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1.2 Vorgehen und Methodik
1.2 Vorgehen und Methodik
Das vorliegende Thesisbuch soll als Interpretationsgrundlage für die Arbeit des Thesisprojekts dienen. Die Arbeit gliedert sich jeweils in einen historisch, einen theoretischen und einen analytischen Hauptteil. Im einleitenden Teil der Arbeit wird, ausgehend von einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Ort Biel und der Entwicklung des Bahnhofquartiers, der Begriff der „Monotonie“ und der „Diversität“ in Bezug auf die Architektur näher erläutert. Als Hauptlektüre dienen dabei die Hefte von Werk-Archithese, in welchen die Thematik der "Monotonie“ bereits 1977/78 aufgegriffen und behandelt wurde.
Darauf aufbauend definieren sich die drei Themenfelder, welche vertieft untersucht werden. Sie bilden die Grundlage für den analytischen Hauptteil der Arbeit, in welchem anhand von Beispielen aus der Architektur der Umgang mit der „Monotonie“ und deren möglichen Interpretation aufgezeigt wird. Die gewonnenen Erkenntnisse werden anschliessend in das Thesisprojekt übersetzt. Um die Verknüpfung der Analyse und des Projekts zu veranschaulichen, wird dieses in den einzelnen Kapiteln der Arbeit parallel eingeführt und direkt gegenübergestellt. Im Fazit werden abschliessend die untersuchten Themen und das Projekt noch einmal reflektiert.
Die Arbeit hat nicht das Verlangen, die Monotonie zu rehabilitieren. Da sich das Verhältnis zwischen Einheitlichkeit und Vielfalt nicht an einzelnen Beispielen aufzeigen lässt, wird in diesem Thesisbuch nur eine bestimmte Auswahl an Referenzprojekten erläutert. Diese werden nach Möglichkeit im Thesisprojekt angewandt.
Die aufgezeigten Projekte beschreiben nicht direkt was die Monotonie oder die Diversität ist, sondern erlauben es die eigene Position im Entwurfsprozess zu stärken. Wichtig dabei ist, dass neben extremen Beispielen, die ein hohes Mass an Einheitlichkeit und Monotonie beinhalten, auch Projekte aufgezeigt werden, in welchen nebst Vielfalt und Diversität auch eine gewisse Regelhaftigkeit vorzufinden ist.
Die dokumentierten Beispiele werden in den einzelnen Kapiteln hierarchisch dargestellt. Sie beginnen bei einer hohen Ausprägung an Monotonität und beginnen sich immer mehr aufzulösen, wodurch eine gezielte visuelle Argumentation entsteht. Die unterschiedlichen Beispiele werden über den Text, die Bilder und deren Beschriebe miteinander in einen Zusammenhang gestellt. Die ausführlichen Bildlegenden dienen dazu, die einzelnen Merkmale und den Bezug zur Monotonie und Diversität als Thema zusätzlich zu erfassen.
Das Potenzial der Arbeit liegt insofern darin, dass durch die aufgezeigten exemplarischen Projekte eine Übersicht zum Thema der Monotonie und Diversität, sowie deren Zusammenspiel und Abhängigkeit gewonnen werden kann. Daraus können Strategien extrahiert werden, welche in den Entwurf übersetzt werden können und diesen stärken. Das Ergebnis kann anhand des Thesisprojektes begutachtet und geprüft werden. Die Grundlagen und die Erkenntnisse können somit für weitere Projekte genutzt werden.
Abb. 2. Der Bieler Zentralplatz um 1903 mit Blick auf die obere Bahnhofstrasse und die Schüss
Modernes Biel
Kontinuität und Bruch des einheitlichen Städtebaus
Der urbane Raum wird geprägt vom Stadtgrundriss, dem Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem Raum, den Anforderungen an die Infrastruktur sowie den Bedürfnissen der Bewohner. Während in den zentrumsnahen Quartieren in Biel noch versucht wurde auf ein repräsentatives und einheitliches Erscheinungsbild zu achten, verliert dieses nach aussen immer mehr seinen städtischen Charakter. Bis heute haben es Planung und Städtebau nicht wirklich geschafft, erfolgreich mit diesen räumlichen Entwicklungen umzugehen. Auch fehlen immer mehr die Gebiete, um grossflächigen Städtebau betreiben zu können. Unsere Städte, Dörfer und Landschaften sind zu erhaltende Kulturgüter. Sie sind zu bewahren, indem man sie weiterentwickelt. Diese Veränderung sollte aber mit einer verdienten Sorgfalt stattfinden. Die Herangehensweise verpflichtet sich dabei gegenüber der Geschichte einer Stadt und hat entsprechend einen grossen Einfluss auf diese. Bereitet sich der Städtebau auf einen Umbruch vor, sollte die Geschichte der Stadt nach historisch ähnlichen Vorhaben untersucht werden.2 In der Stadtgeschichte sind verschiedene Strategien vorzufinden. Anhand dieser kann erkannt werden, welche Strategien auf die aktuellen Bedürfnisse und Ansprüche einer Stadt angewendet werden könnten.
