GV Praxis 03/2013

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Ein Erfolgsduo: die Brüder Thomas und Stephan Meyer (v.l.)

Immer gut in Schale Vor 50 Jahren startete Meyer Menü als Metzgerei mit Imbissbetrieb in Bielefeld. Heute zählt das Familienunternehmen zu den marktführenden Menü-Bringdiensten der Republik – eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Die Chronik spiegelt den Aufstieg einer fast vergessenen Disziplin wider: Fernverpflegung, heute Menü-Service.

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ir sind damals angetreten, um die Firma groß zu machen“, sagt Thomas Meyer. Als er und sein Bruder Stephan den elterlichen Betrieb 1989 übernahmen, beschränkte sich das Liefergebiet auf Ostwestfalen-Lippe. Heute zählen die Bielefelder mit 65.000 Essen täglich zu den erfolgreichsten Menü-Bringdiensten in Deutschland. Der Jahresumsatz beläuft sich auf rund 60 Millionen Euro, zu ihrem Imperium zählen sechs Produktionsküchen – die größte davon am Bielefelder Stammsitz mit 18.000 Essen. Sie beliefern Schulen, Kitas, Unternehmen und Privathaushalte mit Essen auf Rädern – und sie machen ihren Job ausgesprochen gut. Doch so erfolgreich die beiden Brüder sind, so bescheiden wirken sie. Als Ostwestfale sei man eben bodenständig und zurückhaltend, bemerkt 36

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Thomas Meyer. Eine Eigenschaft, die beiden von ihren Eltern Dieter und Ursula Meyer in die Wiege gelegt wurde. Vor genau 50 Jahren übernahm das Ehepaar die Schlachterei Groll samt Imbissbetrieb. Schritt für Schritt entwickelte sich das bereits gut laufende Schnellrestaurant zu einem reinen Menü-Service. „Mitarbeiter in kleinen Betrieben ohne eigene „Für Mitarbeiter ohne eigene Kantine gab es keine Alternative.“ Thomas Meyer

Kantine hatten damals keine Alternativen“, erinnert sich Meyer. Denn einen Pizza-Service oder Ähnliches gab es noch nicht. So florierte das Geschäft mit frisch gekochtem Essen, das man pünktlich zur Mittagszeit in die umliegenden Firmen lieferte. Der

Fotos: Meyer Menü, Gero Breloer, Claudia Zilz

Bedarf war in den 60er Jahren groß, ja sogar riesig: Die Wirtschaft boomte und stellte stetig neue Mitarbeiter ein, die versorgt werden wollten. In dieser Pionierzeit des Wirtschaftswunders wandelte sich die beschauliche Metzgerei hin zu einem modernen Lieferservice für Firmen, ein Geschäftsmodell, was es bis dato in Deutschland nur vereinzelt gab. Das Jahr 1973 markiert einen weiteren Meilenstein: Die Alu-Schale hielt Einzug und statt auf Großgebinden konnten die Kunden fortan auf praktische Einzelportionen zugreifen. Ein wichtiger Schritt für das Geschäftsmodell „Essen auf Rädern“. Jeder wollte die gute Hausmannskost vom Meyer Menü. Die Nachfrage war enorm, so dass man sich 1986 für den Neubau der Bielefelder Großküche entschied – mit viel Luft nach oben.


Die Söhne Stephan und Thomas Meyer waren zu diesem Zeitpunkt schon voll mit im Geschäft und bestens für die „Staffelstab-Übergabe“ im Jahr 1989 vorbereitet. Während Thomas Meyer als gelernter Fleischermeister bis heute Einkauf und Produktion managt, kümmert sich Bruder Stephan als studierter Betriebswirt um Marketing, Controlling und Expansion – eine ideale Kombination. Schon bald übernahmen die Brüder den ersten Mitbewerber, Ekü-Menü in Büren. Es folgten weitere Übernahmen renommierter Familienbetriebe, die sich in ihrer Region über Jahrzehnte einen Namen erarbeitet hatten, aber nun aufgrund Schon bald übernahmen die Meyer-Brüder erste Mitbewerber. fehlender Nachfolger oder wirtschaftlicher Probleme strauchelten. Ob Gauger in Hamburg, die Stadtküche in Hannover oder Dürrich in Neckarsulm – sie alle segeln heute erfolgreich unter der Flagge Meyer Menü und sie sind allesamt mit der Betriebsverpflegung groß geworden. Heute ist der einstige Motor des Geschäfts, die Betriebsverpflegung, ins Stottern geraten. Nicht die großen Konkurrenten am Markt seien dafür verantwortlich, sondern die kleinen

