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Themis-Vertrauensstelle

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Schon gewusst?

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Geschäftsstelle der Themis-Vertrauensstelle

© Bundesverband Schauspiel

Themis-Vertrauensstelle

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Film, Fernsehen und Bühne gründen erste überbetriebliche, unabhängige Vertrauensstelle für Betroffene von sexueller Belästigung und Gewalt in der Kulturbranche

Machtmissbrauch, Alltagssexismus, Überschreitung von persönlichen Grenzen – das Hashtag #MeToo stieß mit dem Skandal rund um Harvey Weinstein im Oktober 2017 auch in Deutschland auf große Resonanz. Ein in der Vergangenheit vorwiegend verdrängtes Thema rückte in das öffentliche Bewusstsein. Eine Debatte zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz wurde angestoßen und ist inzwischen ein wichtiger Bestandteil der Diskussion über die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Die im Rahmen der MeToo-Debatte in der öffentlichen Berichterstattung bekannt gewordenen Fälle sexueller Belästigung in der Film- und Fernsehbranche warfen beim BFFS die Frage auf: Wie können wir als Verband Betroffenen von sexueller Belästigung und Gewalt helfen?

Offensichtlich war, dass Betroffene über Erlebtes jahrelang geschwiegen hatten und es nicht wagten, sich den zuständigen und verantwortlichen Stellen anzuvertrauen. Hatten sie aber doch den Mut hierzu, wurde den Beschwerden und Vorgängen oftmals nicht in angemessener Weise nachgegangen. Noch schlimmer, Betroffene fürchteten im Fall ihrer Beschwerde, negative berufliche Konsequenzen. Die Angst sich als Betroffene zu offenbaren, die Angst des Nicht-Besetzt-Werdens, grundsätzlich die Furcht vor negativen beruflichen Folgen war und ist oftmals zu groß. Welcher Beitrag müsste geleistet werden, damit solche Missstände in unserer Branche abgeschafft werden können? Offenbar genießen innerbetriebliche Beschwerdestellen bei Arbeitgebern kein Vertrauen. Sie können im Sinne der Betroffenen nicht das leisten, was dringend notwendig wäre: Aufklärung von Vorfällen, konsequentes Handeln, damit Betroffene künftig an ihrem Arbeitsplatz in der Film-, Fernseh- und Theaterbranche belästigungsfrei arbeiten können.

Beim BFFS wurde 2017 die Idee geboren, diese wichtigen Aufgaben durch eine überbetriebliche unabhängige Vertrauensstelle wahrzunehmen. Eine Stelle, die die Akzeptanz der relevanten Berufsverbände, der Senderinstitutionen und der Arbeitgeberseite genießt, und die nicht Gefahr läuft, aufgrund von Eigeninteressen Missstände unter den Teppich zu kehren.

Mit diesem Ansatz lud der BFFS am 29. November 2017 mehr als 17 Branchenverbände der Film- und Fernsehbranche sowie Sender und Produzenten zu einem Runden Tisch in der BFFS-Geschäftsstelle ein. Das Konzept einer unabhängigen und überbetrieblichen Vertrauensstelle durch die Initiative des BFFS wurde gemeinsam entwickelt. Nach acht Monaten dauernden Verhandlungen kam es am 31. Mai 2018 zur Gründung der Themis-Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt e.V. Starke Unterstützung erfuhr dieses Gründungsvorhaben auch von Hon.-Prof. Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien. „Das Schweigen muss ein Ende haben“, so Grütters. Sie wird diese wichtige Stelle für die Dauer von 3 Jahren im Rahmen einer Anschubfinanzierung unterstützen. Die Gründungsmitglieder sind: die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Pro Quote Film, der Bundesverband Schauspiel, der Interessenverband Synchronschauspieler, der Bundesverband Regie, der BundesvereinigungMaskenbild, der Bundesverband Casting, die Allianz Deutscher Produzenten, der Verband Deutscher Filmproduzenten, der Deutsche Bühnenverein/Bundesverband der Theater und Orchester, die Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, das Zweite Deutsche Fernsehen, der Verband Privater Medien, die Deutsche Filmakademie, der Verband der Agenturen für Film, Fernsehen und Theater, die Deutsche Akademie für Fernsehen und der Verband Deutscher Nachwuchsagenturen. Alle tragen die Themis-Vertrauensstelle, wodurch große Hoffnung auf Akzeptanz entsteht.

„Das Schweigen muss ein Ende haben“

Grundlage und Fundament für die Arbeitsweise der Vertrauensstelle bildet das sogenannte “Eckpunktepapier“. Bernhard F. Störkmann, Justiziar des BFFS und Barbara Rohm, Vorsitzende von Pro Quote Film bilden den ehrenamtlichen Vorstand der Themis. Politische und finanzielle Unterstützung gibt es ebenfalls: Bis einschließlich 2020 erhält die Vertrauensstelle bis zu 215.000,- Euro jährlich: 100.000,- Euro vom Bundesministerium für Kultur und Medien, 55.000,- Euro von den öffentlichrechtlichen Sendeanstalten, 15.000,- Euro vom Verband Privater Medien, 10.000,- Euro von der Produzentenallianz, 20.000,- Euro von der Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten, 15.000,- Euro vom Deutschen Bühnenverein. Das soll aber bitte erst der Anfang sein!

