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BOND, WIR BRAUCHEN SIE

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KINOSTART: 31.03.2021

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Universal Pictures WARTEN AUF BOND

Der 25. Bond-Film „Keine Zeit zu Sterben“ wurde coronabedingt erneut verschoben - von November auf 31. März 2021. Dabei lag die Hoffnung der Kinobetreiber auf diesem Blockbuster. Bond-Experte Siegfried Tesche verkürzt uns die Wartezeit mit seinen Schilderungen von den Bond-Dreharbeiten, aber auch mit seiner Einschätzung über die problematische Zukunft der Filmreihe. Plus: Cineplexx-Chef Christian Langhammer im Interview über die Corona-Katastrophe (auf Seite 11).

WARTEN AUF BOND

Es sind fünfeinhalb Jahre vergangen, seitdem der letzte James Bond-Film „Spectre“ in unsere Kinos gekommen ist. Seitdem gab es viele Planungen, Autoren- und Regiewechsel, und lange Zeit war noch nicht mal klar, ob Daniel Craig nochmals als 007 vor der Kamera stehen wird. Am 16. August 2017 gab er jedoch bekannt, dass er die Rolle nochmals spielen wird. Von Ende März bis Dezember 2019 liefen die Dreharbeiten für den neuen Film „Keine Zeit zu sterben“ (No Time to Die), der nun nach etlichen Startterminverschiebungen final am 31. März 2021 anlaufen soll, nicht wie zuletzt geplant Anfang November. Die Corona-Krise hat die Planungen zunichte gemacht, doch deshalb verzichten wir nicht auf die angebrachte Dosis Bond: Im August und September 2019 war die mehr als 400 Personen umfassende Crew im süditalienischen Matera an der Arbeit, wo sich für unseren Autor, den Bond-Experten Sigfried Tesche, die Gelegenheit bot, aufwändige Stunts zu beobachten. Hier sein ausführlicher Bericht vom Set des 25. Bond-Abenteuers „Keine Zeit zu sterben“ und auch über die Probleme, die die Produktion durchlebte:

Es müssten 282 PS sein, die der klassische Aston Martin DB 5 aus dem Jahr 1964 auf die Straße bringt, aber bevor man den silbernen Klassiker sieht, hört man ihn ganz deutlich. Einer von zehn (!) Wagen, die für die Dreharbeiten nach Matera gebracht wurden, rast die Via San Biagio entlang. Er passiert die überlebensgroße Skulptur eines lang-

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IST „NO TIME TO DIE“ DER LETZTE BOND, DER INS KINO KOMMT?

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beinigen schwarzen Elefanten von Salvator Dalí, die für eine Ausstellung in der Stadt wirbt, und driftet mit quietschenden Reifen über die Piazza Vittorio Veneto, um die Via XX. Settembre zu erreichen. Einige der knapp 50 Statisten bringen sich in Sicherheit und flüchten aus der Fußgängerzone, denn nur wenige Sekunden später folgt ein mattschwarzer Mercedes ML 63 mit hoher Geschwindigkeit. Darin sitzt aber nicht etwa ein Bösewicht, sondern die Crew. Sie verfügt über einen so genannten Scorpio Arm, einem langen Ausleger über dem Dach des Wagens, an dem die Filmkamera hängt. Der zeichnet jede Bewegung des Sportwagens auf und federt Stöße ab. Dann ist auch noch ein Motorrad mit einer Kamera dabei, die das Geschehen von der Seite filmt. Der vielfach ausgezeichnete, frühere Motocross-Rennfahrer Rob Herring fährt diese KTM 530. Nach einem eindringlichen „Cut“ von 2nd-Unit-Regisseur Alexander Witt, bewegen sich die Fahrzeuge zum Ausgangspunkt zurück. Das Ganze beginnt von vorn.

