Kleine Geschichte der
Markgrafschaft Baden Armin Kohnle
G. Braun Buchverlag
Erschienen in der Reihe: »Regionalgeschichte – fundiert und kompakt«
Karlsruhe www.gbraun-buchverlag.de
© 1. Auflage 2007 DRW-Verlag Weinbrenner GmbH & Co. KG, Leinfelden-Echterdingen Satz: post scriptum, www.post-scriptum.biz Druck: Offizin Chr. Scheufele, Stuttgart
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ISBN 978 - 3 - 7650 - 8346 - 4
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
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Einleitung
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Zähringer und Badener: Die Anfänge der badischen Geschichte
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Burgen, Städte, Klöster: Der Aufbau des badischen Territoriums
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Die Markgrafschaft im Spätmittelalter
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Von Bernhard I. zu Christoph I.: Baden bis zur Landesteilung von 1535
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Humanismus, Bauernkrieg und Vorreformation
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Verfeindete Vettern: Reformation und Oberbadische Okkupation
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Baden im Dreißigjährigen Krieg
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Neuer Krieg: Baden und Frankreich im späteren 17. Jahrhundert
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Wiederaufbau und barocke Kultur in der Markgrafschaft Baden-Baden
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Neubeginn in Baden-Durlach
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Baden unter Markgraf Karl Friedrich
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Von der Markgrafschaft zum GroĂ&#x;herzogtum
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Schluss
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Kommentiertes Literaturverzeichnis
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Verzeichnis der Abbildungen, Karten und Stammtafeln
204
Vorwort
Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Markgrafschaft Baden mag an Bedeutung hinter den größeren Nachbarn Kurpfalz, Württemberg und Vorderösterreich zurückstehen, dennoch hat die Beschäftigung mit diesem mindermächtigen Reichsstand ihren eigenen Reiz. Am badischen Fall lassen sich Entstehung und Existenzbedingungen kleinerer Territorien im Reich exemplarisch darstellen. Besonders zum Vergleich mit der Kurpfalz lädt Baden immer wieder ein. Darin lag für den Verfasser die Verlockung, auf die »Kleine Geschichte der Kurpfalz« eine »Kleine Geschichte der Markgrafschaft Baden« folgen zu lassen und die badische Entwicklung mit vielen Seitenblicken auf den pfälzischen Nachbarn zu behandeln, mit dem die Markgrafschaft über Jahrhunderte ein ähnliches Schicksal teilte, von dem sie sich gelegentlich aber auch markant unterschied. Die spezifischen wie die allgemeingültigen Züge der badischen Entwicklung sollen durch die vergleichende Perspektive plastischer hervortreten. Da aus der »kleinen« Geschichte keine große Geschichte werden sollte, kam es darauf an, nicht auszuführen, sondern zu raffen und auf den Punkt zu bringen. Dem neugierig gewordenen Leser wird die am Ende des Bandes genannte Literatur weiterhelfen. Auch dieses Buch, das in der Reihe »Regionalgeschichte – fundiert und kompakt« die Grundlage für die von Frank Engehausen dargestellte Geschichte des Großherzogtums nachliefert, verdankt vieles der Hilfe von Freunden und Kollegen: Prof. Dr. Frank Engehausen und Dr. Joachim Dahlhaus unterzogen sich wieder einmal den Mühen des Korrekturlesens. Für Anregungen und Kritik danke ich Frau Katja Leschhorn, M. A. Dem Leiter
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Vorwort
der Inschriftenkommission bei der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Herrn Dr. Harald Drös, bin ich für die großzügige Bereitstellung von Bildmaterial gleichfalls sehr zu Dank verpflichtet. Das Buch ist Eike Wolgast zum 70. Geburtstag gewidmet. Heidelberg, im Januar 2007
Armin Kohnle
Einleitung
