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Events: 20 Jahre dok.at, Nachschau Jüdi sches Filmfestival, Ausstellung Ruth Mader

NEWS & EVENTS

Foto: Österreichisches Filmmuseum Ella Raidels „Double Happiness“ (2014) steht auf dem Programm der dok.at-Jubiläumsschau

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20 JAHRE DOK.AT: LEBEN IN BILDERN

Zum runden Geburtstag: Filmschau von 19. bis 21. November im Österreichischen Filmmuseum.

Mit einer Auswahl von sechs außergewöhnlichen österreichischen Dokumentarfilmen aus den Jahren 1983 bis 2017 feiert das Österreichische Filmmuseum zusammen mit dok.at, der Interessengemeinschaft Österreichischer Dokumentarfilm, deren 20-jähriges Bestehen – und ein Filmschaffen, dessen Reichtum die Konventionen des orthodoxen Dokumentarfilms immer wieder sprengt.

Für die Auswahl wurden sechs Kritiker, Kuratoren und Journalisten eingeladen, einen Film zu nominieren, der für sie etwas Besonderes repräsentiert. Im Anschluss an die jeweiligen Vorführungen werden sie im Gespräch mit den Filmemachern diese Besonderheit erforschen. Zudem wurden alle Regisseure eingeladen, einen Kurzfilm als Partnerwerk zum Auftakt auszuwählen. Jede Vorführung wird so zum speziellen Double feature mit überraschenden Kombinationen: Die Palette reicht über das Dokumentarische hinaus bis zur Animation und einer klassischen Buster-Keaton-Stummfilmkomödie.

AUTORENKINO „Die Zusammenstellung mag bewusst nicht repräsentativ im erwartbaren Sinne sein, dennoch lassen sich an ihr die Qualitäten des österreichischen Dokumentarfilmschaffens ablesen, das im Wesentlichen ein Autorenkino ist“, heißt es vonseiten des Filmmuseums. „Der Schwerpunkt der Auswahl liegt auf der Vielfalt der jüngeren Generation, doch sie reicht zurück zu den Filmemacher, die einen modernen Zugang zum Dokumentarischen in den 1980ern etablierten“. Sie demonstriere den weltoffenen Blick eines Kinos, das seine Stoffe ebenso vor der Haustür wie in der Ferne (etwa China und Georgien) entdeckt. „Und sie zeigt, wie man oft gerade im vermeintlich „Kleinen“ und Privaten die großen Entwicklungen beschreiben kann, die unsere Welt prägen: das Leben in Bildern (und Tönen)“, so Christoph Huber vom Filmmuseum.

Auf dem Programm stehen unter anderem „Double Happiness“ (2014) von Ella Raidel, „Wien Retour“ (1983) von Ruth Beckermann und Josef Aichholzer,, „Oceanul Mare“ (2009) von Katharina Copony, „Am Rande der Welt“ (1992) von Goran Rebic oder „Was uns bindet“ (2017) von Ivette Löcker.

NEWS

& EVENTS RÜCKBLICK: JÜDISCHES FILMFESTIVAL WIEN IDENTITÄTSSTIFTER

Wie die Filmschau heuer zwischen Corona und Zuversicht changierte.

Es ist ein Wagnis, während der Corona-Pandemie ein Filmfestival zu veranstalten, das hat das vergangene Festival von Venedig gezeigt, das wird ab 22. Oktober die Viennale zeigen und das zeigte bis 21. Oktober das Jüdische Filmfestival Wien (www. jfw.at), das seit 1991 stattfindet und für die Wiener Kulturszene inzwischen unverzichtbar geworden ist.

Gründer und Festivaldirektor Frédéric-Gérard Kaczek, der inzwischen 28 Festivalausgaben geleitet hat, war ob der Pandemie angespannt: „Ich musste die Leute fragen, ob sie im gleichen Haushalt leben, wenn sie zwei Karten nebeneinander haben wollten“, berichtet Kaczek aus dem neuen Festivalalltag. „Wir wollten das sehr genau handhaben, denn als Veranstalter sind wir für die Sicherheit verantwortlich“.