unscheinbaren wie beispielsweise die Bäckerei um die Ecke oder der PizzaBringdienst, erklärt Thomas Meyer nachdenklich. Früher hätten Firmen mit 20 Mitarbeitern händeringend je-

Unternehmensgründer Dieter Meyer (re.) mit einem Kunden.

Meyer Menü, Bielefeld Gründung 1963 Geschäftsführer Stephan & Thomas Meyer, Marcel Hoffmann, Christian Seidel Umsatz 60 Mio. Euro Essen täglich 65.000 Mitarbeiter 820 Standorte Produktion Bielefeld, Büren, Hattingen, Hannover, Hamburg, Neuenstadt am Kocher Franchisepartner 4 Einkaufsvolumen 22 Mio. Euro Anzahl Lieferanten Rund 70 bundesweit Fuhrpark 480 (VW Caddy) Lieferschwerpunkte NRW, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, BadenWürttemberg, SchleswigHolstein, Hessen


Menü-Service

Allzeit innovativ: 2010 eröffnete Meyer Menü am Produktionsstandort in Hattingen das erste öffentliche Bistro.

manden gesucht, der ihnen die Menüs in den Betrieb bringt. Das sei heute kein Thema mehr. „Das klassische Mittagessen hat zudem ausgedient. Die Menschen essen heute, wenn sie Lust und Zeit haben.“ Zumindest in der Betriebsverpflegung scheint das Modell „Menü-Bringdienst“ auszu-

„Das klassische Mittagessen hat ausgedient. Die Leute essen, wenn sie Lust und Zeit haben.“ Thomas Meyer

laufen. Doch Meyer Menü hat frühzeitig die Fühler nach anderen Geschäftsbereichen ausgestreckt. Schon Mitte der 90er Jahre wagte man den Schritt in den Markt „Essen auf Rädern“, der heute mit täglich 16.000 Essen ein Drittel zum Umsatz beisteuert. Und mit dem Aufkommen von Ganztagsschu-

len tat sich ein neues, bis dato völlig unbekanntes Expansionsfeld auf. „Mittlerweile macht der Schul- und Kitamarkt mit bundesweit 28.000 Essen den Löwenanteil unserer Produktion aus“, weiß Thomas Meyer. Die Wachstumschancen bewertet der 49Jährige positiv. Mit bundesweit 820 Mitarbeitern, 480 eigenen Fahrzeugen, sechs modernen Produktionsstätten und über 20 Vertriebsstandorten ist man dafür bestens aufgestellt. Doch nur ein feines Gespür für neue Märkte reicht nicht. Zu den Erfolgsbausteinen zählen vielmehr kurze Entscheidungswege, schlanke Prozesse, ein hoher Qualitätsanspruch und eine hohe Effizienz in allen Unternehmensbereichen. Die eigene Fleischerei in Bielefeld leistet dazu einen wertvollen Beitrag. Hier werden zentral

Meyer-Bestmarken Kita & Grundschule und Schule & Mensa. Täglich 28.000 Essen mit einem Umsatz von

Familie & Daheim.

20 Mio. €. Zur Auswahl stehen zwei Menüs,

Insgesamt 16.000 Essen auf Rädern mit

davon ein vegetarisches, plus Dessert oder

einem Umsatzanteil von 22 Mio. Euro. An-

Salat. Preisspanne: 2,70 – 3,40 €. Lieferung

gebot wie bei Büro & Betrieb, zusätzlich gibt

ab 10 Portionen pro Menü. Einzelne Gerichte

es am Samstag auf Wunsch ein gekühltes

sind Optimix-zertifiziert.

Menü und am Sonntag ein Tiefgefrorenes.

Büro & Betrieb. Täglich 21.000 Essen mit einem Umsatzanteil

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arbeiter auch Fullservice-Catering vor Ort.

