JULI 2015
www.kunstinvestor.at
KUNST IM SOMMER Individual Stories, Sammeln als Porträt und Methodologie Art Bodensee, Leben mit Kunst - Klimt und die Ringstraße Mario Giacomelli - Lack & Leder - Ernesto Neto Naturprozessen - Navratils Künstler-Gästebuch.....
06 | KUNST.INVESTOR Editorial
Liebe Leserinnen und Leser! Heute halten Sie die aktuelle Ausgabe des Magazins KUNSTINVESTOR in „Händen“. Innovativ, exklusiv und stets mit dem richtigen Riecher für aktuelle Entwicklungen informieren wir Sie rund um alle wichtigen Themen, die nationalen und internationalen Kunstmärkte betreffend. Kunst ist ein interessantes Thema und unbestritten die schönste Beimischung für Ihr Investmentportfolio- inspirierend, nicht allein in ideeller Hinsicht. Besonders in Zeiten, da Bullen auf sich warten lassen und Renditen an der Nulllinie kratzen, etablieren sich Kunstwerke als stabile, vor allem aber als rentable Assets. Eine Tatsache, der sich selbst hartgesottene Aktionäre nicht entziehen können. Mehr noch: Dieser Boom ist noch lange nicht an seine Grenzen gestoßen. Bilder, Antiquitäten und andere
Sammelobjekte nehmen im Rahmen der Veranstaltungen einen immer höheren Stellenwert ein. Jährlich werden bis zu 30 Milliarden US-Dollar in Kunst investiert. Weil es bei allen Dingen des Lebens immer auf den richtigen Mix ankommt, wollen wir Sie nicht nur mit fundierten Hintergrundberichten, präzise recherchierten Topstorys, wichtigen Nachrichten und aktuellen Interviews begeistern. Lesen Sie den aktuellen KUNSTINVESTOR, wo Sie sich ein aktuelles Bild über den Kunstmarkt verschaffen können- eine wirklich gute Investition. Viel Spaß Wünscht Ihnen Michael Ruben Minassian Chefredakteur & Herausgeber
IMPRESSUM: Medieneigentümer, Chefredakteur & Herausgeber: Michael Ruben Minassian. Mail: michael.minassian@kunstinvestor.at , Telefon: +43 1/ 236 53.1318, Verlagsadresse: MN Online & Content GmbH, 1110 Wien, Brehmstrasse 10/4.OG, Geschäftsführung: Markus Bauer, ATU 65091955, FN 330453k, Tel: +43 1/91920- 9045, Fax: + 43 1/29 81 298, Erscheinungsweise: monatlich, Website:www.kunstinvestor.at, Cover-Foto: Kunsthalle Krems © Ernesto Neto, Esqueleto Glóbulos, 2001, Installationsansicht, Foto: Reto Guntli2010
08 | KUNST.INVESTOR Leopold Museum
Hans-Peter Wipplinger
Gabriele Langer
Neue Leitung für das Leopold Museum Hans-Peter Wipplinger und Gabriele Langer bilden Direktorium
Der Vorstand der Leopold Museum - Privatstiftung einigte sich in der Vorstandssitzung vom 3. Juni auf ein neues Direktorium. Stiftungsvorstand bestellt HansPeter Wipplinger zum museologischen Direktor und Gabriele Langer zur kaufmännischen Direktorin des Leopold Museum. Die designierten Direktoren zeichnen sich durch hohe Teamfähigkeit und Vernetzung in der Kunst- und Kulturszene aus. Die Positionen im Direktorium des Leopold Museum werden ab Herbst auf die Dauer von fünf Jahren besetzt. Hans-Peter Wipplinger ist seit Jänner 2009 Direktor der Kunsthalle Krems. Er kuratierte rund 150 Einzel- und Gruppenausstellungen, u.a. Personalen zu Paula Modersohn-Becker, Yoko Ono und Joseph Beuys. Hans-Peter Wipplinger war und ist Mitglied in
verschiedenen Jurys und Beiratsgremien, u.a. des Bundes und des Landes Niederösterreich. Wipplingers Projekte wurden vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Strabag Artaward International, dem Österreichischen Kunstpreis und dem Msgr. Otto Mauer Preis. Gabriele Langer ist seit April 2013 als Assistentin des kaufmännischen Direktors des Leopold Museum für den Bereich Controlling und Rechnungswesen der Leopold Museum-Privatstiftung zuständig. Langer arbeitete als Prokuristin und kaufmännische Direktorin des Kunsthistorischen Museums, Wien, war u.a. als Prokuristin des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Ernst & Young tätig und leitete den Bereich Finanzen und Controlling der Wirtschaftstreuhand- und Beratungsgesellschaft LBG. (Foto: © Leopold Museum)
10 | KUNST.INVESTOR Art Bodensee
Art Bodensee - „Leben mit Kunst“ 15. Auflage der Kunstmesse in Dornbirn präsentiert im Rahmen der Sonderschau Werke der Liechtensteiner Mezzanin Stiftung
Eine hochkarätige Mischung aus Galerien und Institutionen machen die 15. Art Bodensee von 10. bis 12. Juli zum Zentrum für moderne und zeitgenössische Kunst. Die diesjährige Sonderschau widmet sich der Liechtensteiner Mezzanin Stiftung. Unter dem Titel „Leben mit Kunst“ präsentiert Hanny Frick Werke aus ihrer Sammlung. Mit dem Charakter einer kleinen, feinen Salonmesse hat sich die Art Bodensee in Dornbirn zu einer beliebten Veranstaltung in der Kunstbranche entwickelt. „Auch in diesem Jahr dürfen wir rund 70 Galerien und Institutionen aus sieben Ländern in Dornbirn begrüßen“, freut sich Projektleiterin Isabella Marte über das große Interesse. Zu den Ausstellern zählen neben namhaften Galerien auch spannende Newcomer, die sich moderner und
zeitgenössischer Kunst verschrieben haben. Für internationales Flair sorgen von 10. bis 12. Juli Victor Lope Arte Contemporaneo (Barcelona) sowie die Galerie Gimpel & Müller (Paris). Mit der Galerie Thoman (Innsbruck/Wien) sowie den Galerien Valentien und Angelika Harthan (beide Stuttgart) sind weitere renommierte Galerien auf der Art Bodensee vertreten. Von den bekannten Galerien der Region sind auf der Kunstmesse unter anderem Galerien Feurstein, Lisi Hämmerle, Maximilian Hutz, c.art, Galerie.z, am Hofsteig und Arthouse anzutreffen. Auf dem Gelände der Messe Dornbirn werden Gemälde, Zeichnungen, Installationen, Skulpturen und Medienkunst von der klassischen Moderne bis zu Werken ganz junger Künstler gezeigt.
12 | KUNST.INVESTOR Art Bodensee
Die seit 2001 laufend optimierten Rahmenbedingungen ermöglichen Kunstsammlern und –liebhabern eine ebenso exklusive wie entspannte Atmosphäre zum Kauf von moderner Kunst und zum Austausch mit Galeristen. „Unsere Besucher aus der Vierländerregion Österreich, Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz schätzen die persönliche Note der Art Bodensee“, weiß Isabella Marte. Die Sonderschau ist einer der Höhepunkte der Kunstmesse. Unter dem Titel „Leben mit Kunst“ stehen heuer Werke der Mezzanin Stiftung im Fokus. Es handelt sich dabei um die Sammlung der Liechtensteinerin Hanny Frick. Bereits mit 16 Jahren begann ihre künstlerische Ader zu pulsieren und im Laufe der Jahre vergrößerte sich die Sammlung stetig. Um die gesammelten Werke der Allgemeinheit dauerhaft zugänglich zu machen, wurde schließlich die Stiftung errichtet. Der Name Mezzanin kommt nicht von ungefähr: „Kunst ist das
Zwischengeschoss zum Himmel“, erklärt Hanny Frick die Namensgebung. In der Sammlung der Mezzanin Stiftung für Kunst finden sich Werke regionaler als auch internationaler Kunstschaffender. Hanny Frick sammelt Malereien, Plastiken, Zeichnungen, Druckgrafiken und Fotografien, Mappenwerke und Künstlerbücher. Für die Art Bodensee hat die Sammlerin eine persönliche Auswahl zusammengestellt. „Leben mit Kunst“ ist für Hanny Frick nicht nur der Titel der Sonderschau, sondern ein Credo, das sie verinnerlicht hat. Sie pflegt den Kontakt mit den Künstlern und könnte sich ein Leben ohne Kunst schlichtweg nicht vorstellen. Zu den Künstlern, dessen Werke die Sammlerin auf der Art Bodensee präsentiert, zählen unter anderen Nesa Gschwend, Hanni Schierscher, Anneliese Schränk, Sunhild Wollwage, Arno Egger, Martin Frommelt und Mirjam Kahn. (Foto: © Messe Dornbin)
16 | KUNST.INVESTOR Auktionshaus ‚im Kinsky‘
Josef Hoffmann, Brosche, Wiener Werkstätte, Entwurf: 1908, Silber, Gold, Schmucksteine, 5,3 x 5,5 cm, Zuschlag: € 280.000, Kaufpreis: € 352.800
Josef Hoffmann, Brosche, Wiener Werkstätte, Entwurf: 1908, Silber, Gold, Schmucksteine, 5,3 x 5,5 cm, Zuschlag: € 420.000, Kaufpreis: € 529.200
Zwei Broschen a la Josef Hoffmann brechen alle Rekorde 900.000 € für Wiener Werkstätte Zimelien
Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte haben mit der heutigen Jugendstil-Auktion im Kinsky eine neue Dimension am Kunstmarkt erreicht: Rund € 900.000 Kaufpreis erzielten zwei Broschen, die Hoffmann 1908 in einer geringen Auflage und schon damals zu einem der höchsten Preise anfertigen hat lassen. Seit Jahrzehnten befanden sich beide in deutschem Privatbesitz, die alles vereinen, was einen Preis ausmacht: Seltenheit am Markt und vielleicht eine der genialsten Entwürfe, bei denen die Farben der Steine mit der strengen Geometrie der Form eine besonders elegante Symbiose eingehen. Beide Zuschläge setzen neue Weltrekorde für den begnadeten Designer der frühen Moderne! Josef Hoffmann setzte die Krone auf die beste Jugendstil-Auktion seit Bestehen des Kinsky!
17 | KUNST.INVESTOR Auktionshaus ‚im Kinsky‘
Jan Brueghel d. J. (Antwerpen 1601-1678 Antwerpen), Blumenstrauß in einer skulptierten Vase um 1630, Öl auf Holz, 117 x 81 cm
Neuer Weltrekordpreis von 2,6 Mio € für ein Blumenstillleben von Jan Brueghel d. J. in der Altmeister-Auktion im Kinsky! Nach einem noch verhaltenem Start und einem Rufpreis von € 350.000 kämpften am Ende zwei Bieter am Telefon und im Saal am frühen Nachmittag im Kinsky hartnäckig um den Zuschlag, der erst bei 2,1 Mio € fiel (Kaufpreis 2,6 Mio €) – ein neuer Rekordpreis für ein Blumenstillleben des flämischen Meisters der Blumen. Damit hat der Sohn auch den Vater, Jan Brueghel d. Ä. „besiegt“, dessen Blumenstilleben im Kinsky im November 2014 für 2,2 Mio € inkl.) verkauft wurde. Mit diesem sensationellen Ergebnis reiht sich das Gemälde in die höchste Riege der in Österreich verkauften Altmeister-Gemälde ein! [Foto: © ‘im Kinsky’]
18 | KUNST.INVESTOR Auktionshaus ‚im Kinsky‘
Marc Chagall, (Witebsk 1889-1985 St. Paul de Vence), Les Amoureux au Bouquet, 1978, Gouache, Tempera, Pastell und schwarze Kreide auf Papier, 77,4 x 57,7 cm, Zuschlag: € 300.000, Kaufpreis: € 378.000, Copyright: Auktionshaus im Kinsky
Klassische Moderne - Chagall für 300.000 € im Kinsky Chagalls wunderbar zartes Aquarell mit einer Allegorie der Liebe war das Toplos der Auktion Klassische Moderne im Kinsky: Der Zuschlag erfolgte bei beeindruckenden € 300.000 (KP € 378.000)! Nach Stationen in Amerika und Deutschland findet dieses Meisterwerk aus der Spätzeit des Malers in einer österreichischen Sammlung einen würdigen Platz!
19 | KUNST.INVESTOR Auktionshaus ‚im Kinsky‘
Ferdinand Georg Waldmüller, Kind unter einem blauen Seidenvorhang hervorschauend, 1821 Öl auf Leinwand, 44, 35 cm, Zuschlag: € 80.000, Kaufpreis: € 100.800
Gemälde 19. Jahrhundert - Der ewige Reiz des Kindes Waldmüllers Mädchen vergoldet Es ist wohl eines der entzückendsten Mädchenporträts der Kunstgeschichte und einer der herrlichsten trompe l’oeuils eines Seidenstoffes: Waldmüllers kleines Mädchen, frech unter einem blauen Vorhang blickend war das highlight der Gemäldeauktion und war einem Sammler € 80.000 (KP € 100.800) wert!
20 | KUNST.INVESTOR Dorotheum
Enrico Castellani (1930 geb.) , "Superficie", 1960, reliefierte Leinwand, 100 x 120 cm erzielter Preis € 965.000 - Foto: © Dorotheum
Rekorde und Toppreise für Zeitgenössische Kunst im Dorotheum Avantgardistische Kunst der 1960er Jahre stand bei der Auktion "Zeitgenössische Kunst" am 10. Juni 2015 im Dorotheum im Zentrum des internationalen Interesses. Besonders die italienische Kunst reussierte hervorragend. Toppreis des Abends war eine knappe Million Euro für ein Werk von Enrico Castellani. 965.000 Euro bedeuteten Rekord für eine frühe „Superficie“ (Oberfläche). Enrico Castellani zählte zu den Protagonisten der Mailänder Avantgarde der Sechziger Jahre und gilt als einer der innovativsten künstlerischen Persönlichkeiten der Nachkriegszeit - gemeinsam mit Piero Manzoni, Enrico Bonalumi und Paolo Scheggi, die ebenfalls mit Spitzenpreisen bei der Auktion auf sich aufmerksam machten. Von deren „Vaterfigur“, Lucio Fontana, wurden seltene frühe Skulpturen versteigert, allen voran eine „Frauenbüste“, die ausgezeichnete 588.533 Euro erreichte. Fontanas
kleinformatige Arbeit „Concetto spaziale“ von 19631964 wechselte für 405.600 Euro den Besitzer. Fausto Melottis Skulptur „Linee“ konnte mit 369.000 Euro die Erwartungen verdoppeln. Weltrekordpreis für einen Künstler: die Stahlskulptur „Ellisse“ von Mauro Staccioli wurde auf 204.300 Euro angesteigert, den bisher höchsten Preis für den italienischen Künstler. Von ZERO-Künstler Günther Uecker stammte eine unbetitelte, mit Nägeln und Handausschnitten versehene Kiste, die für 295.800 Euro einen Käufer fand. Ilya Kabakovs anspielungsreiches Gemälde „Landschaft mit Pionierlager“ erzielte 491.000 Euro. Österreichische Kunst stand ebenfalls hoch im Kurs. Neben dem Weltrekordpreis von knapp 400.000 Euro für ein Gemälde von Max Weiler gab es hohe Ansteigerungen für Werke von Erwin Wurm, Franz West und Arnulf Rainer. ( Foto: © Dorotheum)
21 | KUNST.INVESTOR Dorotheum
Lucio Fontana (1899-1968) , "Busto di donna", 1949, Terakotta, bemalt, glasiert 59 x 44 x 27 cm, erzielter Preis € 588.533 - Foto: © Dorotheum
Günther Uecker (1930 geb.), Ohne Titel, 1968, Nägel, Hammer, Silber- und Dispersionsfarbe auf 2-teiliger Holzkiste, 91 x 130x 67,5 cm, erzielter Preis € 295.800 - Foto: © Dorotheum
22 | KUNST.INVESTOR Dorotheum
Max Weiler, (Hall,Tirol, 1910-2001 Wien), "Welt des Wachstums", 1987, Eitempera auf Leinwand, in 4 Teilen, je 180 x 180 cm gesamt 360 x 360 cm, erzielter Preis € 393.400 – Foto: © Dorotheum
WELTREKORD FÜR GEMÄLDE VON MAX WEILER IM DOROTHEUM Einen Weltrekordpreis von 393.400 Euro erzielte am 10. Juni 2015 ein Gemälde des österreichischen Künstlers Max Weiler im Dorotheum. „Welt des Wachstums“, ein 360 mal 360 cm großes Bild, stammt
aus dem Jahr 1987. Max Weiler war einer der bedeutendsten österreichischen Künstler der Nachkriegszeit und vertrat Österreich 1960 bei der 30. Biennale in Venedig.
