Kleine Geschichte der Stadt
Baden-Baden Dagmar Kicherer
G. Braun Buchverlag
Erschienen in der Reihe: »Regionalgeschichte – fundiert und kompakt«
Karlsruhe www.gbraun-buchverlag.de
Einbandabbildung: Baden vom Gesellschaftshaus, kolorierte Lithog raphie von Philippe Benoist, um 1850 – Von den Anlagen vor dem Konversationshaus aus bietet sich den Flaneuren ein großzügiger Blick auf die Altstadt Baden-Badens, die von den Battertfelsen mit der Ruine Hohenbaden überragt wird. Buchinnenseite vorne: Situations Plan der Stadt Baden, Kupferstich aus Johann Ludwig Klüber, in: Beschreibung von Baden bei Rastatt und seiner Umgebung, 1810 Buchinnenseite hinten: Amtlicher Stadtplan von 1912, Städtisches Vermessungsamt
© 2. Auflage 2012 by G. Braun Telefonbuchverlage GmbH & Co. KG, Karlsruhe Lektorat: Isabella Eder Satz: post scriptum, www.post-scriptum.biz Druck: Orga-Druck, Riederich Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts gesetzes (auch Fotokopie, Mikroverfilmung und Übersetzung) ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Dies gilt auch ausdrücklich für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen jeder Art und von jedem Betreiber. ISBN 978 - 3 - 7650 - 8376 - 1
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7
Die Römer gründen eine Stadt
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Spärliche Nachrichten im Mittelalter
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Die Markgrafen von Baden nehmen die Stadt in Besitz
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Baden-Baden in der Frühen Neuzeit
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Stadtordnung und städtisches Zusammenleben – Badebetrieb
Ein Jahrhundert der Glaubensauseinandersetzungen
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Auf dem Weg zu einem katholischen Territorium – Oberbadische Okkupation – Endgültige Rekatholisierung – Hexenprozesse
Krieg folgt auf Krieg
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Dreißigjähriger Krieg – Kurort in der Krise – Das Bild der Stadt – Stadtzerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg – Leben in Ruinen
Eine schwierige Verbindung: Baden-Baden in der wiedervereinigten Markgrafschaft
»Sommerhauptstadt Europas«
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85
Neubeginn – Rückenwind – Stadt des Glücksspiels – Revolution – Neues Leben in Übersee – Baden-Baden wird mondän – Internationales Flair
Neuorientierung nach dem Glückspielverbot
127
Der Erste Weltkrieg
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Inhalt
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Zwischen den Kriegen
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Zwölf Jahre unter nationalsozialistischer Diktatur
145
Die Nationalsozialisten etablieren ihre Macht – Und wieder dreht sich das Roulette – Menschen zweiter Klasse – Zweiter Weltkrieg
Schwieriger Neubeginn
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Baden-Baden im Aufschwung
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Modernisierung der Kureinrichtungen – 68er Unruhen – Weichenstellungen für die Zukunft
Zeittafel zur Geschichte Baden-Badens
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Literaturauswahl 186
Abbildungsnachweis 189
Vorwort
Baden-Baden genießt eine Bekanntheit, die für einen Ort dieser Größe ungewöhnlich ist. Grund dafür ist nicht zuletzt seine bewegte Vergangenheit. Als Heilbad von römischen Soldaten gegründet, war die Stadt im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit Residenz der Markgrafschaft Baden. Die Markgrafen leiteten ihren Namen von ihr her, und von diesen übertrug er sich auf das Land, über das sie herrschten. Der Stadtname ist – so betrachtet – heute Namensbestandteil des Bundeslands BadenWürttemberg. Nach seiner Zerstörung 1689 wurde Baden-Baden im 19. Jahrhundert als mondäner Kurort weltbekannt und profitiert von seinem internationalen Ruf noch heute. Sich mit der zweitausendjährigen Geschichte Baden-Badens zu befassen, ist ein reizvolles Unterfangen, sie knapp und kompakt darzustellen, wie es der Leitgedanke der »Kleinen Stadtgeschichten« im G. Braun Buchverlag ist, eine Herausforderung. Es war unumgänglich, den umfangreichen Stoff einzugrenzen. Die Darstellung befasst sich nur mit der Stadtgeschichte in engerem Sinne. Die ab 1909 eingegliederten Ortsteile sind erst vom Zeitpunkt ihrer Eingemeindung an berücksichtigt. An manchen Stellen wird sich der Leser eine ausführlichere Schilderung wünschen. Manches, vor allem das, woran er sich selbst noch erinnert, wird er vermissen. Hier und dort wird ihm das Lokalkolorit fehlen. Eine »kleine Geschichte« kann die Historie einer Stadt nicht annähernd erschöpfend behandeln – und will es auch nicht. Was sie bezweckt, ist flüssig und historisch korrekt einen Überblick über die wesentlichen Entwicklungslinien zu geben.