Start und Arbeit von Themis

Am 1. Oktober 2018 nahm die überbetriebliche, unabhängige Themis-Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt e.V. ihre Arbeit auf. Seitdem erhalten Betroffene aus der Film-, Fernseh- und Theaterbranche dort unentgeltlich juristische und psychologische Beratung und Unterstützung bei der Beschwerdeführung. Im Vordergrund steht schnelle und professionelle Hilfe für die Betroffenen. Nichts geschieht dabei ohne das Einverständnis der Betroffenen. Strikte Vertraulichkeit ist oberstes Gebot. Auf Wunsch besteht auch die Möglichkeit anonym zu bleiben.

Für die telefonische Beratung sind die Themis-Mitarbeiterinnen unter der Telefonnummer 030/23632020 erreichbar. Persönliche Sprechstunden finden montags, mittwochs und donnerstags von 10.00 bis 12.00 Uhr und mittwochs und donnerstags von 15.00 bis 17.00 Uhr statt. Termine für eine persönliche Beratung erhält man unter der Rufnummer 030/236320210.

Alle, die in der Film-, Fernseh und Theaterbranche tätig sind, können sich melden: Beschäftigte bei Film- oder Theaterproduktionen, Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis, Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist, Bewerberinnen und Bewerber, die im Rahmen von Filmproduktionsprojek- ten als freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und/oder arbeitnehmerähnliche Personen erwerbstätig werden wollen und freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der geschützte Raum steht jeder und jedem aus der Branche zur Verfügung. Der Name der Vertrauensstelle Themis ist der griechischen Mythologie entliehen: Themis ist die Göttin der Gerechtigkeit, der Ordnung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Stärkung der Prävention

Neben der Beratung Betroffener verfolgt Themis einen weiteren, präventiven Ansatz: Neben Gesprächsleitfäden sollen daher auch Handlungsempfehlungen für Unternehmen, Schulungen für Führungskräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Workshops zum AGG (das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) und zum Thema Abgrenzung und verbale Selbstverteidigung erarbeitet und angeboten werden. Auch eine empirische Studie zum Thema sexuelle Belästigung und Gewalt in der Kulturbranche wird Themis erstellen, da bisher valide Daten zu diesem Thema fehlen. Bereiche, in denen Betroffene besonders gefährdet sind, können auf diese Weise evaluiert und daraus wiederum neue Präventionsstrategien abgeleitet werden.

Themis schließt Wissenslücken, da oft weder die Rechte von Betroffenen, noch die Pflichten von Arbeitgebern bekannt sind, berät, klärt und sorgt die Themis für Präventions- und Fortbildungsmaßnahmen, um strukturellem Machtbissbrauch entgegenzuwirken. „Ziel ist es mittel- bis langfristig einen Kulturwandel und eine Bewusstseinsbildung für eine gewalt- und angstfreie Arbeitskultur zu schaffen. Letztlich aus unserer Sicht ein wichtiger und notwendiger Schritt zu mehr Geschlechtergerechtigkeit“, so Bernhard F. Störkmann. Die Themis-Vertrauensstelle wurde in den ersten Monaten gut angenommen. Es melden sich täglich Betroffene, die Rat suchen. Zahlen wird die Themis erst nach Ablauf eines Jahres evaluieren und nennen. Bis dahin wird es unter anderem wesentliche Aufgabe der Branchenverbände sein, die Themis als Vertrauensstelle für Betroffene bekannt zu machen.

Julia Rahmann

Barbara Rohm ist Regisseurin und Fotografin. Als Vorstand von Pro Quote Film engagiert sie sich gegen Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen – nicht nur in der Film- und Kulturbranche. Sie setzt sich u.a. dafür ein, dass die Präsenz von Frauen in den kreativen Schlüsselpositionen in der Film- und Fernsehbranche erhöht wird und dass Aufträge und Fördergelder geschlechtergerecht verteilt werden. Barbara Rohm hat für Pro Quote Film die Themis im Mai 2018 mitgegründet.

Bernhard F. Störkmann ist als Rechtsanwalt in Berlin tätig und berät den BFFS. Seit der Gründung der Themis steht er gemeinsam mit Barbara Rohm ehrenamtlich als Vorstand der Themis vor.

Themis Vertrauensstelle

Schöneberger Ufer 71 • 10785 Berlin beratung@themis-vertrauensstelle.de

Telefonische Beratung: 030/23632020.

Mo., Mi., Do.: 10.00 – 12.00 Uhr Mi. + Do.: 15.00 – 17.00 Uhr

Terminvereinbarung für ein persönliches Gespräch: 030/236320210

Mo. – Fr.: 10.00 - 15.00 Uhr

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