54 TASTE FORUM Weizen und Scotch in der Verkostung
70 SPIRITUOSE Sherry feiert Auferstehung
22 STADTGESCHICHTEN Wiedersehen mit der Nacht von Frankfurt
Bars & Menschen
Flüssiges
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TASTE FORUM
Blended Scotch und Weizenbier
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ZEHN
Zehn Aperitif-Drinks
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MIXOLOGY INTERN
Unsere liebsten Pre-Dinner-Drinks
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STADTGESCHICHTEN
Die Nacht in Frankfurt am Main – Wiederholungstäter und neuer Wind
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NEUE BARS
Die Renaissance der Weinbar
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STARS IN BARS
Bill Fehn über seine Bar Jaded Monkey, die CIA und Pferdescheiße
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MEINUNG
Bartender über ihre Perlen unter den Schaumweinen
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FOOD & DRINK
Die Geschichte der Knabberei
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MARKENPORTRÄT
Żubrówka Vodka – Bisongras aus Białystok
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ALCHEMIST
Teure Technik – Der Rotationsverdampfer
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MARKENPORTRÄT
Pimm’s – Wurzeln, Kräuter und der englische Sommer
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COCKTAIL
Audienz beim Prince of Wales
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DAS LABOR
Versuchsaufbau mit Likörweinen
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FOUR OF A KIND
Prosecco Spumante im Redaktionstest
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SPIRITUOSE
Sherry – Ein Neuanfang
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BACK TO BASICS
Säfte – Süße, Säure, frischgepresst
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TITEL
Der Punch – Geselligkeit im großen Stil
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TRINKWELT
Down Under – Trinken auf der anderen Seite der Welt
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TITEL Punch Bowls und Geselligkeit
108 BUSINESS Das Kreuz mit der Regionalität
86 TRINKWELT Australien zwischen Bar und Beach
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KLIMEKS KAUFBEFEHL
Trauben aus Australien
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NACHTRAUSCHEN
Gestern in der Loos Bar
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MADE IN GSA
Neues aus heimischen Gefilden
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BIERNOTIZEN
Die wichtigsten Hopfenneuheiten
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BIER
Bierhauptstadt Pilsen – Zurück auf Los
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WHISK(E)Y-NEWS
Die wichtigsten Neuheiten der Whiskywelt
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MARKTBEOBACHTUNG
Statements zum Whisky ohne Alter
107
DIE FLASCHE IN ZAHLEN
Neues & Notizen
Summa summarum – Licor 43
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Wirtschaft & Kultur 108
BUSINESS
Oliver Ebert über Regionalität an der Bar
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ESSENTIAL CULTURE
MIXTUR
Neue Produkte aus dem Bar-Universum
VERANSTALTUNGEN & WETTBEWERBE 120
Alle wichtigen Termine der vergangenen und kommenden Wochen
Zehn neue Schätze für Augen und Ohren
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HOMEBAR
Stirrer – Design für die heimische Bar
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MUSIK
Benjamin Clementine – Vom Clochard zum Künstler
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TIEFENRAUSCH
Anthony Bourdain – Aufklärer und Arschloch
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IMPRESSUM
STADTGESCHICHTEN
MAINHATTAN KALTGERÜHRT Text Markus Orschiedt
Frankfurt haben wir immer wieder besucht. Man kommt an dieser Stadt der Barkultur nicht vorbei. Neben jung gebliebenen Institutionen gibt es Neueröffnungen zu besichtigen. Mixology hat »Mainhattan« durch intensive Gespräche mit dort wirkenden Menschen erkundet und versucht, sich ein aktuelles Bild zu machen.