23 | KUNST.INVESTOR Dorotheum
Mauro Staccioli (1937 geb.) , Ellisse", 2008 , Cortenstahl, 195 x 252 x 48 cm erzielter Preis â‚Ź 204.300
30 | KUNST.INVESTOR Fotomuseum Westlicht
MARIO GIACOMELLI, Aus der Serie:Io non ho mani che mi accarezzino il volto / Ich habe keine Hände, die mein Gesicht streicheln Italien, Senigallia, 1961-1963
MARIO GIACOMELLI GEGEN DIE ZEIT Unverwechselbar und von fast schmerzlicher Intensität sind die Bilder von Mario Giacomelli (1925-2000), einem der international bekanntesten italienischen Fotografen der Nachkriegszeit. Angeregt durch das Kino des Neorealismo wandte sich der bis dato mit Malerei und Literatur experimentierende gelernte Schriftsetzer und Drucker in den 1950er-Jahren der Fotografie zu und entwickelte eine höchst eigenständige, von grafischer Abstraktion geprägte Bildsprache. Seine nahezu ausnahmslos in Serien konzipierten Arbeiten verbinden Elemente der Reportage mit lyrischer Subjektivität und einer zeichenhaften, in ihren harten Schwarzweiß-Kontrasten fast kalligrafischen Ästhetik. Ausgehend von den Menschen und der Landschaft seiner mittelitalienischen
Heimat verhandeln Giacomellis Bilder stets die Grundfragen der Existenz: Tod und Leben, Glaube und Liebe, das Verhältnis des Menschen zu seinen Wurzeln, die Spuren der Zeit. Das Fotomuseum WestLicht zeigt rund 100 Fotografien aus seinen wichtigsten Serien, von Giacomellis fotografischen Anfängen bis in die 1990er-Jahre. Zu seinen bekanntesten Motiven zählen die Fotografien der Serie Io non ho mani che mi accarezzino il volto (Ich habe keine Hände, die mein Gesicht streicheln, nach einem Gedicht von David Maria Turoldo), 1961-63. Giacomelli beobachtet darin eine Gruppe von Priesteranwärtern bei ihren ausgelassenen Spielen und Albernheiten zwischen dem Ernst der Unterrichtseinheiten.
31 | KUNST.INVESTOR Fotomuseum Westlicht
Ein Bild zeigt die jungen Geistlichen, wie sie in ihren Soutanen einen Reigen im Schnee tanzen – ein Moment der Unschuld, dem der Verlust bereits eingeschrieben ist. Der Boden wird in der Aufnahme zu einer rein weißen Fläche ohne jegliche Zeichnung, so dass die Seminaristen als schwarze Silhouetten wie im Nichts zu schweben scheinen. Aus der Zeit gefallen wirken auch die Straßenszenen aus Puglia und Scanno, die Giacomelli Ende der 1950er-Jahre fotografierte. Beide Serien zeigen eine von der Moderne weitgehend unberührte Dorfgemeinschaft. Das Archaische des ländlichen Lebens, das in Puglia (1958) noch einen eindeutig vitalen Unterton hat, wandelt sich in den schwarz gekleideten Figuren aus Scanno (1957/59) zu einem Bild düsterer Vorsehung. Über mehrere Jahre, von 1954 bis 1983, kehrte Giacomelli immer wieder in das Altersheim, in dem seine Mutter in den Tagen seiner Kindheit gearbeitet hatte, zurück, um dort zu fotografieren. Wie in allen seinen Serien nahm er sich auch bei Verrà la morte e avrà i tuoi occhi (Der Tod wird kommen und deine Augen haben, nach einem Gedicht von Cesare Pavese) Zeit, zu dem Ort und seinen Menschen eine Beziehung aufzubauen. Die Aufnahmen sind geprägt durch einen harschen Realismus gegenüber dem menschlichen Verfall, das Weiß der Abzüge scheint die fragilen Körper geradezu aufzuzehren und bekommt so eine existenzielle Qualität. Gleichzeitig ist Giacomellis Identifikation mit den Heimbewohnern und sein stiller Zorn über das Leiden offensichtlich und so bleiben die Alten in seinem Blick stets geborgen. Giacomellis aus dem Flugzeug geschossene Aufnahmen des Ackerlands um seinen Geburtsort Senigallia schließlich lösen die Felder in malerische Liniengeflechte auf und zeigen die Landschaft als eine vom Menschen und der Zeit gezeichnete. Einerseits Ausdruck eines persönlichen Empfindens, verkörpern diese Bilder zugleich eine klare, kühne und konzeptuell wegweisende Haltung. Giacomellis Kunst ist immer
auch ein Aufbegehren gegen die Zumutungen der menschlichen Existenz. Der bitteren Ironie der Vergänglichkeit des Lebens begegnet er mit den Mitteln der Fotografie. Seinem singulären Stil blieb er jenseits fotografischer Moden und Aktualitäten auch in späteren Jahren treu. In den fünf Jahrzehnten seines Schaffens entstand so ein Werk, das in seiner ästhetischen und thematischen Konsistenz seinesgleichen sucht. Mario Giacomelli wurde 1925 in Senigallia geboren. Die kleine Stadt an der italienischen Adriaküste in der Provinz Ancona blieb bis zu seinem Tod im Jahr 2000 Zentrum seines Lebens. Giacomelli wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Seinen Vater verlor er bereits mit neun Jahren, seine Mutter arbeitete als Wäscherin in einem Altersheim. Als Dreizehnjähriger verließ er die Schule und begann eine Ausbildung als Drucker. Mit einem Partner eröffnete er nach dem Krieg in Senigallia eine eigene Druckerei. Angeregt durch Fotomagazine und den neorealistischen Film entdeckte er Anfang der 1950er-Jahre die Fotografie für sich und kaufte seine erste Kamera. Im Folgenden beteiligte er sich erfolgreich an einer Reihe von Fotowettbewerben und regionalen Ausstellungen. Wichtige Impulse erhielt er in dieser Zeit durch Giuseppe Cavalli, mit dem er 1954 die Fotogruppe Misa gründete. Im selben Jahr begann er seine Arbeit an Verrà la morte. 1957 unternahm er Reisen nach Scanno und Lourdes, auf denen erste Bilder der gleichnamigen Serien entstanden. Internationale Präsentationen seiner Fotografien – etwa in der von Otto Steinert organisierten Ausstellung Subjektive Fotografie 3, 1959 in Brüssel, auf der photokina in Köln, oder im George Eastman House, Rochester (beide 1963) – machten Giacomelli auch über Italien hinaus bekannt. Eine von John Szarkowski kuratierte Ausstellung am New Yorker MoMA bedeutete für Giacomelli 1964 den endgültigen internationalen Durchbruch. [Westlicht- Ausstellungsdauer bis 9. August 2015]
32 | KUNST.INVESTOR Fotomuseum Westlicht
MARIO GIACOMELLI, Aus der Serie: Verrà la morte e avrà i tuoi occhi / Der Tod wird kommen und deine Augen haben Italien, 1954
33 | KUNST.INVESTOR Fotomuseum Westlicht
MARIO GIACOMELLI, Mia Madre / Meine Mutter, Italien, 1959
34 | KUNST.INVESTOR Fotomuseum Westlicht
MARIO GIACOMELLI, Aus der Serie: La buona terra / Die gute Erde - Italien, ca. 1965
MARIO GIACOMELLI, Aus der Serie:Lourdes Frankreich, Lourdes, 1966
35 | KUNST.INVESTOR Fotomuseum Westlicht
MARIO GIACOMELLI, Aus der Serie: Presa di coscienza sulla natura / Das Bewusstsein f端r die Natur- Italien, 1982-1992
39 | KUNST.INVESTOR Galerie Schultz-Berlin
MAIK WOLF TECHTOTEM
© Maik Wolf, Techtotem Prognostikon 2, 2014, Öl auf Leinwand
Berlin- Verlassene Orte haben manchmal etwas Geheimnisvolles an sich. Etwas Ungewohntes, Unwirkliches. Wenn es zu still ist, zu einsam, wirkt zuweilen auch unsere gewohnte Lebenswelt unecht und zieht uns zugleich magisch an. Wir schauen genauer hin, spüren und hinterfragen. "Wenn man Wirklichkeit beobachtet, wird sie schnell surreal. Magisch ist Realität sowieso" sagt Maik Wolf, der mit seiner Ausstellung TECHTOTEM in der Galerie Michael Schultz zu sehen ist. Wolfs Werke zeigen surreal anmutende Momente unserer Lebenswelt: verlassene Stadtansichten, architektonische Ensembles, karge Landschaften in fahles, künstliches Licht getaucht. Als Inspiration dienen ihm eigene Fotografien und digitale Skizzen sowie seine Phantasie. Während seine früheren Werke noch wirklichkeitsgetreuere Darstellungen zeigen, enthalten seine späteren Arbeiten zunehmend surreale Arrangements. So finden sich inmitten von Landschaften einzelne Buchstaben, Formen, Symbole, Zahlen in unterschiedlicher Größe und ohne erkennbaren Bezug. Nichts ist fremd im
Einzelnen, die Kombination jedoch gibt Rätsel auf, gleich Projektionsflächen des Unterbewussten, das zwar Vertrautes hervorbringt, es jedoch für unser Bewusstsein oft verschlüsselt hält. Die Titel sind ebenso sowohl komplex als auch rätselhaft und spielen auf den Bildinhalt an. Seine neueste Serie "Vexiere" referieret an Vexierspiele (lat. vexare "plagen"), Rätselspiele, die gelöst, entwirrt oder sinnvoll zusammengesetzt werden sollen. Wie überdimensionale Bauklötzen für Riesen liegen die Formen, Buchstaben und Zahlen umher, laden ein, mit ihnen zu spielen. Seine Werke schaffen neue Wirklichkeiten, in denen wir als ihre Betrachter uns verorten, Raum gewinnen für Reflexion und beginnen, auch in der heutigen Schnelllebigkeit unseres Alltags, Leere zu fühlen, Stille zu ertragen und mit ihrer surrealen Rätselhaftigkeit, das zu hinterfragen, was wir als gewohnt empfinden. [Galerie Schultz BerlinAusstellungsdauer: 4. Juli bis 29. August 201 Foto:©Galerie Schultz ]
40 | KUNST.INVESTOR
Le Méridien München
Lack & Leder „sinnlich, überraschend & inspirierend anders“ Obwohl die Materialien Lack & Leder alleine betrachtet gesellschaftlich akzeptierte Begehrlichkeiten erzeugen, hat die Wortkombination in der Regel eine stark polarisierende Wirkung. Inspiriert von diesem reizvollen Aspekt, entwickelte die Münchner Künstlerin Christine Jaksch ein neues Kunstprojekt, das den typischen Klischees mit einem überraschend sinnlichen Ausdruck begegnet.
München- Christine Jaksch versucht das Thema von einer neuen Perspektive zu betrachten. Für die Kunst gibt es keine Klischees, keine vorgefertigten Meinungen. Kunst geht tiefer, ist neugierig und lässt sich manchmal auch spielerisch auf ein Thema ein. Kunst fordert uns auf genauer hinzusehen. Die Künstlerin hat ein großes Vergnügen daran, neue Perspektiven einzunehmen, um die bewusste Auseinandersetzung in ihrem künstlerischen Schaffen herauszulocken. Inspiriert von Lack & Leder, konzentrierte sie sich primär auf den sinnlichen Aspekt. Vor genau einem Jahr begann sie für dieses Thema eine neue künstlerische Ausdrucksform zu entwickeln. „Aus Neugierde wurde Faszination. Aus Faszination Leidenschaft und aus Leidenschaft wurde ein Kunstprojekt, das eine absolute Hingabe in sich trägt.“ so Christine Jaksch. Im Ergebnis ihres Schaffens
entstand eine moderne Art der Ledermalerei, die durchaus ihre Reize hat. Ledermalerei ist Teil vieler Kulturgeschichten. Für ihr neues Kunstprojekt greift Christine Jaksch mit einer zeitgemäßen Umsetzung auf diese alte Tradition zurück. Lack & Leder präsentiert ein Wechselspiel mit den Reizen der Materialien und inspiriert durch einfallsreiche Einblicke in die Kunst. Die großformatigen Werke bestehen in erster Linie aus Kunstleder. Ausgefallen ist neben der abstraktfigurativen Malerei auch die Integration von Ketten, Nieten und Ösen. Als anregenden Kontrast schaffen die glänzenden Lackkunstwerke mit abstrakt eingearbeiteten Echtleder-Elementen einen reizvollen Spannungsbogen. Hier begegnen sich Sinnlichkeit und Dominanz in einem ästhetischen anspruchsvollen Ausdruck. [Ausstellungsdauer: 11. Juli bis 31. Juli 2015 in Le Méridien München (Info) Foto: ©Christine Jaksch]
41 | KUNST.INVESTOR
Le Méridien München
Foto: © Christine Jaksch
42 | KUNST.INVESTOR
Le Méridien München
Foto: © Christine Jaksch
43 | KUNST.INVESTOR
Le Méridien München
Foto: © Christine Jaksch
44 | KUNST.INVESTOR Kunstmuseum Ravensburg
Paul Gauguin sein Stillleben mit Sonnenblumen. (Copyright: Stiftung Sammlung, E.G. Bührle, Zürich)
Kunstmuseum Ravensburg widmet sich „Naturprozessen“ Neue Ausstellung präsentiert ab dem 11. Juli Werke vom Expressionismus bis in die Gegenwart
Ravensburg- Das Ausstellungsprojekt „Ich bin eine Pflanze. Naturprozesse in der Kunst“ nimmt die Besucher im Kunstmuseum Ravensburg mit auf eine spannende Zeitreise: Kuratorin und Museumsleiterin Nicole Fritz stellt von 11. Juli bis 8. November die individuellen „Naturprozesse“ ausgewählter Künstler vom Expressionismus bis in die Gegenwart vor. Zu den Künstlern zählen Paul Gauguin, Salvador Dalí und Herman de Vries. Im Vordergrund der Beziehung zwischen Mensch und Natur stehen heute nicht mehr Ausbeutung, Macht und Zähmung, sondern die Einsicht, dass die über Jahrhunderte prägende Nützlichkeitsperspektive in Richtung eines partner-
schaftlichen Verhältnisses zur Tier- und Pflanzenwelt weiterentwickelt werden muss. Künstler sind und waren Vorreiter für ein solches empathisches Naturverhältnis. Parallel zum Prozess der Modernisierung haben Künstler als Reaktion auf eine durch Verstädterung und Industrialisierung zunehmend entzauberte Umwelt die Natur verstärkt in den Blick genommen. Das von Museumsleiterin Nicole Fritz kuratierte Ausstellungsprojekt „Ich bin eine Pflanze. Naturprozesse in der Kunst“ belegt diese These, indem es die individuellen „Naturprozesse“ der ausgewählten Künstler vom Expressionismus bis in die Gegenwart chronologisch vorstellt.