Blick Ăźber das Dach des Kurhauses zur Altstadt, aufgenommen 1895
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Vorwort
Die detaillierte Beschreibung bleibt als Aufgabe für die Zukunft, doch die Vorarbeit ist getan. Der Einfachheit halber ist in der Darstellung stets von »BadenBaden« die Rede, obwohl die Stadt ihren einprägsamen Doppelnamen offiziell erst seit dem 1. September 1931 trägt. Gebräuchlich ist er schon seit mindestens 1848. Nach getaner Arbeit gilt mein Dank Frau Isabella Eder vom G. Braun Buchverlag, die mir die »Kleine Geschichte der Stadt Baden-Baden« anvertraute. Er gilt Wolfgang Kohler, meinem Vater und meiner Schwester Daniela, die die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens übernommen haben. Dank schulde ich außerdem Dr. Markus Scholz, Dr. Martin Wenz, Dr. Britta Rabold, Dr. Günther Wieland und Dr. Kurt Andermann, die mich fachlich beraten und mir, wo nötig, Hilfestellung gegeben haben. Durch die enge berufliche Zusammenarbeit mit der Leiterin des Stadtmuseums, Heike Kronenwett M. A., habe ich viel von deren Fachwissen profitiert, wofür ich sehr dankbar bin. Nicht zuletzt möchte ich meinem Lebensgefährten Thomas danken, der mich geduldig durch ein Jahr intensiver Arbeit begleitet hat. Im Dezember 2007
Dagmar Kicherer
Die Römer gründen eine Stadt
Baden-Baden ist eine römische Gründung. Ob es schon zuvor menschliche Niederlassungen im Tal der Oos gab, ist nicht bekannt. Früheste archäologische Funde stammen aus dem Mesolithikum, lassen aber nicht auf eine dauerhafte Siedlung schließen. Vermutlich waren die Steinzeitmenschen von ihren Wohnplätzen in der Vorbergzone, wo sie sich unter anderem auch in heute zu Baden-Baden gehörenden Ortsteilen nachweisen lassen, auf Streifzügen in die Seitentäler des Schwarzwalds gelangt. Möglicherweise keltischen Ursprungs ist eine Wallanlage auf dem Battert. Vieles lässt auf eine befestigte Höhensiedlung schließen, doch fehlen genauere Untersuchungen, um konkrete Aussagen machen zu können. Im Zusammenhang mit den jüngsten Forschungen zu den Hügelgräbern in der Rheinebene, unter anderem zum Heiligenbuck bei Söllingen, die auf ein frühkeltisches Machtzentrum in dieser Region hindeuten, muss unter Umständen auch die Anlage auf dem Battert neu bewertet werden. Vermutlich existierte im ersten Jahrzehnt unserer Zeitrechnung an Stelle des heutigen Baden-Baden eine germanische Siedlung, wie sie damals in größerer Zahl auf rechtsrheinischem Gebiet entstanden sind. Die Bewohner dieser Dörfer waren Germanen, die unter dem Druck des Vormarsches der Römer mit diesen kooperierten und gewissermaßen im Glacis der linksrheinischen Römerstädte Sicherungsfunktionen ausübten. Sie unterhielten sowohl zu den Römern als auch zu anderen germanischen Stämmen Handelsbeziehungen. Zumindest lassen einige Fundstücke früher römischer Keramik diesen Schluss zu. In den 70er Jahren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts erweckten die Thermalquellen, die bis dahin wahrscheinlich noch
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ihrem natürlichen Lauf folgend und weithin sichtbar am Fuß des Florentinerbergs zu Tage traten, die Aufmerksamkeit der Römer, die in jenen Jahren damit begannen, das rechtsseitige Rheintal durch Straßen zu erschließen und durch Militärposten zu sichern. Ab etwa 74/75 n. Chr. entstand auf dem Rettighügel ein Kastell aus schlichten Holzbauten. Aufgabe der dort stationierten Einheiten – vermutlich Angehörige der XXVI . Freiwilligenkohorte römischer Bürger, die damals im schweizerischen Windisch stationiert war – dürfte es gewesen sein, die Thermalquellen zu fassen und durch den Bau von Badeanlagen im Bereich des heutigen Markt- und Römerplatzes nutzbar zu machen.