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Sven Riebel
Frankfurt boomt. Nicht nur der Wirtschaft geht es gut, auch die Dompteure der Nacht und der Spirituosen legen eine fulminante Performance hin. Frankfurt, die Stadt mit den vielen Spitznamen, ist in vielerlei Hinsicht singulär. Die größte Messe, der größte deutsche Flughafen, die Börse, die Bundesbank und Sitz verschiedener europäischer Institutionen. Außerdem pendeln jeden Tag hunderttausende Menschen nach Frankfurt, um dort zu arbeiten. Es gilt als produktivste Stadt Europas. Aber auch eine hohe Kriminalitätsrate, die Frankfurt den Titel als »Hauptstadt des Verbrechens« führen lässt. Das ficht seine Bewohner aber nicht an. Sie leben gerne hier. Die Frankfurter haben eine ausgeprägte Identifikation mit ihrer Stadt. Sie pflegen ihre Mundart und ihre Kultur, auch gastronomisch. Es gibt ausgezeichnete Restaurants mit regionalen Spezialitäten und internationalen Einflüssen. Vor allem die Barkultur ist von exzellentem Ruf, der weit über Deutschland hinaus bekannt ist. Die Szene ist gut vernetzt und arbeitet solidarisch miteinander. Mixology hat sich mit fünf Protagonisten unterhalten, um diesem Phänomen auf die Spur zu kommen. Zu Wort kommen bekannte Persönlichkeiten der Barkultur, und auch zwei neue Bargründungen sind dabei.
Der Berliner Er steht auf seiner Dachterrasse und genießt »den schönsten Blick auf Frankfurt«. »Als Berliner empfinde ich Frankfurt als eine lebendige Kleinstadt mit Großstadtflair«, sagt er augenzwinkernd. Hier gebe es tolle Konzepte, die auch honoriert würden. Sven Riebel ist seit 2010 in Frankfurt und hat sich im schmalsten Haus der Metropole eine kleine eigene Welt geschaffen. Das Seven Swans & The Tiny Cup vereint Restaurant und Bar direkt am Main. Riebel hat einen langen Weg hinter sich. In der Gastronomie hat er seit 2001 Erfahrungen gesammelt, vor und während seines Studiums der Betriebswirtschaft. Anschließend geht Riebel für ein Jahr nach Australien, um seinen Horizont zu weiten. Es hat ihn tief und nachhaltig beeindruckt. Wieder zurück in Berlin will er sich ebenfalls ein Jahr Zeit geben, um herauszufinden, ob die Welt der Bars seine Zukunft sein könnte. In der renommierten Victoria Bar findet er seine erste Anstellung. Dann folgt ein Engagement in der Bar Lebensstern und die Entscheidung ist gefallen: Er wird der Barkultur treu bleiben und Frankfurt ruft. Wie er sagt, verlässt der gebürtige Darmstädter, der im Alter von acht Jahren nach Berlin kam, die Hauptstadt auch wegen einer gewissen Unzufriedenheit über sich ausbreitende Eitelkeiten und Neid in der Szene. »Das findest du in Frankfurt nicht, hier halten die Leute zusammen und sind entspannter«, sagt der 37-Jährige.
Ein Märchen und eine Bar Nach weiteren Stationen, unter anderem in der angesehenen Gekkos Bar, ist es dann so weit: Das Seven Swans & The Tiny Cup erblickt das Licht der Welt. Der Name geht auf ein Märchen von Ludwig Bechstein zurück. Riebel ist jemand, der die Dinge nach und nach entwickelt. Zunächst entsteht das Res-
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Stadtgeschichten — Frankfurt am Main
Bild: Selfie
An Frankfurt wiederum schätzt er besonders, dass hier viele kleine neue Projekte von Bartendern und nicht von Investoren eröffnet werden.
taurant, dann die kleine Bar im Erdgeschoss. »Noch schweben wir unter dem Radar, wir wollen entdeckt werden«, gibt sich Riebel relaxed. Man wolle ein Wohnzimmer sein, mit den Gästen spielen und über Kommunikation für Entschleunigung sorgen. Erst danach kommen Drinks und Aromen. Hierfür sorgt vor allem auch sein Partner Patrick Klinger. »Er ist eine Persönlichkeit mit viel Erfahrung und Format, genau der richtige Mann für so einen Ansatz«, lobt Riebel. Ein weiteres Augenmerk legen die Macher auf London Dry Gin. Man will ganz bewusst zu den Wurzeln dieser Boom-Spirituose zurück. Außerdem versucht man, Mezcal den Gästen vorzustellen. Und Berlin? »Ich vermisse es jeden Tag, vor allem meine Freunde. Ich habe zwar auch in Frankfurt inzwischen viele Kontakte, aber Berlin ist meine alte Heimat.« An Frankfurt wiederum schätzt er besonders, dass hier viele kleine neue Projekte von Bartendern und nicht von Investoren eröffnet werden. Auch Riebel plant schon wieder etwas Neues, will aber noch nichts darüber verraten, außer, dass es auch in Frankfurt sein werde. So steht er auf seiner Dachterrasse und wünscht sich, dass sein angeschlagenes Knie sich bessert. Dann würde er gerne wieder für den Triathlon trainieren und auch in den asiatisch-pazifischen Raum reisen. Das ist dann Riebels Entschleunigung.
