DI E GESCHICHTE DER KURPFALZ FUNDIERT UND KOMPAK T
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die Ursprünge des Pfalzgrafentums den Übergang des Pfalzgrafenamtes an die Wittelsbacher den Aufstieg der Kurpfalz im . und . Jahrhundert die Gründung der Universität Heidelberg die Katastrophe der Kurpfalz im Landshuter Erbfolgekrieg die Konsolidierung unter Ludwig V. und Friedrich II. die Reformation in der Kurpfalz die konfessionellen Wendungen nach der Reformation die Geschichte der Kurpfalz im Dreißigjährigen Krieg die Pfalzzerstörung und Gegenreformation die Entwicklung der Kurpfalz im . Jahrhundert das Ende der Kurpfalz
Landau Michael Martin
Armin Kohnle
Kompetent und verständlich beschreibt er
Kleine Geschichte der K U RP FAL Z
Der Autor zeichnet in diesem Buch knapp und gut lesbar die Geschichte der Kurpfalz vom frühen Mittelalter bis zu deren Ende nach.
Kleine Geschichte der Stadt
ARMIN KO HNLE lehrt am Historischen Seminar der
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Politik-, Rechts-, Verfassungs-, Bildungs- und Religionsgeschichte im frühneuzeitlichen Europa sowie die Geschichte der Kurpfalz und Badens bis zum . Jahrhundert.
ISBN - - - G. Braun Buchverlag
KG_Landau_U_Entwurf_1.indd 1
G. Braun Buchverlag
08.11.2005, 21:36:59
Kleine Geschichte der Stadt
Landau Michael Martin
G. Braun Buchverlag
Erschienen in der Reihe: »Regionalgeschichte – fundiert und kompakt«
Karlsruhe www.gbraun-buchverlag.de
© 1. Auflage 2006 by DRW-Verlag Weinbrenner GmbH & Co. KG, Leinfelden-Echterdingen Satz: post scriptum, Emmendingen / Hinterzarten Druck: W. Kohlhammer Druckerei GmbH & Co. KG
Bildnachweis: Die Bildauswahl und Beschriftung besorgte Christine Kohl-Langer M.A., Stadtarchiv Landau. Alle Abbildungen stammen, sofern nicht anders angegeben, aus dem Stadtarchiv Landau.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes (auch Fotokopien, Mikroverfilmung und Übersetzung) ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt auch ausdrücklich für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen jeder Art und von jedem Betreiber. ISBN 3 - 7650 - 8340 - 2
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung
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»Des Landes Aue?«
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Die Stadt entsteht
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Aufs falsche Pferd gesetzt. Verraten und verkauft
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»… mit sonderlichem fleiss …« Wirtschaftliche Blüte im Mittelalter
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1511 Freiheit vom bischöflichen Druck! Freiheit? Lösung aus der Pfandschaft
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Der neuen Lehre wird »ein Loch gemacht« – Die Reformation
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Dreißig Jahre Krieg und kein Ende
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Des Großen Ludwigs Untertanen
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Eine der stärksten Festungen der Christenheit?