Wertvolle Ressource Das Thermalwasser dringt aus einer Tiefe von 3500 Metern an die Oberfläche. Möglich wird dies durch die besonderen geologischen Gegebenheiten: Parallel zum Rotenbachtal zieht sich eine Verwerfungsspalte, durch die das Wasser, das sich in der Tiefe erhitzt hat und unter Druck steht, nach oben steigen kann. Am Fuße des Florentinerbergs tritt es an mehreren Stellen zu Tage. Die Quellen wurden seit der Zeit der Römer immer wieder verändert und in Kanälen gefasst, neue wurden ergraben, andere versiegten. Heute zählt man neun Quellen und drei Stollensysteme. Mit einer Temperatur von bis zu 67 ° C sind die Baden-Badener Thermen die wärmsten in Baden-Württemberg. Auch in Bezug auf ihren Mineralgehalt – insbesondere Natrium, Chlorid, Fluorid, Lithium, Calcium und Kalium – liegen sie an der Spitze. Die Schüttung beträgt 800 000 Liter pro Tag. Das Thermalwasser versorgt in erster Linie die Badeanstalten, private Sanatorien und Hotels, die die Bezugsberechtigung zum Teil seit Jahrhunderten besitzen. An mehreren Stellen in der Stadt finden sich öffentliche Brunnen mit Thermalwasser.
Die Thermen
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Möglicherweise waren die Thermalquellen überhaupt der einzige Grund, warum an diesem strategisch völlig unbedeutenden Platz weit abseits der entlang des Schwarzwaldfußes ziehenden Straße eine militärische Anlage errichtet wurde. Nach den warmen Quellen erhielt die zivile Siedlung, die etwa zeitgleich mit dem Kastell am Fuße des Rettigs entstand, ihren Namen: Aquae – Wasser, Quellen. Für die Niederlassung wurde die sumpfige Talaue des Rotenbachs zunächst trocken gelegt, der Bach selbst später kanalisiert. Schon 84 n. Chr. wurden die hölzernen Gebäude auf dem Rettig niedergelegt. Vermutlich waren sie von Anfang an nur als Provisorium gedacht gewesen. Die dort stationierten Einheiten hatten ihre Bauaufgaben erfüllt und konnten abgezogen werden. An Stelle des Kastells erbauten Bautrupps verschiedener römischer Legionen und Kohorten repräsentative Steinbauten, die wohl das administrative Zentrum des noch jungen Ortes bildeten. Etwa zur selben Zeit dürfte die Verwaltung der Siedlung in zivile Hände übergegangen sein. Die Bäder waren nun zu komfortablen Anlagen ausgebaut, die allen Ansprüchen der hoch entwickelten römischen Badekultur genügten. Dass die BadenBadener Thermen – man kennt die unter dem Marktplatz befindlichen so genannten Kaiserbäder und die Soldatenbäder, deren eindrucksvolle Ruinen neben dem Friedrichsbad heute wieder zugänglich sind – von Anfang an starken Zuspruch fanden, zeigen die Weihesteine, die sich in großer Zahl auf einem Areal südöstlich der Bäder fanden, das als Weihe- oder Tempelbezirk angesprochen werden kann. Badegäste widmeten sie zum Dank für ihre Genesung ihrem jeweiligen Gott. Die ältesten datieren bereits aus der Zeit unmittelbar nach der Erbauung der Bäder. Viele sind Stiftungen von Militärangehörigen, die sich in BadenBaden möglicherweise von den Strapazen des Soldatenlebens erholten. Vor allem Angehörige der im nahen Straßburg – Argentorate – stationierten Legio VIII Augusta nutzten die Baden-
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Gesamtplan der römischen Thermen im Bereich der Baden-Badener Altstadt
Badener Bäder. Ziegelstempel dieser Legion belegen, dass sie außerdem an Unterhaltsarbeiten der Bäder beteiligt war, nachdem die Kastellbesatzung abgezogen war. Unter Kaiser Trajan (reg. 98–117) wurde Baden-Baden Vorort einer Civitas, eines römischen Verwaltungsbezirks. Wie groß dieser Bezirk war, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Im Norden grenzte er etwa bei Bruchsal an den Bezirk Ladenburgs, im Süden reichte er mindestens bis südlich von Offenburg, vielleicht sogar bis zum Rheinknie bei Basel. Im Westen war er durch den Rhein begrenzt, im Osten zählten der vordere Schwarzwald und das Kraichgau-Hügelland dazu. Meilensteine, die nach Aquae wiesen, fanden sich bis in den heutigen Enzkreis.
