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Der Landtag nimmt seine Arbeit auf
Prämienverbilligung, Road Pricing, Gemeindesteuerzuschläge, Katastrophenvorsorge, Nachtragskredite und Partnerschaftsgesetz: In der ersten Arbeitssitzung des Landtags im Jahr 2022 stehen einige Traktanden auf dem Programm, die für spannende Debatten sorgen könnten.
Text: Heribert Beck
Zwei Motionen, zwei Postulate und die Vorprüfung von zwei Initiativen stehen ab Mittwoch auf der 35 Punkte umfassenden Traktandenliste des Landtags. Vier Protokolle gilt es zu genehmigen, einige Nachtragskredite zu behandeln, und neben anderen Aufgaben befassen sich die Abgeordneten mit eine Interpellationsbeantwortung, vier ersten sowie sechs zweiten Lesungen und einer Reihe von EU-Richtlinien beziehungsweise -Verordnungen.
Hürden abschaffen, Verkehrskollaps verhindern Bei den Postulaten geht es um die Senkung der Hürden für die Prämienverbilligung, eingereicht von der VU-Fraktion, und die Umgestaltung der Motorfahrzeugsteuer in ein Road Pricing-System, eingereicht von der FBP. Die VU möchte mit ihrem Vorstoss erreichen, dass die Prämienverbilligung tatsächlich dort ankommt, wo sie benötigt wird. Die Praxis seit der Ausweitung der Massnahme im Jahr 2019 zeige inzwischen, dass die Hemmschwelle für den Bezug der Prämienverbilligung nach wie vor gross sei. Bislang nützen weniger als die Hälfte der Bezugsberechtigten ihre Möglichkeiten. «Für viele Berechtigte ist wohl der Gang zum Amt für Soziale Dienste die grösste Hürde, um einen Antrag zu stellen», hielt die VU bei der Einreichung des Postulats fest. Viele Bezugsberechtigte seien auch mit der Möglichkeit des Online-Antrags überfordert oder verfügten nicht über dafür die notwendigen Ge-
Der Landtag tritt zu seiner ersten Arbeitssitzung 2022 am kommenden Mittwoch, 9. März 2022 zusammen.
räte. Die Idee der VU-Fraktion ist es, die Anspruchsberechtigung über die Steuererklärung automatisch zu ermitteln und somit die bürokratischen Zwischenschritte sowie den Gang zum Sozialamt auszuschalten.
Die FBP-Fraktion ist der Ansicht, dass eine jährliche Pauschalbesteuerung der Personen- wagen nicht mehr zeitgemäss ist und den aktuellen Herausforderungen des bevorstehenden Verkehrskollapses sowie der Klimapolitik nicht gerecht wird. Mit der zunehmenden Elektromobilität, dem steigenden Pendleranteil und den günstigen Tankmöglichkeiten im nahen Ausland verlören die Motorfahrzeugsteuer sowie die Mineralölsteuer an Bedeutung. «Neben der öffentlichen Parkplatzbewirtschaftung und dem betrieblichen Mobilitätsmanagement gibt es derzeit keine Möglichkeiten, finanzielle Lenkungsmassnahmen vorzunehmen, welche von der tatsächlichen Belastung der liechtensteinischen Strasseninfrastruktur abhängen. Die Postulanten möchten es der Regierung überlassen, neben Road Pricing-Systemen alternative Modelle für eine Neugestaltung der Motorfahrzeugsteuer zu prüfen», schreiben die FBP-Abgeordneten in der Postulatsbegründung.
Gegen Diskriminierung, für mehr Mitsprache Die beiden Motionen kommen von der FBP und den Demokraten pro Liechtenstein, kurz DpL. Die FBP beschäftigt sich mit der Diskriminierung von Inländern in Balzers, Ruggell, Eschen und Mauren, die Gemeindesteuerzuschläge von über 150 Prozent erheben. Damit bezahlen sie
mehr als EWR-Bürger, die im öffentlichen Dienst arbeiten. Die Motionäre verfolgen das Ziel, den betroffenen Gemeinden zu ermöglichen, ihre Steuersätze ebenfalls auf 150 Prozent zu senken. «Wie die Motionäre ausgerechnet haben, hätte eine entsprechende Absenkung für diese Gemeinden aber deutliche Steuerverluste zur Folge: 1,5 Millionen für die Gemeinde Balzers, je 1,9 Millionen Franken für Eschen und Mauren sowie 0,8 Millionen Franken für Ruggell», heisst es auf der Webseite der Bürgerpartei. So sei der Steuerverlust gemäss den Motionären insbesondere für Balzers, Eschen und Mauren aus finanzpolitischen Gründen nicht zu verantworten und eine landesweite Festlegung des Satzes auf 150 Prozent durch den Gesetzgeber somit nicht möglich. «Vielmehr wollen die Motionäre das Ziel durch eine finanzielle Kompensation erreichen. Diese soll laut Motion über einen neuen Beitrag in der Stufe 2 des Finanzausgleichs bereitgestellt werden, berechnet über die effektive Steuerkraft und den Finanzbedarf.»
