Marburger Magazin Express 46/2020

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ger informeller Austausch wegfällt. Menschen treten sich nicht mehr persönlich gegenüber und lernen sich womöglich gar nicht mehr kennen. Wie kann man so in Beziehung treten, wie einen neuen Partner kennenlernen? Wie wirkt sich dies im privaten und beruflichem Umfeld aus? Ich denke, dass dies insbesondere für Menschen problematisch ist, die nicht in festen Beziehungen beziehungsweise in einer Familie leben und damit auf Kontakte außerhalb der eigenen vier Wände stärker angewiesen sind. Ich sehe die Gefahr der Vereinsamung, insbesondere bei älteren Menschen, Alleinstehenden, Menschen, die ohnehin wenig Kontakte haben. Dies kann dann schon zu einem Auslöser für eine depressive Erkrankung werden. Im beruflichen Kontext gibt es Veränderungen, weil durch Homeoffice Abprachen nicht mehr so leicht zu treffen sind, Gruppenprozesse erschwert werden, die Gefahr besteht, dass jeder alleine vor sich hin arbeitet. Ob jemand zu Hause oder in der Firma besser arbeiten kann, hängt natürlich von individuellen Faktoren ab, etwa ob daheim Störfaktoren vorhanden sind wie zum Beispiel zu betreuende Kinder oder ob sich jemand selbst gut strukturieren kann.

Wer leidet am meisten? Auch diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. So leiden Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren oder in Kurzarbeit müssen an den wirtschaftlichen Folgen, entwickeln Ängste die Zukunft betreffend. Eltern, die neben der eigenen Arbeit ihre Kinder betreuen müssen und auch noch als Lehrer im Homeschooling fungieren, fühlen sich gestresst und überfordert. Konflikte in den Familien können verschärft werden, dadurch dass man ständig aufeinander hockt und für den einzelnen wichtige Freizeitbeschäftigungen wegfallen. Kinder sehen ihre Freunde nicht, müssen sich oft selbst Struktur geben, was nicht immer klappt. Dennoch denke ich, dass es am schwierigsten ist für Ältere und Alleinstehende, da die Gefahr der Vereinsamung hier am größten ist. Welche Gegenstrategien kann man selbst entwickeln? Abhängig von der Situation erscheint es zunächst sinnvoll, den Tag gut zu strukturieren, einen Plan für sich oder die Familie zu machen, zu überlegen, was wann zu tun ist, und auch wer was macht. Dies ist insbesondere in Zeiten von Quarantäne, bei Homeoffice oder Kurzarbeit oder in Zeiten von Schul- und Kindergartenschließungen wichtig. Dabei soll-

Nummer für Notfall Info-Kampagne zur „116117“

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or dem Hintergrund der andauernden Coronapandemie und beginnenden Erkältungszeit startet die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) eine hessenweite Kampagne mit einer wichtigen Botschaft: Patienten mit Erkältungssymptomen wie Husten, Schnupfen oder Fieber sollen keinesfalls einfach in die Zentralen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) gehen, sondern immer zuerst die 116117 anrufen. Die Kampagne soll dazu beitragen, eine weitere Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern. Frank Dastych, Vorstandsvorsitzender der KVH: „Bei Erkältungssymptomen müssen wir derzeit immer auch eine Coronainfektion in Betracht ziehen. Daher ist es wichtig, dass wir in den Bereitschaftsdienstzentralen die Versorgung

von Patienten mit Husten, Schnupfen oder Fieber von der Versorgung ‚gewöhnlicher‘ Patienten trennen. Wir haben dazu die Zeitslots in den ÄBD-Zentralen identifiziert, in denen die Auslastung gering ist, und werden Patienten mit Grippe- bzw. CovidSymptomen gezielt dorthin steuern. So möchten und können wir wirksam verhindern, dass unsere Zentralen zu Infektions-Hotspots werden.“ Um zu erfahren, zu welchen Zeiten sie in die Bereitschaftsdienstzentralen gehen können, können sich die Patienten jederzeit an die Dispositionszentralen der 116117 wenden. Mit einer aufmerksamkeitsstarken Kampagne weist die KVH daher darauf hin, dass Patienten mit den genannten Krankheitszeichen immer zuerst die