MIXOLOGY TASTE FORUM
WEIZEN & BLENDED SCOTCH Texte Peter Eichhorn & Rory Lawton
Illustrationen: studio grau
Stolze Bayern und charakterstarke Schotten. Das MIXOLOGY TASTE FORUM schwingt sich auf zu sommerlichen Biergenüssen und malzigen Geistern. Erstmals gibt es bei der Spirituose eine Doppelspitze. Und beim Bier? Dort zeichnet sich ein neuer Trend in der Kategorie ab. O’zapft is und sláinte!
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KLASSIKER UND GRENZGÄNGER Wenn die Rede von deutschem Bier ist, so denken die meisten spontan an ein Pils. Tatsächlich gilt es aber, das Weißbier als wahren, einzigartigen Braustil Deutschlands zu würdigen. Über die letzten zwanzig Jahre entwickelte sich Weizen wieder zum populärsten Stil in Bayern. Doch unglücklicherweise bleibt die Wahrnehmung der Spezialität nördlich des Mains und außerhalb Deutschlands, wo Pilsner die Oberherrschaft hält, weiterhin die eines regionalen Spezialitätengebräus. Weißbier markiert den Beginn der Sommerzeit, weshalb wir es für die aktuelle Ausgabe des Mixology Taste Forums auswählten. Das Bild eines typischen Biergartens im Sommer, im Schatten der Kastanienbäume, auf dessen einladenden Tischen die hohen, goldgefüllten Weizengläser emporragen, ist der optische Inbegriff der reichhaltigen Bierkultur in Bayern. Wohingegen die vulgären Ausschweifungen und Exzesse, welche die Münchner Wiesn alljährlich begleiten, weitgehend mit den saisonalen Oktoberfestbieren nach dem Märzen-Stil assoziiert werden.
Hefeweizen – Analyse eines Braustils Die Kategorie von Weissbier, die wir für das Mixology Taste Forum auswählten, ist das Hefeweizen. Es ist die unfiltrierte, trübe, helle Version des Bieres, das einen Alkoholgehalt von ungefähr 5,5 % Vol. aufweist. Hefeweizen wird nach einer relativ einfachen Rezeptur gebraut: In Deutschland ist vorgeschrieben, dass mindestens zu 50 % Weizenmalz verwendet werden muss. Üblicherweise verwenden die Braumeister einen Anteil zwischen 60 und 70 %. Den Rest macht zumeist das übliche Pilsner Malz, also Gerstenmalz aus. Der Einsatz von Hopfen dient dazu, dem Bier etwas Bittere zu verleihen und die ideale Balance zwischen dem getreidigen Weizen und dem Pilsner Malz zu unterstützen, zumeist werden 15 bis 20 IBU (Bittereinheiten) erreicht. Traditionelles Weizenbier wird nie ein vordergründiges Hopfenaroma besitzen, was zu einer intensiven Debatte innerhalb unserer Gesprächsrunde führte (siehe unten).
