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EIN FACHKRÄFTEMANGEL GRÖSSER ALS IN DER PFLEGE

SOZIALE ARBEIT - EIN FACHKRÄFTEMANGEL GRÖSSER ALS IN DER PFLEGE

Im Interview mit Prof. Dr. Regina Münderlein von der Hochschule Kempten

Wie nicht zuletzt die Pandemie zeigte: Der Fachkräftemangel im Bereich der Pflege ist groß. Doch der Bedarf an Fachkräften in der Sozialen Arbeit ist sogar noch größer. An der Hochschule Kempten gibt es bereits seit 2014 den Studiengang Soziale Arbeit mit Schwerpunkt Jugendarbeit. Das Ziel war von Anfang an, bereits berufstätigen Fachkräften das Studium der Sozialen Arbeit zu ermöglichen und so dem Fachkräftemangel aktiv entgegenzuwirken. Seit 2014 mit dabei: Prof. Dr. Regina Münderlein. Anlässlich des bevorstehenden zehnjährigen Jubiläums sprachen wir mit der Studiengangskoordinatorin über die Anfänge des Studiengangs, den hohen Praxisanteil des berufsbegleitenden Studiums und die Fachkräftelücke in der Sozialen Arbeit, Jugendhilfe und Jugendarbeit.

Welche Hürden gab es zu überwinden, bis der Studiengang Soziale Arbeit mit Schwerpunkt Jugendarbeit angeboten werden konnte?

Zunächst war die Skepsis gegenüber einem Studiengang der Sozialen Arbeit an der Hochschule Kempten groß. Diese Sorge teilte auch die politische Ebene. Doch das neue Fachkräftegebot innerhalb der Jugendhilfe und der sich abzeichnende Fachkräftebedarf waren gute Argumente zur Einrichtung dieses Studiengangs für berufstätige Erzieher:innen. Auch der damalige Staatssekretär im Bayerischen Kultusministerium, Bernd Sibler, hatte sich damals sehr für die Einrichtung dieses Studiengangs eingesetzt.

Nächstes Jahr feiert der Studiengang zehnjähriges Jubiläum. Wenn Sie auf die letzte Dekade zurückblicken: Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn?

Wir sind stolz darauf, dass die Studierenden offensichtlich sehr zufrieden mit unserem berufsbegleitenden Angebot sind. Jedes Jahr kommen neue Interessent:innen aus ganz Bayern und darüber hinaus zu uns an die Hochschule. Und das auch auf Empfehlung von Absolvent:innen. Die Bemühungen des Studiengangteams, das Angebot inhaltlich und auch organisatorisch für berufstätige Fachkräfte der Sozialen Arbeit, Jugendhilfe und Jugendarbeit zu optimieren haben sichtbare Wirkungen. Das freut mich sehr!

Während des siebensemestrigen Studiums werden drei praxisbezogene Studienprojekte absolviert. Was darf man sich darunter vorstellen?

Das Studium der Sozialen Arbeit beinhaltet immer eine sogenannte Praxisphase, also ein Berufspraktikum von sechs Monaten. Unsere berufserfahrenen Studierenden vertiefen, da sie bereits in der Sozialen Arbeit und Jugendhilfe tätig sind, in dieser Phase eigene inhaltliche Studienschwerpunkte. Dies geschieht in drei Projektphasen über insgesamt drei Jahre hinweg. Da Soziale Arbeit mit vielen Querschnittsthemen zu tun hat, können die Studierenden hier zum Beispiel Fragen der Partizipation und Mitbestimmung, Inklusion und Barrierefreiheit oder Fragen der Qualitätsentwicklung und der Nachhaltigkeit nachgehen – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Hier werden Ideen entwickelt und umgesetzt, die die Professionalisierung der eigenen Praxis zum Ziel haben.

Die Lehrveranstaltungen finden in Kooperation mit dem Institut für Jugendarbeit Gauting statt. Darüber hinaus gibt es sogenannte Regionalgruppen in Wohnortnähe. Was bedeutet das für den Studienalltag der Studierenden?

Die Grundidee war, alle möglichen Synergien zu nutzen. Nicht nur ist die Kooperation mit dem Institut für Jugendarbeit als Fortbildungsstätte des Bayerischen Jugendrings als solche schon gewinnbringend für den Studienschwerpunkt Jugendarbeit. Auch das Haus selbst, in dem wir unsere Seminare durchführen dürfen, hat eine schöne Lernatmosphäre. Ein Vorteil ist auch, dass es für viele Studierende aus Bayern dann ein kürzerer Anreiseweg ist als nach Kempten. Die Regionaltage als Lernform bieten neben diesen Vorteilen auch ein anderes Lernkonzept, wir sprechen von Blended Learning, also methodengemischtem Lernen und Peer-to-Peer-Learning, dem kollegialen Lernen. Hierbei wird das Lernen in kleinen Gruppen auf der Basis von verschiedensten Lernmaterialien ohne Dozent:in vor Ort gefördert. Die Studierenden unterstützen sich kollegial, erlernen Moderationstechniken und setzen sich intensiv mit den Inhalten auseinander.

Stichwort Fachkräftemangel: Es fehlt vielerorts an Sozialpädagog:innen. Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit mehr junge Menschen ihre berufliche Zukunft in der Sozialen Arbeit insgesamt und der Jugendarbeit im Speziellen sehen?

Das ist eine schwierige Frage, die ich eigentlich nur aus meiner subjektiven Sicht und sehr verkürzt beantworten kann. Ich glaube, Menschen, die sich für den sozialen Bereich interessieren, haben den Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit und sozialem Zusammenhalt, den sie aktiv fördern möchten. Sie stellen sich der Grundfrage nach einem gelingenden Leben. Dazu braucht es nicht nur einen gewissen materiellen Wohlstand, sondern eine innere Zufriedenheit mit der eigenen Berufstätigkeit. Wer sich als junger Mensch für diesen Bereich entscheidet, hat hier bereits für sein Leben Schwerpunkte gesetzt. Das geschieht freiwillig und mit einer gewissen inneren Haltung. Hier können Schule und Familie und auch die Kommunen beim Aufwachsen der jungen Menschen schon viel bewirken. Die Voraussetzung für eine solche Entwicklung ist aber, dass die überkommenen Zweifel an der fachlichen Kompetenz des Sozialen Bereiches und der Jugendarbeit vonseiten der Medien, der Politik und Gesellschaft endlich hinterfragt werden. Soziale Arbeit braucht Anerkennung für das, was sie wirklich leistetin der Ausbildung ebenso wie in der Praxis. Damit wird sie auch attraktiv!

Ein Studiengang, viele Karrierewege

Vier aktuelle und ehemalige Studierende der Sozialen Arbeit mit Schwerpunkt Jugendarbeit nehmen uns anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Studiengangs mit in ihren Studien- und Berufsalltag. Mehr dazu lest ihr ab dem 19. Dezember in der Januar-/Februarausgabe des Kemptener Stadtmagazins 0831.

von Dominik Baum

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