45 | KUNST.INVESTOR Kunstmuseum Ravensburg
„Human Cactus“ von Nezaket Ekici - einer deutschen Performancekünstlerin mit türkischen Wurzeln (Copyright: Nezaket Ekici und DNA Berlin)
46 | KUNST.INVESTOR Kunstmuseum Ravensburg
Gezeigt wird, wie die Natur um 1900 nicht nur im Film (Das Blumenwunder, 1921-25) oder in der Fotografie in den Fokus rückt. Auch Expressionisten wie Emil Nolde beginnen im Freien zu malen und sich empathisch in Naturprozesse einzufühlen. Die Blume oder auch der Baum wird von Künstlern wie Paul Gauguin, Emil Nolde oder Paula Modersohn-Becker zur idealen Projektionsfläche für den Ausdruck der unmittelbaren Selbstwahrnehmung und findet sich als Identifikationsfigur auch in anderen Sparten wie beispielsweise im Tanz wieder (Loïe Fuller, Tanz der Lilie, 1896). Diesen emotional-expressiven Annäherungen an die Natur im Expressionismus steht ein introspektiver Annäherungsprozess an die Natur im Surrealismus gegenüber. Innerseelische Prozesse werden in Naturmetaphern visualisiert und synthetische Entsprechungen anthropomorpher und vegetabiler Bereiche erscheinen bei Max Ernst oder Salvador Dalí in traumähnlichen Szenerien visualisiert. Als Folge der Zerstörungen, die der Zweite Weltkrieg für viele Menschen mit sich brachte, gewann auch die Natur mit den ihr inhärenten Regenerationskräften als Quelle der Hoffnung für viele Künstler in der Nachkriegszeit erneut eine große Bedeutung. Bei Richard Oelze und Joseph Beuys entstehen innere Landschaften, die den psychisch Entwurzelten eine neue, wenn auch nur imaginäre Heimat boten. In den 1960er und 1970er Jahren erschlossen sich die Künstler dann mit der Ausweitung des Kunstbegriffes in Richtung Prozess, Performance und Land Art neue Bereiche. Sie bilden die Natur nicht mehr nur ab, sondern bringen sich im wahrsten Sinne des Wortes auch körperlich wieder in Kontakt mit der Natur (Herman de Vries). Energetische Prozesse und Bewusstseinserfahrungen mit der realen Natur werden zur individuellen (Richard Long) oder zur
kollektiven Identitätsfindung genutzt, wie bei den Künstlerinnen der 1970er Jahre (Ana Mendieta, Birgit Jürgenssen). In der Gegenwart werden die Stilformen und Techniken der Avantgarden in hybrider Art und Weise fortgeführt. Wie ihre Vorgänger lassen sich auch heute Künstler wie beispielsweise Bernd Koberling oder Matthias Mansen von der direkten Naturwahrnehmung inspirieren, während andererseits Max Weiler oder Christiane Löhr ihre Abstraktionen in der Tradition der Surrealisten aus ihrem Inneren im Atelier nachspüren. Vor allem die körperbezogenen, alle Sinne einbeziehenden Ansätze der 1970er Jahre erhalten heute, angesichts einer zunehmenden Verflachung der Alltagswahrnehmung in die digitale Zweidimensionalität, eine neue Aktualität. Ob aus der postmodernen, ironischen Distanz heraus (Nezaket Ekici, Stephan Balkenhol) oder als empathische Einfühlung mit allen Sinnen (Anne Carnein) verankern junge Künstler in ihrem Bestreben, Körper und Natur wieder in Verbindung zu bringen, Naturprozesse zunächst in ihrer eigenen Körperlichkeit – ganz ähnlich den Tendenzen in der Kunst der 1970er Jahre. Nicht zuletzt zeigt die Ausstellung, dass in der Kunst auch alte überlieferte Mikro- und Makrokosmos-Vorstellungen wieder produktiv gemacht werden, um einen bewussteren Umgang mit der Natur zu finden. Eine Besonderheit neben den vielen hochkarätigen Werken stellt eine mittelalterliche Handschrift aus der Nationalbibliothek Wien dar, die ursprünglich aus Ulm stammt. Über 500 Jahre nach der Entstehung im schwäbischen Raum kehrt der Codex 5327 nun anlässlich der Ausstellung im Kunstmuseums Ravensburg für kurze Zeit in die Region seiner Herkunft zurück. [Ausstellungsdauer: 11. Juli 2015 bis 8. November 2015 – Foto:©Kunstmuseum Ravensburg]
47 | KUNST.INVESTOR Kunstmuseum Ravensburg
Astrologische Sammelhandschrift aus Schwaben stammt aus dem zweiten und dritten Viertel des 15. Jahrhunderts (Copyright: Ă–sterreichische Nationalbibliothek, Wien)
48 | KUNST.INVESTOR Lentos
Untitled, 2014. Courtesy die Künstlerin, Xavier Hufkens, Brüssel und The Modern Institute/Toby Webster Ltd, Glasgow. Foto: © Tate Liverpool
CATHY WILKES Das LENTOS Kunstmuseum Linz präsentiert die bisher größte und umfassendste Schau der für den Turner Prize nominierten Künstlerin Cathy Wilkes (geb. 1966 in Belfast, lebt und arbeitet in Glasgow). Die Ausstellung versammelt Arbeiten aus mehr als einem Jahrzehnt, darunter mehrere große skulpturale Installationen, Gemälde, Arbeiten auf Papier und Archivmaterial. Ihre Installationen schaffen erzählerische Momente und evozieren Orte, die mit Verlust oder Veränderung verbunden sind. Figuren – Kleinkinder, Ältere, Tiere – kombiniert Wilkes mit Gegenständen des alltäglichen Lebens wie Stoffe, Handtücher, Schalen, Teller und
Kekse. In der Ausstellung zu sehen ist Untitled (Possil, at last) 2013, das Teil von Der enzyklopädische Palast bei der 55. Biennale von Venedig war. Vier Puppen stehen um eine über einer Flasche kauernde Figur herum; zwei sind Kleinkinder, eine ist eine Braut, bei der anderen könnte es sich um einen Hirten handeln. Als wäre sie in einem Garten, steht ein größeres Mädchen vor einer Fläche mit Scherben und Gefäßen, die an die einstige berühmte Töpferei im schottischen Possil erinnern. [Ausstellungsdauer bis 4. Oktober 2015 – Foto: © Lentos]
Superfast Chrono Porsche 919 Jacky Ickx Edition
Ein ganz besonderer Chronograph als Hommage an einen legendären Rennfahrer
2014, als Porsche Motorsport nach Le Mans zurückkehrte, wurde Chopard „Official Timing Partner“ des renommierten deutschen Rennstalls. Anlässlich dieser exklusiven Partnerschaft präsentierte die Genfer Manufaktur im gleichen Jahr eine Superfast Chrono-Uhr nach dem Vorbild des Porsche 919 Hybrid, der an der LMP1 Endurance World Championship teilnimmt. Auch 2015 bringt die Manufaktur wieder einen neuen sportlichen Zeitmesser heraus: den Superfast Chrono Porsche 919 Jacky Ickx Edition. Das auf 100 Exemplare limitierte Modell ist Jacky Ickx gewidmet, dem herausragenden Rennfahrer, der seit vielen Jahren Botschafter für Chopard und Porsche ist. Die neue Uhr präsentiert sich in den Farben des legendären Champions und sechsfachen Siegers der 24 Stunden von Le Mans.
Superfast Chrono Porsche 919 Jacky Ickx Edition - Eine Uhr, die Farbe bekennt Ein typisches Stilelement der Superfast Chrono Porsche 919 Jacky Ickx Edition sind die Farben – die des deutschen Rennwagens, der an der LMP1 Endurance World Championship teilnehmen wird, und die des Helms von Jacky Ickx, die das Zifferblatt zieren. Der erfolgreiche Formel-1-Champion, Langstreckenrennfahrer und enge Freund von KarlFriedrich Scheufele, Co-Präsident von Chopard, gewann im Lauf seiner Karriere viele verschiedene Preise. Seine Siege im berühmten 24-Stunden-Rennen von Le Mans brachten ihm den Spitznamen „Mister Le Mans“ ein. Zu Ehren dieses Ausnahmefahrers erhielt das Zifferblatt der Superfast Chrono Porsche 919 Jacky Ickx Edition einen Rehaut und Zähler in Dunkelblau mit weißen Farbtupfern – die Farben des Helms, den Jacky Ickx während seiner aktiven Zeit trug. Die kontrastierenden Nuancen setzen elegante Akzente auf dem versilberten Zifferblatt. Während das Silbergrau die Farbe des deutschen Rennwagens aufnimmt, erinnert die Riffelung des Zifferblatts an die Auspuffanlage des Porsche 919 Hybrid.
24 Hours of Le Mans 2015 Chopard offizieller Zeitmesser von Porsche Motorsport
Jacky Ickx: eine Rennlegende Jacky Ickx ist einer der grössten Rennfahrer des 20. Jahrhunderts. Nachdem er zunächst Motorradrennen fuhr, schrieb er später Geschichte als Autorennfahrer. Von 1967 bis 1979 nahm er als Formel-1-Pilot an insgesamt 114 Grand-PrixRennen teil. Seinen ersten großen Sieg fuhr er bereits als 23-Jähriger im Jahr 1968, am Großen Preis von Frankreich, ein. Berühmt wurde Jacky Ickx aber vor allem für seine Erfolge bei Langstreckenrennen, insbesondere bei dem 24Stunden-Rennen von Le Mans, wo er insgesamt sechs Mal auf dem Siegerpodest stand – davon allein vier Mal für Porsche. Ein Rekord, den er über viele Jahre hielt. Sein denkwürdigster Sieg war zweifellos der im Jahr 1969: Die Rennwagen stehen bereits in Startposition auf der einen Seite der Piste, während die Fahrer auf der anderen Seite auf das Signal zum Spurt warten. Alle Fahrer − bis auf einen: Jacky Ickx. Er hält diese Form des Starts für zu gefährlich für ein 24-Stunden-Rennen, weil die Piloten sich in der Hektik nicht die Zeit zum Anschnallen nehmen. Als Zeichen seines Protests beschließt der Belgier, nicht zu seinem GT40 zu rennen, sondern ganz normal zu gehen. Er erinnert sich an den im Vorjahr verunglückten Willy Mairesse: Dieser war in der Les-Hunaudières-Geraden durch Aquaplaning ins Rutschen geraten, wegen des nicht korrekt angelegten Sicherheitsgurts aus seinem Wagen geschleudert und schwer verletzt worden. Daher geht Jacky Ickx am 14. Juni 1969 um 14 Uhr langsam zur Startposition, während die anderen Fahrer spurten, um ihr Fahrzeug möglichst schnell zu erreichen. Der Belgier fährt trotzdem den Sieg ein – mit dem geringsten Vorsprung (120 Meter) in der Renngeschichte von Le Mans. Damit beweist er, dass das bisherige Startreglement für ein spektakuläres Rennen unnötig ist. So beginnt eine neue Ära in Le Mans: Im folgenden Jahr wird das Reglement geändert, dank eines Fahrers mit Charakter, der in einem wichtigen Rennen seinen Sieg aufs Spiel setzte, um das Startreglement zu verändern: Jacky Ickx. Dass Jacky Ickx ein Rennfahrer mit vielen Facetten ist, beweist auch sein Triumph an der Rallye Paris-Dakar im Jahr 1983.
Rassiges Design und ein außergewöhnlicher Antrieb Als neues Flaggschiff der Kollektion Superfast zeigt das limitierte Modell Superfast Chrono Porsche 919 Jacky Ickx Edition viele typische Rennsportdetails. Das bis 100 Meter wasserdichte, 45 mm große Gehäuse trägt eine Lünette im Tachometerstil, die mit acht geschwärzten Schrauben befestigt ist, und umschließt ein Präzisionsuhrwerk, dessen dekorative Elemente an Rennsportmotoren erinnern. Vorbild für die gerillten Seiten des Gehäuses war der Kühlergrill eines Boliden; die Aufzugskrone ziert ein mit schwarzem Kautschuk überzogenes Lenkrad. Dieses exklusive Gehäusedesign setzt sich in den Riffelungen des Zifferblatts und den durchbrochenen Brücken des Uhrwerks fort. Wie bei einem Rennwagen verbirgt sich unter der außergewöhnlichen „Karosserie“ der Superfast Chrono Porsche 919 Jacky Ickx Edition ein einzigartiger Antrieb: das von Fleurier Ebauches selbst entwickelte, produzierte und montierte Kaliber Chopard 03.05-M. Das mechanische Chronographenwerk mit Automatikaufzug und Einholfunktion (Flyback) wurde nach den strengen Standards der offiziellen Schweizer Chronometerstelle (COSC) geprüft und zertifiziert. Der Boden ist mit den eingravierten Logos „Official Timing Partner Porsche Motorsport“ und „Jacky Ickx Limited Edition“ engraviert. Ein Armband aus schwarzem Kautschuk mit Slick-Reifenprofil verleiht diesem Symbol der Begeisterung von Chopard für den Rennsport den letzten Schliff.
54 | KUNST.INVESTOR Kunsthalle Krems
Ernesto Neto, Esqueleto Glóbulos, 200, Installationsansicht LABoral Centro de Arte y Creación Industrial, Gijón, 2010 - Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Foto: Marcos Morilla
ERNESTO NETO „Ich bin Skulptur und ich denke als Skulptur“, so der international anerkannte brasilianische Bildhauer Ernesto Neto (*1964), dessen pulsierendes Oeuvre im Sommer 2015 die Kunsthalle Krems in ein sensuell erfahr- und erfassbares Gesamtkunstwerk verwandelt. In Kooperation mit Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Wien überschreitet dieses Ausstellungsprojekt nicht nur disziplinäre sondern auch institutionelle Grenzen. Während die Personale in Krems mit Arbeiten aus den letzten 25 Jahren retrospektiv angelegt ist, wird sich Neto in der TBA21– Augarten mit einer neuen, kommissionierten Installation schamanistisch-spirituellen Traditionen und überlieferten Heilungsritualen der indigenen Völker des Amazonas widmen und diese mit Themen der Anthropologie, des Zeremoniells, der Überlieferung und Formen der Gegenwartskunst verweben. Ernesto Netos Werk steht gleichsam für einen erweiterten körper-
haften Skulpturenbegriff sowie für ein holistisch motiviertes Weltverständnis. Fest verwurzelt in der brasilianischen Kunst- und Kulturgeschichte seit dem Ende der 1950er-Jahre, lässt es sich etwa mit dem Neokonkretismus – dessen Hauptprotagonist(inn)en Lygia Clark und Hélio Oiticica wesentliche Weichen in Hinblick auf eine alle Sinne berührende interaktive Kunst und ihr soziales Potenzial gestellt haben – oder auch mit der Tropicália-Bewegung bzw. dem sogenannten Tropicalismo – einer von Künstler(inne)n, Dichter(inne)n, Filmschaffenden und Theatermacher(inne)n getragenen Protestbewegung der revolutionär-geprägten 1960er-Jahre gegen die Militärdiktatur in Brasilien – in Verbindung bringen. Weit über die geläufigen Grenzen von Skulptur hinaus oszillieren Netos biomorphe Rauminstallationen an der Schnittstelle zwischen Bildhauerei, Architektur und Design, zwischen Tradition und Innovation.