Weißbier – Die verblüffende Geschichte des bayerischen Stils Wenngleich heutige Konsumenten bei der Bierbetrachtung vorwiegend einen Brauvorgang mit 100 % Gerstenmalz vor Augen haben, werden Weizenbiere bereits seit Tausenden von Jahren hergestellt. Weizen zählte stets zu jenen reichlich verfügbaren Getreiden, welche den Zuckergehalt aufwiesen, der für einen Brauvorgang nötig ist. Noch vor gerade einmal 200 Jahren war der Norden Deutschlands berühmt für seine Weizenbiere. Biere, die mit dem heutigen Weißbierstil verwandt sind (im Gegensatz zur Berliner Weisse oder Weizen-Varianten aus Belgien), werden in Bayern seit rund fünf Jahrhunderten eingebraut. Die Tatsache, dass Weizen immer auch eines der Basisgetreide für die Brotherstellung und somit die Grundversorgung der Bevölkerung war, bedeutete für das Weißbier ein ständiges Auf und Ab, je nach Ernte und Verfügbarkeit. Im München des Jahres 1447 wurde das Brauen mit Weizen allgemein verboten, um sicherzustellen, dass ausreichende Mengen des Getreides zum Backen zur Verfügung standen. Nachdem diese Gesetzgebung 1516 auf ganz Bayern ausgedehnt wurde, gab es nur noch eine Ausnahme: Der Freiherr von Degenberg besaß ab 1548 ein Exklusivrecht, Weizen zu verbrauen. Als 1602 der letzte männliche Stammhalter des Adelsgeschlechts verstarb, fiel das Privileg zurück an die Wittelsbacher und alsbald hatten zahlreiche bayerische Städte ein eigenes Wittelsbacher Weißbier-Brauhaus. Im späten 18. Jahrhundert ging das Interesse an Weißbier zurück, und so wurde 1798 das Monopol aufgehoben. Fortan war es wieder jedem Brauer gestattet, mit Weizen zu arbeiten. Das führte zu neuen Brauereigründungen, wie jene der Familie Schneider im Jahre 1856. Aber weiterhin ging der Weißbier-Absatz zurück, bis er 1960 seinen Tiefpunkt erreichte, als er nur noch weniger als 3 % der bayerischen Bierproduktion ausmachte. Seitdem erlebte Weißbier einen dramatischen Sprung und Anstieg der Popularität. Es dominiert die Bierlandschaft im heutigen Bayern, und das neu erweckte Interesse an sämtlichen Bierstilen bedeutet auch für die sogenannten Craft-Brauer, sich der Brauart anzunehmen und sie auf neue Weise zu interpretieren.
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SPIRITUOSE
Raus aus der Versenkung?
SHERRY Text Reinhard Pohorec
Im Schatten der lauten, hochprozentigen Trends der letzten Jahre hat sich eine Kategorie leise und elegant in den Vordergrund geschoben. Aufgespritete Weine genießen eine Aufmerksamkeit wie schon lange nicht mehr. Nach dem Wermut ist es nun vor allem der Sherry, der sich anschickt, mehr Raum in den Rückbuffets zu fordern. Eine Annäherung an den filigranen, stolzen Spanier.
Foto: akg-images / Horizons
Ehrlich: Menschen lieben Trends. Wir suchen stets nach dem neuen Boom, der nächsten Sensation, dem neuen Glitzersternchen im ohnehin schon reizüberflutenden Blitzlichtgewitter. Es wird gehypt und gejubelt, verworfen und verteufelt, was das Zeug hält. War man bisher noch voll beschäftigt mit Wacholderbeeren, Bitterlimonaden und Bourbon, scheint nun die Zeit gekommen für verstärkte Weine, Aperitifs, für Kräuter und Bitters. Von neu oder innovativ kann bei Sherry, Port, Madeira oder Wermut jedoch keine Rede sein. Bereits Shakespeare’s Falstaff besingt Fino und Oloroso, Jerry Thomas und Harry Johnson verweisen unzählige Male auf die edlen Tropfen. Connaisseurs und Könige, sie alle wussten einen guten verstärkten oder aromatisierten Wein zu schätzen. Neu ist hingegen die Wahrnehmung des Segments. Weitgehend in Vergessenheit geraten, als Billigfusel bestenfalls zum Kochen verdammt, sind Sherry und seine Verwandten noch häufig mit klebrig-süßen Vorurteilen und Altersklischees beladen. Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels, und so, wie wir kometen-
hafte Aufstiege und tragische Niedergänge verfolgen, können wir uns für Sensationscomebacks erwärmen. Ein solches legt insbesondere Sherry dieser Tage hin. Ob in hochwertigen Tapas-Bars, die sich in Metropolen wie London, Madrid oder New York größter Beliebtheit erfreuen, in Spitzenrestaurants weltweit oder in High-End-Cocktail-Etablissements: Sherry ist omnipräsent. Es geht weg vom Nischenprogramm, hin zum seriösen Tanzpartner am Getränkeparkett. Doch woher kommt unser Star eigentlich?
