Alles für mein Kind 02 2021

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URLAUB Meister in der Steinbearbeitung. Anhand einer einsam und idyllischen gelegenen Grabkapelle für einen römischen Landbesitzer können wir sehen, wie die Steinreihen millimetergenau zusammengefügt sind. Die Steine hatten mit Sicherheit ein Gewicht von weit über 100 kg, damit musste man hantieren können und solches Können wird man heute vergeblich suchen. Inzwischen sind wir müde geworden und stärken uns bei Lammleberpastete und Lammleberragout in Rosmarinsauce in einem Restaurant. Es schmeckt ausgezeichnet. Wir trinken Bier dazu und werden müde. Aber es warten noch gefühlt 500 Kurven bergauf und bergab bis zu Ogis Haus in Milna. Wir kamen endlich an, und der Anblick war überwältigend: Olivengärten, Kiefernwälder, an Hänge geschmiegte Dörfer. Brač ist ein wahres Naturparadies.

den, offenen Wasserspeichern, gesäumt von Steinmauern, wo man immer schon das kostbare Gut der Insel sammelte: Wasser. An mehreren Orten auf Brač habe ich mit Steinen gepflasterte Felder gesehen, die Wasser sammeln und durch ihre Neigung in eine Zisterne leiten. Heute sind die meisten überflüssig ge-

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worden, weil zumindest die Dörfer über eine Wasserleitung verfügen. Wir fahren weiter durch endlose Kiefernwälder, kein Haus weit und breit. Unser nächstes Ziel ist Vidova Gora, der höchste Berg der adriatischen Inseln. Auf über 700 Metern Höhe hat man eine gewaltige Aussicht, auf die Inseln Korcula, Hvar und Vis, auf das Biokovo Gebirge, den höchsten Berg von Pelješac und auf das Goldene Horn von Bol, den berühmten Sandstrand. Hier möchte man jetzt in der Hitze nicht hochwandern, ich bin froh, dass uns Ogi und sein Saab raufgebracht haben. Wir kommen an zwei Steinbrüchen vorbei, wo der weiße Sandstein der Insel abgebaut wird. Aus ihm werden Quader für Häuser produziert, Steinplatten für Böden und Dächer, Fensterumrahmungen, Stufen und vieles mehr. Die Römer waren

LEBENDIGE GESCHICHTE: DIE EREMITAGE BLACA An einem anderen Tag ist die Eremitage Blaca das Ziel, für mich das Highlight, wie sich bald herausstellen sollte. Es geht über einen steinigen Weg voller Hügel und Mulden, wir holpern eine gute halbe Stunde im Schritttempo, mir tut der Saab leid. Dann parken wir und gehen zu Fuß einen Hang hinab. Bald wird die Eremitage sichtbar, sie ist in einer Schlucht an eine Felswand geschmiegt und vom zwei Gehstunden entfernten Meer nicht zu sehen. Hierher flüchteten im 16. Jahrhundert Mönche vor den Türken. Erst wohnten sie in Höhlen, dann errichteten sie ein Gebäude aus Stein, das im Lauf der Jahrhunderte zu einem Klosterkomplex anwuchs. Meist lebte

hier ein Pater mit 30 bis 40 Arbeitern, die das Kloster erweiterten, Schafe züchteten, Weizen anbauten für das Brot, Wein, Olivenöl und Honig produzierten. Das alles diente der eigenen Ernährung und wurde auch mit Schiffen in Ortschaften der Insel gebracht und verkauft. Ein Führer bringt uns in das Gebäude und erzählt, wie die Bewohner hier lebten. Er hat ein großes Erbe zu verwalten, es gibt eine Kirche, ein Klassenzimmer, eine Bibliothek mit 8000 Büchern, astronomische Schriften, ein Musikzimmer und eine Küche mit offenem Feuer, die an Roseggers Waldheimat erinnert. Die Kinder kamen aus drei umliegenden Dörfern in die Schule, sie gingen eine Stunde bloßfüßig über die steinige Landschaft und mussten täglich ein Holzscheit für das Feuer mitbringen. Die Schule schloss 1963, als der letzte Pater starb. Er war astronomisch interessiert und ließ in den 1930er Jahren ein drei Meter langes Teleskop aus Deutschland über das Meer bringen. Er entdeckte Kometen und zwei Asteroiden, die nach ihm benannt wurden. Ebenso liebte er die Musik und bestellte ein Klavier in Wien. Das 400 kg schwere Instrument wurde von 12 Arbeitern vom Meer hochgetragen, sie brauchten einen ganzen Tag, ihr Lohn waren 50 Liter Wein, der in Schafmägen mitgeschleppt wurde und den sie während der Pausen tranken. Sonst war Wein ausschließlich für die Pater reserviert, die Arbeiter tranken Wassser mit Essig. Die Eremitage war völlig abgeschottet, ein Ort der Askese und Weltabgekehrtheit. Sie birgt in sich vermutlich so manche Geheimnisse und wird sie wohl nicht mehr preisgeben.

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