Im 1806 entstandenen Großherzogtum Baden galt die Erforschung der Geschichte als ein wichtiges Mittel zur Schaffung einer badischen Identität, mit der die unterschiedlichen Traditionen und Konfessionen der im Zuge des napoleonischen Umbruchs zwangsvereinigten Landesteile zusammengebunden werden sollten. Die Erforschung der Geschichte Altbadens, das weder nach Fläche noch Bevölkerungszahl zu einer dominierenden Rolle im Großherzogtum berufen war, aber die bis 1918 regierende Dynastie stellte, profitierte dabei in erster Linie von der Kontinuität des Herrscherhauses, die den Kunststaat des 19. Jahrhunderts mit der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Markgrafschaft verband. Die Geschichtsschreibung der großherzoglichen Zeit zerfiel demzufolge in zwei Richtungen: Unter badischer Geschichte verstanden die einen die Geschichte aller zum Großherzogtum gehörenden Gebiete, also etwa auch des vormals österreichischen Breisgaus und der rechtsrheinischen Kurpfalz. Diesem vereinnahmenden und letztlich unhistorischen, weil an den Verhältnissen des 19. Jahrhunderts orientierten Baden-Begriff stand schon damals eine andere Sichtweise gegenüber, wonach badische Geschichte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nichts anderes sein konnte als die Geschichte allein der Markgrafen und der Markgrafschaft. Dieses Verständnis liegt zum Beispiel der bis heute nicht überholten Darstellung des Karlsruher Archivdirektors Friedrich von Weech zugrunde. Beiden Richtungen war gemeinsam, dass die ältere badische Geschichte auf das Großherzogtum des 19. Jahrhunderts gleichsam zulief.
Geschichte eines Territoriums
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Nach dem Ende dieses Staates 1918 und erst recht nach dem Ende der staatlichen Eigenständigkeit Badens durch den Zusammenschluss mit Württemberg und Hohenzollern zum Bundesland Baden-Württemberg 1952 war eine solche legitimatorische Geschichtsdeutung hinfällig. In der Folge ließ das Interesse an der Erforschung der Geschichte Badens und vor allem der älteren badischen Geschichte merklich nach. Die im 19. Jahrhundert aufgekommenen Grundrichtungen der Baden-Historiographie leben bis heute aber weiter. Wenn vor einigen Jahren in eine Sammlung von Biographien »großer Badener« auch Liselotte von der Pfalz aufgenommen wurde, ist dies ebenso als Erbe der vereinnahmenden badischen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts zu betrachten, wie es als Relikt dieser Tradition erscheint, wenn in übergreifenden Darstellungen wie selbstverständlich auch die vor dem beginnenden 19. Jahrhundert nicht-badischen Gebiete behandelt werden (Berthold Sütterlin, Wolfgang Hug). Die Mehrzahl der neueren Arbeiten orientiert sich aber an den tatsächlichen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Verhältnissen, und auch das vorliegende Buch ist einer Sichtweise verpflichtet, wonach als »badisch« vor dem napoleonischen Umbruch nur diejenigen Gebiete betrachtet werden können, die von einem Zweig der markgräflichen Familie regiert wurden. Im Folgenden geht es um die Geschichte eines Territoriums, also eines politisch definierten geographischen Raums. In der bekannten Topographie Matthäus Merians aus der Mitte des 17. Jahrhunderts wird der Name Baden für die Stadt und für die Markgrafschaft gebraucht. Einen Landschaftsbegriff Baden hat Merian ebensowenig wie der Lexikograph Johann Heinrich Zedler, der Baden 1733 als eine kleine Markgrafschaft am Rhein bezeichnete und auf die Herleitung des Namens von der gleichnamigen Stadt hinwies, jenes Ortes am Rande des nördlichen Schwarzwalds, wo schon die Römer heiße Quellen entdeckt und den sie »Aquae« genannt hatten. Seit 1931 heißt die Stadt zur
Linke Seite: Der oberrheinische Raum in der Mitte des 17. Jahrhunderts
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Einleitung
