5 minute read
WIE LANGE BAUEN WIR NOCH?
from manufakt 07-08/2022
by lvh.apa
HEISS DISKUTIERT UND IMMER WIEDER ANGEKLAGT: DAS NEUE LANDESGESETZ FÜR RAUM UND LANDSCHAFT. LAUT ANALYSEN SCHEINT SICH DAS UNFERTIGE GESETZ DRAMATISCH AUF DIE AUSSTELLUNG VON BAUKONZESSIONEN AUSZUWIRKEN.
Im Juli 2018 wurde das neue Landesgesetz für Raum und Landschaft genehmigt, im Jahr 2020 ist es in Kraft getreten und jetzt im Jahr 2022 ist es immer noch lückenhaft. Mehr noch – die gesamte Urbanistik im Land wird durch das unfertige Gesetz ausgebremst. Privatpersonen, Unternehmen, Gemeindevertreter und Beamte bekommen die Folgen zu spüren. Geplante Bauprojekte werden entweder auf Eis gelegt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Analysen belegen diese Entwicklung: in den letzten zwei Jahren ist ein klar erkennbarer Rückgang der Baukonzessionen in Südtirol zu erkennen. Baukonzessionen sind notwendige Genehmigungen, um Bauvorhaben durchzuführen. Nur wer ein ausführliches Projekt mit allen erforderlichen Unterlagen der Baukommission der jeweiligen Gemeinde vorlegt, erhält auch die Baukonzession.
Advertisement
MARKUS BERNARD Unsicherheiten verzögern leider Bauprojekte
SITUATION VOR ORT
Im Vergleich zum Jahr 2021 ist heuer landesweit ein Rückgang von rund 30 Prozent zu verzeichnen (siehe Darstellung auf Seite 13). Dies bestätigt auch Dominik Oberstaller, Bürgermeister von Welsberg-Taisten. Er führt die Entwicklung auf zwei Faktoren zurück: „Leider lässt das neue Raumordnungsgesetz vieles nicht mehr zu und bringt zeitgleich einen Mehraufwand an Bürokratie sowie Rechtsunsicherheit mit sich. Neue Zonen werden kaum ausgewiesen, da hierfür der vom Gesetz vorgesehene Plan für Raum und Landschaft benötigt wird, welcher in naher Zukunft aber sicherlich nicht realisierbar ist.“ Der Bürgermeister von Brixen, Peter Brunner erklärt dazu: „Teils bremsen die noch fehlenden Durchführungsbestimmungen die Baupläne aus. Hinzu kommt der nur in eingeschränkter Form verlängerte Kubaturbonus, der „Bettenstopp“ sowie die steigenden Rohstoffpreise und Engpässe bei Lieferungen.“
BAUBRANCHE IST BESORGT
Die Bauunternehmer bestätigen diese Entwicklung. „Wir befinden uns aktuell in einer schwierigen Situation. Die Unternehmen leiden unter dem explosiven Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise. Die hohe Inflation führt dazu, dass vor allem Privatpersonen viele Bauprojekte auf Eis legen und vorerst abwarten. Auch die öffentliche Hand schiebt Aufträge erstmal hinaus. Hinzu kommt eine gewisse Unsicherheit in den Gemeinden hinsichtlich Interpretation des neuen Raumordnungsgesetzes“, unterstreicht Baugruppenobmann Markus Bernard. Noch ist der Großteil der Betriebe ausgelastet, dies könnte sich im Spätherbst allerdings drastisch ändern. Vor allem, weil auch die Anreize für verschiedene staatliche und lokale Sanierungsmaßnahmen auslaufen werden. „Es mag unrealistisch klingen, aber wenn man einen Blick auf die Planung wirft, so nehmen die Aufträge gegen Jahresende ab. Insofern ist es für das Bauhaupt- und Baunebengewerbe wichtig, dass wieder mehr Neubauten ausgewiesen werden“, betont Bernard.
URSACHEN FÜR DAS PROBLEM
Warum viele Bauprojekte stagnieren, sieht der lvh in der noch nicht vollständigen Umsetzung des Landesgesetzes für Raum und Landschaft. „Eigentlich steht und fällt das Gesetz mit den neuen Planungsinstrumenten. Diese sind aber erst aktiv, wenn die Gemeinden ihre Gemeindeentwicklungsprogramme umgesetzt haben und daran arbeiten sie ja erst“, weiß lvh-Präsident Martin Haller. In der Zwischenzeit gelten sogenannte Übergangsbestimmungen, die keine dauerhaften Lösungen darstellen, aber immerhin als einzige Bestimmung „standhalten“ müssen.
