Geschichte des Berliner Mampe Likörs

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Mampekriege Die Legende eines Kultgetränkes Text Markus Orschiedt

Eine Geschichte über Cholera, Giftanschläge, Familienzerwürfnisse, Hitlers jüdische Soldaten, Aufstieg, Fall und Wiederauferstehung eines Kräuterlikörs.

Die Grabanlage I-1-29 der Sophiengemeinde II läßt seit 1899 einen Mann ruhen, dessen Kreationen eine Firmenhistorie nach sich zog, die voller obskurer und abenteuerlicher Ereignisse steckt. Sie ist heute eine Pilgerstätte für seine zahlreichen Anhänger und Abhängigen: Carl Mampe, der Begründer eines Spirituosenimperiums sediert hier der Ewigkeit entgegen. Es gilt eine Geschichte zu erzählen von Cholera, Giftanschlägen, Familienzerwürfnissen, Hitlers jüdischen Soldaten, Aufstieg,

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Fall und Wiederauferstehung. Im Spätsommer 1831 ist die »asiatische Hydra«, wie die mittelalterliche Seuche Cholera auch genannt wird, zurück in Preußen. Über Russland und Polen eingeschleppt, wütet sie besonders in der Gegend um den Schiffbauerdamm unweit Mampes Grab. Alle Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie erweisen sich als nutzlos. Die Stadt verströmt einen miasmatischen Gestank aus Tod und allerlei Desinfektionsmittel. Berühmtheiten wie Blücher und Hegel erliegen ihr. Da braut der praktizierende Geheime Sanitätsrat Dr. med. Carl Mampe im Pommerschen Stargard aus heilenden Kräutern und Alkohol einen Magenschnaps, den er »Bittere Tropfen« nennt und der nach den damaligen medizi-

nischen Gepflogenheiten als Anti-Choleramittel Einzug in die Apotheken hält. Das Destillat wird noch bis zum Ende des ersten Weltkrieges an die deutschen Soldaten verteilt. Und dass der Glaube ein zahmer Dämon sein kann, beweist die abenteuerliche Wunderheilung des Christoph Schulz. Der ehemalige Bäcker fand seine Berufung als Großtierjäger, vornehmlich für den Hagenbeck Zoo in Hamburg. Er war zu seiner Zeit (1884 – 1958) eine kleine Berühmtheit und galt als Künstler. Auch in Zentral- und Ostafrika kannte man ihn. Allerdings machte er sich bei dem Häuptling der kongolesischen Naila derart unbeliebt, als er deren Totentanz filmte, der ihn gleich mit in das Reich der Ahnen schicken wollte. Man hatte seinen Tee vergiftet er verfiel in Foto: Antje Plewinski

Seine Gebeine liegen auf einem Gottesacker in Berlin-Mitte, der auch als »Musikerfriedhof« bekannt ist. Die Namen Bach, Bechstein, Kollo und der Philosoph und Anarchist August Stirner gesellen sich zu einer illustren Nachbarschaft.

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eine katatonische Muskelstarre und verlor auch sein Sprechvermögen. Seine Frau reagierte geistesgegenwärtig und rief ihn ins Leben zurück, indem sie ihm die »Bitteren Tropfen« verabreichte – es wirkte.

Mampekriege – Mampesiege All diese Mythen und Mysterien sind angetan von einer gedeihlichen und kontinuierlichen Entwickung des Produkts auszugehen. Stattdessen musste die Dynastie einige »bittere Pillen« schlucken. Der altruistische Dr. Carl

Mampe vermachte das Originalrezept seinen beiden Stiefbrüdern Ferdinand Johann und Carl Mampe. Brüder im Geiste waren sie allerdings nicht. Während Ferdinand in Stargard blieb und eine Fabrik für die Tropfen eröffnete, ging Carl nach Köslin und später nach Berlin, um es diesem gleichzutun. Er nannte seinen Likör »Halb und Halb« und wie es in solchen Fällen häufig ist (Adidas/ Puma oder Aldi), flogen von nun an die Fetzen. Es folgten Verleumdungen, der Einsatz von Provokateuren und Detektiven und unzählige Gerichtsprozesse.

Doch es gibt auch Positives zu vermerken. Beide Unternehmen glänzten mit weiteren Entwicklungen flüssiger Spezialitäten und Kuriositäten. Die Berliner kamen neben der Signaturmarke »Halb und Halb«, mit »Mampe Alter Stamm«, »Mamper Diktiner« und »Mampe Pommeranze«, die Hamburger mit dem berühmten Whiskey »Two Monks« – getreu dem Markenlogo – auf den Markt. Darüber hinaus wurden Vodka und Gin produziert.

Auch als nach dem zweiten Weltkrieg die Erben von Ferdinand Johann vor den Russen nach Hamburg geflüchtet waren, tobte die Schlacht weiter. Selbst die zuständigen Richter waren dessen bald überdrüssig und empfahlen eine Zusammenlegung der Betriebe, scheiterten aber an den jeweiligen Eitelkeiten. Und dies obwohl beide Parteien fürchteten, dass die Käufer eines Tages den Preis der Liköre in Verbindung mit den enormen Prozesskosten bringen könnten.