Rita Jelinek, Kaczeks „rechte Hand“ beim Festival, die in der Organisation des Events arbeitet, ist besonders gefordert - und weiß auch um die Probleme: „Wir durften die Kinos zu maximal zwei Drittel füllen, meistens aber waren sie nur zu 50 Prozent voll. Die Leute sind vorsichtiger geworden“, sagt Jelinek.

Dass das Motto des diesjährigen Festivals „Tear Down the Walls!“ (Reißt die Mauern nieder!) lautet, sei „als Plädoyer für eine von geistigen Mauern befreite, humanistische Gesellschaft sowie als Mahnung gegen Ausgrenzung und menschenverachtende Diskriminierung“ gedacht, „nicht als Aufforderung, die Masken abzunehmen“, lacht Kaczek. „Wir wollten bewusst aufzeigen, wo es Mauern gibt in unserer Gesellschaft.“

Dennoch ließ sich die Präsenz der Pandemie nicht aus dem Festivalalltag wegleugnen. „Corona ist unser ständiger Begleiter, und was sich besonders auswirkt, ist, dass wir heuer kaum Filmgäste begrüßen oder Publikumsgespräche nicht wie gewohnt führen konnten“, sagt Jelinek. „Es ist nicht dieselbe Atmosphäre, wenn Interviews und Ansprachen über die Videoleinwand eingespielt werden.“

VERFECHTER DER LEINWAND Ins rein Digitale wollte das Jüdische Filmfestival jedoch nicht abwandern, denn: „Ich bin ein überzeugter Mann des Kinos“, sagt Kaczek, von Beruf eigentlich Kameramann und als solcher ein Verfechter der großen Leinwand. „Deshalb wollte ich das Festival physisch durchführen und nicht virtuell. Die Filme, die wir zeigen, erhalten oft keinen regulären Kinostart. Sie sind also auch ein soziales Ereignis, das man hochhalten muss.“ Corona vereitelt dies jedoch zum Gutteil. „Durch die Pandemie geht das Soziale am Kino verloren, man steht halt nicht mehr rum und plaudert.“

Dafür ist es inhaltlich dick da: Im Fokus der Schau stand das Jubiläum 75 Jahre Kriegsende ebenso wie die Erinnerung an wichtige Protagonisten eines Kinos, das jüdische Lebenswelten thematisiert. Dazu gehören Filme wie „Determined: The Story of Holocaust Survivor Avraham Perlmutter“, die eine aufregende Lebensgeschichte, ausgehend von Wien und mit einem Ende beim Technik-Oscar in den USA erzählt. „Liebe war es nie“ analysiert eine fragwürdige „Liebe“ im KZ. „Made in Auschwitz: The Untold Story of Block 10“ beschreibt brutale, menschenverachtende Medizinversuche an Frauen, deren Durchführer noch heute als Forscher Anerkennung findet. Filmische Erinnerungen gab es unter anderem an Hannelore Elsner, Kirk Douglas, Ennio Morricone oder Arthur Brauner. „Unser Festival ist wichtig, weil es identitätsstiftend und stärkend wirkt, aber es wächst auch der Antisemitismus in der Gesellschaft und in den Medien“, sagt Kaczek. „Und deshalb reagieren wir auch in unserem Programm auf die Zunahme von Ausgrenzung und Hassbotschaften, das ist durchaus politisch motiviert“, ergänzt Jelinek.

Dieser Hass finde heute vorwiegend im Internet statt, die sozialen Medien seien voll davon. „Ich bin kein Freund sozialer Medien“, sagt Kaczek, „vor allem, weil die Leute zusehends in ihren eigenen Blasen leben.“ Das radikalisiere besonders. „Wir wollen die Leute hingegen zum Gespräch bewegen, zum Miteinander.“ Man könnte das angesichts der Beliebtheit von Facebook und Co. auch als altmodisch bezeichnen, es ist aber vor allem eines: Ein Festival, dass der Kraft der Bilder vertraut und dem einenden Aspekt des Kinos. Nach Corona wird das wieder deutlicher zu sehen sein. MATTHIAS GREULING

Foto: Ruth Mader

VOM LEBEN IM GEMEINDEBAU

Die Filmregisseurin Ruth Mader blickt in ihrer Ausstellung „Fotoserie Siemensstraße“ in die Wohnzimmer eines Wiener Gemeindebaus.

