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Liechtenstein ist nicht passiert. Es wurde gemacht

«Liechtenstein ist nicht passiert. Es wurde gemacht.»

Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch kann in der ablaufenden Legislaturperiode auf eine Vielzahl an Erfolgen zurückblicken. Er betont, dass es wichtig ist, nicht stets in Vierjahreszeiträumen zu denken und zu planen. Mit zukunftsweisenden Konzepten und Strategien hat er den Grundstein gelegt, damit Liechtenstein auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten über eine hohe Lebensqualität und Standortattraktivität verfügt.

Interview: Heribert Beck

Herr Regierungschef-Stellvertreter, Ihre erste Legislaturperiode in der Liechtensteiner Regierung geht dem Ende zu. Wie beurteilen Sie die Arbeit der Gesamtregierung in dieser Zeit? Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch: Ich denke, dass wir gemeinsam einiges erreichen konnten. Natürlich kann ich, was konkrete Projekte betrifft, nur für mein Ministerium sprechen. Aber dass der Staatshaushalt wieder auf so gesunden Beinen steht, ist sicherlich ein Verdienst aller Regierungsmitglieder. Auch in der Corona-Krise haben wir als Kollegium sehr gut zusammengearbeitet und jeder in Bezug auf sein Aufgabengebiet in einer bisher für uns alle unbekannten Situation dazu beigetragen, dass die Bevölkerung gesundheitlich, wirtschaftlich und sozial möglichst unbeschadet durch eine äusserst schwierige Zeit kommt. Mir ist wichtig, dass dies auch bei der zweiten Welle, ungeachtet des Wahlkampfs, der Fall sein wird.

Wie beurteilen Sie die Arbeit in Bezug auf Ihr Ministerium? Was sind für Sie die grossen Pflöcke, die Sie zusammen mit Ihren Mitarbeitern und Ämtern eingeschlagen konnten? Gerne beginne ich mit dem kleinsten Aufgabenbereich, der mir dennoch eine Herzensangelegenheit ist: dem Sport. Mit der Sportstättenförderverordnung haben wir eine Lösung gefunden, wie die Finanzierung von Infrastrukturen von landesweitem Interesse künftig besser, klarer und einfacher sichergestellt werden soll. Und mit der Revision des Sportgesetzes haben wir die Grundlage für die Anpassung der Sportförderstrukturen geschaffen mit dem Ziel, dass Liechtenstein auch künftig immer wieder Athletinnen und Athleten hervorbringt, die an der Weltspitze mitmischen können.

Im Bereich Infrastruktur ist Liechtenstein gerade in Bezug auf die Hochbauten entscheidende Schritte vorwärtsgekommen. Ich denke zum Beispiel an das Schulzentrum Unterland II, das nach zwanzigjähriger Diskussion nun endlich gebaut werden kann, oder an das Schulzentrum Mühleholz, das als Ganzes künftig wieder über eine zeitgemässe und zukunftsweisende Infrastruktur verfügen wird. Dabei war die Ministerien übergreifende Zusammenarbeit mit Bildungsministerin Dominique Halser und ihrem Team im Rahmen der Schulbautenstrategie ein Schlüssel zum Erfolg. Aber auch die Landesbibliothek und die Landesverwaltung erhalten neue, grosszügige, aber gleichzeitig nicht überdimensionierte Räumlichkeiten. Das Dienstleistungszentrum Giessen, zu dem kürzlich der Spatenstich erfolgt ist, macht die Verwaltung nach seiner Fertigstellung für unsere Einwohner noch effizienter und kundenfreundlicher. Ausserdem konnten wir mit dem Mobilitätskonzept 2030 und dem Raumkonzept Liechtenstein Strategien ausarbeiten, die aufzeigen, wohin der Weg des Landes in beiden, teilweise zusammenhängenden Bereichen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gehen kann. Und wenn, wie bei den Hochbauten, aus Konzepten und Papieren Realität wird, freut mich das jeweils besonders.