55 | KUNST.INVESTOR Kunsthalle Krems
Ernesto Neto, Variation on Color Seed Space Time Love (Detail), 2009 © Ernesto Neto, 2015, Courtesy Galerie Bob van Orsouw, Zürich, Foto: Jogrim Erland
56 | KUNST.INVESTOR Kunsthalle Krems
Obwohl Neto neue Materialien und modernste Technologien in der Produktion seiner Werke einsetzt, greift der Künstler dennoch konsequent auf das Potenzial seiner nächsten Umgebung – auf indigenes Wissen und traditionelles Handwerk – zurück. Sein Handlungsraum ist geprägt von sozialer Ausrichtung, Solidarität, Nachhaltigkeit und Achtsamkeit. Dabei verfolgt er das politisch zu verstehende Ziel, in einer universellen, sinnlich-erfahrbaren Sprache ein kollektives Bewusstsein für das fragile Gleichgewicht der Welt und der bewohnten Umwelt zu intensivieren. Dementsprechend fungieren konstruktive und physikalische Parameter, wie etwa die Verlagerung von Gewicht, die Herstellung von Gleichgewicht und die alles zentrierende Kraft der Gravitation als entscheidende Faktoren in Netos Werk. Sein Handlungsraum ist geprägt von sozialer Ausrichtung, Solidarität, Nachhaltigkeit und Achtsamkeit. Dabei verfolgt er das politisch zu verstehende Ziel, in einer universellen, sinnlich-erfahrbaren Sprache ein kollektives Bewusstsein für das fragile Gleichgewicht der Welt und der bewohnten Umwelt zu intensivieren. Dementsprechend fungieren konstruktive und physikalische Parameter, wie etwa die Verlagerung von Gewicht, die Herstellung von Gleichgewicht und die alles zentrierende Kraft der Gravitation als entscheidende Faktoren in Netos Werk. Doch gemäß seinem Willen nach einem umfassenden Weltverständnis, reicht sein künstlerisches Streben weit über die Gesetze der reinen Logik hinaus und findet gleichermaßen in verbaler wie non-verbaler Poesie und einer forcierten haptisch-sinnlichen Sprache in Formen, Farben und Materialien Ausdruck. Von frühen hängenden Skulpturen, wie beispielsweise Copulônia (1989/2009), die der Künstler bereits seit den späten
1980er-Jahren entwickelt, über die fluide-wogenden, biomorphen Installationen der Serie „Naves“ aus den späten 1990er-Jahren bis zu architektonisch anmutenden Knochenstrukturen aus Sperrholz, Wandreliefs aus buntfarbigen Fäden und ausufernden Bodenarbeiten erstreckt sich die Bandbreite seiner raummodulierenden Arbeiten. Elastische Nylonschläuche – gefüllt mit allerlei, zumeist elementaren, organischen und anorganischen Materialien, wie etwa Sand, Gewürzen, Glasperlen, Blei- und Styroporkugeln – streben, der Gravitation ergeben, vertikal zu Boden und bilden in ihrer Behäbigkeit Antipoden zur Transparenz der Oberflächen. Lautmalerische Titel wie Stone Lips, Pepper Tits, Clove Love, Fog Frog (2008) oder Life is Relationship (2008) verraten, woraus Ernesto Netos bioskulpturaler Kosmos gewebt ist, nämlich aus Sinnlichkeit, Körperlichkeit, Gerüchen, Berührung, Intimität und Beziehungen. Dieses fragile Geflecht aus Empfindungen und Interrelationen teilt der Künstler in seinen vielfach interaktiv erlebbaren Skulpturen mit den Besucher(inne)n seiner Ausstellungen. So spricht Neto sinngemäß von seinem Bestreben, die Menschen aus ihrer Alltagsrealität herauszuholen, um sie in ein Traumland zu entführen, indem er eine Art Oase kreiert, in der sie atmen und denken können. Sein künstlerisches Schaffen steht für die leidenschaftliche Bewusstmachung unserer leiblichen Teilhabe an einem universellen Gefüge, um dessen Gleichgewicht zu erhalten, und wie beim Spiel, Tanz oder im Zuge eines Rituals, Achtsamkeit, Verantwortung und Respekt im gegenseitigen Umgang einzufordern. [Kunsthalle KremsKurator: Hans-Peter Wipplinger Ausstellungsdauer: 19. Juli bis 1. November 2015. Foto: © Kunsthalle Krems]
57 | KUNST.INVESTOR Kunsthalle Krems
Ernesto Neto, Humanóides, 2001, Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Foto: Courtesy Galeria Fortes Vilaça, São Paolo und Tanya Bonakdar Gallery, New York
Ernesto Neto, In the Corner of Life, 2013, Installationsansicht Galerie Max Hetzler, Berlin, 2007 Courtesy der Künstler und Galerie Max Hetzler, Berlin/Paris, Foto: def image
58 | KUNST.INVESTOR Forum Frohner
Christian Bazant-Hegemark, Triumph, 2014, Foto: © Christian Bazant-Hegemark
NACH PICASSO AUF SPURENSUCHE IN DER JUNGEN ÖSTERREICHISCHEN KUNST Pablo Picasso gilt als einer der bedeutendsten und einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu früheren Generationen scheint er bei vielen jüngeren Künstlerinnen und Künstlern aber keine unmittelbare Rolle mehr zu spielen. Gleichzeitig hat vieles, das uns heute in der Kunst als selbstverständlich und kanonisiert gilt, seinen Ursprung im 20. Jahrhundert und häufig bei Picasso. Seine vielfältigen malerischen Experimente zwischen Figur und Abstraktion, seine revolutionäre Auffassung der Skulptur, sein Mut, ständig neue Wege einzuschlagen und sich stilistisch immer wieder neu zu erfinden, aber auch seine kämpferische politische Seite, seine Selbstinszenierung und sein Marketingtalent wirken bis heute nach. Die Ausstellung möchte weniger Künstlerinnen und Künstler vorstellen, die sich auf
Picasso als Vorbild berufen, sondern vielmehr den unzähligen Spuren nachgehen, die er in der Kunst – in diesem Fall in der jungen österreichischen Kunst – immer noch hinterlässt. Sie versucht aufzuzeigen, wie seine formalen und inhaltlichen Ideen in das Werk junger österreichischer Künstlerinnen und Künstler bewusst – etwa als Zitat oder auch Inspirationsquelle –, oft aber auch unbewusst Eingang gefunden haben. Die Bezüge und Parallelen zu Picasso sind dabei manchmal offensichtlich und gleich erkennbar, bisweilen aber auch versteckt und assoziativ. Eine Entdeckungsreise mit vermutlich einigen überraschenden Erkenntnissen. Ausstellungsdauer: bis 27. September 2015 im Forum (Foto: Kunsthalle Krems-Forum Frohner)
Künstlerinnen: Iris Christine Aue, Christian Bazant-Hegemark, Bernhard Buhmann, Hannes Egger, Adolf Frohner, Karen Holländer, Eva Hradil, Bernadette Huber, Karl Karner, Michael Kienzer, Ronald Kodritsch, Michaela Konrad, Edith Payer, Alfons Pressnitz, Adele Razkövi, Thomas Riess, Farid Sabha, Christoph Schirmer, Martin Schnur, Deborah Sengl, Nina Rike Springer, Ekkehard Tischendorf, Gabi Trinkaus. Kurator: Günther Oberhollenzer
59 | KUNST.INVESTOR Forum Frohner
Bernhard Buhmann, Fig. 1 (Gudrun), 2014, Foto Š Bernhard Buhmann
60 | KUNST.INVESTOR Forum Frohner
aus dem Samtkasten, 2013, Karl Karner - Foto: Š Karl Karner
61 | KUNST.INVESTOR Forum Frohner
Ohne Titel, 2014, © Adele Razkövi - Foto: Adele Razkövi
62 | KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien
G.T. Pellizzi, Disjecta Membra Holocenica et Anthropocenica, 2014 Courtesy galerie Loevenbruck, Paris, Foto: Aurélien Mole
Individual Stories
Sammeln als Porträt und Methodologie Künstler sind Sammler. Der Kunstkritiker Benjamin Buchloh bezeichnet Marcel Duchamp, den Erfinder des Readymades, als Initiator der Vorstellung vom Künstler als Sammler.1 Die Ausstellung Individual Stories in der Kunsthalle Wien Museumsquartier präsentiert entsprechend zwanzig zeitgenössische Künstler/innen, die Objekte aus ihren privaten Sammlungen zeigen oder einen Einblick in ihr künstlerisches Werk geben, das auf dem Sammeln als künstlerischer Methodik basiert. Die in der Ausstellung gezeigten Sammlungen spiegeln insofern unterschiedliche formale, ästhetische und konzeptuelle Interessen. In ihrer Vielfalt und Gegensätzlichkeit eröffnen sie aber auch spannende Ansätze zum Verständnis künstlerischer Praxis: Einerseits legen Künstler/innen unabhängig von ihrem Kunstschaffen persönliche Sammlungen an, andererseits erstellen sie Sammlungen, die eine eigene Methode oder eigenständige Kunstwerke begründen. Johannes Wohnseifer zum Beispiel sammelt seit rund 15 Jahren Pressefotografien des früh verstorbenen amerikanischen Rennfahrers Peter Revson und
verknüpft diese mit grafischen Arbeiten, Ephemera und Büchern des deutschen Malers Peter Brüning. Wohnseifers hauptsächlich über Ebay zusammengestellte Auswahl zeigt, dass schon die Suche per se, das Browsen sowie der Erwerb der Fotografien wesentlicher Teil der Sammlungstätigkeit sind. Die kontinuierlich wachsende Sammlung mit dem Titel More in Common Than a Given Name gibt keine Antwort darauf, weshalb die beiden Männer in einen Dialog gebracht werden sollten, sondern versteht sich als Studie, die auf freien Assoziationen und scheinbar willkürlichen Verbindungen beruht. Saâdane Afif wiederum stellt seit 2008 sein persönliches Fountain Archive zusammen, eine Sammlung aus gedruckten Reproduktionen von Marcel Duchamps berühmtem Readymade Fountain. Für Afif ist die Beschäftigung mit einer der Ikonen der modernen Kunstgeschichte und dem Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduktion sowohl eine persönliche Obsession als auch ein Kunstwerk, ein „oeuvre hobby“.
63 | KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien
Ausstellungsansicht: Individual Stories. Sammeln als Porträt und Methodologie, Kunsthalle Wien 2015, Foto: Stephan Wyckoff: G. T. Pellizzi, Disjecta Membra Populi I, 2013; Disjecta Membra Archeologica, 2013, Courtesy der Künstler und Galerie Loevenbruck, Paris
Ausstellungsansicht: Individual Stories. Sammeln als Porträt und Methodologie, Kunsthalle Wien 2015, Foto: Stephan Wyckoff: Herbert Brandl, Kristalle und Schwerter, aus der Sammlung des Künstlers, Courtesy der Künstler
64 | KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien
Camille Henrot beschäftigt sich in ihrem Werk mit der ausufernden Anhäufung von Wissen in Archiven und Bibliotheken, Computerdatenbanken und dem Internet, in denen die Welt konserviert wird und dennoch in der Datenflut zu verschwinden scheint. Ihre Collections Préhistoriques illustriert ihr fast schon ethnologisches Interesse an prähistorischen Zeiten und dem Sammeln und Tauschen von Objekten als fundamentaler menschlicher Aktivität. Auch G. T. Pellizzi ist an Ethnologie interessiert. Er zeigt eine Sammlung von Gegenständen, die den Bogen vom Holozän bis zum Anthropozän symbolisieren der Zeitspanne von der Industrialisierung bis zum Plastikzeitalter. Während die inhaltliche Überschneidung mit Camille Henrots Werk in der Ausstellung Zufall ist, ist der Vergleich ihrer Herangehensweisen beabsichtigt: Beide basieren auf dem Sammeln als Methode, das wissenschaftliche Forschung in die freie Sprache der bildenden Kunst überträgt und ästhetische Kategorien neben wissenschaftliche Empirie stellt. Hubert Scheibl wiederum sammelt alte botanische Studienobjekte aus der Werkstatt von Robert und Reinhold Brendel, die ihm als Quelle der Inspiration dienen. Teilweise finden die fantastischen Formen und der Farbenreichtum der detailgenauen Modelle in abstrahierter Form auch Eingang in eigene neue Arbeiten. Bei Barbara Bloom hingegen ist die gesamte künstlerische Praxis auf die Tätigkeit des Sammelns ausgerichtet. Ihre Herangehensweise an die zeitgenössische Kultur, ans Individuum und das kollektive Gedächtnis manifestiert sich in der Zusammenstellung von Objekten und deren an musealen Konventionen angelehnter Präsentation.
Ihre Installationen und Fotografien erkunden einerseits das Verlangen nach Besitztum, kommentieren andererseits aber auch den Akt des Sammelns. In der Kunsthalle Wien zeigt Bloom ausgewählte Objekte aus ihrem umfangreichen persönlichen Archiv aus Ephemera und Alltagsgegenständen. Ein ähnlicher Ansatz findet sich auch bei Hans-Peter Feldmann, der sich nicht als Künstler beschreiben würde, sondern als zwanghaften Sammler existierender Bildern und Alltagsgegenstände. Feldmanns Werke teilen ein Interesse an Typologien und bestimmten Formensprachen, die durch die Zusammenstellung banaler Warenwelten und zutiefst vertrauter Objekte zutage tritt. Walter Benjamin zufolge ist der Besitz die intimste Beziehung, die man zu Objekten haben kann. Das Haben-Wollen ist Resultat kreativer Neugierde oder systematischer Suche. Jedes der ausgestellten Objekte weist entsprechend einen persönlichen Bezug zu seinem/r Sammler/in auf. Die Ausstellung zeigt spezielle Facetten der jeweiligen Künstlerpersönlichkeit zwischen privater Leidenschaft und künstlerischer Methode – eine ungewöhnliche Annäherung an zeitgenössisches künstlerisches Schaffen. Zur Ausstellung erscheint eine Publikation mit Fotografien von Marie Angeletti, die die gezeigten Werke und Sammlungen auf eine sehr persönliche Art dokumentieren wird. Jede/r Künstler/in ist in der Publikation zudem mit einem kurzen Statement vertreten, in dem er/sie beschreibt, welchen Stellenwert das Sammeln für ihn oder sie besitzt. [Kunsthalle WienAusstellungsdauer bis 11. Oktober 2015 Foto:©Kunsthalle Wien]
Künstler/innen: Saâdane Afif, Jacques André, Marie Angeletti, Thomas Bayrle, Barbara Bloom, Herbert Brandl, Andrea Büttner, Hans-Peter Feldmann, Camille Henrot, Michaela Maria Langenstein, Pierre Leguillon, Hanne Lippard, Maurizio Nannucci, G.T. Pellizzi, Max Renkel, Michael Riedel, Hubert Scheibl, Yann Sérandour, John Stezaker, Johannes Wohnseifer
65 | KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien
Ausstellungsansicht: Individual Stories. Sammeln als Portr채t und Methodologie Kunsthalle Wien 2015, Foto: Stephan Wyckoff
Ausstellungsansicht: Individual Stories. Sammeln als Portr채t und Methodologie Kunsthalle Wien 2015, Foto: Stephan Wyckoff
66 | KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien
Future Light Pauline Boudry / Renate Lorenz. LOVING, REPEATING
Als Teil der von Maria Lind für die Vienna Biennale 2015 kuratierten nAusstellung Future Light präsentieren die Künstlerinnen Pauline Boudry und Renate Lorenz in der Kunsthalle Wien eine raumgreifende Videoinstallation: Auf drei großformatigen Screens zeigen sie ihre in den vergangenen Jahren entstandenen Filme Opaque (2014), To Valerie Solanas and Marilyn Monroe in Recognition of their Desperation (2013) und Toxic (2012). Gerahmt von Kulissenelementen, von Vorhängen, skulpturalen Requisiten und historischen Dokumenten entsteht ein filmischer Parcours der neuen Formen von Subjektivität und Begehren eine Bühne bietet. Pauline Boudry und Renate Lorenz leben in Berlin und Wien und arbeiten seit 1998 zusammen. Ihre aktuellen Videoinstallationen könnten als „performative Archäologie“ beschrieben werden, die verdrängten Geschichtssträngen der Bildung von Identität nachspürt. Diese zeigt sich als Schnittmenge „aufwändiger Durchquerungen“ (Renate Lorenz) von Zuschreibungskategorien wie Geschlecht, Klasse, Körpernormen und Fremdheit Inszeniert werden Individuen und Gruppen, die sich außerhalb und an den Rändern der Norm bewegen und ebenso fragile wie kämpferische Störungen von Gesetzen und Ökonomien vorführen. Als Grundlage ihrer Filme konzipieren die Künstlerinnen Performances und beziehen sich dabei auf zahlreiche Referenzen aus dem Bereich des Experimentalfilms, der Geschichte der Fotografie und der Underground (Drag-) Performance. Die Darsteller/innen der Performances sind selbst Choreograf/innen, Künstler/innen und Musiker/innen Rund um die auftretenden „Figuren“ stellen Glitter, Rauch, Vorhänge, Tarnmuster, imposante Perücken, Masken, Schleier und Sound eine nur stellenweise
durchbrochene Zone der Undurchsichtigkeit/Opazität her, die die Charaktere einer fixen Kategorisierung entzieht. Kontext des Projekts Future Light greift die Videoinstallation in der Kunsthalle Wien das Vorhaben einer Kritik und Befragung der gegenwärtigen Gültigkeit zentraler Konzepte der Aufklärung – Subjektivität, Licht („Enlightenment“) und Öffentlichkeit – auf. Die Leitfigur des Lichts wird nicht klassisch als alles durchdringende Transparenz und absolute Sichtbarkeit im Dienste totaler Kontrolle aufgefasst. Die in den Videos gezeigten queer- und identitätspolitischen Strategien fordern ein „Recht auf Opazität“ (Edouard Glissant), auf Verschleierung, Unsichtbarkeit und gebrochene Erscheinungsformen. Die aktuellste Arbeit in der Ausstellung ist der Film Opaque aus dem Jahr 2014. Er wurde in einem aufgelassenen Schwimmbad gedreht. Der Boden des Beckens ist mit Sand bedeckt, darauf sind eine Reihe glänzender Vorhänge platziert. Die beiden Darsteller, die in Leder, Strass und pinker Tarnmontur gekleidet sind, bewegen sich im Raum und werden dabei von rosa und blauem Nebel umhüllt. Aus dem Off ist eine Stimme zu hören. Diese erzählt von im Untergrund lebenden Menschen, von Flüchtlingen, die es nach einem nicht näher benannten Krieg an diesen Ort verschlagen hat. Voller Begehren suchen sie nach einem Feind, der „aussieht wie ich, sich kleidet wie ich und an meiner Stelle lebt“. Wird den Körpern das „Recht auf Verhüllung“ durch die sie umhüllenden Vorhänge und Nebelschwaden gewährleistet? Oder trüben diese die Grenzen zwischen Komplizen und Feind? Die Situation ruft keine bedrohliche Atmosphäre hervor, sondern scheint vielmehr futuristisch und feierlich friedlich zu sein.