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»Napoleon, Napoleon, dich soll der Teufel holeon«
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»Die Landauer sind gute Leute, man muss mit ihnen Geduld haben« – Die bayerische Zeit
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Weg mit dem alten Gelump. Die Schleifung der Festung
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»In Landa sinn die breetschte Stroße«
120
Und wieder Krieg
135
»Volk, Partei und Wehrmacht – eine unlösbare Einheit«
151
»Landau muss wieder sauber werden« Die Enttrümmerung
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Politischer Neubeginn
172
Kurzporträts der Stadtdörfer
189
Zeittafel zur Stadtgeschichte
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Kleine Landauer Bibliographie
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Vorbemerkung Landau im Jahre 2006 – eine Stadt im Um- und Aufbruch. Der letzte französische Soldat hat die Stadt am 1. Juni 1999 verlassen und es scheint schon ewig lange her, dass französisches Militär überhaupt hier war. Viele der Kasernen sind abgerissen, andere, denkmalgeschützt, sind zu Wohnungen umgebaut, die Viertel, in denen die französischen Familien wohnten, haben ein neues, modernes Gesicht bekommen, kurzum, Landau verändert sich. Man wird sich fragen, was hat dies alles mit Geschichte zu tun? Sehr viel, behauptet der schreibende Historiker und empfiehlt dem interessierten Laien, sich einfach einmal die verschiedenen bunten Werbebroschüren anzusehen, die als erste »Appetithappen« für auswärtige Neugierige dienen sollen, um ihnen die Stadt »schmackhaft« zu machen. Mit was wird da alles geworben! Mit der Landschaft, dem milden Klima und – natürlich mit der Geschichte der Stadt: Die französische Vergangenheit wird da beschworen, die die Stadt geprägt haben soll – aber hat sie das auch wirklich? Nicht nur unter diesem Blickwinkel lohnt es also, sich mit der Geschichte Landaus zu beschäftigen. Diese Empfehlung klingt abstrakt, aber die Geschichte einer Stadt ist Geschichte von Menschen dieser Stadt. Sie sollen denn auch mit ihren Schicksalen im Mittelpunkt dieses gerafften historischen Überblicks stehen. Was waren und was sind »die Landauer«? Kann man überhaupt vom »Landauer« sprechen? Gibt es den »Landauer« überhaupt, den »Landauer Bub«, die »Landauerin«? »Im Allgemeinen ist das sanguinisch-cholerische Temperament vorherrschend, das indessen mit zunehmendem Alter sich oft verändert; phlegmatisches Temperament findet sich seltener mit Corpulenz, denn auch dies ist dann in der Regel ohne Schwerfälligkeit, sondern gewöhnlich mit einem gewissen
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Vorbemerkung
Grade von Gewandtheit und Leichtigkeit verbunden. Die Statur des Mannes in seiner vollen Kraft ist mehr groß als klein, ohne auffallend zu sein, sein Körper muskulös, seine Knochen stark und solide. Die Haltung des weiblichen Geschlechts ist bei einem schlanken, mittlern Wuchse, frei und ungeziert. Überhaupt besitzt das Weib hier bei einem gefälligen Aeussern eine gewisse Grazie und Freundlichkeit, welche bei angeborner Bescheidenheit, ohne besondere Schönheit, unwillkürlich Wohlgefallen erregt. Hier, wie allenthalben, sind wahre Schönheiten selten, verblühen auch gewöhnlich schneller, als andere …«. Waren dies die typischen Landauer, wie sie der Stadtarzt Friedrich Pauli 1831 beschrieb? Ist von diesem Typ noch etwas erhalten? Oder finden wir ihn heute, wenn wir am Samstag auf den Markt gehen und ihn unüberhörbar beim Erzählen und Diskutieren treffen? Ist das der typische Landauer, jemand, der zu Veranstaltungen immer auf die letzte Minute kommt oder einer, der sich in Bürgerinitiativen für seine Stadt wortgewaltig, aber auch aktiv einsetzt? Oder letztendlich jemand, der sich über die provinzielle Enge der Kleinstadt mokiert und aufregt, um dann, wenn er in der Ferne ist, doch wieder gerne zurückdenkt oder gar zurückkehrt? Vielleicht bedarf es wirklich des Blickes von außen, des Blickes eines Weggereisten, eines Zugereisten oder Besuchers, um Eindrücke frei formulieren und vermeintlich Typisches erfassen zu können. Der Historiker hält sich da eher an die Fakten. Für ihn gilt die Devise: Stadtgeschichte schreiben heißt nicht, liebgewordenen Klischees und Traditionen zu folgen, sondern sich auf die oft nur wenigen schriftlichen Quellen beschränken zu müssen, sie zu interpretieren und daraus ein lesbares Konzentrat zu schaffen.