Die DpL wiederum verlangen in ihrer Motion, dass die Regierung erst nach einer Anhörung des Landtags Massnahmen in Zeiten von besonderen Lagen erlassen kann. So könnten die Abgeordneten darüber befinden, ob und wie es in Zeiten von besonderen Lagen mitreden wollen. «Eine Machtverschiebung in einer Krise hin zur Exekutive ist nicht verkehrt. Dadurch darf das Parlament jedoch nicht weitgehend ausgeschaltet werden. Mit der Kontrollaufgabe allein hat das Parlament nicht genügend Einflussmöglichkeiten. Zudem muss die Zeit der Machtverschiebung zeitlich beschränkt sein», schreibt die Partei auf ihrer Webseite. Nach Auffassung der Motionäre sollte für die Zukunft gesetzlich festgelegt werden, dass der Liechtensteiner Landtag vor der Festlegung von Massnahmen durch die Regierung angehört werden muss, besonders dann, wenn die Massnahmen grössere Einschränkungen enthalten. «Unser kleines Parlament bietet den grossen Vorteil, dass es sich bei Bedarf sehr schnell versammeln kann», schreiben die Demokraten pro Liechtenstein.
Sicherheit im und Vorsorge für den Katastrophenfall Die Interpellationsbeantwortung befasst sich mit einem VU-Vorstoss aus dem vergangenen Sommer, der unter dem Eindruck der verheerenden Überschwemmungen im Westen Deutschlands eingebracht worden ist. Die Interpellanten wollten wissen, wie es um die Katastrophenvorsorge in Liechtenstein bestellt ist. In ihrer Beantwortung hält die Regierung fest, dass das Land bei der Abwehr von häufigen, wiederkehrenden Ereignissen gut aufgestellt ist. Dennoch zeigt sie die für Liechtenstein massgebenden Handlungsfelder auf, namentlich die fortlaufende Optimierung der getroffenen Massnahmen im Bereich der Prävention und Vorsorge, um die Wahrscheinlichkeiten von ausserordentlichen Lagen respektive Naturkatastrophen gering zu halten. «Hierzu sieht das Regierungsprogramm 2021–2025 bereits diverse Projekte in den Bereichen Raum, Umwelt und Sicherheit vor, um den hohen Schutzstandard aufrechtzuerhalten», schrieb die Regierung kürzlich in einer Presseaussendung. Als Beispiel wird die bereits angelaufene Sanierung der bald 150 Jahre alten Rheindämme hingewiesen.
Stiefkindadoption steht zur Debatte Die erste Nachtragskredit-Sammelvorlage für das laufende Jahr umfasst drei Nachtragskredite im Umfang von 8,1 Millionen Franken. Davon entfallen 7 Millionen auf den Antrag zur Gewährung zusätzlicher Mittel zur Ausrichtung von Wirtschaftshilfen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, namentlich Härtefall-Zuschüsse und Covid-19-Taggelder. Weitere Nachtragskredite im Umfang von 551'000 und 550'000 Franken werden für den Staatsbeitrag an das Liechtensteinische Landesspital sowie nicht aktivierbare Informatikanschaffungen im Bereich der Bildung beantragt.
Von den Gesetzeslesungen könnte vor allem die Abänderung des Partnerschaftsgesetzes, das letzte Traktandum vor der Beantwortung der Kleinen Anfragen, für Gesprächsstoff bei den Abgeordneten sorgen. Mit der Vorlage soll in Umsetzung eines Urteils des Staatsgerichtshofs aus dem Jahr 2020 die Stiefkindadoption für eingetragene Partnerinnen bzw. Partner und Lebensgefährten bzw. Lebensgefährten durch Anpassungen im Partnerschaftsgesetz sowie im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch rechtlich verankert werden. «Damit kann die vom Staatsgerichtshof gerügte Ungleichheit beseitigt sowie die bestehende Beziehung zwischen dem Kind und dem Stiefelternteil rechtlich anerkannt und somit Rechtssicherheit geschaffen werden», schreibt die Regierung im entsprechenden Bericht und Antrag. Die Gesetzesänderung soll nach Möglichkeit auf den 1. Juli in Kraft treten. Bestehen bleiben jedoch das generelle Adoptionsverbot sowie das Verbot von Fortpflanzungsmedizin, was einigen Abgeordneten nicht weit genug gehen könnte.
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DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN