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THE TIME OF OUR SINGING Der Kampf ist noch nicht zu Ende
Vor dem Hintergrund der Rassentrennung der amerikanischen Nachkriegszeit erzählt die Oper The Time of Our Singing vom Schicksal der Strom-Familie: Joe, Joseph, Ruth und ihren Eltern David und Delia. David ist weiss, Delia Schwarz. Ihre Ehe: eine unerwünschte Seltenheit in den 1940ern. Sie lernten sich bei einem Konzert von Marian Anderson kennen. Die konservative Frauenvereinigung Daughters of the American Revolution verhinderte einen geplanten Auftritt der Schwarzen Altistin vor der Constitution Hall in Washington aufgrund ihrer Hautfarbe. Das Konzert fand schliesslich vor 75 000 Menschen vor dem Lincoln Memorial statt, Millionen verfolgten es über das Radio. Es wurde zu einem Meilenstein im Kampf der Schwarzen Bürgerrechtler.
Nach fast 250 Jahren Sklaverei, nach dem Ende des Bürgerkriegs, hatte der Kampf um die Gleichberechtigung der Schwarzen Bevölkerung der USA gerade erst begonnen. Kaum waren ökonomische und politische Rechte errungen, wurden sie mit den von weissen Südstaaten-Demokraten initiierten JimCrow-Gesetzen wieder genommen und die Rassentrennung eingeführt. Bei Verstössen gegen die Jim-Crow-Gesetze, bei (oft unhaltbaren) Vorwürfen und zum Teil grundlos, wurden die mutmasslich Schuldigen gelyncht, häufig von Organisationen wie dem Ku-Klux-Klan. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs zog es aufgrund der durch zahlreiche neue Fabriken entstandenen Arbeitsmöglichkeiten einen grossen Teil der Schwarzen Bevölkerung in die Grossstädte der USA. Dort entwickelten sich kulturelle Zentren wie im New Yorker Stadtteil Harlem, der zu einem Mekka des Schwarzen Amerika wurde und Raum für Kunst und Antrieb für politische und soziale Bewegungen gab.
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Double victory, at home and abroad Als Schwarze Bürger der USA im Zweiten Weltkrieg für ihr Vaterland in den Krieg zogen, wurde einmal mehr die Ungerechtigkeit in ihrer Heimat deutlich. Mit der Kampagne «Double V» kamen neue Protestbewegungen auf, die schliesslich Erfolge verzeichnen konnten und fairere Jobbedingungen schufen. 1954 wurde durch einen Gerichtsentscheid die Rassentrennung in Schulen aufgehoben, doch der Beschluss konnte nicht durchgeführt werden: Weisse Eltern weigerten sich, ihre Kinder zur Schule zu schicken, und zeigten damit, dass selbst politische Anweisungen und Gesetze gegen den Rassismus in der Bevölkerung nur schwer ankommen.
I have a dream
Mitte des 20. Jahrhunderts organisierte die Schwarze Bevölkerung eine der erfolgreichsten Protestbewegungen, die die USA jemals sah. Eine Kombination aus gewaltlosen, massenbasierten
Protesten und zivilem Ungehorsam erwies sich als erfolgreich. Als Rosa Parks 1955 ihren Platz im Bus nicht für einen weissen Fahrgast räumen wollte und daraufhin verhaftet wurde, war dies der Anstoss für Martin Luther King Jr., den Montgomery Bus Boycott, einen Protest gegen die Segregation, zu organisieren. Als der 14 Jahre alte Emmitt Till 1955 gelyncht wurde, weil er angeblich einer weissen Frau hinterherpfiff, wählte seine Mutter bei der Beerdigung einen offenen Sarg, sodass sich niemand den geschlagen und ging als ein «Bloody Sunday» in die Geschichte ein. Die Aktionen hatten jedoch die Aufmerksamkeit der amerikanischen Bevölkerung und der Politik gewonnen und es wurden endlich Erfolge in der Gesetzgebung verzeichnet. Der Kongress beschloss 1964 den Civil Rights Act und 1965 den Voting Rights Act: Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe sowie die Rassentrennung wurde verboten, die Jim-Crow-Gesetze ausser Kraft gesetzt und eine gleiche Beteiligung bei den Wahlen gewährleistet. 1967 wurde schliesslich die letzte Regelung gegen Mischehen ausser Kraft gesetzt.