»Des Landes Aue?«
Was generell für die Geschichte Landaus gilt, trifft erst recht für die Frühzeit der Stadt zu: Die schriftliche Überlieferung ist oft mehr als dürftig. Die Ratsprotokolle beginnen erst Ende des 14. Jahrhunderts, es gibt keine zeitgenössische Beschreibung, keine bildliche Darstellung. Mosaiksteinchen sind es nur. Aber selbst mit ihnen lässt sich doch ein einigermaßen geschlossenes Bild zeichnen. »Landau« – ein fast schon romantischer Name für unsere Stadt, ein Name, der sich wunderbar interpretieren lässt als »des Landes Aue«. So empfand es der bekannte Pfälzer Schriftsteller August Becker, der die Stadt »im herrlichen breiten Wiesengrunde der Queich …« sah. Auch Tourismusmanager greifen noch heute gerne auf dieses Prädikat zurück. Doch weder die früheste Vergangenheit noch die späteren Jahrhunderte der Stadtgeschichte lassen sich so verklären, dass sie der Wirklichkeit nahe kommen oder ihr gar entsprechen. Vielmehr sind Kriege, Belagerungen, Seuchen und Notzeiten die Ingredienzien, aus denen sich die Landauer Stadtgeschichte zusammensetzt und die Ursprungsgeschichte Landaus ist viel profaner, als dass sie werbewirksam dargestellt werden könnte. Ein Weg der Annäherung, und nicht der schlechteste, ist ein Spaziergang in den so genannten Reiterwiesen aus Richtung Godramstein. Es ist auch heute noch ein Feuchtgebiet, das sich in seiner Ursprünglichkeit am ehesten im Frühjahr und im Herbst erschließt, wenn es neblig ist. In diesem »Dunstkreis« müssen wir uns eine ärmliche Siedlung als Vorläufer der Stadt vorstellen. Es gibt Hinweise auf diese geologische Grundgegebenheit: kein
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»Des Landes Aue?«
Römische Zeugnisse – der Minerva-Stein. Fundort Godramstein, Museum der Stadt Landau
Römer hat sich hier niedergelassen – die Südländer suchten vielmehr die trockenen Höhen. Aus ihren Siedlungen sind die Dörfer rings um Landau erwachsen. Arzheim und Mörzheim liegen 200 m hoch, Nußdorf 195 m, Wollmesheim 173 m. Diese Siedlungen sind alle schon früh nachweisbar. In Godramstein fand sich ein Minervastein, in Nussdorf ist heute noch an einer Ecke des protestantischen Kirchturms ein Viergötterstein zu entdecken, in den anderen Dörfern sind es Kleinfunde, die auf die römische Kultur hinweisen. Auch die Franken als Nachfolgesiedler mieden das feuchte Loch, ihre Spuren finden sich nur im Birnbachtal. Aber warum entstand gerade im feuchtesten Gebiet die Stadt? Es waren strategische Gründe, die Graf Emich IV . von Leiningen dazu bewogen, als regionaler Territorialherr seine Burg Landeck
»Des Landes Aue?«
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bei Klingenmünster durch eine in der Ebene vorgelagerte Befestigung zusätzlich abzusichern. Wir wissen nicht, wie groß das bereits existierende Landau war und wo seine Urzelle lag. Lag sie in der Nähe der Katharinenkapelle oder in der heutigen Burghofgasse? Hier deutet zumindest der Straßenname auf eine Burg als Siedlungskern hin. Jedenfalls spricht Emich IV . bereits 1268 von seiner »civitas«, also einem städtisch geprägten Gemeinwesen mit Ratsverfassung. Wenige Jahre später schon kann man von einem »oppidum«, einer befestigten Stadt, sprechen. Für sie bittet Emich bei König Rudolf von Habsburg um die Gnade einer Privilegierung. Sie wird ihm gewährt und Landau erhält am 30. Mai 1274 die gleichen Rechte, wie sie zuvor die Stadt Hagenau von Rudolf zugesprochen beSiegel mit Stadtwappen der Stadt Landau aus dem 15. Jhd.