Abb. 1. Schwarzplan der Stadt Biel
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte Biel einen der grössten Zuzüge an Arbeitern und stand vor einer entscheidenden Wende. Dieser Entwicklungssprung führte im urbanen Umfeld zu entsprechenden Problemen, wie sie auch in vielen anderen europäischen Städten mitverfolgt werden konnten.3 Über Jahrzehnte hinweg war die Stadtentwicklung sich selbst überlassen worden, was zu einem planlosen Wachstum der Stadt führte. Biel wurde geprägt von enormen, heterogenen Gegensätzen zwischen den einzelnen Quartieren. Der Mangel an städtebaulichen Massnahmen und der damalige Wohnungsmangel führte zu einer räumlichen Gliederung des Stadtgebiets sowie der Bevölkerung, die sich wirtschaftlich und sozial immer weiter voneinander entfernte.
2 3 LAMPUGNANI 2006, S. 11-13. BERNOULLI 1929, S. 76.
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Abb. 3. Historische Pläne von Biel: Die Entwicklung des Bahnhofquartiers von 1893 bis 1946
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Aufgrund dessen wurden für die Weiterentwicklung der Stadt nach Lösungen dieser Problematik gefordert. Die sozialpolitischen Ziele, welche die Stadt damals vertrat, führten zu einer Phase des städtischen Umbruchs. Während man versuchte die Stadt von Innen heraus zu erneuern, wurden auch von Aussen, durch die Wichtigkeit der Stadt als Verkehrsknotenpunkt, wesentliche Impulse gegeben.4 Durch den Entscheid der Schweizerischen-Bundesbahnen SBB um 1910, den zu klein gewordenen Bahnhof um 200m nach Südwesten zu verschieben und dort einen Neubau zu erstellen, wurde mitten im Stadtzentrum eine enorme Freifläche geschaffen. Man träumte damals von einem modernen, weltoffenen „Gross-Biel“.5 So konnte ein einheitliches Konzept für ein ganzes Quartier erarbeitet werden, womit die Neugestaltung des zentralen Stadtteils in greifbarer Nähe lag.
Ein Dreiergespann, bestehend aus dem ehemaligen Stadtpräsidenten Guido Müller, dem Stadtbaumeister Otto Schaub und dem Architekten Eduard Lanz, setzte sich besonders für die Modernisierung der Stadt Biel ein. Otto Schaub spielte als Statdbaumeister in der Entwicklung von Biel entsprechend eine wichtige Rolle. Er hatte in der Gestaltung von öffentlichen Bauten überwiegend freie Hand und realisierte zusammen mit seinen Mitarbeitern im Stadtbauamt zahlreiche Gebäude, die als Referenzpunkte dienen sollten. Darunter befanden sich zum Beispiel das Strandbad, die Stadtbibliothek, das Schulhaus Mühlefeld und viele andere an den unterschiedlichsten Standorten.6 Sie bereiteten die baulichen Grundlagen vor, um in einem gesamtheitlichen Kontext denken und planen zu können.
4 5 6 RITTER 2011, S. 39-40. KÄSTLI 1988, S. 16. RITTER 2011, S. 42-44.
Abb. 4. Blick in die Bahnhofstrasse: Repräsentatives Bild der umgesetzten Bauvorschriften am Bahnhofplatz
Für Aufsehen sorgte besonders die Abstimmung vom 9. November 1930 über die Sonderbauvorschriften für das neue Bahnhofquartier.7 Diese sollten zu einem uniformen Gesamtbild des Quartiers führen. Es wurden Vorgaben zugestimmt, die das Flachdach und zahlreiche andere Elemente der Fassadengestaltung, wie zum Beispiel die durchlaufenden Fenstersturz- und Fensterbrüstungslinien, vorschrieben. Reisenden, die aus dem neuen Bahnhof treten, sollte sich das Bild einer einheitlichen, grosszügigen und fortschrittlichen Stadt präsentieren. Biel erhielt so ein sichtbar zeitgemässes Erscheinungsbild und präsentierte sich als vollwertige Stadt, die sich mit der Moderne identifiziert und mit anderen Städten in der Schweiz mithalten konnte. Es wurden jene Aspekte der neuen Lebensqualität angeboten, die dem Zeitbild einer fortschrittlichen Stadt entsprachen.