Unterscheidung von anderen gleichnamigen Orten Baden-Baden. Baden bezeichnete im 17. und 18. Jahrhundert also Stadt und Territorium, aber keine Landschaft. Als Landschaftsbezeichnungen dienten Namen der vorbadischen Zeit: im nördlichen, fränkischen Siedlungsgebiet Ufgau und Enzgau, im alamannischen Süden die Ortenau und der Breisgau, der bis zum Hochrhein reichte. Erst im 19. Jahrhundert verengte sich die Landschaftsbezeichnung Breisgau auf den Raum um Freiburg. Die badische Geschichte vollzog sich in keinem scharf umgrenzten Naturraum, wie sich Herrschaftsbildung im Früh- und Hochmittelalter generell selten an naturräumlichen Gegebenheiten orientierte. Der wichtigste raumgliedernde Faktor war der Rhein, den man sich in früheren Zeiten aber nicht als den schnellfließenden Fluss vorstellen darf, der er heute ist, sondern als ein mehrere Kilometer breites System veränderlicher Wasserläufe und Inseln. In Mittelalter und Frühneuzeit war der Rhein auch noch nicht der Grenzfluss, zu dem er seit dem 17. Jahrhundert und vor allem in napoleonischer Zeit wurde, sondern eher eine Brücke, die die östlich und westlich anschließenden Gebiete mehr verband als trennte. Der Fluss und der parallel verlaufende Gebirgsrand des Schwarzwalds gaben der Landschaft seit jeher eine Nord-Süd-Orientierung, der schon in römischer Zeit auch die wichtigste Verkehrsachse folgte, die von Augst bei Basel über Offenburg, Bruchsal, Heidelberg-Neuenheim, Ladenburg nach Mainz führende rechtsrheinische Römerstraße. Der Schwarzwald, der gegen Süden zu einem beachtlichen Mittelgebirge emporwächst, bildete zwar eine gewisse natürliche Barriere nach Osten, erlaubte aber auch Querverkehr, insbesondere durch das Kinzigtal. Die geographische Offenheit vor allem nach Westen war ein wichtiger Grundtatbestand der badischen Geschichte. Das badische Territorium, wie es sich seit dem 12. Jahrhundert in dem beschriebenen Raum herauszubilden und bis zum 15. Jahrhundert zu verfestigen begann, lag in komplizierter Ge-
Das badische Territorium
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mengelage mit anderen weltlichen und geistlichen Territorien, Reichsstädten und niederadligen Herrschaften und unterschied sich von der mindermächtigen Nachbarschaft zunächst nur wenig. Die alte Markgrafschaft bestand aus unzusammenhängenden Gebietsfetzen entlang des Oberrheins, für die im fortgeschrittenen Stadium der Territorialbildung die Unterscheidung von »Unterland« und »Oberland« üblich wurde. Mit Unterland bezeichnete man die nördlich gelegenen Gebiete um Pforzheim und Baden-Baden, mit Oberland die südlichen Territorialsplitter, die Markgrafschaft Hachberg um Emmendingen und die im Rheinknie gelegenen Herrschaften Badenweiler, Sausenberg und Rötteln. Für diese südlichsten der oberländischen Herrschaften wurde und ist noch heute der Name Markgräflerland gebräuchlich. Entgegen einer Tendenz der Vernachlässigung dieser Gebiete noch in neueren Darstellungen sollen die oberländischen Herrschaften im Folgenden angemessen berücksichtigt werden. Zu den rechtsrheinischen Kernlanden kamen seit dem 15. Jahrhundert verstreute Besitzungen auf dem linken Rheinufer. Die meisten Territorien des Südwestens hatten Gebietsanteile sowohl links wie rechts des Rheins: Das kurpfälzische Territorium lag zu zwei Dritteln auf dem linken Rheinufer. Württemberg hatte in Mömpelgard einen linksrheinischen Außenposten; die österreichischen Vorlande umfassten bis zum Westfälischen Frieden erhebliche Teile des Oberelsass. Umgekehrt griff auch der Herrschaftsbereich von Reichsständen mit linksrheinischer Residenz auf das rechte Rheinufer über, etwa das Hochstift Speyer mit seinen Besitzungen um Bruchsal, die unmittelbar an die Markgrafschaft grenzten. Die linksrheinischen Gebiete Badens fristeten jedoch immer ein Schattendasein, entweder weil sie – wie die Besitzungen im Luxemburgischen – klein waren, weit entfernt lagen und in einem ganz anderen politischen und kulturellen Umfeld standen oder weil sich Baden wie in Sponheim die Herrschaft mit anderen teilen musste. Diese Form der
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Einleitung