67 | KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien
Pauline Boudry/Renate Lorenz, Opaque, 2014 Performance: Ginger Brooks Takahashi, Werner Hirsch, Courtesy die K端nstlerinnen, Marcelle Alix, Paris und Ellen de Bruijne Projects, Amsterdam
Pauline Boudry/Renate Lorenz, Opaque, 2014 Performance: Ginger Brooks Takahashi, Werner Hirsch, Courtesy die K端nstlerinnen, Marcelle Alix, Paris und Ellen de Bruijne Projects, Amsterdam
68 | KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien
Der Film To Valerie Solanas and Marilyn Monroe in Recognition of their Desperation ist ein soziales und musikalisches Experiment, in dem sechs Darsteller/innen, von Solanas SCUM Manifesto inspiriert, der Filmmusik der Komponistin Pauline Oliveros aus dem Jahr 1970 nachgehen. Jede/r Darsteller/in wird gebeten, fünf Tonhöhen auszuwählen, um dann lang modulierte und nicht modulierte Töne zu spielen. Anschließend beginnen die Darsteller/innen, einander zu imitieren. Rotes, gelbes und blaues sowie Stroboskoplicht geben den Einsatz. Sobald ein/e Künstler/in dominiert, versuchen die anderen, seine bzw. ihre Dominanz zu dämpfen. Zusammen ergeben die Gegensätze von Individuum und Kollektiv, Geben und Nehmen, Unvorhersehbarkeit und Plan „einen kontinuierlichen Kreislauf von Macht“ (Oliveros). Die Kamera wird selbst zum Darsteller. Sie folgt dem Vorgang in einer einzigen kontinuierlichen Aufnahme, und offenbart fetischistische Interessen. Die Künstlerinnen hinterfragen auf diese Weise, ob Ton und Licht Beziehungen hervorbringen können, die „queer“ sind und stellen ein mögliches zukünftiges Weltbild vor. Eine Punkfigur im Glanzkostüm und eine Drag Queen stellen zwei Charaktere in Toxic dar. Sie agieren in einem Raum, der einem Atelier ähnelt und mit violetten
Vorhängen ausgestattet ist. Auf dem Boden befinden sich haufenweise Glitter und giftige Zimmerpflanzen. Weitere Personen werden in die Szenerie projiziert. Sie tragen Masken verschiedener Protestbewegungen und nehmen Posen ein, die man von Fahndungsfotos und anthropologischen Aufnahmen kennt. Viele toxische Substanzen werden erwähnt, darunter Heroin, Ecstasy, Pilze, Radioaktivität, Androgel und Testosteron. Sie führen dem/der Betrachter/in vor Augen, dass Toxine vergiften, aber auch heilen und die Lebensqualität steigern können. Diese Mehrdeutigkeit von Begriffen und Situationen, von der Bedeutung von Licht und Transparenz wird von der Aussage der Dragqueen unterstrichen, die den Schriftsteller Jean Genet mit der Feststellung zitiert, vor einer laufenden Kamera befragt zu werden, ähnle der Brutalität eines Polizeiverhörs. Aktuelle Retrospektiven und Einzelausstellungen von Renate Lorenz und Pauline Boudry: Patriarchal Poetry, Badischer Kunstverein, 2013; Aftershow, CAPC, Bordeaux, 2013; Toxic Play in Two Acts, South London Gallery, 2012; Contagieux! Rapports contre la normalité, Centre d´Art Contemporain, Geneve, 2010. [Kunsthalle Wien MQ, Ausstellungsdauer: bis 4. Oktober 2015] Foto: © Kunsthalle Wien
69 | KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien
Pauline Boudry/Renate Lorenz, Toxic, 2012 Performance: Ginger Brooks Takahashi und Werner Hirsch, Pauline Boudry/Renate Lorenz, Opaque, 2014, Performance: Ginger Brooks Takahashi, Werner Hirsch, Courtesy die K端nstlerinnen, Marcelle Alix, Paris und Ellen de Bruijne Projects, Amsterdam
Pauline Boudry/Renate Lorenz, To Valerie Solanas and Marilyn Monroe in Recognition of their Desperation, 2013 Performance: Rachel Aggs, Peaches, Catriona Shaw, Verity Susman, Ginger Brooks Takahashi, William Wheeler Courtesy die K端nstlerinnen, Marcelle Alix, Paris und Ellen de Bruijne Projects, Amsterdam
70 | KUNST.INVESTOR KUNSTHALLE WIEN - KARLSPLATZ
Function Follows Vision, Vision Follows Reality Function follows vision, vision follows reality” war das Leitmotiv Friedrich Kieslers. Der 1890 in Czernowitz geborene Architekt, Bühnenbildner, Ausstellungs- und Möbeldesigner studierte und arbeitete in Wien, bis er 1926 nach New York emigrierte.
Friedrich Kiesler erlangte durch seine wegweisenden Entwürfe im Bereich Architektur und Design internationale Berühmtheit. Sein primäres Interesse galt einer die Disziplinen übergreifenden, Theorie und Praxis verbindenden Gestaltung. Die Ausstellung in der Kunsthalle Wien Karlsplatz entstand in Kooperation mit der Friedrich und Lillian Kiesler Privatstiftung und untersucht anlässlich des 125. Geburts- und 50. Todestages des Künstlers seinen Einfluss auf die zeitgenössische Kunst. Im Zentrum der Schau stehen Kieslers Überlegungen zum Display, hat er doch bereits in den 1940er Jahren zahlreiche innovative Ausstellungsdisplays geschaffen, unter anderem für Peggy Guggenheims Privatmuseum Art of This Century in New York. Bereits damals hinterfragte er wesentliche Aspekte des Ausstellens von Kunst und stellte Überlegungen an, die auch heute für zeitgenössische Künstler/innen von ungebrochener Relevanz sind. Seine Ideen und Entwürfe verbinden künstlerische und soziale Überlegungen und schaffen Situationen, in denen Kunst und Kultur auf neuartige Weise erfahrbar werden. Die Ausstellung Function follows vision, vision follows reality stellt demgemäß Kieslers Interesse an innovativen Formen der Präsentation von Kunst ins Zentrum. Innerhalb eines atmosphärischen Settings, das Ideen des visionären Gestalters aufgreift und in die Gegenwart übersetzt, korrespondieren Werke zeitgenössischer Künstler/innen mit Zeichnungen, Texten und Fotos von Kieslers legendären Schaufenstergestaltungen: Francesco Pedraglio etwa verwandelt die Schriften Kieslers zur Schaufenstergestaltung in einen abstrakten Dialog, der als Hörstück
im Ausstellungsraum präsent ist und das zentrale Thema des (Bilder-)Rahmens thematisiert. Céline Condorellis Swindelier verbindet im Sinne eines skulpturalen Porträts von Kiesler dessen zentrale Gestaltungselemente Fotografie, Sound und Film mit einem Ventilator sowie einer sich verändernden Lichtsituation im Raum. Fotografische Stillleben von Annette Kelm treffen auf jene Stillleben aus Kleidungsstücken, die Kiesler Ende der 1920er Jahre für die Schaufenster des Kaufhauses Saks Fifth Avenue in New York arrangierte. Leonor Antunes Film String Travel greift ein Motiv aus einem Avantgardefilm von Maya Deren auf, den diese in den 1940er Jahren in den Räumen von Art of This Century gedreht hat. Notationen des Komponisten Morton Feldman, mit dem Kiesler eng befreundet war, wirken in ihrer Abstraktion wie minimalistische Zeichnungen, sind jedoch Anweisungen für aufzuführende Musikstücke – so wie Kieslers abstrakte Zeichnungen Vorschläge für die Aktivierung des Betrachters im Ausstellungsraum sind. Andere Künstler/innen reagieren auf die Ideen Kieslers – „Farben und Formen sind das einfachste, das billigste, das rascheste Mittel, einen Raum visionär umzugestalten“ – mit Interventionen, die die Idee der neutral gestalteten Ausstellung konterkarieren. Farben, Formen und Materialien verbinden sich dabei zu einer Inszenierung, die intuitiv argumentiert und dennoch Motive und Gestaltungsmaximen Kieslers sinnlich erfahrbar macht. [Kunsthalle Wien, Karlsplatz. Kurator/innen: Luca Lo Pinto, Vanessa Joan MüllerDauer bis 23. August 2015 ] Foto: © KUNSTHALLE WIEN-KARLSPLATZ
Künstler/innen: Friedrich Kiesler sowie Leonor Antunes, Olga Balema, Céline Condorelli, Morton Feldman, Annette Kelm, Charlotte Moth, Francesco Pedraglio, Luca Trevisani, Nicole Wermers. Kurator/innen: Luca Lo Pinto, Vanessa Joan Müller
71 | KUNST.INVESTOR KUNSTHALLE WIEN - KARLSPLATZ
Ausstellungsansicht Function Follows Vision, Vision Follows Reality, Kunsthalle Wien 2015, Foto: Stephan Wyckoff
Ausstellungsansicht Function Follows Vision, Vision Follows Reality, Kunsthalle Wien 2015 Foto: Stephan Wyckoff: Céline Condorelli, Swindelier, 2015, Courtesy die Künstlerin
74 | KUNST.INVESTOR Museum Gugging
Navratils Gästebuch, 1990, ©Privatstiftung-Künstler aus Gugging
navratils KÜNSTLER-GÄSTEBUCH.!