Kaiser Caracalla
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Eine auf die Jahre zwischen 213 und 217 datierte, Kaiser Caracalla (reg. 211–217) gewidmete Inschrift berichtet von aufwändigen Restaurierungsarbeiten an den Bädern. Die Formulierung der Inschrift legt nahe, dass Caracalla ein persönliches Interesse an der Renovierung hatte. Tatsächlich ist überliefert, dass der Kaiser nach seinem Feldzug gegen die Alemannen 213 in einem Bad nördlich der Alpen Erholung suchte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich dabei um Baden-Baden handelte. Eine möglicherweise besondere Beziehung des Kaisers zu BadenBaden drückt sich auch in einer 197 geweihten Ehrentafel für den damals noch minderjährigen Thronfolger aus, die bis 1804 im Turm der Stiftskirche eingemauert war, sowie im Beinamen Aurelia, den die civitas Aquensis seit der Regierungszeit Marcus
Dem Prinzen Marcus Aurelius Antoninus, dem Thronfolger, dem Sohn des regierenden Kaisers Lucius Septimius Severus von der Bezirksgemeinde von Baden [geweiht] – Römische Bauinschrift mit Weihung an den späteren Kaiser Caracalla
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Die Römer gründen eine Stadt
Aurelius Severus Antoninus Caracallas trug. Vielleicht sind die Inschriften aber auch lediglich Zeichen der besonderen Dankbarkeit der Einwohner von Aquae gegenüber Caracalla, unter dessen Regierungszeit das Rheingebiet eine wirtschaftliche Blüte zeit erlebte. Die teilweise anspruchsvoll ausgestatteten Wohn- und Geschäftshäuser der Einwohner von Aquae reihten sich entlang der jetzigen Gernsbacher und Lange Straße (etwa bis zur Einmündung der Sternstraße), deren heutige Trassierung sich weitgehend mit der römischen deckt. Im Bereich des Hindenburgplatzes befand sich ein Friedhof. Die Verbindung zu der durch das Rheintal führenden Hauptverkehrsachse schuf eine Stichstraße, die auf oder parallel der heutigen Rheinstraße verlief. Obwohl nicht gesichert ist, ob ein schon seit dem 15. Jahrhundert bekanntes Merkurbild auf dem Gipfel des Großen Staufens ursprünglich dort aufgestellt war, ist es immerhin denkbar, dass der Hausberg Baden-Badens in römischer Zeit ein Heiligtum war. Als um 260 die Alemannen im Osten den Limes durchbrachen, das Land zwischen Limes und Rhein in Besitz nahmen und so die Römer zum Rückzug zwangen, ging Baden-Badens erste Blütezeit als Badeort und Verwaltungszentrum zu Ende.
Spärliche Nachrichten im Mittelalter
Nach dem Ende der Römerzeit bleibt das Schicksal der Stadt für eine lange Zeit im Dunkeln. Aus der Zeit der alemannischen Landnahme und des Frühmittelalters existieren kaum archäologische Funde und keine schriftlichen Quellen. Nur aus der allgemeinen Geschichte Südwestdeutschlands können Rückschlüsse auf die Ortsgeschichte gezogen werden. Den Alemannen blieb die römische Stadtkultur fremd. Was sie während der Eroberung nicht zerstörten, überließen sie dem Zerfall. Sie mieden die römischen Orte weitgehend und gründeten stattdessen neue Siedlungen an anderen Plätzen. Dennoch kann angenommen werden, dass das Wissen um die ehemals bedeutende civitas Aurelia Aquensis mit ihren Thermalquellen nicht verloren ging. Die monumentalen römischen Ruinen mit entsprechenden Inschriften waren sicher noch lange zu sehen, und sichtbar waren auch die dampfenden Quellen. Es ist nicht auszuschließen, dass weiterhin Menschen in den Trümmerstätten lebten, vielleicht Reste der ehemaligen gallo-romanischen Einwohnerschaft, die die Alemannenüberfälle überlebt hatten und geblieben waren. Möglicherweise führten sie sogar einen bescheidenen Badebetrieb weiter. Der archäologische Befund ist allerdings dürftig. Dennoch spricht der Name »Baden«, eine direkte Übertragung des lateinischen balneae ins Deutsche, stark für eine Kontinuität der Siedlung. Obwohl im 8. Jahrhundert die schriftliche Überlieferung wieder einsetzt, muss vieles weiterhin im Vagen bleiben. Zu dürftig – und zu umstritten – sind die Quellenbelege: sieben Dokumente für vier Jahrhunderte. Dies kann nicht ausreichen, um die Ge-