Die Bahhofstrasse in Biel ist stark geprägt von diesem Vorhaben und verdeutlicht dies, durch die stetige Wiederholung der immer gleichen Elemente. Es wird ein Bild erzeugt, das sich durch endlose Fensterbänder und regelmässig aufgereihte Fassadenfronten definiert. Das Strassenbild orientiert sich somit klar an den auferlegten Vorschriften, um das städtische Quartier zu prägen. Die einzelnen Gebäude verlieren so zwar an Ausdruckskraft, da nur noch wenig Spielraum für eine differenzierte Gestaltung zugelassen wird. Allerdings werden die Gesamtwirkung und das städtebauliche Bild umso mehr gestärkt.
Eine solche Gelegenheit stellt ein bekanntes Phänomen in der Geschichte unterschiedlicher Schweizer Städte und deren städtebaulichen Entwicklung dar. Es ermöglicht, ein neues Quartier architektonisch und kulturell zu prägen. Das Verordnen von klaren Regeln und Bauvorschriften, welche Hauptverkehrsachsen, Strassenbreiten, Plätze, Gebäudehöhen und die Gestaltung der Fassaden vorschreiben, fördert das Erzeugen von einheitlichen Stadtbildern, die bis heute die unterschiedlichsten Städte prägen.
7 RITTER 2011, S. 50.
Abb. 5. Das Volkshaus Biel von Eduard Lanz mit Blick in die Bahnhofstrasse in Richtung Bahnhof
Geht man vom Bahnhof an diesen einheitlich geprägten Fassaden entlang, so erreicht man den General-Guisan-Platz, an welchem sich das von Eduard Lanz geplante Volkshaus von 1932 befindet. Das Gebäude diente als einer der bereits erwähnten Referenzpunkte des Stadtneubaus und gilt als Meilenstein im Quartier. Denn trotz der Uniformierung der umliegenden Gebäude aufgrund der amtlichen Bauvorgaben, verweigerte Lanz diese. Der Architekt erhob den Anspruch, durch das Zusammensetzen und Abstufen der Bauvolumen, sowie der Ausprägung eines Turmes als Hochpunkt, die städtisch festgelegte Höhe des Bahnhofquartiers zu überragen und zu akzentuieren.8 Durch das Ausbrechen aus den festgelegten Vorschriften und der Ausgestaltung der auffallenden roten Backsteinfassade, hebt sich das Gebäude als Kopfbau besonders stark aus seiner Umgebung hervor. In einem einheitlichen System, das klare Regeln definiert, wird ein Akzent in der Stadt gesetzt und trägt so zur Identitätsbildung innerhalb des Quartiers bei. Zudem gilt der Bau als erstes Hochhaus in Biel, mit welchem die Moderne im Quartier in aller Deutlichkeit verankert wurde. So wurde der repräsentative Kopfbau zu einem der wichtigsten Bestandteile des Bahnhofquartiers und der Stadt Biel. Am Beispiel des Volkshauses in Biel wird aufgezeigt, wie wichtig es ist, Unterscheidungsmerkmale in einem durchgehend einheitlich gestalteten, beinahe schon "monoton" wirkenden Umfeld einzubringen. Wiederum verdeutlicht sich aber, dass erst durch eine so stark vereinheitlichte Umgebung solche Akzente besonders an Ausdruckskraft gewinnen können.
Abb. 6. Holzschnitt von 1932 zur Einweihung des Volkshaus in Biel
Das Bahnhofquartier und der Umgang mit der einheitlichen Gestaltung sowie der akzentuierten Differenzierung des Volkshauses dient als historische Grundlage für das zu bearbeitende Projekt des Gurzelen-Areals. Es zeigt auf wie wichtig es ist, trotz klar vorgeschrieben Regeln eine gewisse Freiheit in der Gestaltung von Gebäuden zu erlauben. Obwohl das Volkshaus von Lanz von diversen dieser Vorschriften abweicht, werden gewisse Elemente, wie zum Beispiel die Fenstergliederung, neu interpretiert und in neuer Form angewandt. Sie nehmen noch immer Bezug zum Ganzen und ermöglichen so das Spannungsfeld in der Umsetzung dieser Regeln neu zu definieren.
8 RITTER 1933, S. 72.