VORSCHLÄGE DES VERBANDES
Notwendig wären im Grunde Übergangsbestimmungen, damit die Gemeinden weiterarbeiten können sprich mehr Autonomie bei der Bauleitplanausweisung erhalten. Für die Umsetzung der Gemeindeentwicklungsprogramme müsste außerdem ein straffer Zeitplan definiert werden mit zwei unterschiedlichen Fristen: eine für die Pilotgemeinden und eine für alle restlichen Gemeinden.
DIE KONKRETEN VORSCHLÄGE DES VERBANDES:
1 AUSWEISUNG NEUER BAUGEBIETE
Ausgearbeitet werden soll eine offenere Formulierung der Bestimmung, sodass es bei der Ausweisung neuer Baugebiete keine Rolle spielt, ob ein kleiner Bachlauf, eine Böschung, eine Straße o.ä. zwischen altem und neuem Baugebiet liegt.
2 ERSCHLIESSUNGSKOSTEN
In Art. 79 des Landesgesetzes soll ein Passus ergänzt werden, damit in Gebäuden mit gewerblicher Zweckbestimmung und einer Raumhöhe pro Geschoss von unter 3 Metern die Erschließungskosten nur für die ersten 3 Meter Raumhöhe anfallen. Eine unmittelbare Behandlung dieses Punktes sollte aufgrund seiner Wichtigkeit vorgezogen werden.
3 ERSTELLUNG VON DURCHFÜHRUNGS
PLÄNEN SEITENS PRIVATER
Diese Möglichkeit würde Vorteile für Private wie für die Gemeinde mit sich bringen. Für die Privatperson würde es den Prozess beschleunigen und die Gemeinde würde sich Ressourcen sowie Zeit sparen und dennoch die Kontrolle haben aufgrund des Genehmigungsaktes.
4 AUSNAHMEREGELUNG MISCHGEBIET
VERWENDUNG BAUMASSE
Im Mini-Omnibus ist eine Bestimmung vorgesehen, welche in Art. 24 Abs. 2, 1. Satz nach den Worten „bestimmt werden“ die Wörter hinzufügt „außer die Baumasse wird für die Erweiterung eines an der betreffenden Stelle bereits bestehenden gastgewerblichen Betriebes verwendet“. In diesem Zusammenhang soll das Wort „gastgewerblichen“ gestrichen werden, sodass alle Betriebe von der Ausnahmeregelung profitieren können.
ARNO KOMPATSCHER Südtiroler Landeshauptmann
Die Landesregierung ist bestrebt, Lösungen zu finden
In Hinblick auf die aktuell schwierige Situation, den Rückgang der Baukonzessionen und die Wohnungsnot haben wir mit dem Landeshauptmann gesprochen.
Arno Kompatscher © LPA/Ivo Corrà
Wir befinden uns aktuell in einer schwierigen Situation: auf der einen Seite haben wir hohe Energie- und Rohstoffpreise und auf der anderen Seite ist die Zahl der ausgestellten Baukonzessionen rückläufig. Was sind die Pläne der Landesregierung, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?
Internationale Krisen und Spekulation, die beiden Preistreiber der weltweiten Energie- und Rohstoffpreise, sind schwer einzudämmen. Es werden mittelfristig wohl die nachlassende Nachfrage und die Wiederherstellung der Lieferketten sein, welche die Preise wieder auf ein rationales Niveau bringen.
Im Rahmen der öffentlichen Aufträge wurden bereits Preisanpassungen umgesetzt. Wie will man der Situation im Bereich der privaten Bauprojekte Herr werden?
Verschiedene Abschreibungsmöglichkeiten bei Wiedergewinnungen und energetischen Sanierungen waren und sind Investitionsmotor für Privatpersonen. Zusätzlich legen wir den Fokus nun auf die Unterstützung zur erneuerbaren Energiegewinnung auch von Privaten.
Für Veranstaltungen wurde zum Beispiel eine Ausfallversicherung ausgearbeitet. Wäre eine ähnliche Maßnahme nicht auch für Südtirols Baufirmen sinnvoll?
Mit der Anhebung der Steuersätze auf ungenutzte Zweitwohnungen und der erleichterten Umwidmung von leerstehenden Gebäuden in Wohnraum haben wir erste Schritte gesetzt. Gleichzeitig wollen wir die Vermieter in Zukunft besser unterstützen, damit mehr Wohnungen auf den Markt kommen.