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5.1 Vielfalt der Wiederholung
Die „Monotonie“ kann durchaus unterschiedlich wahrgenommen und differenziert werden. Wie im vergangenen Kapitel aufgezeigt wird, kann sie als ordnungsstiftendes Merkmal städteplanerischer Konzepte dienen. Dies ist besonders in der Handhabung der Wiederholung und Reihung immer gleicher Typologien, Elemente und deren Materialisierung zu erkennen. Diese Eigenschaften, welche im Städtebau bereits vorzufinden sind, stehen oft auch in einem engen Zusammenhang mit der Repetition und Ordnung von Strukturen und der Fassadengestaltung. Im folgenden Kapitel wird thematisiert, wie die Wiederholung in der Strukturierung und der Fassade zu einer Einheitlichkeit und zugleich zu einer Vielfalt im Ausdruck führen kann.
25 SMITHSON 1977, S. 15. Abb. 31. Situationsplan des 1. Obergeschosses mit Umgebung
5.1 Vielfalt der Wiederholung
Die entschiedene Aneinanderreihung gleicher Fassadenelemente, sowie die Repetition identischer, seriell hergestellter Tragwerke und Grundrissstrukturen tauchen in der Architektur immer wieder auf. Die Wiederholung und die damit zusammenhängende Einheitlichkeit einer Fassade, welche oft als monoton wahrgenommen wird, tritt auffallend durch die Schichtung und Aneinanderreihung in der Vertikalen oder der Horizontalen deutlich hervor. Besonders deutlich zeichnet sich dies bei der Betrachtung von Zeilen- und Hochhausbauten aus, was durchaus auch mit der Dimensionierung und Proportionierung der Volumetrie in Zusammenhang steht. Die Eigenschaften sich repetierender Elementen lassen sich vor allem im Bereich immer wiederkehrender Bauteile nachweisen. So genügt bereits eine überschaubare Anzahl an Elementen, um ein hohes Ausmass an Repetition nachweisen zu können, die zur Uniformierung eines Gebäudes beitragen.25
Abb. 32. Schematische Darstellung von unterschiedlichen strukturellen Raumkompo-
sitionen
Abb. 33. Repetition als eigenständige Qualität: Kolonnadengang der rekonstruierten Attalosstoa in Athen
Unabhängig von den Anforderungen und Möglichkeiten der industriellen Produktion ist die Repetition ein wichtiger Bestandteil in der Architektur. Sie bildet in der Ordnung der klassischen Architektur eine genauso wichtige Grundlage, wie für die Planung und Entwicklung der Städte. Es handelt sich dabei um eine architektonische Qualität, deren Art und Weise davon abhängt, wie mit der Wiederholung umgegangen wird.26
Die Repetition spielt in der Ästhetik eines Gebäudes eine wichtige Rolle. So ist es möglich, zwischen Elementen mit gleichen Eigenschaften eine Beziehung herzustellen. Gleiche Grössen, ähnliche Formen, identische Materialien oder Farbigkeit fördern das Bild einer einheitlichen Struktur.27 Die sich wiederholenden Elemente einer Struktur sind jedoch nicht als Einzelstücke zu lesen, welche dann einfach vervielfältigt werden. Um die Qualität der Wiederholung zu erkennen, ist es notwendig sie als Ganzes im System wahrzunehmen.28
Dies bedeutet aber nicht, dass alles gleich aussehen muss. Viel mehr gibt es dem Architekten die Freiheit innerhalb eines geordneten Systems zu agieren. Wie auch im Städtebau, kann das Einbringen diverser Akzente an Bedeutung gewinnen und so zur Diversität beitragen. In der Gestalt der Architektur sollte dies aber doch noch im Bezug zur Einheit stehen. Es kann sich dabei um subtile Umwandlungen der sich wiederholenden Elemente handeln, die so eine gewisse Spannung in er Gliederung erzeugen. Die Wiederholung oder der regelmässige Wechsel von optisch ähnlichen oder gleichen Elementen können so den Rhythmus im Aufbau einer Struktur bestimmen.29
26 27 28 29 FRAMPTON 1976, S. 228. KEPES 1971, S. 38. SMITHSON 1977, S. 15-18. KEPES 1971, S. 42.
