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Neurotischer Aktionismus

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nmittelbar nach Entdeckung des als SARS-CoV-2 bezeichneten Virus beschlich mich das Gefühl, dass es neben dieser biologischen Variante noch ein zweites Virus gibt, welches sich im Unterbewusstsein und in der Seele einnistet und sich vornehmlich soziologisch verbreitet. Dieses „Virus 2“ kommt angetrieben von der Angst vor Krankheit und Sterben langsam in unser Innerstes, weckt bewusst oder unbewusst längst vergessen geglaubte Erlebnisse, offenbart die eigene Unkenntnis nebst Hilflosigkeit und zwingt uns als Verbreitung in eine Art neurotischen Aktionismus. Nichtstun verstärkt die Angstwahrnehmung und käme einer Kapitulation gleich. Der Tatendrang wird von der Vorstellung befeuert, Ansteckendes, Schadhaftes und als Verursacher ausgemachtes zu meiden, ja schlicht zu schließen. Meiden und Schließen, das ist das neue Mantra dieses „Virus 2“ und es macht sich sogleich an den Kern der Gesellschaft: Die Kultur. Theater, Oper, Museum, all

Doppelt leiden

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as vergangene Jahr hat unserer Gesellschaft wieder mal vor Augen geführt, wie unwichtig und verletzlich die Menschheit auf dieser Welt ist. Kulturelle Güter, nette Gewohnheiten und angenehme Dinge, deren Genuss für uns selbstverständlich war, wurden auf einmal unerreichbar. Nur wer die Erkenntnis zeigte, diese Tatsachen anzuerkennen, konnte relativ gelassen diese Zeit ertragen. Die armen Anderen mussten doppelt leiden. Wolfgang Behrendt Unternehmer und Musiker www.juwelier-behrendt.com

das ist nicht systemrelevant und wird geschlossen. Der Austausch von Menschen ist beschränkt. Die Kunst wird stillgelegt in einem Rausch aus Absicht und freiwilliger Aufgabe. Es herrscht kulturelle Stille. Nur der eigene Atem ist noch wahrnehmbar. Ein Leben ohne Kunst atmet, aber lebt es? Kunst spiegelt, zeigt unser Leben wie es ist, sein könnte oder nie war, was richtig, was falsch oder nichts ist. Wenn die Kunst aber keinen Raum mehr hat, die Gesellschaft zu spiegeln, kann die Gesellschaft ihren (Irr-)weg auch nicht mehr wahrnehmen. „Virus 1“ ist gefährlich, mal ungefährlich, es mutiert, ändert sich und lässt sich immer wieder neu entdecken, vielleicht irgendwann beherrschen. „Virus 2“ bleibt immer gleich. Wir sind es selbst. Dr. Martell Rotermundt Rechtsanwalt aus Köln


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