Der Wein, der Schnaps und der Sauerstoff Nun, in erster Linie ist Sherry ein Wein – was oft vergessen wird, wenn es darum geht, ihn zu lagern. Insbesondere geöffnete Flaschen sollten eigentlich innerhalb weniger Tage verbraucht werden, was an der Bar nur in seltenen Fällen wirklich gelingt.
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TITEL
BIG FIVE – PUNCHTIME! Text Peter Eichhorn
Der Punch – wie Phoenix aus der Schale. Vor allem von London aus drängt der klassische Punch dieser Tage in ungeahnte, längst vergangene Bar-Höhen. Peter Eichhorn ist für uns auf eine Safari zu den Kolonien, vergangenen Sitten, langen Tresen und exzentrischen Befehlshabern gegangen. Immer mit dabei: fünf Zutaten und jede Menge Spaß.
Unbestritten liegt der Ursprung des Phänomens ›Cocktail‹ in den USA. Bartender und Cocktailtempel zwischen New Orleans und New York prägten und perfektionierten die Ära eines ›New Drinking‹ ab dem 19. Jahrhundert. Aber das Mischen von alkoholischen Getränken mit weiteren Zutaten wie beispielsweise Früchten, Zucker, Tee und Gewürzen war schon lange Zeit vorher üblich und beliebt. Insbesondere Großbritannien blickt auf eine reichhaltige Tradition zurück, mitunter aus dem Grund, dass die britischen Flotten allerlei Zutaten in ihrem kolonialisierten Weltreich kennenlernten und voller Elan und Durst über die Weltmeere verschifften. Wie so oft geht der kolonial-getränkerelevante Blick nach Indien. Mit Old Raj Gin, Old Monk Rum, India Pale Ale oder Amrut Whisky bilden diverse Produkte die Seeroute zwischen den britischen Häfen und dem indischen Subkon-
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tinent ab. Der Begriff »Punch« geht auf »panch« und somit sprachliche Wurzeln im indischen Sanskrit zurück und bedeutet: fünf. Die Zahl nennt gleichsam die ursprünglich übliche Menge an Zutaten: also Alkohol, Wasser, Süße, Säure (z. B. Zitrone) und eine würzende Zutat wie Tee, Kräuter oder andere Gewürze. Die früheste Überlieferung des Begriffs findet sich in einem Brief aus dem Jahr 1632, in dem sich ein Soldat der British East India Company aus Armagon, dem heutigen Durgarajupatnam an der Ostküste Indiens, bei einem Händler der Company für einen Gefallen bedankt und ihm alles Gute wünscht, was auch einen ordentlichen Schluck Punch mit einschließt.
Palepuntz und Bolleponge Dies lässt den Schluss zu, dass Begriff und Getränkegattung bereits gängig und populär waren, zumindest unter den Händlern, Seeleuten und Soldaten der British East India Company, die sich ab ihrer Gründung im Dezember 1600 als Händler wie als Krieger dem Land widmete.
Illustrationen: studio grau
Es lebe die gesellige Runde, der entschleunigte Genuss, die köstliche Vielfalt, die einen Punch ausmachen kann. Englische Getränkekultur mit der großen Schale, Schöpfkelle, passenden Bechern und einer munteren Trinkerschar, die sich gegenseitig die Behältnisse füllt und gemütlich verweilt. Ein Blick auf eine totgesagte Getränkegattung mit Seeleuten, Rekorden, Engländern, Missverständnissen und Trends. Fünf Bestandteile, wie sie ein Punch eben zu haben hat.
Ein deutscher Abenteurer gerät 1638 an die indische Westküste nach Surat und schreibt erstaunt von den englischen Händlern, die sich mit einem Getränk amüsieren, in dem Schnaps, Zitronensaft, Rosenwasser und Zucker enthalten sind. In seinen Aufzeichnungen steht der Begriff »Palepuntz«, was vermutlich von dem englischen »bowl o’Punch« stammt. In französischen Aufzeichnungen findet sich der Begriff »bolleponge«. Brandy, Wein und vor allem Arrak (auch Arrack geschrieben) müssen wesentliche Bestandteile der frühen Punches gewesen sein. Im Laufe des 17. Jahrhunderts kommt dann Rum hinzu und in England wächst die Zahl der Punch Houses, die warme wie auch kalte Rezepturen im Sortiment listen. Die Bedeutung der Getränkekategorie »Punch« lässt sich auch im Ur-Werk des Bartending, Jerry Thomas’ Bartender’s Guide nachvollziehen. Er widmet dem Punch an die 50 Rezepturen und weitere Seiten mit handwerklichen Tipps zu Herstellung und Abfüllung in Flaschen. In der Ausgabe von 1862 bildet die Cocktailgattung den Auftakt des Buches. Spätere Ausgaben erhielten dann eine neue Gliederung.