Abb. 34. Lake Shore Drive Appartments, Chicago (1949)
An den Lake Shore Drive Appartments in Chicago von Mies van der Rohe wird die Vereinheitlichung der Fassadenstruktur deutlich dargestellt. Die Gebäude von Mies sind das Resultat einer zielgerichteten Idee der Baukunst des 20. Jahrhunderts. Das Verwenden von repetitiven Elementen in seinen Bauten gründete insbesondere in der amerikanischen Kultur der qualitativ hochstehenden Serienproduktion identischer Metallteile. Zu ihrer Zeit waren seine Entwürfe neuartig und brachten eine konkrete Haltung in der Architektur zum Ausdruck. Die verwendete Bautechnik basiert durchgehend auf der Grundlage der industrialisierten Wiederholung und deren Fügung in ein sinnvoll geordnetes System. Die Eigenschaft der Repetition in einem einzigen Bautyp und einem einzigen Material gewinnt so besonders an Qualität, da die verwendeten Elemente nicht nur als Einzelne gelesen werden. Durch dieses Gespür für Repetition als formale Technik wirken seine Projekte uniformiert und gewinnen zusätzlich an Charakter.
30 SMITHSON 1977, S. 15-18.
Abb. 36. Detaillierte Fassadenansicht mit reichhaltiger Vielfalt in der Ausgestaltung der Fenster
Abb. 35. Daimler Chrysler Gebäude / Kollhoff-Tower, Berlin (1999)
Hans Kollhoff schafft es mit seinem Turm am Potsdamer Platz von Berlin, trotz der einheitlich materialisierten Klinkerfassade des Turmes und der Verwendung der immer gleichen Fensteröffnungen, die Fassade mit einer reichhaltigen Vielfalt auszustatten und sie gezielt zu akzentuieren. Die tektonische Gliederung definiert sich durch die Wiederholung der Fensterelemente, welche sich im ersten Fassadenabschnitt durch ihre Horizontalität mit umlaufenden Brüstungsbändern auszeichnen und nur durch die vertikalen, zweigeteilten Fenster kontrastiert werden. Im zweiten Abschnitt treten die vertikalen Pfeilerelemente im Mittelfeld hervor und durchbrechen die horizontale Teilung der Brüstungen und führen so einen vertikalen Akzent in die Fassade ein. Der Abschluss des Gebäudes definiert sich durch das weitere Hervorheben der mittleren Fensterteilungen, zu schmalen, durchlaufenden Elementen und erzeugt so eine noch stärker ausgeprägte Vertikalität.
31 KOLLHOFF 2000.
Abb. 38. Schotten- und Stützenstruktur im 8. Obergeschoss der Unité d'Habitation, Marseille
Abb. 37. Unité d'Habitation, Marseille (1952)
In der Unité d'Habitation in Marseille von Le Cobusier manifestiert sich ein Reichtum architektonischer Formsprachen, welche stark von den Visionen des Architekten geprägt sind. Die Forderung nach Licht, Luft und nutzbaren Freiräumen spielen in der Komposition der Struktur und den Grundrissen eine wesentliche Rolle. Die Anwendung des Proportionssystems, dem Modulor, ist allgegenwärtig. Von der Aussenstruktur bis hin zu innenliegenden Details, wie den funktionalen Einbaumöbeln, bildet sie eine Einheit.
Die Unité präsentiert sich auf den ersten Blick als monoton geregelter, scheibenförmiger Gebäudekomplex. Die Struktur wird aber durch eine Vielfalt sich ergänzender Elemente akzentuiert: Die Fassaden gliedern sich durch kubische Wandöffnungen mit unterschiedlichen Grössen, welche sich durch den Wechsel zwischen ein- und zweigeschossigen Einheiten ergeben. Das regelmässige Raster der Fassade wird durch die horizontale Linienführung der "brise-soleil", welche die konventionelle Brüstung der Loggien ersetzt, zusammengefasst. Die Innenseiten der Loggien werden zusätzlich mit kontrastierenden Farben hervorgehoben. Mit Ausnahme der farblichen Akzente, erfüllen diese Elemente vorwiegend energetische Zwecke, wie dem Schutz vor der Sommersonne. Weitere Ausnahmen, welche das horizontale Muster durchbrechen, sind die mittig positionierten, vertikalen Sonnenschutzblenden auf halber Gebäudehöhe.
Die Materialisierung des Gebäudes in Sichtbeton dominiert und ist entscheidend für die Ästhetik und den Ausdruck der Unité. So beliess Le Corbusier, mit Ausnahme der farbig angestrichenen Flächen, die Oberflächenstruktur und deren Schalungsspuren. Der rustikale Ausdruck, den die Unité dadurch erhält, wirkt auf den ersten Blick monoton und stellt sich so dem Zusammenspiel der vielfältigen, architektonischen Formen entgegen.
32 STILLERS 2014, S. 77-82.
Abb. 40. Detailansicht des Zeilenbaus