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»Des Landes Aue?«
kommen hatte. Das heißt, Landau konnte sich eine eigene Ratsverfassung und ein eigenes Gericht aufbauen. Am Rande sei vermerkt, dass diese Angleichung an Hagenau einer der historischen Gründe für die Partnerschaft war, die im Jahre 1963 besiegelt wurde. Ein weiterer königlicher Gunstbeweis folgt 1291 mit der Erhebung in den Rang einer Reichsstadt. Rechte, Privilegien – all dies klingt abstrakt, doch es ging auch hier, wie fast immer im richtigen Leben, um Geld: wichtigstes Zugeständnis des Königs war nämlich die Erlaubnis, einen Markt abhalten zu dürfen. Dieses Privileg kam einer Gelddruckmaschine gleich, es bedeutete wöchentliche Einnahmen für die Stadtkasse, Gewinne für die Bevölkerung und eine Sogwirkung für das Umland. Allein vier Dörfer, Eutzingen im Süden, Oberbornheim im Norden, Servelingen im Westen in Richtung Arzheim und Mühlhausen im Nordwesten, gingen nacheinander in dem neuen attraktiven Gemeinwesen auf. Oberbornheim wird bereits 1285 als »ehemaliges Dorf« bezeichnet. Allein, es handelte sich hier nicht um unbedeutende Siedlungen. In Mühlhausen z. B., das bereits am Ende des 8. Jahrhunderts erwähnt wurde, hatte es schon vor der Landauer Stadtgründung einen Wochenmarkt gegeben! Auf die alten Dörfer weisen heute nur noch Straßennamen oder Gedenksteine hin. Um sich eine ungefähre Vorstellung von der »neuen« Stadt zu machen, gehe man am besten das Rechteck Kramstraße, Waffenstraße, Reiterstraße und Weißquartierstraße ab. Schon hat man das mittelalterliche Landau umrundet, und größer dürfte die Stadt nicht gewesen sein.
Die Stadt entsteht
Innerhalb dieses Rechtecks ist der ökonomische Aufschwung im 13. Jahrhundert unübersehbar und ganz besonders an den entstehenden Kirchenbauten abzulesen.
Die Stiftskirche Schon zwei Jahre nach der Privilegierung schenkt Emich V. mit Einverständnis seines Onkels, des Bischofs von Speyer, den Augustiner-Chorherren aus dem Kloster »Zur Steige« in der Nähe des elsässischen Zaberns (Saverne) Grund und Boden in der Stadt, um hier ein Kloster und ein Spital zu errichten. Er musste dabei auf den Queichheimer Pfarrherrn Rücksicht nehmen, zu dessen Pfarrsprengel Landau noch gehörte. Der Geistliche wurde mit einer jährlichen Abgabe entschädigt, die in etwa seinen Einkommensverlusten entsprachen. Die Klosterkirche, die der Jungfrau Maria geweiht wurde, (auf den Namen kommen wir noch einmal, wenn es ums 19. Jahrhundert geht!) ist die uns heute so vertraute Stiftskirche. Den Baubeginn kann man nach neuesten Erkenntnissen auf das Jahr 1282 festlegen – also sechs Jahre nach der Stadtprivilegierung. Gebaut wurde damals nicht wie heute, nämlich in einem Zuge. Man ließ sich vielmehr Zeit, d. h. man musste sich Zeit lassen, denn gebaut wurde nur, was auch bezahlt werden konnte. Ein Verfahren, das sich auch heute für manch große Investition lohnen würde. So begann der Bau des Turms erst im Jahre 1349. Noch ist auf seiner rechten Vorderseite die Inschrift zu lesen, die darauf hinweist. Sie verwittert
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Die Stadt entsteht
zunehmend – im Originaltext las sie sich vollständig: ANNO. DNI. M. CCC. XLVIIII. KL. MAII. INICIATA . EST. ISTA . TURRIS. IN. HONORE. BEATISSIME. VIRGINIS. MARIE . (Im Jahre des Herrn 1349 am Tage vor dem ersten Mai wurde dieser Turm zu Ehren der seligsten Jungfrau Maria begonnen). Erst hundert Jahre später, im Jahre 1458, wurde der Bau mit dem zweiten achteckigen Teil erhöht, der die Glockenstube enthält. Darüber erhebt sich die Türmerstube. Die heutige Helmspitze stammt aus dem 18. Jahrhundert. Das nördliche Seitenschiff stammt aus dem 15. Jahrhundert. Vom Kloster selbst sind nur noch Reste erhalten: einige Spolien mit dem Wappen der Stiftsherren, der Kapitelsaal, der heute als Taufkapelle genutzt wird und das darüber liegende Dormitorium. Erst 1897/98, bei der umfassenden Renovierung, wurden im Kapitelsaal vier Fresken freigelegt. Als gläubiger und demütiger Christ ist dort der Stifter, Herbord von Landau, dargestellt. Neben der kunsthistorischen Datierung erlaubt das Familienwappen des Ritters auch eine historische Einordnung der Bilder auf die Entstehungszeit der Kirche. Diese Hinweise sind umso wichtiger als schriftliche Quellen nur spärlich überliefert sind. Bei der Verstaatlichung des Klosters während der Französischen Revolution ging das gesamte Klosterarchiv in insgesamt 14 großen Holzkisten verloren. Wenigstens sind einige Urkunden im Landesarchiv Speyer und die Statuten des Klosters in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe erhalten geblieben. Schon diese Fundorte zeigen die unübersichtliche und dürftige Quellenlage an. Die Stiftskirche war nicht das einzige kirchliche Gebäude, das in dieser Blütezeit entstand. Katharinenkapelle und Augustinerkloster sind etwa zur gleichen Zeit entstanden.
