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Falling
from celluloid 5/2020
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In seinem Regiedebüt schildert Viggo Mortensen das schmerzhafte Ringen zwischen einem schwulen Sohn und seinem reaktionären Vater.
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Filmladen
Als Schauspieler hat Viggo Mortensen seine Vielseitigkeit bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Internationale Bekanntheit erlangte der inzwischen 62-Jährige durch seine kernige Verkörperung des Waldläufers Aragon in Peter Jacksons „Der Herr der Ringe“-Trilogie. Statt sich im Anschluss dem BlockbusterKino zu verschreiben, hielt der Darsteller mit der markanten Kinnpartie Ausschau nach Rollen in kleineren, manchmal wenig massentauglichen Filmen. Lohn seiner bisherigen Arbeit sind unter anderem drei Oscar-Nominierungen für seine Auftritte in so unterschiedlichen Werke wie „Tödliche Versprechen – Eastern Promises“, „Captain Fantastic – Einmal Wildnis und zurück“ und „Green Book – Eine besondere Freundschaft“.
Mit dem Familiendrama „Falling“ versucht sich Mortensen nun auch als Regisseur und Drehbuchautor. Im Zentrum seines Debüts stehen die Auseinandersetzungen zwischen dem homosexuellen John Peterson (gespielt von Mortensen selbst) und seinem reaktionären Vater Willis (Lance Henriksen), der den Lebensstil seines Sohnes stets verachtet hat. Als sich bei dem verbitterten Farmer eine beginnende Demenzerkrankung zeigt, erklärt sich John bereit, ihn in seinem Haus in Kalifornien aufzunehmen und ihm bei der Suche nach einer neuen Bleibe behilflich zu sein. Bereits kurz nach Willis‘ Ankunft kommen allerdings die alten Streitthemen auf den Tisch. John muss sich Beleidigungen und Erniedrigungen gefallen lassen, bemüht sich aber trotzdem, die Geduld nicht zu verlieren.
REISSBRETTHAFT Hier der weltoffene, mit Ehemann und Tochter glücklich lebende Sohn, dort der fluchende, erzkonservative, homophobe Vater aus der Provinz – die Figurenkonstellation ist sicherlich etwas reißbretthaft. Dem Film kommt jedoch zugute, dass ein versierter Mime auf dem Regiestuhl saß. Wenig verwunderlich überzeugt die Interaktion der beiden Hauptdarsteller, die eine schmerzhafte Direktheit und Ehrlichkeit verströmt. Darstellerisch in die Vollen geht vor allem Altstar Lance Henriksen, dessen zerfurchtes Gesicht eine raue Geschichte zu erzählen scheint. Der mit schwulenfeindlichen und misogynen Schimpfworten um sich werfende Willis ist ein echter Kotzbrocken. Zwischen all den Tiraden blitzt hin und wieder aber auch seine verletzliche Seite auf. Die voranschreitende Krankheit höhlt seine Identität aus und macht aus ihm einen immer hilfloseren Mann.
Während John und sein Vater im Hier und Jetzt aufeinanderprallen, webt Mortensen in den Handlungsverlauf permanent Erinnerungen aus Sicht seiner beiden Protagonisten ein. Manchmal auf elegante, manchmal auf weniger raffinierte Weise. „Falling“ ist ein ständiges Wechselspiel zwischen Gegenwart und Vergangenheit, das mit seinen sich wiederholenden Konflikten anstrengend sein kann, familiäre Dynamiken aber zuweilen pointiert beschreibt. Nach einer durch Mark und Bein gehenden Konfrontation am Ende wird man dennoch das Gefühl nicht los, dass Mortensen als Erzähler zu häufig an der Oberfläche bleibt und zu wenig aus seinem Vater-Sohn-Drama
herausholt. CHRISTOPHER DIEKHAUS