Preisspanne: 5,90 – 7,90 €. Meyer Catering.

von 18 Mio. Euro pro Jahr. Von Montag bis

Catering für Betriebsfeiern, Messeevents und

Freitag stehen fünf warme Menüs, ein kaltes

Tagungen. Im Angebot: Canapées, Fingerfood,

Menü sowie ein großer Salat zur Wahl.

Happy-Spoon- und Aktionsbuffets mit Life-

Preisspanne: 4,30 – 7,90 €. Ab 200 Mit-

Cooking bis hin zu mehrgängigen Menüs.

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sämtliche Fleischkomponenten von Schwein und Rind für die bundesweite Speisenproduktion vorgegart und küchenfertig zugeschnitten – vom Hackfleisch über Rouladen bis hin zu Sauerbraten und Schweinesteaks. Rund 2 bis 2,5 Tonnen Fertigwaren wandern täglich von Bielefeld in die einzelnen Produktionsküchen. Das System garantiert eine einheitliche Qualität an allen Standorten. Ob in Hamburg, Hannover oder Stuttgart – das Schnitzel wiegt überall genau 100 Gramm – nicht mehr und nicht weniger – und es schmeckt überall gleich. „Wir versuchen uns dadurch Wettbewerbsvorteile zu verschaffen“, erklärt der Fleischerfachmann. Bundesweit gibt es deshalb nur einen Speisenplan. Regionale Vorlieben fallen größtenteils unter den Tisch. Vereinzelt gebe es deshalb Kritik, räumt er ein. Besonders die Schwaben wünschen sich mehr Spätzle und Maultauschen. Doch die Vorteile eines einheitlichen Speisenplans in punkto Beschaffung, Speisenplandruck und Fleischerei wiegen bei weitem die Nachteile auf. Bei eiFür ganz Deutschland gibt es nur einen Speisenplan. nem jährlichen Einkaufsvolumen von 22 Millionen Euro und 70 Lieferanten nur allzu verständlich. Es versteht sich von selbst, dass in den Produktionsstätten nach einheitlichen Rezepturen gearbeitet wird. Für Thomas Meyer die Basis für Effizienz und


Menü-Service

gleichbleibende Qualität. Heute schöpft Meyer Menü aus einem Fundus von über 400 Rezepturen. „Unser Anspruch ist es, jeden Tag etwas besser zu werden“, betont der Firmenchef. Seit 2008 hat man deshalb Geschmacksverstärker aus der Küche verbannt – das schafft Vertrauen beim Kunden. Und ganz im Sinne von schlanken Prozessen verzichtet der Menüanbieter auf Verträge. „Die halten uns nur von der Arbeit ab“, weiß der erfolgreiche Unternehmenslenker. „Unser Vertrag ist, dass wir gut sind. Wenn wir nicht gut sind, können wir nicht liefern.“ Thomas Meyer sieht es pragmatisch, wer wechseln will, soll wechseln. Bislang ist das brüderliche Führungsduo mit dieser Strategie äußerst erfolgreich gefahren. Ans Aufhören denken beide vorerst noch nicht – auch wenn sich

Meyer-Renner Schnitzel „Förster Art“ in Champignonrahmsauce mit Erbsen und Möhren sowie Bauernspätzle Alaska Seelachsfilet mit Petersilienkartoffeln und Remouladensauce Currywurst mit Röstkartoffeln und Krautsalat Spaghetti Bolognese Reibekuchen mit Apfelmus Grünkohl (Wintersaison)

Stephan Meyer in diesem Jahr ein „Sabbatical“, eine Auszeit verschreibt – zum Luftholen, Energie tanken und neu sortieren. Denn ein Ziel liegt noch vor ihnen: Sie wollen 100.000

Essen bundesweit produzieren. „Bis 2017 möchten wir diese Marke knacken“, sagt Thomas Meyer. Man sei für jegliche Art der Expansion offen. Vorraussetzung sei lediglich ein vorhandener Kundenstamm, erklärt der Vollblutunternehmer, der den Rummel um das 50-jährige Jubiläum lieber aus dem Weg geht. Für große Reden sind andere da. CZ

Meyer Menü schöpft aus über 400 Rezepturen.


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