DDr. Leo Navratil, Gründer des Gugginger Zentrums für Kunst-Psychotherapie, war ein unermüdlicher Förderer der heute als Vertreter der Art Brut weltberühmten Künstler. Mit vielen verband ihn auch eine sehr persönliche Beziehung. Davon zeugt sein „Gästebuch" aus den 60er und 70er Jahren, dessen Ursprung ein altes Kunstbuch war. In diesem einzigartigen und authentischen Dokument verewigten sich zahlreiche Gugginger Künstler wie Johann Hauser, August Walla,
Oswald Tschirtner oder Rudolf Limberger, aber auch Künstler auf Besuch, wie Alfred Hrdlicka, Franz Ringel oder Arnulf Rainer hinterließen eigene Beiträge und Zeichnungen. Die von Johann Feilacher kuratierter Ausstellung zeigt zum ersten Mal alle Seiten des Gästebuches und es erscheint ein Faksimile dieses historischen Künstlerbuches als Katalog. Ausstellungsdauer bis 23. 8. 2015. (Foto: Museum Gugging)
75 | KUNST.INVESTOR Museum Gugging
Navrartils Gästebuch, Franz Gableck, „Modedame“, 1970, Rudolf Limberger, Überzeichnung, undatiert, ©Privatstiftung Künstler aus Gugging
76 | KUNST.INVESTOR Museum Gugging
Navrartils Gästebuch, Toni Scharf, Sehnsucht, 1971, 3 unbekannte Unterschriften, Franz Kamlander, Rote Kuh, undatiert, ©Privatstiftung Künstler aus Gugging
77 | KUNST.INVESTOR Galerie Gugging
Foto: © Galerie Gugging
Galerie Gugging „Ein fahrrad, das nicht umfällt ……“ Galerie Gugging präsentiert zum 50. Geburtstag von Günther Schützenhöfer, einen Überblick über sein Schaffen der letzten 15 Jahre. Günther Schützenhöfer wohnt seit 1999 im Haus der Künstler, wo er die ersten Zeichnungen fertigte. Zunächst auf postkartengroßen Formaten mit zartem Bleistiftstrich näherte er sich vorsichtig den gewählten Themen an. In den ersten Jahren entstanden seine Werke sehr bedächtig. Mit der Zeit ging er von kleinen zu immer größeren Formen über und von einem sehr zarten zu einem überaus bestimmten, festen Strich. Günther Schützenhöfer arbeitet mit Blei- und Farbstiften auf Papier und Karton. Mit ein paar Linien umreißt er zügig sein Thema, um ihm anschließend mit kräftigen Strichen Leben einzuhauchen. Oft füllt er große Flächen derart mit Bleistift, sodass diese ein faszinierendes Eigenleben erhalten. Durch den Wechsel der Bleistifte mit
verschiedener Stärke und die Veränderung des Druckes, mit dem er arbeitet, ergeben sich eigenwillige Schattierungen, die das Werk im positivsten Sinne spannend, ja sogar lebendig machen. Akzente werden von ihm gekonnt und eher sparsam mit Farbstiften gesetzt. Die Themen werden von Schützenhöfer spontan gewählt und haben oftmals einen jahreszeitlichen oder situativen Bezug. Die Art und Weise, damit umzugehen, ist speziell und bei ihm stark auf das Wesentliche, die Essenz des Themas, konzentriert. Auf die für ihn wichtigsten Elemente reduziert, entsteht schließlich eine abstrakte Zeichnung, die in ihrer gesamten Anmut einzigartig ist. Günther Schützenhöfers Werke werden seit 2001 weltweit gezeigt und befinden sich in zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen. [Galerie Gugging Ausstellungsdauer bis 3. September 2015]
78 | KUNST.INVESTOR Galerie Gugging
Š Galerie Gugging
79 | KUNST.INVESTOR Galerie Gugging
Foto: Š Galerie Gugging
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Foto: Š Galerie Gugging
81 | KUNST.INVESTOR 21er Haus
© Hans Weigand
HANS WEIGAND Surfing Mit der Ausstellung Surfing widmet sich das 21er Haus vom dem vielfältigen Werk des österreichischen Künstlers Hans Weigand. Knapp zwanzig Jahre nach seiner letzten institutionellen Einzelausstellung in Wien präsentiert diese Schau einen Querschnitt durch vierzig Jahre von Weigands genreübergreifendem Schaffen, angefangen bei seinen frühen fotografischen Arbeiten über seine kollaborativen Filmprojekte mit Heimo Zobernig und Jason Rhoades bis hin zu seinen Lampenschirmentwürfen und den großformatigen Gemälden, die druckgrafische, malerische und digitale Elemente verbinden. Aber mehr als einen Querschnitt zeigt diese Ausstellung vor allem die Entwicklung und Haltung eines Künstlers, der paradigmatisch für einen
entscheidenden Moment in der österreichischen Nachkriegskunst steht: In der Tradition von Oswald Oberhuber eignet sich Weigand das Prinzip der „permanenten Veränderung in der Kunst“ an, und es ist sein ganz individueller, kompromissloser Weg, den Surfing nachzeichnet und konkretisiert – nicht zuletzt in Weigands Umgestaltung der architektonischen Struktur im Obergeschoss des 21er Haus. Zu erwarten sind u. a. eine „Wunderkammer“, ein fahrbarer Raum und ein Panorama; alles Elemente, die ungewohnte ästhetische Erfahrungen bieten. [21er Haus – Ausstellungsdauer bis 13. September Foto: © 21er Haus]
84 | KUNST.INVESTOR Belvedere
Gustav Klimt, Medizin (Detail: Hygieia), 1900/07, Fakultätsbild für die Universitäten, Öl auf Leinwand, Lichtdruck, © Belvedere, Wien
85 | KUNST.INVESTOR Belvedere
KLIMT UND DIE RINGSTRASSE
Im Boom der Gründerzeit entstand entlang der Wiener Ringstraße eine Fülle an Palais und öffentlichen Prunkbauten. Mit der Ausstellung Klimt und die Ringstraße widmet sich das Belvedere im Sommer 2015 jenen charismatischen Ringstraßenmalern, die ihre Zeit maßgeblich geprägt haben. Ausgehend vom Oeuvre des Künstlerfürsten Hans Makart spannt sich der Bogen bis zum Triumph des jungen Malerkollektivs der Künstler-Compagnie rund um Gustav Klimt. Rekonstruktionen ganzer Dekorationsensembles führen dem Besucher den glanzvollen Lebensstil der Ringstraßenära vor Augen. Neben sinnlicherzählerischen Einzelwerken werden erstmals auch Arbeiten des jungen Klimt gezeigt, die bislang noch nie öffentlich zu sehen waren. Die Wiener Ringstraße ist als eines der prägenden und markantesten architektonischen Ensembles der Stadt essenzieller Bestandteil des Weltkulturerbes Historisches Zentrum von Wien. Sie ist im ausgehenden 19. Jahrhundert Ausdruck des Anspruchs Wiens, das alleinige Zentrum der Donaumonarchie zu sein. Zugleich dokumentiert sie die Donaumonarchie als politische Großmacht auf dem europäischen Kontinent. Die Bebauung beginnt in den 1860er-Jahren und ist erst bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs weitgehend abgeschlossen. Mit ihr zeigt sich
Wien als neues, dynamisch-repräsentatives Wirtschafts- und Handelszentrum. Die Ringstraße als Abbild der Modernisierungsbestrebungen der k. u. k. Monarchie vermittelt auch architektonisch den Übergang von der mittelalterlichen Bürgerstadt zu einer modernen, industriell geprägten Metropole. Auf der einen Seite repräsentieren Bauten wie das Burgtheater oder das Naturhistorische und das Kunsthistorische Museum den kulturellen Führungsanspruch der Monarchie und die Neue Hofburg die politische Macht des Kaiserhauses, auf der anderen Seite dokumentieren die Palais des Großbürgertums, das Parlament, die Börse oder der Musikverein das. wirtschaftlich wie kulturell erwachte Selbstverständnis der großbürgerlichen Gesellschaft. Diese Doppelfunktion der Kultur im Fall des Kaiserhauses als Symbol politischer Autorität, im Fall des Großbürgertums als Zeichen wirtschaftlicher Macht lässt sich an der Architektur der Ringstraße ablesen. Demzufolge können die Raumausstattungen der Gebäude als Ausdruck des jeweiligen kulturellen Selbstverständnisses verstanden werden. Mit der Ausstellung Klimt und die Ringstraße beabsichtigt das Belvedere daher, die Kunst der Ringstraßenzeit, ihre Sammler und ihre Sammlungen zu beleuchten.
86 | KUNST.INVESTOR Belvedere
Hans Makart, Portrテ、t Karoline Gomperz, um 1870, テ僕 auf Leinwand, 135 x 95 cm ツゥ Salzburg Museum
87 | KUNST.INVESTOR Belvedere
Da die einzelnen Aspekte der Malerei, Plastik und Architektur bisher überwiegend isoliert in wissenschaftlichen Darstellungen aufgearbeitet wurden, fehlen die Zusammenhänge mit den Sammlernnd Mäzenen der Ringstraße, die weitgehend ausgeblendet wurden. Anhand von Ausstattungsbildern für öffentliche Gebäude und Privatwohnungen lassen sich die unterschiedlichen künstlerischen Positionen vergleichen, Ausstellungsobjekte vermitteln Stilwandel und Kontinuitäten. Gezeigt werden Werke der am Historienbild orientierten Schule Carl Rahls, des Farbenmagiers Hans Makart und des jungen, aufstrebenden Malers Gustav Klimt, der in der Ausstellung mit frühen Referenzwerken vertreten ist, die Höhepunkt und Abschluss der Malerei der Ringstraßenzeit repräsentieren. Heute umschreibt der Begriff „Ringstraßenzeit“ das Idealbild einer verklärten Vergangenheit. Mit der Ausstellung zum 150. Jubiläum der Eröffnung der Ringstraße unternimmt das Belvedere daher den Versuch, den künstlerischen Wandel während der sich über 50 Jahre hinziehenden Bebauung der Ringstraße erkennbar zu machen.
Stetige Veränderung, Diskrepanz und Kontinuität sind letztlich die Kennzeichen dieser Zeit des rasanten industriellen Aufbruchs, der alle Bereiche, sei es Ökonomie, Politik, Gesellschaft oder Kunst, betraf. So werden in der Ausstellung Ausstattungsbilder für das Burgtheater und das Kunsthistorische Museum, Entwürfe für die prunkvollen Räume des Palais Epstein, Makarts Gemälde für Nikolaus Dumbas Arbeitszimmer, Teile der Ausstattung von Dumbas Musikzimmer von Gustav Klimt und der Künstler-Compagnie wie auch Mobiliar aus Makarts Besitz zu sehen sein. Stücke aus dem Besitz von Mäzenen wie Friedrich von Leitenberger und Nikolaus Dumba werden ebenso präsentiert wie Pretiosen aus den Sammlungen der Familie Bloch-Bauer. Die Ausstellung erlaubt einen differenzierten Blick auf eine Epoche, die mit ihren industriellen Produktions- und Reproduktionsmitteln die Möglichkeiten handwerklicher Erzeugung vielfach übertraf und sich auf der Suche nach einem neuen künstlerischen Wertekanon befand. [ Unteres Belvedere-3. Juli bis 11. Oktober 2015, Foto: © Belvedere]
88 | KUNST.INVESTOR Belvedere
Gustav Klimt, Die Musik (Entwurf), 1895, テ僕 auf Leinwand 37 x 44,5 cm, ツゥ bpk / Bayerische Staatsgemテ、ldesammlungen
89 | KUNST.INVESTOR Belvedere
Hans Makart, Dekoratives Blumenbouquet, 1884 テ僕 auf Leinwand, 205 x 118 cm, ツゥ Belvedere, Wien
92 | KUNST.INVESTOR Klimt-Foundation
Foto: © Gertrude Floege - Klimt-Foundation, Wien
Klimt-Meisterwerke am Attersee Gustav Klimts Meisterwerk "Freundinnen (Die Schwestern)“ aus dem Jahr 1907 kehrt nach über 100 Jahren an den Ort seiner Vollendung zurück Seit der Eröffnung des Gustav Klimt Zentrums in Kammer-Schörfling im Juli 2012 sind nun wieder – bereits in der vierten Saison – hochkarätige Meisterwerke des berühmten Jugendstilkünstlers am Attersee zu Gast. Waren es bisher von der Region um den Attersee inspirierte Landschaftsgemälde aus dem Bestand des Leopold Museum, so ist es diesmal ein ungewöhnliches Ölgemälde zweier Damen aus der Sammlung der Klimt-Foundation. "Gustav Klimt hat während seines Sommeraufenthaltes am Attersee ein neues Bild vollendet. Das Werk führt den Titel ,Die Schwestern‘ und stellt zwei Wiener Damen in eleganten Winterkostümen dar. Das Bild dürfte in der Galerie Miethke zur Ausstellung gelangen.“ Ein Eintrag in der Neuen Freien Presse vom 7. September 1907 dokumentiert die Vollendung dieses Werkes an Gustav
Klimts Urlaubsort, das nun nach über 100 Jahren wieder dorthin zurückkehrt. Darüber hinaus gelingt der Klimt-Foundation als neuen Betreiber des KlimtZentrums, die erstmalige Zusammenführung von drei aus bisher fünf bekannten Zeichnungen, die Gustav Klimt (1862-1918) im Jahr 1912 von Gertrude Flöge (1907-1971) fertigte. Die multimediale Ausstellung mit Klimt-Kino, Salzkammergut-Panorama und – neu – mit Audioguides für Smartphones, bereichert ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Führungen, Klimt-Gesprächen und Kinderworkshops. Darüber hinaus erhält das touristische Vorzeigeprojekt eine EU LEADER Auszeichnung des Landes OÖ. [KlimtFoundation, Ausstellungsdauer bis 2. August 2015 Foto: © Klimt-Foundation, Wien]
93 | KUNST.INVESTOR Klimt-Foundation
Foto: Š Freundinnen - Klimt-Foundation, Wien
94 | KUNST.INVESTOR Kunsthaus Wien
Foto: © IKON, Marlene Göntgen
Pas de Deux Die Ausstellung „Pas de Deux“ entsteht aus einer Zusammenarbeit zwischen EIKON – Internationale Zeitschrift für Photographie und Medienkunst und der Schule Friedl Kubelka für künstlerische Photographie, Wien. Verstärkung erfährt diese Kooperation noch durch das KUNST HAUS WIEN, das sich in seiner „Galerie“ vermehrt der jungen Fotografie zuwenden möchte und den institutionellen Rahmen für die Schau abgeben wird. Das Konzept der Ausstellung sieht dabei vor, die TeilnehmerInnen des aktuellen Studienjahrgangs der Photoschule dazu einzuladen, jeweils ein Werk aus der Editionsreihe von EIKON auszuwählen, mit jener Arbeit in Dialog zu treten und sie zum Ausgangspunkt für die Entwicklung einer neuen künstlerischen Arbeit zu nehmen. Mit Spannung bleibt dabei zu erwarten, ob der Paartanz friedlich-harmonisch über die Bühne gehen wird oder im Gegenteil aus dem Duett womöglich sogar ein Duell werden könnte, weil allzu scharf geschossen wird ........................... Die Zeitschrift EIKON, gegründet 1991 von Carl Aigner und seit 2013 unter der Leitung von Nela Eggenberger, versteht sich als Plattform für
österreichische und internationale KünstlerInnen aus dem Bereich Fotografie und Medienkunst. EIKON erscheint vierteljährlich und ist bilingual (dt./engl.). Bei den Hauptbeiträgen steht stets eine enge Zusammenarbeit mit den präsentierten KünstlerInnen im Zentrum, die sich auch in den von EIKON veröffentlichten Kunsteditionen, ‚Edition EIKON‘, widerspiegelt. Die Schule für künstlerische Photographie, Wien wurde 1990 von Friedl Kubelka gegründet und wird seit 2010 von Anja Manfredi geleitet. Das Konzept der Schule konfrontiert die Studierenden in jedem Jahr mit einer Vielzahl von KünstlerInnen und TheoretikerInnen, die aus ihrer je eigenen Sichtweise heraus unterrichten, um diverse Zugänge zu eröffnen. Der Unterricht findet in Form von Workshops, Vortragsreihen, Gastvorträgen sowie praktischer Arbeit statt. Das eigene Œuvre aufzubauen, in dem bestimmte Interessen, Haltungen und Motive herausgearbeitet werden, ist die Zielsetzung des Studienjahrgangs. Foto: © IKON [KUNST HAUS WIEN- Ausstellungsdauer 27. August 2015]