Der gebürtige Chilene Witt ist zum vierten Mal für die spektakulären Verfolgungsjagden der James-Bond-Filme verantwortlich. Er ist Teil des Teams, das in Europas Kulturhauptstadt 2019 die Eröffnungssequenz des letzten Einsatzes von Daniel Craig dreht. Schon vor mehr als zehn Jahren sollte die 60.000 Einwohner zählende Stadt Drehort werden, doch die geplante Sequenz wurde als zu aufwändig verworfen. Stattdessen wurden der Gardasee und Carrara Schauplätze der ersten Bilder von „Ein Quantum Trost“. LocationManager Enzo Sisti, der vor vier Jahren für „Spectre“ eine nächtliche Verfolgungsjagd durch Rom und den Vatikan organisierte, überzeugte die Produktion von der spektakulären Kulisse. „Bei diesem James-Bond-Film gibt es sehr viele Spezialeffekte und Explosionen“, sagte der grauhaarige Profi im italienischen Fernsehen. „Das ist auch für mich eine neue Erfahrung. Bei ‚Spectre‘ haben wir sehr viel nachts gearbeitet. Hier sind wir in einer Kleinstadt voller historischer Gebäude und müssen viel beachten und berücksichtigen. Es gibt ständig negative, aber auch positive Überraschungen“. Er fügt hinzu, dass dieses Mal Matera auch Matera im Film ist „und nicht Jerusalem wie in vielen anderen Filmen.“

KLEINE HINWEISE, GROSSER AUFWAND

Vor allem dürfen die historischen Gebäude, die zum Teil aus dem 16. Jahrhundert stammen, nichts abbekommen. Um auf der einen Seite den sensiblen Bereichen nicht zu schaden, auf der anderen Seite den Zuschauern aber etwas Besonderes zu bieten, gibt es strenge Bedingungen. Kleine Schilder in leuchtenden Farben mit neutralen Bezeichnungen wie „IT Base“, „IT Techs“ und „Mini Bus Stop“ weisen in Matera darauf hin, wo sich Teile der Sets befinden. Nach Erfahrungen früherer Dreharbeiten wurden Schilder mit Aufschriften wie „Bond 24“ oder auch nur „B 24“ von Fans einfach mitgenommen. Die Drehorte wurden aufwändig abgesperrt, mehrere hundert Helfer als Sicherheitspersonal rekrutiert. Jeden Abend säubern Hilfskräfte die Straßen von den Reifenspuren der Wagen, extra Bauten wurden errichtet. An der Via Domenico Ridola entstand ein Hotel mit Aussichtsterrasse für 250.000 Euro, weil man so einen unverbauten Blick in die Sassi, die Höhlensiedlungen der Stadt, hat. Hier erleben Bond und die zum zweiten Mal von Léa Seydoux gespielte Madeleine Swann einen romantischen Abend. Auf der anderen Seite der Stadt, nahe der Kirche Madonna delle Vergini, entstand ein Friedhof aus Pappmaché. Dort wurde eine Szene gedreht, in der James Bond an Vesper Lynds Grab trauert. In Gravina, knapp 30 Kilometer nordwestlich von Matera, wurde mehrere Tage lang ein römisches Viadukt gesperrt, weil ein Stuntman dort heruntersprang. Enzo Sisti empfindet das Ganze als „sehr, sehr kompliziert, und es wird auch schwierig bleiben. Tag für Tag tauchen neue Probleme auf. Man muss mit den Behörden Absprachen treffen, Straßen absperren, den Verkehr umleiten und neue Sets errichten. Es gibt ständig Besprechungen mit dem Regisseur, dem Kameramann und den Stuntfahrern, und alle sind ganz verrückt, denn es geht um Bond. Die Serie und die Figur sind ja schließlich ein Massenphänomen.“