Philadelphia Fish House Punch
»Um den Gästen die Berührungsängste zu nehmen, bereiten wir jeden Tag einen frischen Punch vor, der dann mit der Kart e als inspirierender Probierschluck gere icht wird .«
lung zur Vertiefung des Themas angeraten. Wondrich erwägt eine weitere Erklärung für den Niedergang der Punch-Kultur im 20. Jahrhundert: »In einem Gasthaus zu sitzen und mit einer Kelle Getränke aus einer großen Schale zu schöpfen, sagte aus: Ich habe die nächsten Stunden nichts Besseres zu tun.« Der moderne Mensch hat diese Zeit nicht und muss Geschäftigkeit und Eile suggerieren. Erst jetzt ist wieder eine Zeit für Entschleunigung angebrochen.
(adaptiert aus »Bartender‘s Guide or How to Mix Drinks« von Jerry Thomas, 1887)
1,5 cl 3 cl 1,5 cl 3 cl 2 cl
Jamaika Rum Cognac Eau de Vie de Pêche (Pfirsichbrand) Zitronensaft Demerara-Zuckersirup
Glas: Tumbler Garnitur: Zitronenzeste Zubereitung: Alle Zutaten in den Shaker geben, mit Würfeleis füllen und kräftig schütteln. In ein vorgekühltes Gästeglas auf Würfeleis abseihen.
Aber der Lauf der Zeit ließ den Erfolg des Punches verblassen. In den USA sorgte die Prohibition für Ernüchterung, andernorts machten es qualitativ hochwertige Destillate unnötig, minderwertige Brände mit weiteren Aromen zu verschleiern, wie es der Punch bislang stets gewährleistet hatte, und selbst in England wurden andere Getränke populärer. Der amerikanische Cocktailhistoriker David Wondrich, stets bekannt für seine Hingabe und Präzision bei der Erforschung der flüssigen Geschichte, widmete 2010 dem Punch ein wundervolles Buch mit Historie, Anekdoten und Rezepten. Das Buch »Punch – The Delights (and Dangers) of the Flowing Bowl« sei an dieser Stelle als unbedingte Lesempfeh-
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Titel — Big Five – Punchtime!
Für größere Gruppen geeignet, beispielsweise 6 oder 6.000 oder 25.000 Gerade in der britischen Hauptstadt ist Punch in Bars derzeit kaum wegzudenken. Einige Bars wie der Punch Room im 2013 eröffneten London Edition Hotel widmen sich gänzlich dem Getränk. Holzgetäfelte Wände, edle Materialien aus Samt und Leder samt offenem Kamin sorgen für eine moderne Interpretation eines traditionellen Herrenclubs. Barchef Davide Segat liebt die gemeinschaftliche Geselligkeit, die den Punch begleitet. Sein Barmenü beinhaltet fünf historische Punch-Rezepturen und ebenso viele moderne, saisonale Interpretationen für jeweils zwei bis acht Personen. Aber selbst in London muss Punch kommuniziert werden: »Allzu viele Menschen erinnern sich an unschöne Erfahrungen auf Partys, wo wenig schmackhafte Mixturen für mangelhaftes Vergnügen sorgten. Um den Gästen die Berührungsängste zu nehmen, bereiten wir jeden Tag einen frischen Punch vor, der dann mit der Karte als inspirierender Probierschluck gereicht wird.« Bereits in der zweiten Hälfte der 2000er-Jahre erlebte London ein Punch-Revival. Der bekannte Mixologe und Bar-Berater Nick Strangeway, 2008 bei den Tales of the Cocktails
TRINKWELT
Australische und Neuseeländische Trinkwelten
DAUMEN HOCH FÜR DOWN UNDER Text Michael Brückner
Australische und neuseeländische Weine gehören längst zur internationalen Top-Liga. Und nicht nur das: Am anderen Ende der Welt ist eine kleine, aber erstklassige Barszene entstanden, die vor allem mit heimischen Produkten arbeitet. Parallel dazu entwickelte sich in den Metropolen Sydney und Melbourne ein wahrer Kaffee-Kult. Denn was viele nicht wissen: Im tropischen Norden von Queensland wird Kaffee angebaut.