Das Markenzeichen von Mampe Berlin ist der Elefant und so landete man einen besonderen Coup, als zwei vom Hamburger Hagenbeck Tierpark (sic!) gespendete Zwergelefanten im Berliner Zoo auf die Namen Carl und Mampe getauft wurden. Als ständige Publikumsvertretungen – heute schimpft sich das »gelabelt« – wurden Gaststätten und Kneipen mit dem Namen »Mampes Gute Stube« eingerichtet. Doch der sicherlich legendärste Kassenknüller in den 60er- und 70er-Jahren war der »Lufthansa-Cocktail«. Ein Likörgemisch aus Orange, Aprikose und Pomeranze, das sich auch hervorragend mit Sekt aufgießen läßt. Seit 2006 hat die Airline den Cocktail wieder an Bord, nachdem Berentzen – die auch »Halb und Halb« vertreiben – die Produktion wieder aufgenommen hat. Die Kultflasche von damals gibt es nur noch im Internet, heute hat sie die Form eines Boston Shakers. Anschließend gab es noch Versuche im Sportsponsoring, wie bei Hertha BSC und im Motorsport, bevor es still wurde um Mampe.

Hertha mal obenauf

Foto: ullstein

Im Jahre 2003 erschien auf Deutsch das aufsehenerregende Buch des amerikanischen Historikers Bryan Rigg mit dem irritierenden Titel »Hitlers jüdische Soldaten«. Die Präsentationen des Buches erwiesen sich als wahre Publikumsmagneten und es ist noch heute erhältlich. Das Thema spielte bisher in der historischen Forschung kaum eine Rolle und schlug hohe Wellen. Zwischen 60- und 90tausend sogenannte »Viertel-« und »Halbjuden« dienten in der Wehrmacht oder der SS. Darunter so bekannte Nachkriegspolitiker wie der Oberleutnant der Wehrmacht Helmut Schmidt oder Egon Bahr.

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Marken-Portrait — Mampenkriege

entgegensahen. Viele wurden auf Geheiß von Hitler persönlich zu »Ehrenariern« erklärt und blieben doch stets der Willkür ausgesetzt. Wie müssen sich diese Männer gefühlt haben? Ein unfassbarer Vorgang in dieser ohnehin an Grausamkeiten nicht zu überbietenden Epoche der deutschen Geschichte. Vor einigen Jahren setzte auch die Wiederauferstehung in den Szene-Bars ein. Hier verschmähte man die üblichen Absacker der Marktführer und Vodka galt als Ausweis für Spießertum. In Berlin-Mitte, dort wo alles seinen Anfang nahm, existiert noch heute eine Eckkneipe namens »Alt Berlin«. Sie wurde von den alten Pächtern durch ein paar Enthusiasten übernommen und der alte Claim »Denn das Schönste aller Dinge, ist ein Schluck bei Heinz und Inge!« ziert immer noch das Schaufenster. Außer Fassbier, Mampe und ein paar Buletten hält sich das restliche Angebot arg in Grenzen. Das Alt Belin ist ein Treffpunkt für alle promovierten und unpromovierten Mitte-Alkoholiker, Agenturdickstrahlpisser, Liebesbekümmerte, verwirrte Touristen und Andersverrückte, in dem sich legendäre Szenen vor dem Hintergrund der »Halb und Halb«-Methomanie abspielten. Eine Mampebühne. Die Mampemanie äußert sich heute in Mampepartys mit DJ Mampe, einem virtuellen Mampemuseum und haufenweise MampeDevotionalien im Internet, deren Raritäten zu astronomischen Preisen angeboten und auch gekauft werden. Da werden keine halben Sachen gemacht.

Mampe ist ein Kräuterlikör »aus der guten alten Zeit«. Lange Zeit war er untergetaucht und kaum zu finden. Nun erlebt Mampe seinen zweiten Frühling und erfreut die Fans der Kräuterliköre. Mampe hat einen einzigartigen, bitter-süßlichen Geschmack, der durch die Herstellung aus Bitter-Orangen resultiert. Durch diese Eigenschaften ist er ein idealer Digestif, der also am besten nach einem feinen Essen wohl gekühlt serviert wird. — spirituosenworld.de — werbefiguren-museum.de

Der Mampe-Elefant ist auch eines der Exponate im Werbefigurenmuseum. Hier findet sich auch ein passender Slogan aus den 70er-Jahren.

»Geh zu Mampe, gieß Dir einen auf die Lampe. Kannste doppelt sehn, brauchst nicht zu Ruhnke gehn.« (Ruhnke war ein Berliner Optiker)

— Berliner Volksmund

»Mampe halb und halb« nannten sich diese Männer jüdischer Herkunft mit verzweifeltem Sarkasmus aber auch unerschütterlichem Humor, die versuchten inmitten des Mordapparates zu überleben, während die übrige jüdische Bevölkerung dem Inferno und der Shoa

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