gemeinsamen Herrschaft, des Kondominats, spielte in der Geschichte der Markgrafschaft eine wichtige Rolle. Eine andere Besonderheit der Geschichte der Markgrafschaft war die exzessive Teilungspraxis in der markgräflichen Familie. Landesteilungen unter zwei oder mehrere Söhne begleiteten die badische Geschichte seit frühester Zeit. Die permanente Selbstschwächung durch Zersplitterung des Herrschaftsgebiets bedeutete einen nicht zu unterschätzenden Nachteil im territorialen Wettbewerb. Versuche einer Beschränkung der Teilungspraxis hat es zwar immer wieder gegeben, letztlich blieben sie aber wirkungslos, weil das Interesse der jüngeren Söhne an einer Herrschaftsbeteiligung stärker war als die Einsicht in die machtpolitische Schädlichkeit von Landesteilungen. Auch andere Territorien kannten Landesteilungen, die ähnlich wie in Baden zur Entstehung von mehreren Linien führten. Während in der Kur pfalz aber nur Außenposten betroffen waren, weil das Kerngebiet nicht geteilt werden durfte, setzte sich in Baden eine solche Beschränkung nicht durch. Badische Geschichte war deshalb über Jahrhunderte die Geschichte von Teilmarkgrafschaften. Teilungen des Unterlandes führten zeitweise zu einer oberen (um Baden-Baden, manchmal auch »oberes Land« genannt) und einer unteren Markgrafschaft (um Durlach und Pforzheim, manchmal auch als »unteres Land« bezeichnet), die mit dem oben beschriebenen Ober- und Unterland nicht verwechselt werden dürfen. Das biologische Erlöschen einzelner durch Teilung entstandener Familienzweige erwies sich im Verlauf der badischen Geschichte als der einzige Weg, eine immer weiter gehende territoriale Zersplitterung zu verhindern. Ein kompliziertes und schwer zu fassendes Gebilde war dieses badische Territorium in den sieben Jahrhunderten, die Gegenstand dieses Buches sind. Noch schwieriger als bei anderen Territorien ist im badischen Fall die Frage nach der Identität zu beantworten. Die Markgrafschaft hatte weder ein städtisches
Geschichte im Kontext
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noch ein wirtschaftliches oder sakrales Zentrum, auf das hin alle badischen Gebietssplitter sich hätten orientieren können. Selbst die größten badischen Städte, Pforzheim und Baden-Baden, waren klein und von nicht mehr als regionaler Bedeutung. Die Gravitationszentren lagen außerhalb des Landes: Basel und Freiburg für das Oberland, Straßburg und Speyer für das Unterland. Ein wichtiges identitätsstiftendes Element war in anderen Territorien das Vorhandensein einer Universität; auch hier hatte die Markgrafschaft nichts aufzuweisen, weil der Versuch einer Universitätsgründung in Pforzheim in der Mitte des 15. Jahrhunderts scheiterte. So wird man wohl feststellen müssen, dass die Markgrafschaft im wesentlichen nur durch eine Klammer zusammengehalten wurde: das Fürstenhaus. Über alle Teilungen hinweg stellte die Familie der Markgrafen das wichtigste Kontinuum der badischen Geschichte dar. Wenn die beiden bedeutendsten Geschichtsschreiber Badens im 18. Jahrhundert, Johann Daniel Schöpflin und Johann Christian Sachs, badische Geschichte als Geschichte des Herrscherhauses schrieben, dann erfolgte dies in der Überzeugung, in der Familie der Markgrafen den entscheidenden Integrationsfaktor vor sich zu haben. Erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich eine badische Identität auf breiterer, nicht mehr allein auf der Dynastie beruhender Grundlage. Eine moderne Landesgeschichte darf aber nicht zur reinen Fürstengeschichte werden, sondern muss das Land und die Regierten ebenfalls in den Blick nehmen. Die badische Geschichte steht deshalb im Folgenden exemplarisch für die Entwicklung eines deutschen Territoriums vom Hochmittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Sie soll eingebettet werden in die allgemeine Geschichte des Reichs und in den Kontext der Entwicklungen speziell im Südwesten, wo die französische und die eidgenössische Nachbarschaft eine erhebliche Rolle spielten. Im Vordergrund wird die Frage stehen, wie die großen historischen Zäsuren der deutschen und europäischen Geschichte – das Ende
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Einleitung
der Staufer, der Aufstieg der Habsburger, der Bauernkrieg, die Reformation, der Dreißigjährige Krieg, die Expansionspolitik König Ludwigs XIV . von Frankreich oder die Französische Revolution – sich in der badischen Geschichte niederschlugen. Bei alledem soll die Individualität der badischen Entwicklungen ernst genommen werden. Ohne die Folie der allgemeinen Geschichte bleiben die individuellen Züge einer Territorialgeschichte für den Historiker jedoch unsichtbar.