Zukunftsweisend sind wir auch mit der kürzlich vorgestellten Energiestrategie 2030 und der Energievision 2050 unterwegs, mit welchen wir auf die Wirtschaft zu sprechen kommen. Die Totalrevision des Gewerbegesetzes ist für mich ebenfalls ein «grosser Pflock», um bei der Formulierung der Frage zu bleiben. Die Rahmenbedingungen für die heimischen Gewerbebetriebe sind aufgrund des neuen Gesetzes nochmals liberaler geworden. Die bürokratischen Hürden sind in Bezug auf das Bewilligungsverfahren abgebaut worden. Gleichzeitig ist uns ein tragfähiger Kompromiss zwischen europäischen Vorgaben und liechtensteinischen Bedürfnissen gelungen, der vom Landtag letztlich einstimmig unterstützt wurde. Die sieben Staatsbetriebe, die meinem Ministerium zugeordnet sind und zusätzlich die Bergbahnen Malbun, an denen das Land mit rund 48 Prozent beteiligt ist, haben immer wieder für Gesprächsstoff gesorgt. Insgesamt bin ich aber überzeugt, dass die LKW, die Post und die weiteren Unternehmen sehr gute und wichtige Dienstleistungen für unser Land erbringen. Im letzten Jahr der Legislaturperiode wurde der Geschäftsbereich massgeblich von der Corona-Pandemie dominiert. Diesbezüglich stand das Hilfspaket für die Wirtschaft im Vordergrund, das wir in nur 72 Stunden schnüren konnten. Durch die zweimalige Nachjustierung ist es uns bislang gelungen, praktisch alle Unternehmen und damit Arbeitsplätze zu sichern. Aufgrund der zweiten Welle haben wir Ende Oktober weitere Unterstützungsmassnahmen beschlossen. Die Krise bleibt also herausfordernd für die Menschen in Liechtenstein, für die Wirtschaft und für die Politik.

Das von Ihnen angesprochene Mobilitätskonzept 2030 ist zweifellos das umfassendste, das Liechtenstein in diesem Bereich je gesehen hat. Wie beurteilen Sie den Dämpfer durch die S-Bahn-Abstimmung? Den demokratischen Entscheid akzeptiere ich diskussionslos und wir wissen nun, dass wir die Liechtensteiner Verkehrsprobleme ohne den Schienenausbau lösen müssen. Das umfassende Mobilitätskonzept beinhaltet neun weitere Leitprojekte und rund 50 Einzelmassnahmen, die ebenfalls für spürbare Erleichterungen und damit für mehr Lebensqualität und Standortattraktivität sorgen können. In Bezug auf Schaan läuft derzeit die Variantenprüfung zur Lösung der Schrankenproblematik, und ich bin sicher, dass im kommenden Sommer ein guter Vorschlag vorliegen wird. Auch rund um

den Rheinübergang in Bendern laufen die Abklärungen, wie dieser konkret optimiert werden soll. Und natürlich setzen wir weiterhin auf Verbesserungen für den ÖV und den Langsamverkehr. Gerade bei letzterem lässt sich mit vergleichsweise kleinem Aufwand viel bewirken.

Sie haben auch die Energiestrategie 2030 und die Energievision 2050 erwähnt. Was erhoffen Sie sich von diesem Gesamtpapier und was sind die zentralen Leitlinien sowie Zielsetzungen? Mit der Energiestrategie 2030 nimmt die Regierung ihre Verantwortung wahr und schreibt die konkreten Ziele und Massnahmen für die nächste Dekade fest. Liechtenstein soll in Sachen Energieeffizienz und nachhaltige Energieerzeugung eine Vorbildrolle einnehmen – nicht nur auf dem Papier oder bei den Ankündigungen, sondern bei der Umsetzung. Gleichzeitig muss aber auch die Versorgungssicherheit gewährleistet bleiben. Wir brauchen bezahlbare und gut verfügbare Alternativen als Grundlage für unsere Wirtschaft und den Erhalt unserer Lebensqualität. Da zehn Jahre eine relativ kurze Zeitspanne sind, um ein Energiesystem zu transformieren, hat die Regierung hierzu die Energievision 2050 integriert. Wollen wir in eine nachhaltige Zukunft investieren, sind zwingend Ökologie und Ökonomie in Einklang zu bringen. Wir streben eine erfolgreiche Energiewende an – und dazu brauchen wir eine integrierte Sichtweise, die Wirtschaft, Klima, Energie und Raumplanung miteinander vernetzt. Energiepolitik ist folglich immer in einem gewissen Mass auch Wirtschaftspolitik.