Die älteste Landauer Kirche um 1900, die Stiftskirche
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Die Stadt entsteht
Die Augustinerkirche (dreischiffige gotische Basilika mit Kreuzgang) Eine Urkunde des Klosters Eußerthal erwähnt im Dezember 1303 Augustinereremiten in Landau. Es ist eben der Bettelorden, der das Kloster in der Königstraße baute. Das Kloster selbst wird zum ersten Mal im Jahre 1317 genannt. Wie die Kirche und das Kloster ursprünglich ausgesehen haben, lässt sich nach den vielen Zerstörungen in den zahlreichen Kriegen nur noch teilweise vorstellen. Zumindest der Kupferstich von Johann Matthias Steidlin um 1700 vermittelt eine Vorstellung von der Größe des Komplexes. Dem imposanten Aussehen entsprach auch die Bedeutung des Klosters. Mindestens fünfzehnmal tagte zwischen 1388 und 1512 das Provinzialkapitel, das in der Regel alle drei Jahre stattfand und mehr als 100 Teilnehmer zählte, in Landau. Die Mönche spielten eine durchaus aktive Rolle als Seelsorger in der Stadt. Vielleicht war es dieser Funktion zuzuschreiben, dass das Kloster die Reformation überlebte. Die nächste Blütezeit erlebte der Orden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wo sich die Geistlichen auch um die vielen französischen Garnisonsangehörigen kümmerten. In diese Zeit fielen auch die umfangreichen baulichen Veränderungen, denen leider auch die noch auf dem erwähnten Stich sichtbare Nepomuk-Kapelle zum Opfer fiel. Sie wurde durch den Westflügel ersetzt, wie er sich uns heute noch in der Königstraße zeigt. Das Ende des Ordens kam mit der Auflösung in der Französischen Revolution. Von nun an dienten die Gebäude als Zeughaus, also als Waffendepot. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Klöster vielfältig genutzt. Sie boten Raum für das städtische Museum, für verschiedene Schulen und Vereine. Die Kirche selbst wurde für Ausstellungen, Konzerte und Versammlungen genutzt, diente sogar als Tabakschuppen und wurde mehr und mehr zu einer Rumpelkammer. Erst nach der Auflösung des Simultaneums in der Stiftskir-
Katharinenkapelle
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che wurde die Kirche wieder zu dem, was sie auch heute ist: ein Zentrum geistlichen Lebens in der Stadt.
Katharinenkapelle So klein und unscheinbar die dreischiffige Katharinenkapelle auch sein mag, sie hat eine ganz eigene Geschichte. Schon ihre Gründung unterscheidet sie von den beiden anderen Gotteshäusern. Nicht die Kirche war Bauherr, sondern der Rat und die Bürgerschaft. Gedacht war sie für die so genannten Beginen, eine Laienvereinigung frommer Frauen, die sich den Armen und Kranken widmeten. Seit 1315 sind sie in der Stadt nachzuweisen. In Flandern und hier ganz besonders in Gent und Brügge kann man heute noch ihre Niederlassungen, die Beginenhöfe, als arDas Gotteshaus der Beginen – die Katharinenkapelle. Zustand vor 1849, Zeichnung