Zähringer und Badener: Die Anfänge der badischen Geschichte
Versteht man die badische Geschichte wie skizziert, dann führt die Frage nach den Anfängen in das spätere 11. Jahrhundert, in das Zeitalter des Investiturstreits, als die ältesten Vorfahren der Markgrafen greifbar werden, oder gar erst in das Jahr 1112, als sich erstmals ein Markgraf nach der von ihm errichteten Burg in der Nähe des Ortes Baden »de Baden« nannte. Es war aber kein geschichtsloser Raum, in dem sich die Badener festsetzten, sondern die fruchtbare Oberrheinebene wurde seit vorgeschichtlicher Zeit von Menschen bewohnt und kultiviert. Kelten und Römer hinterließen ihre Spuren, die sich insgesamt aber weniger deutlich eindrückten als auf dem linken Rheinufer. Als Hintergrund der späteren badischen Geschichte dürfen die vorbadischen Jahrhunderte aber nicht ganz ausgeblendet werden.
Antike und Frühmittelalter Mit den Kelten kam die Kenntnis der Metallbearbeitung, der Textilherstellung und der kunstvollen Töpferei in das Oberrheingebiet. Im Zuge der Expansion des römischen Imperiums nach Norden drangen die Legionen der Weltmacht auch in das Gebiet östlich des Rheins und nördlich der Donau vor, das in Provinzen organisiert und seit 83 n. Chr. durch den obergermanischrätischen Limes gegen die germanischen Völkerstämme weiter östlich abgesichert wurde. Die Römer entdeckten die Heilquellen in Baden-Baden und Badenweiler, sie brachten den Obst-,
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Die Anfänge der badischen Geschichte
Gemüse- und vor allem den Weinbau mit, der in späterer Zeit zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige der Markgrafschaft werden sollte. Doch eine Siedlungskontinuität von der Antike in das Mittelalter gab es nur an wenigen Orten. Der Wein blieb die wichtigste Hinterlassenschaft der Römer. Vieles andere wurde in der Zeit der Völkerwanderung ausgelöscht. Die Germanen durchbrachen 259 /60 den Grenzwall der Römer und drangen vor bis zum Rhein. Der Prozess, den man im Oberrheingebiet nach dem dort aktiven Stamm als alamannische Landnahme bezeichnet, liegt weitgehend im Dunkeln. Neben Phasen einer gewaltsamen Konfrontation wird man wohl auch mit einem langsamen Einsickern und einem Nebeneinander von Römern und Alamannen rechnen müssen. Auf lange Sicht wurde die Grenze des Römerreichs bis zum Rhein zurückgedrängt. An die Stelle der römischen Hochkultur trat eine ausschließlich landwirtschaftlich geprägte alamannisch-germanische Stammeskultur, die durch personale Beziehungen geprägt war. Konstituiert wurde die Gesellschaft durch Sippen und Personenverbände, nicht durch staatliche Strukturen, wie sie die Römer hatten. Die alamannischen und weiter nördlich fränkischen Niederlassungen, die in den folgenden Jahrhunderten angelegt wurden, schufen eine neue Siedlungslandschaft. Erschlossen wurden zuerst die fruchtbaren Ebenen, der Schwarzwald blieb noch weitgehend unbewohnt.
