„Tech for Trust“: Antikorruption im Spannungsfeld von Digitalisierung und Integrität Das jährliche „Global Anti-Corruption and Integrity Forum“ der OECD stand heuer unter dem Motto „Tech for Trust“. Die internationalen Experten debattierten Risiken und Chancen digitaler Technologien in Bezug auf (Anti-)Korruption, Datenschutz und Integrität. Ein Tagungsbericht.
Das Thema Digitalisierung war bereits im Brennpunkt der Compliance–PraxisAusgabe 1/2019 und wird aufgrund seiner Bedeutung und Auswirkungen sicher auch weiterhin auf der Agenda von Diskussionen und Veranstaltungen stehen. Unter dem Motto „Tech for Trust“ fand vom 20. bis 21. März 2019 in Paris das jährliche „Global Anti-Corruption and Integrity Forum“1 statt, eine Veranstaltung, die sich mit aktuellen Fragen zur Integritätsförderung und Korruptionsprävention befasst. Etwa 2.000 Vertreter aus dem öffentlichen Sektor, der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und von internationalen Organisationen nahmen an dieser Konferenz teil und verfolgten die Diskus-
DIE AUTORIN Mag. Dr. Martina Koger, MSc, ist im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) als Abteilungsleiterin für Präventionsarbeit, Edukation und Internationale Zusammenarbeit des BAK zuständig.
sionen der Experten zum Spannungsfeld der Verwendung von neuen Technologien durch Regierungen, Wirtschaft und Bürger sowie den damit einhergehenden Chancen und Risiken. Der folgende Tagungsbericht fasst die wichtigsten Aussagen der internationalen Experten zusammen.
Korruption, ein „multidimensionales Phänomen“ Korruption werde als zunehmend komplexes und multidimensionales Phänomen gesehen, betonte Gabriela Ramos, OECD Chief of Staff, was auch zu er-
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schwerten Bedingungen in der Verfolgung und Vorbeugung von Korruption führe. Technologische Entwicklungen, künstliche Intelligenz, die Verwendung von Algorithmen, Blockchains und Auswertung großer Datenmengen haben zu einem Paradigmenwechsel in den Bemühungen um Integrität und Anti-Korruption geführt, da sie eine Vielfalt von Integritätsrisiken mit sich bringen. Die „digitale Revolution“ hat das Leben und die Gesellschaft verändert, sie hat den beruflichen und den privaten Bereich erfasst, denn Digitalisierung und Automatisierung spielen in nahezu allen Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsbereichen eine wichtige Rolle, auf die die Regierungen noch adäquate Antworten finden müssen. In intensiven Diskussionsrunden wurde unter anderem die Frage gestellt, wie mit diesen technologischen Entwicklungen und der Forcierung von Künstlicher Intelligenz umgegangen werden soll, wie sie die Korruptionsprävention und -bekämpfung unterstützen und integres Handeln gewährleisten kann.
sie es etwa, Verhaltensweisen zu erkennen und vorherzusagen, was für die Kriminalitäts- und Korruptionsbekämpfung von großer Bedeutung ist. Andererseits gibt es auch Schattenseiten, die sich durch die Umgehung von Datenschutz und Urheberrechten sowie durch fehlende bzw unterschiedliche Rechtssysteme ergeben. Diese wirken sich nicht nur auf das tägliche Leben, die Gesellschaft, Wertesysteme und das Konsumverhalten aus, sondern können eine bewusste Manipulation der Öffentlichkeit und demokratieschädigende Auswirkungen zur Folge haben. Immer größere Datenbanken in den Händen weniger, globaler Konzerne haben zu Monopolstellungen geführt und führen bei Datenlecks zu enormen Schäden für die einzelnen Nutzer. Auch das „Repurposing“ von Daten, welche zu einem späteren Zeitpunkt für andere Zwecke genutzt werden, wirkt sich zum Nachteil der Nutzer aus.
Die zwei Seiten digitaler Technologien
Es wurde in den Diskussionen bedauernd festgestellt, dass ethische Grundsätze („Data Ethics“) fehlen würden und integres Handeln nicht im Fokus der wenigen, marktbeherrschenden Unternehmen steht, denn der einzige „Wert“ sei der wirtschaftliche und finanzielle Erfolg als „Shareholder Value“. Die digitalen Fortschritte eröffnen nahezu grenzenlose Möglichkeiten, sodass die Fragen wofür die Technologien eigentlich gedacht sind und was sie bezwecken sollen, in den Hintergrund treten. Wie das erste Kranzbergsche Gesetz sagt: „Technologie ist weder gut noch böse – und schon gar nicht neutral!“2
Neueste digitale Technologien haben zwei Seiten. Einerseits tragen sie in Form von digitalen Vergabesystemen, Transparenzdatenbanken, E-Government uvm zur Verhinderung und Bekämpfung von Korruption bei; sie ermöglichen den Bürgern schnellen Zugang zu Informationen, und digitale Verwaltungsprozesse garantieren korrekte, transparente, nachvollziehbare und unbestechliche Abläufe. Anhand definierter Algorithmen können Daten aber auch für analytische Zwecke verwendet werden. So ermöglichen
„Data Ethics“, ein Fremdwort?
www.compliance-praxis.at
8/26/2019 6:37:00 PM