3 minute read
Handwerkskammer Konstanz
Handwerkskammer Konstanz Webersteig 3 D-78462 Konstanz Tel. +49 (0) 7531 2050 info@hwk-konstanz.de www.hwk-konstanz.de
Georg Hiltner Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz
Advertisement
Die Bedarfe sind heterogen
Die Corona-Pandemie hat zu einem Digitalisierungsschub in allen Bereichen geführt. Auch große Teile des Handwerks sehen das Thema als wichtigen Baustein für eine erfolgreiche Zukunft. Der aktuelle Digitalisierungsgrad der Unternehmen ist allerdings recht unterschiedlich ausgeprägt und abhängig von vielen Faktoren, wie nun eine großangelegte Studie, „das Digitalisierungsbarometer“ zeigt. Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz und Mitautor der Studie, über die Hintergründe und Ergebnisse des Digitalisierungsbarometers.
Interview mit Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz, zum Stand der Digitalisierung im Handwerk
Herr Hiltner, Sie sind Mitautor des Digitalisierungsbarometers. Was hat Sie an diesem Projekt besonders gereizt? Es gibt zahlreiche Studien zum Stand der Digitalisierung im Handwerk. Das Digitalisierungsbarometer liefert aber zusätzliche Erkenntnisse, weil es nicht nur Handwerksunternehmen nach ihrem Digitalisierungsstand fragt, sondern auch Kunden und Jugendliche, also potenzielle Auszubildende, hinsichtlich ihrer Erwartungen miteinbezieht. Wir haben also
eine 360-Grad-Betrachtung des Themas. Das hilft uns, besser zu verstehen, wo wir als Kammern, Verbände und Land mit Unterstützungsmaßnahmen ansetzen müssen, um die Betriebe in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Aber auch Betriebsinhaber können aus der Studie Impulse mitnehmen, um Abläufe zu hinterfragen.
Welche Ergebnisse der Studie haben Sie besonders überrascht? Überraschend ist, dass das Gesamtbild der Digitalisierung in BadenWürttemberg gemessen am Gesamtdigitalisierungsindex nicht zufriedenstellend ist. Auch im Vergleich mit den bundesweiten Ergebnissen schneidet das Bau- und Ausbauhandwerk in Baden-Württemberg schlechter ab. Dies trifft für alle abgefragten Digitalisierungsindizes zu. Nur bei den Geschäfts- und Verwaltungsprozessen ist ein Gleichstand ablesbar. Ebenso hat uns überrascht, wie wenige Betriebe auf die Möglichkeiten der Digitalisierung setzen, wenn es um interne Abläufe geht. Digitale Zeiterfassungssysteme, 3D-Aufmasssysteme oder ein digitales Werkzeug- und Materialmanagement auf der Baustelle sind beispielsweise immer noch eine Seltenheit. Und auch für die Kommunikation und den Datentransfer mit dem Steuerberater nutzt nur rund die Hälfte digitale Möglichkeiten. Da es hier um Anwendungen geht, durch die viel Zeit gespart werden kann, hoffe ich, dass dieses Potenzial stärker gesehen wird.
Ein Ergebnis der Studie ist, dass nur ein Drittel digitale Medien zur Mitarbeitergewinnung nutzt. Können Sie sich erklären, warum sich die Betriebe hier trotz des augenscheinlichen Fachkräftemangels gerade im Baubereich so schwertun? Eine ansprechende Karriereseite auf der Unternehmenshomepage sollte heutzutage Standard sein. Auch Bewertungsplattformen werden immer bedeutsamer, wenn man als Arbeitgeber attraktiv sein möchte. Für die Nachwuchsgewinnung wird Instagram immer wichtiger. Junge Menschen wollen wissen wie Chef und Mitarbeiter ticken, wie die Stimmung im Betrieb ist. Das alles kann man hervorragend über Bilder transportieren. Natürlich muss man etwas Zeit investieren und das ist sicher ein Grund für die Zurückhaltung vieler Betriebe.
In der Studie lassen sich verschiedene Handwerkertypen ausmachen, vom bodenständigen über den pragmatischen, aufgeschlossenen, traditionellen bis hin zum strategischen und digitalen Handwerker. Inwiefern lassen sich dadurch Aussagen hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit von Betrieben machen? Diese Typologien, die die unterschiedlichen Lebenswelten der Handwerksbetriebe widerspiegeln, finde ich extrem spannend, wobei man beachten muss, dass das nur Konstrukte sind. Und es heißt nicht, dass weniger digitalisierte Handwerker nicht auch zukunftsfähig ist. Ein Betrieb im ländlichen Raum mit einer festen, regionalen Stammkundschaft, der eine qualitativ hochwertige Arbeit abliefert, wird auch in Zukunft seine Nische finden. Will ich als Unternehmen aber über die Region hinaus in größerem Maßstab tätig werden, muss ich mich digitaler aufstellen, um auch künftig erfolgreich sein zu können.
Welche Maßnahmen lassen sich nun aus den Studienergebnissen ableiten, die den Betrieben den Weg in die Zukunft ebnen sollen? Wir haben seitens der Kammern und des BWHT die Ergebnisse analysiert und gesehen, dass die Bedarfe der Betriebe sehr heterogen sind. Dem müssen wir Rechnung tragen. Daher werden die jetzt aufgesetzten Projekte ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Unterstützung operativ einsetzbarer digitaler Tools und strategischen digitalen Lösungen für die Zukunft haben. Oberstes Ziel muss es sein, möglichst viele Handwerksunternehmen fit für die Zukunft zu machen.
Das "Digitalisierungsbarometer für das Bau- und Ausbauhandwerk in Baden-Württemberg" ist eine der bisher umfangreichsten Datensammlungen zum Stand der Digitalisierung im Handwerk. Erstmals wird der Digitalisierungsgrad des Handwerks in einer 360-Grad-Perspektive betrachtet, die nicht nur die Sicht der Betriebe auf sich selbst, sondern auch die Einschätzung von Kunden und den Fachkräften von morgen, den Jugendlichen, berücksichtigt. Dafür wurden einschließlich der deutschlandweiten Befragung 1.800 Interviews geführt. Herausgeber der Studie sind der Baden-Württembergische Handwerkstag und die Empfehlungsplattform "wirsindhandwerk". An der Umsetzung war das Forschungsinstitut Lab4Innovations und der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz Georg Hiltner beteiligt. Gefördert wurde die Forschung vom Wirtschaftsministerium des Landes Baden-Württemberg.
Weitere Informationen: https://handwerk2025.de/digitalisierung/digitalisierungsbarometer/