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Penfold das Premiumsegment im australischen Weinangebot. Im Jahr 1887 – Dr. Penfold war schon lange tot und sein Weingut wurde äußerst erfolgreich von seiner Frau geführt – kamen die irischen Brüder William und Ralph Foster nach Melbourne. Sie sollten den Grundstein für eine weitere bis heute weltbekannte Marke in der australischen Getränkewirtschaft legen. In der Rokeby Street im Melbourner Stadtteil Collingwood gründeten sie die Brauerei Foster’s Brewing Company und brachten 1888 ein helles Leichtbier auf den Markt. Das Gebräu der irischen Brüder mundete den Australiern indessen nur in Maßen. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Viele Australier bevorzugen das Lager Victoria Bitter und das Carlton Draught. Beide kommen ebenfalls aus dem Foster’s-Konzern. Die beiden australischen Marken-Ikonen waren vorübergehend sogar unter einem Konzern-Dach vereint: In den 1990erJahren wurde Penfolds Teil der Foster’s Group. Später gliederte der Brauerei-Konzern, der seit 2011 zu SABMiller gehört, seine Weinsparte in das neu gegründete Unternehmen Treasury Wine Estates aus. Illustrationen: studio grau
Einer wie Dr. Christopher Rawson Penfold würde heute wohl nicht mehr als »politisch korrekt« durchgehen. Schon gar nicht als Arzt. Der Mediziner aus London, den es im 19. Jahrhundert nach Australien verschlug, glaubte nicht so recht an Pillen, Tropfen und Salben. Die einzig wirksame Medizin war aus seiner Sicht der Wein. Und je höher der Alkoholgehalt, desto wirksamer erschienen ihm die Rebensäfte. So lag es nahe, dass Herr Doktor in seiner neuen Heimat in Down Under im Jahr 1844 gemeinsam mit seiner Frau ein Weingut gründete. Produziert wurden zunächst alkoholreiche Weine, die dem Portwein glichen. Über die medizinischen Erfolge ist nichts überliefert, doch der Name Penfold gehört bis heute zu den Top-Marken im internationalen Weinangebot. Der Penfolds Grange lässt vinophile Genießer anerkennend mit der Zunge schnalzen – und Anleger tief in die Tasche greifen. Immerhin erzielte eine Flasche Penfolds Grange Hermitage aus dem Jahrgang 1951 auf einer Auktion 2004 den atemberaubenden Preis von umgerechnet rund 30.000 Euro. Gemeinsam mit dem »Hill of Grace« vom Weingut Henschke besetzt
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BUSINESS
Regionalität an der Bar
WISSEN & BLENDUNG Text Oliver Ebert
aus der Kuh zu beißen. Warum dennoch viele Köche ihr Fleisch vom Bauern aus der Umgebung beziehen, liegt in einem tiefen Misstrauen gegenüber modernen Herstellungsprozessen begründet. Der Barmann ist demgegenüber zumeist leichtgläubig bis zur Naivität. Weil das Backboard mehr Designelement als Warenauslage ist, werden Flaschen nach äußerem Schein verkauft, zusammen mit dem Heilsversprechen, auf den Geschmack möge es irgend abfärben. Möchte der geneigte Barmann Faktisches über die Flüssigkeit erfahren, wandert sein Blick übers Etikett und wohlige Ruhe durchströmt ihn bei den Worten hand selected botanicals. Vor seinem inneren Auge wölben sich wohlgeformte Hintern aus der Cornwallschen Erde, wo singende Bäuerinnen duftigen Wacholder klauben. Gedankenverloren streichelt er die Rundungen der Flasche und imaginiert sich den stark bebarteten Brenner, der kleine Säckchen voll frischer Kräuter milde lächelnd in seine Brennblase entleert.