UNFÄLLE, VERZÖGERUNGEN, VERLETZUNGEN

Die Anfänge dieses Films waren mehr als nur holprig. Ursprünglich sollte Oscar-Gewinner Danny Boyle („Slumdog Millionär“) den Film drehen. Im März 2018 begann er mit seinem Drehbuchautor John Hodge („Trainspotting“), an

einem Drehbuch zu schreiben. Beide stiegen im August aber nach kreativen Differenzen aus. Boyle drehte stattdessen die Beatles-Hommage „Yesterday“. „Es ist wirklich eine Schande“, so Boyle, „John und ich erschufen eine Geschichte, die wirklich gut war, aber dann wollten die Produzenten die Autoren wechseln. Ich sagte Nein, und wir brachen die Zusammenarbeit ab. Es wäre etwas anderes gewesen, wenn unsere Story schlecht gewesen wäre, aber sie war wirklich gut. Schade, dass es so nicht zu einer tollen Schlagzeile gekommen ist: ‚Von den Beatles zu Bond‘“.

Nach massiven Drehbuchproblemen und dem Einsatz von insgesamt sechs Autoren begannen im März 2019 endlich die Dreharbeiten unter der Regie des Amerikaners Cary Joji Fukunaga, der noch nie zuvor einen Actionfilm inszeniert hatte. Das Team reiste nach Jamaika, Norwegen und Schottland, doch Craig verletzte sich im Mai auf Jamaika am linken Bein und musste in New York operiert werden. Im Juni kam es in der 007-Stage der Londoner Pinewood Studios zu einer Explosion, bei der ein Mann verletzt wurde. Bis Ende September weilte das Team in Italien. Für 25. Oktober war das offizielle Drehende vorgesehen, doch daraus wurde nichts. Ab dem 20. Dezember wurden in den Pinewood Studios noch Szenen mit Léa Seydoux nachgedreht. Zwischen 180 und 190 Drehtagen kamen so zusammen - selbst für eine solche Mammut-Produktion eine außergewöhnliche Dauer.

Im Herbst 2019 wurde der Komponist Dan Romer gefeuert, dessen Soundtrack als „zu experimentell“ galt. Daraufhin engagierte man Hans Zimmer, der sich mit Steve Mazzaro und Gitarrist Johnny Marr noch Hilfe dazu holte. Zu dem Ärger kam noch hinzu, dass der britische Sänger Boy George sich über die Musik lustig machte. Am 22. Oktober 2019 veröffentlichte er die Single „No Time to Die“, die aber keinen Bezug zu den Bond-Machern hatte;

Die meisten Kinos, darunter das Wiener Votivkino, öffnen wieder am 19. Juni.

Universal Pictures

Bond-Fototermin im italienischen Matera, mit Regisseur Fukunaga und den Schauspielern Seydoux und Craig: „Alles absperren, jeden Tag Chaos“.

sie sollte nach seiner Aussage nur „Dua Lipa und Ed Sheeran verärgern“, die damals als Interpreten gehandelt wurden. Schließlich sang Billie Eilish den Titelsong ein.

DER LETZTE JAMES-BOND- FILM IM KINO?

Am 31. März 2020 hätte „Keine Zeit zu sterben“ in der Londoner Royal Albert Hall seine Weltpremiere erleben sollen, doch Corona kam dazwischen. Mit der neuen Unsicherheit im Kinobetrieb stellt sich nun auch die Frage: Wird der Film möglicherweise der letzte sein, der seine Premiere überhaupt noch im Kino feiert? Ganz abgesehen von Corona, ist auch die Unsicherheit in Bezug auf die Fortführung der Erfolgsserie groß, denn Teilhaber MGM wird eventuell verkauft und damit 50 Prozent der Bond-Rechte. Diejenigen, die nicht mit Kinoauswertungen groß und erfolgreich geworden sind, bringen sich schon in Stellung.