95 | KUNST.INVESTOR Kunsthaus Wien
Foto: © IKON, Gabriel Pendl
Foto: © IKON,, Leonard Prochazka
96 | KUNST.INVESTOR
Museum Startgalerie Artothek
Hubert Schmalix, Brunnenfigur, 1981 テ僕 auf Leinwand | oil on canvas, 95,5 x 80 cm, Foto ツゥ MUSA
97 | KUNST.INVESTOR
Museum Startgalerie Artothek
Linda Christanell. Karin Mack, Margot Pilz aus der Fotoinstallation „Wir über uns“, 1982 Schwarzweiß, Foto © MUSA
Die 80er Jahre - Pluralismus an der Schwelle zum Informationszeitalter Rückblickend auf das vierte Jahrzehnt seiner Sammlungsgeschichte untersucht das MUSA die 1980er Jahre. Diese Phase der heftig diskutierten „Postmoderne“ ist vom Erstarken des Kunstmarkts geprägt, der anfänglich vor allem auf die männlich dominierte Malerei der „Neuen Wilden“ setzte. Die große Aufmerksamkeit, die dieser internationalen Strömung zuteil wurde, lässt leicht übersehen, dass sich daneben zahlreiche andere Richtungen etablierten. Die geometrische Abstraktion als „Neue Geometrie“ oder „Neo Geo“ wurde als Gegenentwurf zur expressiven Grundhaltung der figurativen Malerei gesehen. Auch Kitsch und Ironie werden als Antistilmittel häufig eingesetzt. Besonders wichtig erscheint die Tendenz zur Entmaterialisierung der Kunst, die unter verschiedenen Zielsetzungen vorangetrieben wurde. Die Fotografie hat sich erstmals nach 1945 einen prominenten Platz in der Wiener
Kunst erkämpft, Konzept und neue Medien spielen ebenso eine wichtige Rolle wie der Computer, der auch als bildnerisches Mittel seinen Siegeszug beginnt. So wie in diesen Bereichen waren auch in der Erweiterung des Wiener Aktionismus viele Künstlerinnen führend beteiligt. Dieser künstlerische Pluralismus bildet sich auch in der Sammlung des MUSA ab. Unser Fokus richtet sich einerseits auf das allgemeine Spektrum der Kunst dieser Zeit, andererseits aber auch darauf, wieweit die genannten künstlerischen Phänomene Eingang in die Sammlung fanden. In den 1980er Jahren gelang es der Kulturabteilung, eine allmähliche Professionalisierung im Sammlungsmanagement herbei zu führen. Die Berufung einer Ankaufsjury, die ab 1986 mehrmals jährlich Empfehlungen für die Ankäufe abgab, ist ein Meilenstein in der Sammlungsgeschichte des MUSA. Ausstellungsdauer bis 24.10.2015 (Foto: © Museum Startgalerie Artothek)
98 | KUNST.INVESTOR
Museum Startgalerie Artothek
Siegfried Anzinger, Ochs und Vogelspinne, 1986 Eitempera auf Leinwand | egg tempera on canvas, 140 x 100 cm, Foto Š MUSA
99 | KUNST.INVESTOR
Museum Startgalerie Artothek
Erwin Wurm, Tänzerin, 1985 Papiermaché, Acryl, Holzsockel | paper-mâché, acrylic, wooden pedestal, 100 x 45 x 45 cm, Foto © MUSA
100 | KUNST.INVESTOR
Museum Startgalerie Artothek
Robert Zahornicky aus der Serie „Puzzle“: Anka H, 1986, Fotocollage (Polaroid SX-70) auf Karton, 65 x 48 cm, Foto © MUSA
101 | KUNST.INVESTOR
Museum Startgalerie Artothek
Dora Maurer, Relatives Quasibild Nr. 4, 1989 Acryl auf Holz | acrylic on wood, 100 x 70 cm, Foto Š MUSA
102 | KUNST.INVESTOR Sammlung Friedrichshof
Foto: sammlung Friedrichshof © 2013 Johan Lindeberg
BJARNE MELGAARD – „Daddies Like You Don‘t Grow On Palm Trees“ Der Norweger Bjarne Melgaard, Shooting Star und Enfant terrible der internationalen Kunstszene, ist ein nomadisch lebender und weltweit präsenter Künstler der mittleren Generation. Nach Berlin und Barcelona behauptet er sich seit sieben Jahren in New York, einem der Epizentren der Gegenwartskunst und hat in den letzten Jahren seine künstlerischen und medialen Ausdrucksmöglichkeiten stark erweitert. Seit Jahren stellt er weltweit in den wichtigsten Museen und Kunsthallen aus, hat Norwegen auf diversen Biennalen, darunter auch jener in Venedig vertreten und wird dabei von wichtigen Galerien und Kunsthändlern begleitet. Seinen stilistisch schwer festzulegenden, agitatorischen Malstil hat er zu einem aufregend vibrierenden Aktionsfeld umfassender Medialität erweitert. In den letzten Jahren entstanden Installationen, Skulpturen, Romane, Filme und dieser spielerisch gehandhabte mediale Reichtum wird in der Ausstellung in der Sammlung Friedrichshof erstmals mit einer eigenen Design- und Modelinie erweitert. Mit dieser reagiert Melgaard ironisch auf die totalitäre Ästhetik mit welcher heute der amerikanische Consumerism bzw. die weltweit immer autoritärer agierenden LifestyleGiganten wie LVMH (Arnaud) oder Artemis (Pinault) den Kunstmarkt bestimmen und kontrollieren. Diese
das Werk Melgaards zunehmend charakterisierende enthemmt diversifizierte Ausdruckslust, erinnert an die Arbeitsstrategie Martin Kippenbergers, in dessen Werk eine heterogene, stilistisch schwer festzulegende, das dilettantische Element bewusst betonende und in ihrer Unmittelbarkeit extrem kraftvolle Malerei Teil eines immer ausgeprägteren individuellen Universums wurde. In Hinblick auf die Absicht der Ausstellungsprogrammatik der Sammlung Friedrichshof, die historischen Bestände der Sammlung aus den 1960-er Jahren im Wiener Aktionismus mit den Wechselausstellungen zu kontextualisieren, zu kontrastieren und zu kommentieren, darf man auf ein spannendes, weil kontrastreiches Aufeinanderprallen zweier im Kern radikaler Positionen neugierig sein. Darüber hinaus zählt Melgaard sowohl die Malerei als auch die experimentelle Biographie Otto Muehls zu den Fundamenten von denen aus er seine eigene Arbeit entwickelte. Auf Einladung des Munch Museums in Oslo, hatte er im Jänner dieses Jahres in einer großen Ausstellung auch einem anderen seiner Idole mit eine risikoreichen und gerade deshalb umso mehr überzeugenden HommageRespekt gezollt. [SAMMLUNG FRIEDRICHSHOF, Ausstellungsdauer: bis 30.11. 2015]
103 | KUNST.INVESTOR Sammlung Friedrichshof
„THE CASUAL PLEASURE OF DISAPPOINTMENT“, Galerie Thaddaeus Ropac, Paris Marais 2015 Foto: © Sammlung Friedrichshof
2014 Whitney Biennale, Whitney Museum of Art, New York Foto: © Sammlung Friedrichshof
104 | KUNST.INVESTOR MAK DESIGN SALON #4
MAK DESIGN SALON #04 DUNNE & RABY. The School of Constructed Realities Fiktion und Realität in der MAK-Expositur Geymüllerschlössel
Der MAK DESIGN SALON #04 in der MAK-Expositur Geymüllerschlössel steht im Zeichen von Fiktion und Realität: Das Londoner Designduo Dunne & Raby untersucht mit seinem Ausstellungsbeitrag The School of Constructed Realities die Potenziale spekulativen Designs im Hinblick auf Herausforderungen und Perspektiven im 21. Jahrhundert. Die Arbeiten des Studios dienen als Anschauungsbeispiele einer fiktiven Designschule, die sich im Geymüllerschlössel erstmals formiert. The School of Constructed Realities ist ein Modell, das unterschiedliche Ideen und Experimente miteinander verknüpft, um mittels Design noch zu erfindende Welten darzustellen. Die BesucherInnen der Ausstellung sind eingeladen, über den Einfluss von Designausbildungen im Hinblick auf die Entwicklung und Gestaltung von Zukunftsvisionen nachzudenken. The School of Constructed Realities ist der Titel einer Kurzgeschichte, die Dunne & Raby erstmals 2014 auf dem Online-Portal von Maharam (einem 1902 vom russischen Immigranten Louis Maharam in New York gegründeten, künstlerisch progressiven Textilhaus) veröffentlichte. Anthony Dunne, Gründer und langjähriger Leiter des Design Interactions Departments am Royal College of Art in London, und Fiona Raby, Professorin für Industrial Design an der Universität für angewandte Kunst Wien, gelten seit Jahren als
PionierInnen einer konzeptuellen Designbewegung. Mit The School of Constructed Realities stellen sie einen alternativen Ansatz zur gegenwärtigen Designausbildung vor, die sich teilweise noch heute an der Kunstgewerbe- und Bauhaus-Bewegung des 19. und 20. Jahrhunderts orientiert. Jeder Raum in der MAK-Expositur Geymüllerschlössel verweist auf neue Lern- und Lehrinhalte wie „Weltandeutung“, „Ästhetik der Unwirklichkeit“, „Physische Fiktionen“, „Eine neue Normalität“, „Jenseits des Realismus“ oder „Objektsystematik“. Jüngste sowie eigens für diese Ausstellung entwickelte Arbeiten von Dunne & Raby dienen bei diesen Themen-Inszenierungen als Anschauungsmaterial. Eine Spekulation über den Fortbestand des Vereinigten Königreichs skizziert das Projekt United Micro Kingdoms (UmK), das Dunne & Raby 2013 im Auftrag des Design Museum in London entwickelte.Miniaturmodelle und Illustrationen geben Einblick in ein alternatives Großbritannien, das sich in vier unabhängige Regionen mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen und Lebensstilen aufteilen würde. Diese von gängigen Vorstellungen befreiten „Laboratorien“ hinterfragen die kulturelle und ethische Auswirkung vorhandener und neuer Technologien und wie diese unsere Lebensweise verändern.
105 | KUNST.INVESTOR MAK DESIGN SALON #4
Filip Dujardin, Untitled, aus der Serie Fictions, 2007, © Filip Dujardin
106 | KUNST.INVESTOR MAK DESIGN SALON #4
Die Arbeit Not Here, Not Now (2014), die ursprünglich für die Ausstellung Future Fictions am Z33 – House for contemporary art in Hasselt, Belgien (5.10.2014 – 4.1.2015), entwickelt wurde, stellt fiktionale Objekte in den Kontexten „Ästhetik der Unwirklichkeit“ und „Physische Fiktionen“ dar. Großformatige Fotodrucke zeigen spekulative Produkte und Interfaces wie ein Publi-voice, einen Ethiculator oder einStop & Scan device, die ebenfalls Teil der Lebenswelt der „Digitarians“ [DigitarierInnen] – einer Gesellschaft, die von den Möglichkeiten der digitalen Technologie abhängt – in UmK sind. Eigens für die Intervention The School of Constructed Realities realisierten Dunne & Raby in Zusammenarbeit mit den in London lebenden und arbeitenden Designern Keiichi Matsuda und Lukas Franciszkiewicz die filmische Animation Not Here, Not Now: CGI (2015), die die Darstellbarkeit von Fiktionen auslotet. Gemeinsam mit Franciszkiewicz, einem ihrer ehemaligen Design InteractionsStudentInnen, erarbeiteten sie für den MAK DESIGN SALON #04 das Filmprojekt Meinong’s Taxonomy of Objects (2015), das die Gegenstandstheorie des österreichischen Philosophen und Begründers der Grazer Schule der Experimentalpsychologie Alexius Meinong (1853–1920) thematisiert. „Dunne & Rabys Verständnis von Design ist umfassend und eröffnet
DesignerInnen und uns allen einen enormen Spielraum für ein erweitertes Nachdenken über die Zukunft“, so Thomas Geisler, Kurator der Ausstellung und Kustode der MAK-Sammlung Design, zum diesjährigen MAK DESIGN SALON #04. Das Designduo, das seine Projekte stets als Ausgangspunkt für neue Explorationen und nicht als Präsentation vor-definierter Ergebnisse sieht, folgt mit The School of Constructed Realities auf Design-interventionen von Robert Stadler (Back in 5 min, 13. September – 30. November 2014), Studio Formafantasma (The Stranger Within, 14. September – 1. Dezember 2013) und Michael Anastassiades (Time and Again, 12. Mai – 25. November 2012). Die Intervention The School of Constructed Realities, die vom Auktionshaus Dorotheum großzügig unterstützt wird, bietet am 4. Oktober um 11:00 Uhr Anlass für eine Matinee im Rahmen der VIENNA DESIGN WEEK. Fiona Raby und Anthony Dunne sowie der Designer Jurgen Bey, Partner des Studios Makkink & Bey und Direktor des Sandberg Institute an der Gerrit Rietveld Academy in Amsterdam, diskutieren unter der Moderation von Thomas Geisler über neue Denkschulen und Ausbildungsmodelle im Bereich Design. [MAKExpositur Geymüllerschlössel – Ausstellungsdauer bis 4. Oktober 2015, Foto: © MAK]
107 | KUNST.INVESTOR MAK DESIGN SALON #4
Dunne & Raby, Digiland, aus The United Micro Kingdoms, 2013, © Dunne & Raby
108 | KUNST.INVESTOR MAK DESIGN SALON #4
Dunne & Raby, Not Here, Not Now, Ausstellungsansicht Future Fictions, Z33- House for contemporary art Hasselt, Belgien, 2014, Š Dunne & Raby
109 | KUNST.INVESTOR MAK DESIGN SALON #4
Dunne & Raby/Michael Anastassiades, Huggable Atomic Mushroom, aus der Serie Designs for Fragile Personalities in Anxious Times, 2004/2005, Š Francis Ware
Aux Gazelles – Savoir Vivre in Wien Le Restaurant, Le Club, Le Design Mit "mehr Funktion und weniger Folklore" ist das gemeinsam entwickelte Design-Konzept von Christine Ruckendorfer und Architekt Alberto Bach perfekt definiert. Bach zeichnet mit seinem Büro Albertoni für viele internationale Prestigebauten verantwortlich und hält Nichts von unnötigem Chi Chi, lauten Farben und orientalischen Klischees. Beide wollten dem Aux Gazelles mehr Spielraum und Bewegung geben. Das Licht wird durch die Neugestaltung tief in den Raum geholt. Auch die Séparées wurden neu interpretiert. "Ich wollte zwei unterschiedliche, elegante Welten kreieren, das Restaurant mit dem großzügigen Gastgarten ist eine helle frische Sommerwelt von großer Klarheit", erklärt Bach. "Verbindend dazu finden sich Designelemente, die klar und schwungvoll sind, mit klassisch marokkanischen Elementen." Eine Formsprache, die in Abwandlungen immer wieder zum Einsatz kommt. Ruckendorfer Für Ruckendorfer ist das Ergebnis "ein zeitgemäßes Lokal auf internationalem Niveau, ohne folkloristisch zu sein." Auf 2000 Quadratmeter wird "Savoir Vivre in Wien" geboten: Essen, Trinken, Tanzen, Verwöhnen, Entspannen & Genießen. Neue Features, wie "Lunch Bazaar", "Signature Drinks", "After Work-Shower" und anderes mehr erwarten den Gast. "Orient Light" nennt sich das frische Food-Konzept, vielfältig, spannend und ideal für die heißen Sommermonate in der City. Im "Lunch Bazaar" werden mittags feine Variationen in Form von libanesischen MezzeGerichten und marokkanischen Vorspeisen das Aux in Form eines All You Can Eat-Buffets angeboten. Abends können diese auch à la Carte bestellt werden. Als Mittagsmenü gibt es Rindsbrochettes mit gratinierten Zucchini, Lammköfte im Tomaten-Zimtfonds mit Dijon Senf und gegrillte Calamari & Garnelen mit Spargel-Fenchel-Salat. Abends kommt regional-österreichisches zum Einsatz, wie bei der Tajine mit Mariazeller Saibling, knusprigem Rinderprosciutto und Granatapfel, einem zarten Kalbsgulasch, Couscous und Kichererbsen. Vegetarier werden mit Gemüse-Tajine oder gebackenen Kartoffeln mit Arganöl, Koriander mit Limetten-Sauerrahmdip verwöhnt.
