Compliance Praxis 3_2019

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IIASA-Studie erklärt, warum sich Korruption so schwer ausrotten lässt Forscher des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) haben mit Hilfe der Spieltheorie zu erklären versucht, warum sich Korruption trotz Gegenmaßnahmen so schwierig nachhaltig beseitigen lässt. Ihre Analyse zeigt, dass Antikorruptionsmaßnahmen auch dann aufrechterhalten werden müssen, wenn das Ausmaß an Korruption gering zu sein scheint.

Korruption betrifft uns alle. Sie behindert eine gerechte Entwicklung, destabilisiert Gesellschaften und untergräbt die Institutionen und Werte der Demokratie. Sie wird von vielen als eines der größten Probleme der Welt betrachtet. Laut einer Gallup-Umfrage bewertet eine Mehrheit der Menschen weltweit die Auswirkungen von Korruption sogar negativer als globale Probleme wie Klimawandel, Armut und Terrorismus. Korruption tritt in verschiedenen Formen auf, darunter Vetternwirtschaft, Klientelismus und Veruntreuung öffentlicher Gelder. In ihrer in den „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) veröffentlichten Studie1 konzentrierten sich die Forscher des IIASA, der Universität Wien und zweier japanischer Universitäten speziell auf eine Form der Korruption, nämlich Bestechung in öffentlichen Einrichtungen.

Bestechung in öffentlichen Institutionen Sie verwendeten eine weit gefasste Definition für „öffentliche Institutionen“, unter die auch Sportverbände, Medien oder Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fielen, deren Funktionsträger Macht auf Grundlage von sozialem Vertrauen ausüben. Das Team analysierte ein Basismodell der Bestechung mit Hilfe der evolutionären Spieltheorie – ein Erklärungsmodell, das ursprünglich zur Beschreibung biologischer Evolution entwickelt wurde und zunehmend zur Analyse sozialer Evolution verwendet wird. Unter Anwendung dieser Perspektive, so die Forscher, kann man postulieren, dass sozioökonomische Akteure von Eigeninteressen geleitet werden. Ziel der Wissenschaftler war es, ein basales Modell zu

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entwickeln, um Schlüsseldynamiken erfassen zu können, die für viele unterschiedliche Systeme relevant sind. Insbesondere wollten sie zeigen, dass die Anpassung einzelner Akteure an eine vorherrschende soziale Situation zu nachhaltigen oder gedämpften Zyklen führt, die das Wachsen und Abflauen der institutionellen Korruption analog zum Abflauen und Wachsen der Zusammenarbeit innerhalb der Gesellschaft widerspiegeln.

Zyklen der Korruption Die These kann durch das folgende Beispiel veranschaulicht werden: Öffentliche Institutionen sollen in der Regel als Hüter der Gemeinschaft fungieren. Diese Institutionen werden jedoch von Menschen geleitet, die nicht immer frei von egoistischen Motiven sind, was bedeutet, dass Gemeinschaften, die sich auf den Schutz dieser Institutionen verlassen, die Institutionen ihrerseits in die Verantwortung nehmen müssen – mit anderen Worten, sie müssen die Wächter „bewachen“. Die Einführung von Antikorruptionsmaßnahmen zur Umsetzung dieser Wachsamkeit ist in der Regel eine aufwändige und kostspielige Angelegenheit. Wird die Durchführung wirksamer Maßnahmen vernachlässigt, kann sich Korruption ausbreiten, was zu einem Vertrauensverlust und einer Aufkündigung der Zusammenarbeit mit der Institution führt. Eine solche Krise kann die Beteiligten veranlassen, ihre Bemühungen zur Überwachung der Institution zu verstärken und sich erst dann wieder für sie zu engagieren, wenn sie darauf vertrauen können, dass sie ein ausreichendes Level an Vertrauenswürdigkeit erreicht hat – sodass die Korruption wieder eingedämmt und der wirtschaftliche Erfolg gestärkt wird.

Sobald Zusammenarbeit und Ehrlichkeit innerhalb der Organisation aber wieder alltäglich geworden sind, werden die Bemühungen zur Überwachung der Integrität weniger kritisch gesehen und daher wieder vernachlässigt, was einen weiteren Zyklus in Gang setzt.

Sabotiert erfolgreiche Antikorruption sich selbst? Nach Ansicht der Forscher kommt es zu diesem Feedback-Zyklus, weil erfolgreiche Antikorruptionsmaßnahmen Bedingungen schaffen, unter denen eine Senkung ihrer Kosten vernünftigerweise gerechtfertigt erscheint. Das heißt, erfolgreiche Antikorruptionsmaßnahmen untergraben letztlich selbst ihren eigenen Erfolg. „Antikorruptionsmaßnahmen leiden unter einer inhärenten Instabilität, die erkannt und behoben werden muss, damit Maßnahmen langfristig erfolgreich sein können. Transparenz über die Integrität von Institutionen ist der Schlüssel zur Korruptionsbekämpfung, und intensive Wachsamkeit gegen Korruption muss auch bei scheinbar geringer Korruption aufrechterhalten werden“, erklärt IIASAForscher Ulf Dieckmann, einer der Studienautoren. Das Team hofft, dass die vorliegende Analyse hilfreich für die Konzeption nachhaltiger Antikorruptionsmaßnahmen sein kann und als Grundlage für zukünftige spieltheoretische Untersuchungen zu diesem Thema dient. Autor: Mag. Klaus Putzer

1)

Lee J-H, Iwasa Y, Dieckmann U & Sigmund K (2019). Social evolution leads to persistent corruption. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America [pure.iiasa. ac.at/15945].

www.compliance-praxis.at

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