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KAMPFKUNST WINGTSUN - SELBSTVERTRAUEN, SELBSTBEHAUPTUNG, SELBSTVERTEIDIGUNG

Wer bei WingTsun an einen Kampfsport denkt, bei dem es um das Sammeln von möglichst vielen Medaillen und Pokalen geht, irrt. Was bei der traditionellen Kampfkunst wirklich im Fokus steht, haben uns Sifu Christoph Bürk, Schulleiter der WingTsun-Schule Kempten und Sifu Dajana Wolf erklärt.

Möchte man den Mythen und Legenden rund um WingTsun Glauben schenken, könnte die Kampfkunst zwischen 2.500 bis 3.000 Jahre alt sein. Seit rund 350 Jahren belegen Schriften, dass Personen und Organisationen in China WingTsun lehrten. Seitdem hat sich die einst elitäre Kampfkunst weiterentwickelt und ist mit der etwa 50.000 Mitglieder starken Europäischen WingTsun Organisation (EWTO) auch in Europa vertreten. Die EWTO ist der weltweit größte professionelle Kampfkunstverband.

„WIR TRAINIEREN NICHT FÜR MEDAILLEN UND POKALE, SONDERN FÜR DIE REALITÄT.“

SELBSTVERTEIDIGUNG FÄNGT BEI DER KÖRPERSPRACHE AN

Christoph Bürk praktiziert seit 23 Jahren WingTsun. Vor 15 Jahren eröffnete er in Kempten seine eigene Schule. Gemeinsam mit Dajana Wolf – beide haben sie den 5. Meistergrad –trainiert der Sifu aktuell rund 100 Kinder und 60 Erwachsene. „WingTsun ist kein Kampfsport, sondern eine Kampfkunst, die der reinen Selbstverteidigung dient“, erklärt Christoph. „Wir trainieren nicht für Medaillen und Pokale, sondern für die Realität. Leider hören die wenigsten Täter auf, wenn man sie darum bittet“, ergänzt Dajana. Woran viele bei Selbstverteidigung nicht denken: Diese fängt bereits an, bevor jemand körperliche Gewalt anwendet. „Mimik, Gestik, Stimme, Rhetorik, Optik, Haltung –das alles spielt bei der Selbstbehauptung mit rein. Wie verhalte ich mich, damit ich bestenfalls erst gar nicht in die Opferrolle falle? Wie reagiere ich als Frau auf unangebrachte Sprüche und Pöbeleien? Wie schaffe ich es, verbal deeskalierend auf einen Täter einzuwirken? Gewalt ist das letzte, was wir wollen“, betont Dajana.

PERSÖNLICHE WEITERENTWICKLUNG

STEHT IM VORDERGRUND

Auch das Thema Zivilcourage wird in der WingTsun-Schule intensiv behandelt, denn es geht bei der Kampfkunst vordergründig darum, sich persönlich weiterzuentwickeln und beispielsweise Menschen in Not zur Seite zu stehen. Welchen Stellenwert die pädagogische Arbeit einnimmt, zeigt auch der Aufbau der Prüfungen im Schülerbereich. „Ob jemand einzelne Elemente der Selbstverteidigung schon perfekt beherrscht, ist sekundär. Viel wichtiger ist für uns, ob der Mensch sozialkompetenter und geistig stärker geworden ist – das beobachten wir über Wochen und Monate hinweg“, erzählt der Schulleiter.

Christoph und Dajana wissen aus Erfahrung, wie sehr ihren Schüler:innen WingTsun im Alltag hilft. Kindern und Jugendlichen fällt es zum Beispiel leichter ein Referat vor der Klasse zu halten. Und junge Menschen, denen vorher vieles egal war, beginnen plötzlich Zukunftspläne zu schmieden. „Wenn Jugendliche auf uns zugehen und sagen: ‚Ich habe eine Vision fürs Leben, ich möchte eine Ausbildung machen‘, haben wir unseren pädagogischen Job gut gemacht“, sagt Dajana. Auch die Erwachsenen nutzen häufig ihr neu gewonnenes Selbstvertrauen und ihre verbesserten Kommunikationsfähigkeiten, um im Beruf den nächsten Schritt zu gehen und in einer Führungsposition Verantwortung zu übernehmen.

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