Ende des Jahres 2019 trafen sich Verantwortliche von Apple mit denen

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von MGM, um über eine Übernahme zu sprechen. Apple TV ist vor allem an dem großen Archiv des Filmriesen mit über 5.000 Filmen interessiert, um so den hauseigenen Streaming-Dienst zu füttern. Schon 2017 wurde bekannt, dass sowohl Apple als auch Amazon Interesse an MGM und den BondRechten zeigten. Später kamen noch Gespräche mit Netflix hinzu. Dank der Aktivitäten der Hedgefonds ist MGM inzwischen besser aufgestellt als zuvor. Nach Recherchen des Wirtschaftsressorts von CNBC, hat MGM in den ersten neun Monaten des letzten Jahres rund 600 Millionen Dollar durch Film- und TV-Lizenzrechte eingenommen und nochmals 300 Millionen durch Abonnenten des eigenen Kabelkanals Epix. Die Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson haben sich dazu mit öffentlichen Aussagen lange zurückgehalten. Allerdings sagte Broccoli gegenüber dem Branchenmagazin „Variety“: „Wir machen diese Filme für das Publikum. Wir denken gerne daran, dass sie in erster Linie auf der großen Leinwand zu sehen sind. Wir müssen aber auch in die Zukunft schauen. Es sind unsere Fans, die uns diktieren, wie sie ihre Unterhaltung konsumieren möchten. Ich denke nicht, dass wir irgendetwas ausschließen können, denn das Publikum trifft diese Entscheidungen und nicht wir.“

CRAIG HÖRT AUF Das lässt Raum für Spekulationen, und die gibt es auch in Bezug auf die Figur James Bond und die Nachfolge von Daniel Craig. Der Engländer, der inzwischen 52 Jahre alt ist, hat bereits bekannt gegeben, dass er die Rolle abgibt. Ob er weiterhin als ausführender Produzent der Serie tätig sein wird, ließ er offen. Barbara Broccoli ist nicht glücklich über den Ausstieg von Craig und hätte ihn gerne noch in mindestens einem weiteren Film gesehen. In demselben Interview sagte sie, dass sie seine Entscheidung, aufzuhören, zwar „respektiere“, sie aber als „traumatisch“ empfinde. Der Grund ist offensichtlich: Am 6. Oktober 1962 erlebte „Dr. No“ im Londoner PavilionKino seine Erstaufführung. Also steht im Oktober 2022 das 60-Jahr-Jubiläum der Serie an, das man gerne gebührend feiern würde. Aber mit einem neuen Bond-Darsteller und innerhalb von nur eineinhalb Jahren mit einem neuen Film ist das schlicht unmöglich.

TEURER SPASS „Keine Zeit zu sterben“ ist nach Insiderangaben rund 250 Millionen Dollar teuer gewesen und sorgte monatelang für Gesprächsstoff. Der betrifft nun auch die Kinobesitzer in der ganzen Welt, denn es wird der längste Bond aller Zeiten werden. Zwar sind die ursprünglich avisierten 174 Minuten inzwischen auf 163 Minuten geschrumpft, wie die deutsche Abteilung von Universal Kinobesitzern mitteilte, aber die stellt auch diese Länge vor erhebliche Probleme. So können weniger Vorstellungen geplant werden und eventuelle Aufschläge sollen das kompensieren. Außerdem sind die Theaterleiter angewiesen worden, keine Pause im Film zu machen. Aber immerhin ist nach Angaben der Produzenten im jüngsten Film „ein emotional befriedigender Abschluss“ zu sehen. Und auch zur Zukunft der Reihe gibt es schon Aussagen, wenn auch keine in Bezug auf den nächsten Hauptdarsteller oder einen anderen Vertriebspartner. Immerhin ist fix: Bond soll auch in Zukunft „männlich“ sein, egal welche Hautfarbe er hat, und er soll laut Michael G. Wilson „aus Großbritannien oder dem Commonwealth“ stammen. In unsicheren Corona-Zeiten sind das immerhin ein paar Gewissheiten, an denen sich die Fans mit Sicherheit orientieren können. SIEGFRIED TESCHE

Bond-Dreh in London: Der Fuhrpark von 007 ist in „No Time To Die“ besonders umfangreich.

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