Wüstentee on the Rocks meets Bloody Mary Eine schöne Bar braucht exzellente Drinks! Daher hat sich das Aux Gazelles-Team gleich mehrere feine SignatureDrinks überlegt. So wird der berühmte marokkanische Minztee, an dem bereits Winston Churchill im La Mamounia schlürfte, im Sommer "on the rocks" serviert. Zum Feierabend gibt es eine alkoholische Version des Traditionsgetränks aus der Sahara, gemixt mit Gin. Oder ein Gimlet, das berühmt, berüchtigte Getränk der Britischen Navy, favorisiert von Ernest Hemingway und bekannt aus den Philip Marlowe-Krimis. Apropos Hemingway: Zu Beginn einer heißen BarNacht darf ein perfekter Bloody Mary nicht fehlen. Dieser Klassiker wird im Aux Gazelles nach einer klandestinen Rezeptur eines jamaikanischen Barmans gemixt. After Work-Shower Raus aus dem Job und rein in den Feierabend! Doch wo bitte, machen Mann und Frau sich nach einem anstrengenden Arbeitstag frisch und fein? Nicht jeder wohnt im City-Loft um die Ecke. Hammam und Salon de Beauté schaffen Abhilfe. Für 15,- Euro können sich Aux Gazelles-Gäste von 17 bis 20 Uhr duschen, entspannen und für den Abend zu Recht machen. Im Preis inkludiert sind: Handtuch, Erfrischungsgetränk (hausgemachte Limonaden und Eistees). Verwöhnprogramm für Body & Soul Eine alte Hammam-Tradition besagt: Politik, Geld und Sorgen bleiben draußen! Insofern sind Hammam & Salon de Beauté nicht gerade der geeignete Ort für das nächste Business Meeting, wohl aber um sich von Kopf bis Fuß verwöhnen zu lassen und zu entspannen. Auf 500 Quadratmetern befinden sich ein klassisches Dampfbad, Behandlungs- und Entspannungsräumlichkeiten in bester Orient-Manier. Hammamcis verwöhnen mit Waschungen, Peelings, wohlriechenden Salben und einer Haarwäsche – falls gewünscht. Mehr Info unter www.auxgazelles.at
118 | KUNST.INVESTOR BANK AUSTRIA KUNSTFORUM
Hubert Schmalix © Lee Thompson, 2015
Hubert Schmalix im Bank Austria Kunstforum Aktuelle Gemälde bilden neben ausgewählten älteren Arbeiten den Schwerpunkt der Ausstellung. Schmalix’ Werk der frühen 1980er-Jahre zählt zur internationalen Bewegung der Neuen Wilden, später wird der Malvorgang konstruktiv-konzentrierter. Der Künstler versteht die Bildfläche als Arrangement von Farbflächen zwischen Figuration und Abstraktion. Grazile Figuren werden zu formalen Inseln, umgeben von großzügigen, monochromen Zonen. Schmalix’ Verabschiedung von der „neuen wilden Malerei“ eröffnet ihm neue Möglichkeiten, seine bildliche Syntax auszubauen, sein Vokabular zu konzentrieren und in immer neuen „Bild-Texten“ durchzuspielen. Ein planer Farbauftrag und ein klar durchdachtes Bildgefüge, das um die Möglichkeiten der Dekoration genau so weiß wie um subtile Manierismen und mit dem Reiz einer mechanisch anmutenden Machart ebenso spielt wie mit deren subtiler Durchbrechung, geht damit einher. Von Beginn an nimmt der Akt eine zentrale Rolle in der Bildwelt des Malers ein, erotisch, oftmals sogar lasziv und mit der Pornografie kokettierend. Die sinnlicheinladende Dimension untergräbt Schmalix jedoch, indem er diese mit seiner flächigen Malerei bricht und den illusionären Schein des Objekts relativiert. Die Protagonistinnen werden zu malerischen Zeichen, zu Schablonen, die sich seriell durch die Bilder des Künstlers ziehen – separiert oder als eine Art Modul im größeren Bildverband, gepaart mit Floralem,
Ornamentalem oder Landschaftlichem. Für die Ausstellungsräume des Bank Austria Kunstforum Wien hat Schmalix zwei große neue Werkserien gemalt. Zum einen werden zierlich anmutende Frauenakte mit großflächigen Teppichmustern verwoben – ein malerisches Changieren zwischen figurativer Körperlichkeit und ornamentaler Fläche. Der Künstler versteht sich als Dekorateur im Sinne von schön gestalteten Gemälden. In seiner Malerei geht er durchwegs formal vor, seine Motive entspringend der reinen Malerei, losgelöst von Narration und Inhalt. Zum anderen widmet sich Schmalix aber auch dem Genre Landschaft: Idyllische Orte aus Gemälden der Malerei der Romantik oder selbst erlebte „rustikale“ Gegenden sind Vorbilder, die zum poppigen Image stilisiert werden. Die scheinbar monoton-mechanische Machart und die zweidimensionale Wirkung, wie im Siebdruckverfahren, lassen die Bilder artifiziell wirken. Schmalix’ Gouachen auf Karton hingegen sind von einem offeneren und somit malerischen Duktus im klassisch-romantischen Stil geprägt. Kitsch liegt in der Luft, wenn Schmalix klappernde Mühlen am rauschenden Bach oder Heidi-Almhütten mit Alpenglühen ins Bild setzt – ein Kitsch jedoch, der in frischer und cooler Manier immer wieder gebrochen wird. [Bank Austria Kunstforum , Ausstellungsdauer bis 12. Juli 2015] (Foto: © Bank Austria KunstforumLeisure Communications)
119 | KUNST.INVESTOR BANK AUSTRIA KUNSTFORUM
Hubert Schmalix, Green Oval, 2005, Privatbesitz, Bildrecht: © Courtesy Hubert Schmalix Foto: © Farid Sabha
120 | KUNST.INVESTOR BANK AUSTRIA KUNSTFORUM
Hubert Schmalix, Cathedral, 2014, Privatbesitz, Bildrecht: © Courtesy Hubert Schmalix, Foto: © Lee Thompson
Hubert Schmalix, Lazy Afternoon, 2014, Privatbesitz, Bildrecht: © Courtesy Hubert Schmalix, Foto: © Lee Thompson
121 | KUNST.INVESTOR
BANK AUSTRIA KUNSTFORUM
Hubert Schmalix, Rocks, 2014, Privatbesitz, Bildrecht: © Courtesy Hubert Schmalix Foto: © Farid Sabha
122 | KUNST.INVESTOR BANK AUSTRIA KUNSTFORUM
Hubert Schmalix, No Apologies, 2014, Bildrecht: © Courtesy Hubert Schmalix, Foto: © Farid Sabha
123 | KUNST.INVESTOR BANK AUSTRIA KUNSTFORUM
Hubert Schmalix, Hunting Lodge, 2014, Privatbesitz, Bildrecht: © Courtesy Hubert Schmalix, Foto: © Lee Thompson
124 | KUNST.INVESTOR Essl Museum
Markus Lüpertz, Vier Kreuze - dithyrambisch III, 1972 © BILDRECHT Wien, 2015, Foto: Stefan Fiedler – Salon Iris, Wien
DEUTSCHE KUNST NACH 1960 Die groß angelegte Schau „DEUTSCHE KUNST NACH 1960“ präsentiert Essl Museum mit über 80 Arbeiten von 21 Künstlern ausgewählte Sammlungswerke von 1960 bis heute. Die Bandbreite reicht von den damals jungen, heute großen (west-)deutschen Altmeistern wie Georg Baselitz und Markus Lüpertz, Dieter Roth und Anselm Kiefer über die jüngeren Generationen um Jonathan Meese und Daniel Richter bis zur Postmoderne bei Anselm Reyle und Tobias Rehberger. Georg Baselitz und Markus Lüpertz, zwei wesentliche deutsche Malereipositionen, stehen sich im ersten Ausstellungsraum dialogisch gegenüber. Beide Künstler verbindet die zentrale Fragestellung, was Malerei sein kann. Der Bildgegenstand ist Anlass zur Malerei, erzählt aber selbst keine Geschichte, viel eher werden traditionelle Themen aufgenommen und neu interpretiert. Georg Baselitz kehrt sein Motiv auf der Leinwand um, Markus Lüpertz wiederholt das immer gleiche Motiv seriell, beide Strategien dienen der Zurücknahme von Bedeutung zu Gunsten von Malerei.Der politischste Raum der Ausstellung ist einer Künstlerfreundschaft über die Ost-West-Grenze hinweg gewidmet - Jörg Immendorff und A.R. Penck. Auch wenn sie auf den ersten Blick zu sehr unterschiedlichen Ausdrucksformen greifen, wollen beide mit ihrer Malerei dezidiert gesellschaftspolitisch Stellung beziehen. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie in ihrem Bemühen, durch Malerei die Gesellschaft zu verändern, scheitern. Für einen von beiden, den „Westdeutschen“ Immendorff, wird durch die Freundschaft mit A.R.Penck die Teilung Deutschlands immer wieder Motiv seiner Kunst, so zeigt das Werk Ostjörg bereits 1980 die Vision des Mauerfalls. So wie Penck ist auch der viel jüngere Neo Rauch in der DDR aufgewachsen. Er leiht sich Paraphrasen aus der deutschen Geschichte, insbesondere der Romantik, und verwendet diese allegorisch in seinen Bildern, fügt sie aber nicht zu einer linearen Erzählung zusammen. Wiedervereinigung, heute ist er weltbekannt und besonders in den USA gilt er als einer der wichtigsten lebenden Künstler Deutschlands. Das Bild ist Bühne für seine mit Pathos aufgeladenen Protagonisten, die nur scheinbar tiefere Bedeutung aufweisen, ganz im Gegenteil verwehren sie jegliche gesellschaftspolitische Aussagen.
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Georg Baselitz, Partisan (Remix), 2005, テ僕 auf Leinwand, ツゥ Georg Baselitz, Foto: Mischa Nawrata, Wien
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Jテカrg Immendorff, Wartebiene II, 1992, テ僕 auf Leinwand, ツゥ Sammlung Essl Klosterneuburg, Foto: Mischa Nawrata, Wien
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A. R. Penck, Serie über Raum 7, 1982, Kunstharz auf Leinwand, © BILDRECHT Wien, 2015, Foto: Mischa Nawrata, Wien
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Neo Rauch, Kommen wir zum Nächsten, 2005, Öl auf Leinwand, 280 x 210 cm, © BILDRECHT Wien, 2015 Foto: Uwe Walter, Berlin - courtesy Galerie EIGEN + ART, Leipzig/Berlin
Rauchs Karriere begann nach der Wiedervereinigung, heute ist er weltbekannt und besonders in den USA gilt er als einer der wichtigsten lebenden Künstler Deutschlands. Eine ganz andere Art des „Sampelns“ betreibt Albert Oehlen, der alles Mögliche für seine Malerei verwendet. Egal ob Hoch- oder Subkultur verwendet er zeitgleich verschiedene Motive und Stile in seiner collageartigen Malerei, deutsche Geschichte hat für ihn keine spezielle Relevanz. Bekannt wurde Oehlen in den 1980ern als ein Hauptvertreter der Jungen Wilden, damals arbeitete er mit Kippenberger, später auch mit Jonathan Meese zusammen. Nur mehr Fragmente einer Geschichte erzählt Tim Eitel in seinen beinahe monochromen Werken. Im Arbeitsprozess, der oft mit einer Fotovorlage beginnt, geht es ihm um die Nur mehr Fragmente einer Geschichte erzählt Tim Eitel in seinen beinahe monochromen Werken. Im
Arbeitsprozess, der oft mit einer Fotovorlage beginnt, geht es ihm um die Konzentration auf das Wesentliche. Alltägliches als Motiv wird mehr und mehr reduziert und verdichtet, Unwesentliches weggelassen, die Farbpalette auf Grautöne eingeschränkt - so bekommt das Bild etwas Allgemeingültiges und das Banale des Alltags wird auratisch aufgeladen. Eine Sonderposition nimmt Dieter Roths Kunst in der Rotunde der Ausstellungshalle ein. Alles, was der Künstler sammelt, wird zu Kunst - Gegenstände, Lebensmittel, Material, Musik - das Gewebe wächst in den Raum und kann ihn damit komplett überwuchern. Auch Vergängliches wie Schokolade oder Schimmel zählen zu seinen Materialien. Die Ausstellung zeigt auch vier Positionen abstrakter Malerei, wobei Hartwig Ebersbach als einziger gestischer Maler der ehemaligen DDR gilt.
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Albert Oehlen, Arturo Klinik Lテカwen, 1999, テ僕 auf Leinwand, ツゥ Sammlung Essl, Klosterneuburg / Wien, Foto: Photoatelier Laut, Wien
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Imi Knoebel, LNNDNN, 2004, Acryl auf Aluminium© BILDRECHT Wien, 2015, Foto: Mischa Nawrata, Wien
Die Ausstellung zeigt auch vier Positionen abstrakter Malerei, wobei Hartwig Ebersbach als einziger gestischer Maler der ehemaligen DDR gilt. Sein Einzelgängertum hat damit zu tun, dass die Kunstdoktrin in der DDR der gestischen Malerei diametral entgegengesetzt war. Der Künstler entäußert sich in der Bewegung vor der Leinwand in expressivdicken Farbauftrag oder verwendet als Motiv die Figur des Kasper, ein volkstümliches Symbol für Narrenfreiheit. Als Gegenpol zur emotionalen Aufladung bei Ebersbach, baut Gerhard Richter seine Arbeiten rein analytisch auf, lotet die grundlegenden Kompositionsschemata von Gestik und Abstraktion aus. Er gilt als der Forscher in der Malerei, der sich aller Stile und Möglichkeiten in vielfältiger Weise bedient, und so kann man ihm keine typische malerische Handschrift zuschreiben. Inhaltlich entzieht auch er sich
jeder Form der Erzählung. Als nächstes treten die abstrakt geometrischen Arbeiten von Günter Förg und Imi Knoebel in einen Dialog: Farbstrukturen bestimmen die Ordnung der Komposition, beide Künstler wollen konsequent handschriftlos bleiben. Förg steht in der formalen Tradition der Architektur der Moderne (1920/30er Jahre) und ihrer Harmonie- und Proportionslehre, setzte sich mit dem Bauhaus ebenso wie mit der Architektur des faschistischen Italiens und der jungen Sowjetunion auseinander. Knoebel arbeitet ähnlich reduziert, geht aber mehr auch ins Objekthafte, ihn interessiert die Farbflächenmalerei, die auch in den Raum geht. Die Ausstellung bildet einen Parcours durch das deutsche Kunstschaffen in Dialogen und Einzelpräsentationen von Künstlern. [Ausstellungsdauer bis 15. November 2015 - Foto: © Essl Museum]
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Gerhard Richter, Zaun, 1983, テ僕 auf Leinwand, 150 x 100 cm, ツゥ Gerhard Richter, Foto: Mischa Nawrata, Wien
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Queenie McKenzie Nakarra, Untitled, ca. 1993, Erdpigmente und natürliche Bindemittel auf Leinwand, 80 x 100 cm, © Sammlung Essl Privatstiftung, Fotonachweis: Graham Baring, Melbourne
ESSL MUSEUM – ABORIGINAL ART Mit Aboriginal Art präsentiert das Essl Museum eine umfangreiche Ausstellung mit Werken der Aboriginal Art, der Kunst der Ureinwohner Australiens. Es werden Werke der Sammlung Essl von bedeutenden und einflussreichen Künstlerinnen und Künstlern zu sehen sein, darunter Arbeiten von Emily Kame Kngwarreye, Rover Julama Thomas und Queenie McKenzie Nakarra sowie auch jüngere Positionen, wie Destiny Deacon. Das Essl Museum besitzt eine der bedeutendsten Sammlungen von Aboriginal Art in Europa. Die Grundlagen dazu bilden mehrere Reisen des Sammlers Karlheinz Essl nach Australien, im Rahmen derer er sich mit der Kunst und Kultur der Aboriginal People intensiv auseinandersetzte. Das Essl Museum gab mit den von Michael Eather kuratierten Ausstellungen „Dreamtime“ (2001) und „Spirit & Vision“ (2004) bereits tiefe Einblicke in die zeitgenössische Aboriginal Art. „Aboriginal Art“ zeigt erstmals ausschließlich Werke aus Sammlungsbeständen in einem neuen inhaltlichen Kontext: Der besondere Fokus wird auf das Spannungsfeld zwischen Tradition, Überlieferung und künstlerischer Innovation vor dem Hintergrund der großen spirituellen Kraft der Arbeiten gelegt. Die Ausstellung beginnt mit den frühen Werken der Aboriginal Art der 1970er Jahre.
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Rover Julama Thomas, Bamarr Country, 1994, Erdpigmente und natürliche Bindemittel auf Leinwand, 80 x 100 cm, © Sammlung Essl Privatstiftung, Fotonachweis: Graham Baring, Melbourne
Nachdem Bilder in dieser Jahrtausende alten Kultur immer flüchtig waren, sind erst auf Initiative des Kunsterziehers Geoffrey Barden 1970 erste Arbeiten auf Leinwand entstanden, die Aboriginal-People nennen sie „Reisende Bilder“. Diese frühen Werke entwickeln sich formal aus den „Ground Paintings“ und Körperbemalungen, inhaltlich bilden sie stark abstrahiert einzelne „Dreamings“ ab. Dreamings sind Teile des Wissens der Aboriginal-People, die mündlich von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich viele Zentren, Schulen und einzelne Künstlerpersönlichkeiten etabliert. Auffällig ist die große künstlerische Weiterentwicklung vom Repetieren der traditionellen Formensprache hin zu einem sehr freien Umgang mit spirituellen Inhalten. Besonders hervorzuheben sind die scheinbar abstrakten Werke von Paddy Bedford, Queenie McKenzie Nakarra und Rover Julama Thomas, die durch die ausschließliche Verwendung von Erdpigmenten ihre kontemplative Kraft entfalten. Ein Star unter den australischen Künstlerinnen und Künstlern ist Emily Kame Kngwarreye, die mit zahlreichen großformatigen Arbeiten in der Sammlung Essl vertreten ist. Als über 80-Jährige begann diese Künstlerin zu malen und hatte in nur wenigen Jahren eines der beeindruckendsten Werke der abstrakten Kunst in Australien geschaffen. Ausstellungsdauer bis 16. August 2015(Foto: Essl Museum - © Sammlung Essl Privatstiftung)
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Johnny Warangkula Tjupurrula, Cave Corroboree Dreaming, 1971, Synthetische Polymerfarbe auf Sperrholzplatte, 42 x 30 cm, Š Sammlung Essl Privatstiftung, Fotonachweis: Graham Baring, Melbourne
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