Sie haben einmal gesagt «Covid-19 befällt nicht nur die Menschen, sondern auch die Wirtschaft». Als Wirtschaftsminister waren Sie besonders gefragt. Wie lautet Ihr Zwischenfazit? Für ein Zwischenfazit ist es inmitten der zweiten Welle zu früh. Die Pandemie hat unser aller Leben nach wie vor fest im Griff, und die Konjunktureinbrüche sind einschneidend. Allerdings sieht es nicht danach aus, dass sie so einschneidend werden, wie noch im März befürchtet. Die Unternehmer spürten im dritten Quartal eine Entspannung der Situation und viele von ihnen bewerteten die Stimmung als gut. Wir verfügen in Liechtenstein zum Glück über eine breit diversifizierte Volkswirtschaft mit leistungsstarken und widerstandsfähigen Industrieunternehmen, Gewerbebetrieben und Dienstleistern und gleichzeitig mit einem starken und innovativen Finanzplatz. Bewährt haben sich bislang die Hilfspakete des Staates und der Gemeinden. Wichtig ist mir aber auch, dass die Menschen nicht in den Hintergrund rücken. Denn die Aufgabe der Politik ist es, das Gesamte im Blick zu haben und gleichzeitig den Einzelnen nicht zu vergessen. Daher hatten wir bei unseren Massnahmen auch stets die Menschen im Kopf, die Arbeit und Einkommen benötigen. Es ging darum, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten – und das ist uns rückblickend und bis heute nachweislich gelungen. Gibt es auch Ziele, die Sie sich für die Legislatur 2017-2021 gesetzt haben, die Sie nicht erreichen konnten? Die grossen Ziele haben wir meines Erachtens erreicht. Trotzdem sind wir aber in vielem noch nicht am Ziel. Damit komme ich zurück auf die angesprochenen Strategien und Konzepte. Sie befassen sich mit längeren Prozessen und gerade in der Mobilität sowie in der Energie- und Klimapolitik müssen wir in Jahrzehnten denken, bis umfassende Massnahmen mehrheitsfähig sowie umgesetzt sind und dann auch greifen können. Diesbezüglich zeigen sich Erfolge nicht in einer Legislaturperiode, und es wäre in Bezug auf komplexe Zukunftsthemen falsch, in Vierjahreszeiträumen zu denken.

Sie treten bei den Landtagswahlen im Februar als Regierungschefkandidat der VU an. Was sind Ihre Ziele im Falle Ihrer Wahl in dieses Amt? Liechtenstein ist nicht einfach passiert. Liechtenstein wurde gemacht. Von vielen fleissigen Händen und vielen klugen Köpfen, welche Grosses im Kleinen bewirkt haben. Wir müssen

Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch: «Wichtig ist mir, dass die Menschen nicht in den Hintergrund rücken. Die Aufgabe der Politik ist es, das Gesamte im Blick zu haben und gleichzeitig den Einzelnen nicht zu vergessen.» wissen, wer wir sind, wo wir herkommen, und andererseits müssen wir unermüdlich und zielstrebig neue Ideen entwickeln, Ideen die uns als Gesellschaft und Land weiterbringen, wettbewerbs- und konkurrenzfähig halten. So, wie es uns unsere Vorfahren vorgelebt und vorgemacht haben. Ich wünsche mir für uns alle die notwendige Offenheit, neben all dem Schwierigen und Ungewohnten auch die Chancen zu sehen. Ich bin überzeugt, dass es Zeit für einen kulturellen Wandel in unserem Land ist, der richtige Zeitpunkt für einen neuen Stil, für ein neues Verständnis von Politik und insbesondere von Zusammenarbeit und Zusammenhalt. Unser Land, unsere Heimat hat so viel zu bieten, das wir erhalten und weiterentwickeln sollten und müssen. Diese Aufgabe anvertraut zu erhalten und wahrzunehmen und mich weiterhin für die Menschen in unserem Land einsetzen zu dürfen, steht im Zentrum meiner Kandidatur.

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