The Time of Our Singing
Oper von Kris Defoort und Peter van Kraaij
Premiere
Samstag, 11. März 2023
19 Uhr, UM!BAU
Öffentliche Probe
Mittwoch, 1. März 2023
18.45 Uhr, UM!BAU, Eintritt frei
Leitung
Musikalische Leitung: Kwamé Ryan
Inszenierung: Ted Huffman
Bühne: Johannes Schütz
Kostüm: Astrid Klein
Choreografie: Alan Barnes
Spuren der Brutalität, die Emmitt erleiden musste, entziehen konnte. Seine Mörder wurden von einer weissen Jury freigesprochen. Dies war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Eine ganze Generation junger Menschen engagierte sich und führte Anfang der 1960er eine Reihe friedlicher Proteste durch. 1963 beschwor King in seiner berühmten «I have a dream»-Rede das Ideal eines Amerika, das Heimat für jeden, ganz gleich welcher Hautfarbe und Herkunft, sein sollte. Diese symbolträchtigen, weit beachteten Aktionen wurden jedoch von Gewalt begleitet: 1965 wurde eine Demonstration in Montgomery, Alabama, von Seiten der Polizei brutal nieder -
Say it Loud, I’m Black and I’m Proud! Unter dem Namen Black Power entwickelte sich nun eine Bewegung, die kulturelle Aussagekraft und politisches Engagement verband, sei es durch Musik, Frisuren, Essen oder Kleidung, die afrikanische Elemente enthielt. Ab 1966 kam die Black Panther Party ins Spiel und nahm im Gegensatz zur bisher friedlichen Protestbewegung eine radikale Haltung ein und scheute auch den Waffeneinsatz nicht. Das brutale Verhalten der Polizei und die ausbleibenden Strafen für den Mord an Schwarzen Menschen rückte ab den 1980ern in den Fokus der Diskussion um Rassismus. Die Black-Lives-Matter-Bewegung entstand, nachdem der unbewaffnete Michael Brown 2014 von der Polizei erschossen wurde und auch hier eine Strafe ausblieb.
I can’t breathe
2020 starb George Floyd bei einer Festnahme durch die Polizei. Der Polizist Derek Chauvin kniete auf seinem Hals, um ihn ruhig zu stellen. Immer wieder sagte Floyd «Ich kann nicht atmen», und auch die Umstehenden versuchten Chauvin dazu zu bewegen, von Floyd abzulassen, doch nach über 9 Minuten verstarb Floyd. Dieser Vorfall sorgte für die grössten Proteste seit den 1960ern und motiviert bis heute Menschen aller Hautfarben, allen Alters und aller Klassen, auf die Strasse zu gehen – und zeigt: Der Kampf ist noch nicht zu Ende. (cd)
Licht: Bernd Purkrabek
Video: Pierre Martin
Sounddesign: Vincent De Bast
Szenische Einstudierung:
Damien Tresanini
Studienleitung: Stéphane Fromageot
Einstudierung Jugendchor: Terhi Lampi
Dramaturgie: Caroline Damaschke
Regieassistenz: Sebastian Juen
Besetzung
Delia Daley: Claron McFadden
William Daley: Mark S. Doss
David Strom: Kristján Jóhannesson
Jonah: Joshua Stewart
Joey: Markel Reed
Ruth: Naomi Simmonds
Lisette Soer: Jennifer Panara
Pianist: Kunal Lahiry
Robert (Tänzer): Hervé Loka
Jazzquartett
Adrian Pflugshaupt, Tenorsaxophon
Jérémie Krüttli, E-Bass
Mischa Cheung, Klavier
Maximilian Näscher, Drumset
Jugendchor des Theaters St.Gallen
Sinfonieorchester St.Gallen
Statisterie des Theaters St.Gallen
Weitere Vorstellungen
19./21. März 2023
19./21./23. April 2023