ten nicht nur Arbeit und Pflichten geplant werden, sondern auch Platz für Hobbys, Sport und sinnvolle Freizeitbeschäftigen eingeräumt werden. So gibt es vielfältige Sportvideos auf YouTube, die Anleitung geben, wie man auch daheim Sport treiben oder Yoga machen kann. Spaziergänge oder Spieleabende können schöne oder sinnvolle Familienbeschäftigungen sein. Schwer ist es für Menschen, die alleine leben, insbesondere dann, wenn durch die momentane Situation Sozialkontakte wegfallen. In diesem Fall ist es umso wichtiger, diese Menschen nicht alleine zu lassen, den Kontakt zu halten durch Telefongespräche, Skype oder ein Treffen zum Spaziergang.

Ab wann sollte man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen? Professionelle Hilfe sollte dann in Anspruch genommen werden, wenn ein Leidensdruck vorhanden ist und das Gefühl, die Probleme nicht mehr selbst bewältigen zu können, insbesondere, wenn Symptome wie Schlaf- und Konzentrationsstörungen, negative Gedanken, die mit Mut- und Hoffnungslosigkeit einhergehen, hinzukommen. Sinnvoll ist es, nicht so lange zu warten, bis die Symptome chronisch geworden sind, sondern sich frühzeitig Hilfe zu suchen. In einem Erstgespräch bei einem Psychotherapeuten kann besprochen werden, ob eine Psychotherapie sinnvoll ist. Interview: Michael Arlt

Die Marburger Psychotherapeutin Frauke Neßler. Foto: Michael Arlt

116117 anrufen sollen, bevor sie eine ÄBD-Zentrale aufsuchen. Dazu sind mehr als 400 Großflächenplakate in ganz Hessen und ab der nächsten Woche 220 sogenannte City-Light-Poster an Frankfurter U- und S-Bahn-Stationen zu sehen. Darüber hinaus liegen 50.000 Postkarten in den hessischen Bürgerämtern zur Mitnahme bereit. Mehr als 3.000 Haus-, Kinder-, Hals-Nasen-Ohren- und Pneumologiepraxen hat die KVH zudem mit Postern ausgestattet. „Wir müssen die Menschen in Hessen für die Situation sensibilisieren. Nur dann gelingt es, Patienten, die möglicherweise mit SARSCoV-2 infiziert sind, aus dem Normalbetrieb der Bereitschaftsdienstzentralen herauszuhalten. Unsere Kampagne leistet dazu einen wichtigen Beitrag“, so die KVH. Vor dem Hintergrund der derzeit hohen Anzahl an Anrufen bei der 116117 – in der vergangenen Woche waren es mehr als 41.000 – weist die KVH darauf hin, dass die 116117

im Zusammenhang mit der Pandemie „nur“ dazu da sei, Patienten zu beraten und nach vordefinierten Fragen zu ermitteln, ob und wo ein Test durchgeführt werden sollte. Dabei bleibe es jedoch nicht. Demnach würden sich die Menschen inzwischen mit jeglichen Fragen rund um das Coronavirus an die 116117 wenden. Der Grund: Die Nummer ist trotz des hohen Anruferaufkommens vergleichsweise gut erreichbar – und damit für viele die erste Anlaufstelle. „Bisher ist das noch zu bewerkstelligen. Doch die Zahl der Anrufe wird mutmaßlich weiter steigen. Hinzu kommt – und das gerät durch Corona immer mehr in Vergessenheit –, dass natürlich weiterhin gewährleistet sein soll, dass die 116117 bei akuten gesundheitlichen Beschwerden schnell zu erreichen ist. Das kann nicht funktionieren“, so die KVH. Die KVH appelliert daher an die Menschen, nur dann die 116117 anzurufen, wenn tatsächlich ein Bedarf besteht. pe/red

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