Rein bei Graz, das praktisch dem Verfall preisgegeben war, führte Abt Rappold zu einer neuen Blüte. Tausende Gläubige pilgerten seit Anfang der 70erJahre nach Rein zu Gottesdiensten, Firmungen und feierlichen Anlässen. Eine Trauung im Stift durch den Abt war etwas ganz Besonderes. Bis zu seinem tiefen Fall Mitte der 80erJahre, als man dem Abt vorwarf, er habe Gelder nicht ordnungsgemäß verwendet und gegen sein Armutsgelübde verstoßen. Rappold wurde verurteilt, landete im Gefängnis. „Ich habe Fehler gemacht, aber nie etwas Kriminelles getan“, verteidigte er sich. Tausende Steirer setzten sich für seine Rehabilitierung mit Unterschriftenlisten ein. Doch Rappold durfte in der Steiermark keine Seelsorgetätigkeit mehr ausüben, keine Messen lesen und Begräbnisse vornehmen. Offensichtlich auch aus der Sorge, dass die Gläubigen ihm wieder zulaufen würden.
Der Sündenfall des Abtes Die steirische „Neue Zeit“ (SPÖ-Parteiorgan) war es, die am Freitag, den 25. Oktober 1985, exklusiv diesen Klosterskandal enthüllte. Nicht zufällig war der Aufdecker ein ehemaliger Priester. Es hieß in diesem Bericht, dass Abt Paulus Rappold vom Stift Rein wegen seines freizügigen Privatlebens und seiner Führung des Stifts ins Visier der Justiz geraten sei. Ab diesem Zeitpunkt lieferte „der Sündenfall des Kirchenfürsten“ praktisch täglich Schlagzeilen. Da hieß es, dass er trotz seines Armutsgelübdes
Er sorgte über Monate für Schlagzeilen in den Medien sich selbst zum Großgrundbesitzer gemacht hatte und wie er andererseits das Vermögen seines Stifts verschleuderte. Die „Steirerkrone“ deckte den Abt wiederum auch als Millionenerbe auf und selbst die „Tagespost“ (das ÖVP-Parteiorgan) berichtete, dass die Machtfülle des Reiner Abtes drastisch eingeschränkt worden sei.
Es folgte eine Medienkampagne in bisher nie da gewesenem Ausmaß in der Steiermark. Rappold selbst zeigte sich uneinsichtig und blieb weiterhin im mt eine ein ussreichen Freunde gingen zum Gegenangriff über. Ein Offener Brief trug die Unterschriften von prominenten Rappold-Sympathisanten. „Mit großer Besorgnis verfolgen viele
Menschen in den Pfarren des Dekanats Rein die Kampagne gegen die Person des Abtes Paulus. Die bisherigen einseitigen und diffamierenden Berichte in den einzelnen Medien haben es bewusst unterlassen, die großen Leistungen des Abtes für das Stift und das Dekanat ausreichend zu bewerten.“ Rappold geschehe großes Un-
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