Compliance Praxis 3_2019

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Compliance Management & Praxis Organisation

Compliance Officer – Von der Pflicht zur Kür Dieser Artikel ist der subjektive Versuch des Autors, die aktuelle Situation der österreichischen Compliance Officer einzufangen. Neben einer kurzen Ist-Analyse werden Denkanstöße zur Weiterentwicklung der Funktion gegeben, von der reinen „Pflichtübung“ hin zum strategisch anerkannten Partner der Unternehmensführung.

Von Martin Schwarzbartl

Einleitung War Compliance vor einigen Jahren noch ein Modewort und für Unternehmen abseits des Banken- und Versicherungssektors relativ neu, hat das Thema in Form von Compliance-Beauftragten bzw ganzen Compliance-Abteilungen inzwischen Einzug in die mittelständischen und großen Betriebe Österreichs gehalten. Damit stellt sich die Frage, ob und wie die Compliance in den Unternehmen tatsächlich angekommen ist. Hat sich die Organisationseinheit bzw das Aufgabengebiet gut etabliert und integriert oder gibt es Verbesserungsbedarf? Hört man sich in der Compliance-Community um, kann man leicht zum Ergebnis kommen, dass durchaus noch erhebliche Entwicklungspotenziale bestehen. Die „Pflicht“, nämlich die grundsätzliche Implementierung von Compliance-Programmen ist erfolgt. Nun kommt der möglicherweise schwierigere Teil, die „Kür“. Sie besteht darin, Compliance in ein anerkanntes strategisches Leistungselement innerhalb der Organisation zu transformieren. Alle Leser, die der Meinung sind, sie hätten die Compliance-Aktivitäten in ihrem Unternehmen bereits zum finalen Reifegrad entwickelt, können diesen Artikel bereits hier beenden. Aber wer kann das wirklich von sich behaupten?

Bestandsaufnahme Im letzten Herausgebermeeting dieser Zeitschrift wurde der aktuelle Status quo der Compliance in Österreich angeregt diskutiert. Die allgemeine Conclusio war, dass durchaus noch Entwicklungspotenziale vorhanden sind – unter anderem

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fiel auch die Umschreibung „FeigenblattCompliance“. Alles in allem hat mich diese Diskussion sehr nachdenklich gestimmt. Zugegebenermaßen verfestigte sich auch bei mir in den letzten Jahren der Eindruck, dass sich Compliance Officer häufig in der Rolle des Verwalters von Vorschriften positionieren, anstatt als proaktive, strategische Berater der Führungsebene aufzutreten. Zieht man das klassische Compliance-Haus mit seinen drei Kernbereichen Prävention, Früherkennung, Reaktion heran, wird der Schwerpunkt zu oft auf den rein präventiven Bereich gelegt. Überspitzt formuliert wäre die Haltung eines solchen Compliance Officers die folgende: „Ich verfasse Richtlinien und halte dazu Schulungen ab. Sollte ich um Rat gefragt werden, antworte ich eher konservativ, um ja kein Risiko einzugehen. Hinweisen aus der Wistleblowerhotline gehe ich nicht selbst nach, sondern überlasse es anderen (Revision, Personalabteilung, Externe), da Compliance ja positiv wahrgenommen werden soll.“ Ist dies der legitime Zugang zur Compliance-Funktion oder sollte die Anspruchshaltung eine andere sein? Der Leser erkennt schnell, welche Meinung ich zum Rollenbild eines Compliance Officers habe: Wer als Compliance Officer die Komfortzone nicht verlässt, genießt zwar den Vorteil eines ruhigen Arbeitslebens, darf sich aber nicht wundern, wenn Geschäftsleitung und Kollegen ihn nicht als wertschöpfenden Faktor für das Unternehmen anerkennen. Starten wir daher den Versuch, über Möglichkeiten nachzudenken, wie man die Compliance von der „Pflichtübung“

zum „strategisch anerkannten Partner“ weiterentwickeln kann.

Der mögliche Weg zum Erfolg Grundsätzliches Es gibt auch heute noch die eine oder andere Unternehmensleitung, die eine Compliance-Funktion einrichtet, ohne sich mit dem Thema Compliance wirklich anfreunden zu können. Der vielzitierte „Tone from the Top“ ist dann nicht im notwendigen Ausmaß vorhanden. In einem derartigen Unternehmen ist jeglicher Versuch, eine funktionierende Compliance aufzubauen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Jegliches diesbezügliche persönliche Engagement geht hier jedenfalls ins Leere. Daher kann ich nur empfehlen, in einem solchem Unternehmen die Compliance-Funktion nicht auszuüben. Die nunmehr aufgezählten Ansätze basieren ausschließlich auf persönlichen Erfahrungen und haben keine Garantie auf Erfolg (Disclaimer!).

Mögliche Erfolgsfaktoren Rollentausch Es ist immens wichtig zu verstehen, wie ein Geschäftsführer/Vorstand denkt. Daher empfehle ich gedanklich in die besagte Rolle zu schlüpfen und aus dieser Perspektive heraus das Thema Compliance zu beleuchten. Was sind die klassischen Erfolgsfaktoren, die eine Geschäftsleitung treiben? Welche Themen sind wirklich wichtig und von Bedeutung (zB Verkaufszahlen, Wachstum, Kostenminimierung)? Welchen Beitrag liefert dazu die Com-

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