Der Vielgestalt des Lebens auf die Finger zu schauen, hat die Wiener Regisseurin Ruth Mader von Anbeginn ihrer Karriere interessiert. Zu ihren bekanntesten Filmen zählen „Struggle“ (2003), „What is Love“ (2012) und zuletzt „Life Guidance“ (2018), die allesamt bei internationalen Festivals reüssierten. Doch Mader nutzt drehfreie Zeiten gerne auch für ihre zweite Leidenschaft: das Fotografieren.

Genau damit befasst sich eine Ausstellung mit ihren aktuellen Arbeiten: Für die „Fotoserie Siemensstraße“ pilgerte die 46-Jährige mit ihrer Kamera von Haustür zu Haustür, in der Hoffnung, Zutritt in ganz unterschiedliche Lebenswelten zu erhalten, in die Vielgestalt des Lebens eben. Herausgekommen sind Porträts von Menschen im Gemeindebau Wien Siemensstraße 2155. Und damit Einblicke in den zeitgenössischen Wiener Alltag - Menschen- und Stadtporträt gleichermaßen. „In einer Gemeindebauanlage haben viele Wohnungen die gleichen Grundrisse. Mich hat interessiert, die Menschen, die hier leben, zu porträtieren“, sagt Mader. „Die Frage, die ich mir stellte, war: Wie werden gleiche Wohnungsgrößen und Grundrisse unterschiedlich belebt? Aber auch: Welche anderen Wohnformen wie individuelle Gartengestaltungen und Gartenwohnungen gibt es in der Anlage Siemensstraße?“

MOMENTAUFNAHMEN Ihre Fotos fangen die Architektur des Baus ein und konzentrieren sich auf die Gesichter und das Leben der Bewohner, wie sie mit ähnlichen Wohnverhältnissen unterschiedlich umgehen. Mit ihren Momentaufnahmen legt sie auch die sozialen und persönlichen Verhältnisse der Porträtierten offen: Viele von ihnen blicken direkt in die Kamera, befinden sich dabei im Zentrum ihres Lebensmittelpunkts, der viel über sie als Menschen aussagt. Mal ist Mader in einem penibel sauber gehaltenen Haushalt zu Gast, in dem ältere Damen einen gepflegten, konservativen, aber auch herzlichen Eindruck machen; mal sind es Gemeindewohnungen, in denen schon lange keine Putzlappen mehr den Boden gewienert haben.

Dem gegenüber glänzt der adrette türkische Haushalt nebenan regelrecht, und seine beiden Eheleute strahlen eine herzliche Zufriedenheit aus. Mal sind es Porträts im Zwie- oder Gegenlicht, so mancher Protagonist wirkt darin verloren in einer Einsamkeit, wie sie in vielen Wohnungen herrscht, vor allem dort, wo man alleine lebt oder wo man einmal gemeinsam gelebt hat. Wieder andere Bilder zeigen alleinstehende Rentner zwischen Hab und Gut, alten CDs und DVDs, die das Bett säumen und wo der dazugehörige Bewohner die Lebenslust schon lange nicht mehr gesehen hat.

Maders Fotos erzählen Geschichten, aber sie erzählen sie nicht aus; der Betrachter selbst ist gefordert, die Perspektiven, mit denen Mader die Lebensräume ihrer Fotomotive versieht, zu entschlüsseln oder sie zu einem Ganzen zusammenzufügen. Darin liegt ihre Qualität: Den Menschen so in die Seele blicken zu können, ohne sie nackt zu machen. MATTHIAS GREULING

AUSSTELLUNG „Fotoserie Siemensstraße - Menschen im Gemeindebau“. Fotos von Ruth Mader. BewohnerInnenzentrum Ruthnergasse 56-60, 1210 Wien. Bis 30. Juni 2021. Anmeldung erforderlich unter 01/24503-21080

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