An den Ortsnamen lässt sich die Besiedlungsgeschichte insofern ablesen, als für die vor dem 7. Jahrhundert erschlossenen Gebiete eine Verbindung von Personennamen und dem Suffix »ingen« oder dem Appellativ »heim« kennzeichnend war. Früher nahm man an, dass die »ingen-Orte« auf alamannische Gründer, die »heim-Orte« auf fränkische Siedler zurückzufüh-
Antike und Frühmittelalter
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ren seien. Ganz geht diese Rechnung aber nicht auf. Bei den namengebenden Personen handelte es sich um Sippenälteste oder Gefolgschaftsführer. Von diesen Siedlungsorten der ersten Generation sind die Siedlungen einer späteren Phase (7.–8. Jahrhundert) zu unterscheiden, die an den Endungen -hof(en), -stett(en), -haus(en) oder -weiler zu erkennen sind. Diese Siedlungen lagen zum Teil schon in weniger fruchtbaren Zonen.
Die weitgehend unorganisierten Alamannengruppen gerieten zunehmend unter den Druck der benachbarten Franken, die unter Chlodwig in den Jahrzehnten um 500 ihre Herrschaft entlang des Rheins und bis weit nach Gallien hinein ausdehnten, die kleineren germanischen Stämme unterwarfen und die Reste der Römerherrschaft beseitigten. Eine der wichtigsten Folgen der Integration der Oberrheinlande in das Frankenreich war das Vordringen des Christentums, zu dem sich die Franken seit Chlodwig bekannten. Zwischen Franken und Alamannen bildete sich eine Siedlungsgrenze heraus, die noch heute an der Mundartgrenze zwischen alamannischem und fränkischem Dialekt abzulesen ist. Sie verläuft vom Flüsschen Oos bei Baden-Baden etwa in östlicher Richtung zum Asperg. Bei der Ausbreitung des Christentums spielten Wandermönche eine wichtige Rolle. Kolumban und Gallus, Fridolin und Pirmin wirkten im Bodenseegebiet, Landelin, Trudpert und Kilian weiter nördlich. Manches Patrozinium erinnert noch heute an diese wandernden Missionare. Vor allem aber waren es die Klöster, die für eine dauerhafte und tiefe Verankerung des Christentums sorgten: Das aus der Gallus-Zelle hervorgegangene St. Gallen entfaltete nicht nur im später schweizerischen Raum Wirkung, sondern bis weit in den Breisgau und nach Innerschwaben
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Die Anfänge der badischen Geschichte
hinein; Schuttern, Schwarzach, Gengenbach, Ettenheimmünster, St. Trudpert im Münstertal, Säckingen und die Klöster auf der Reichenau waren weitere frühmittelalterliche monastische Zentren mit missionarischer Funktion in diesem Raum. Für die kirchliche Organisation wichtig war die Gründung des Bistums Konstanz um 600. Konstanz wurde zur flächenmäßig größten Diözese im Reich und zum eigentlichen Stammesbistum der Alamannen. Der weiter nördlich gelegene spätere badische Kernraum lag in den Diözesen Speyer und Straßburg. Die Franken suchten den alamannischen Adel zu integrieren und übertrugen ihm Verwaltungsfunktionen. Um 600 begegnen alamannische Herzöge, die allerdings nur einen Teil des alamannischen Siedlungsgebiets beherrschten. Vor allem in der Krise der Merowingerdynastie im 7. und frühen 8. Jahrhundert konnten die Alamannen wieder größere Eigenständigkeit gewinnen. Ihr Stammesrecht, die Lex Alamannorum, wurde um 720 neu gefasst. Doch mit dem Aufstieg der karolingischen Hausmeier war die Phase der alamannischen Autonomie vorbei. Die Söhne Karl Martells, Pippin und Karlmann, besiegten den Alamannenherzog Theutbald und vernichteten seine Anhänger im Cannstatter Blutgericht 746. Das Herzogtum Alamannien ging unter.
Frühe Zähringer und erste Badener Die von den Karolingern eingerichteten Grafschaften schlossen sich zum Teil an die älteren Gaue an oder überlagerten sie. Das Grafenamt war vielfach die Grundlage des Aufstiegs adeliger Familien im Königsdienst. So hat man sich auch den Aufstieg einer Sippe vorzustellen, die sich seit dem frühen 12. Jahrhundert nach ihrer in der Nähe von Freiburg gelegenen Burg »von Zähringen« nannte. In unserem Zusammenhang sind die Zähringer von Bedeutung, weil Badener und Zähringer gemeinsame Vorfahren