Regionalität an der Bar stiftet Unsinn, solange der Klimawandel keine Zitronenhaine in unsere Breiten treibt. Ein Gin verschimmelt nicht. Einmal gut gebrannt, kann jede Spirituose quer durch die Welt fliegen, ohne Qualität einzubüßen. Aber was heißt gut gebrannt? Man soll nicht alles glauben, was man liest. Besonders nicht auf Flaschenetiketten.
Das kryptische Etikett
Den todesmutigen Errungenschaften der Aeronautik zum Trotz: Die Küche ist wieder zum Regionalen zurückgekehrt. Die Frische des Rohproduktes steigt eben mit Verkürzung des Anfahrtsweges. Minze verströmt ihr Menthol auch weit üppiger, wenn sie vom Balkon geschnitten kommt und nicht in Lagerhäusern und Lastwagen zwischen Israel und hier sterbend ihr Aroma aushaucht. Beim Rindfleisch träumt indes niemand davon, sein Steak frisch
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Das Wissen um Rohstoff und Herstellung verliert sich an der Bar in einer Fabelwelt aus Marken. Die Zunahme von selbst Hergestelltem ist ein archaischer Versuch, die Kontrolle zurückzugewinnen. Bei Spirituosen kann nämlich bereits die Frage nach dem Produzenten delphische Rätsel aufgeben. »No. 3 London Dry Gin« als Beispiel evoziert im Namen »Berry Bros & Rudd. Est. 1698« englische Brenntradition. Unter angegebener Adresse befindet sich zwar ein pittoreskes Handelshaus, allerdings entbehrt es jeglicher Brennanlage. Die steht einen verschlungenen Weg weit entfernt in Holland bei DeKuyper. Würde man dort fragen, wo die verwendeten Kräuter wachsen, bekäme
man zur Antwort vermutlich das Destillat ins Gesicht geprustet. Tanqueray produziert 18 Millionen Liter Gin pro Jahr, da gebietet die Logik, dass es bei derartig riesigen Rohstoffmengen nur noch um Verfügbarkeiten geht, nicht um idyllische Anbaugebiete und Bäuerinnenhintern. Bestenfalls ist der Master Distiller in die Selektion des Rohstoffs involviert, geerntet wird jedoch mit der Sichel der Effizienz und nicht per Hand. Die wirft nur die getrockneten Kräuter zusammen, um sich als hand selected botanicals auf dem Etikett zu verewigen. Echte Handwerksbetriebe dagegen heißen so, weil die Früchte und Kräuter einzeln durch die Hände gehen, um sie auf Frische, Unversehrtheit und Aroma zu prüfen, bevor selbige Hände sie verarbeiten. Das steht nicht auf den Etiketten, das versteht sich von selbst. Genau wie die Tatsache, dass man mit derartigem Aufwand nur geringe Mengen von wenigen tausend Litern maximal produzieren kann. Solche Mikrodestillen brodeln überall auf der Welt, aber einige der anerkanntesten befinden sich vor unserer Haustür. Dort können sie dem kosmopolitisch ins Weite schweifenden Blick des hiesigen Barmannes natürlich leicht entgehen. So kehren wir, wenn auch geografisch grob gefasst, zum Kerngedanken der Regionalität zurück: dem Wissen um Rohstoff und Produktion. Familie Farthofer sitzt im österreichischen Mostviertel, wo Josef der Fünfte Birnen-Varietäten pflegt. Ohne Brennmeister wie ihn gäbe es diese uralten Sorten, diese herrlichen Streuobstwiesen längst nicht mehr. Er fährt bis zu zehnmal an einen Baum, um die Früchte einzeln zu ernten. »Wichtig ist, dass die Früchte vollreif und nicht verdorben sind, die Vergärung sofort beginnt und bereits in der abklingenden Gärphase mit dem Brennen begonnen wird.« Lagerung Fehlanzeige – bedeutet nur Aromenverlust.
Foto: Petra Fritzi Hennemann / schokolinse.de
Kaum ein angesehenes Restaurant kommt ohne den Begriff der Regionalität aus. An der Bar, jenem internationalen Ort, wird es schwieriger. Die Barkultur in unseren Breiten hat bis heute immensen Nachholbedarf, die vielen großartigen heimischen Produkte endlich würdiger in Szene zu setzen. Stattdessen wird immer wieder dem premiumverheißenden Etikett großer Marken vertraut. Gibt es einen Weg aus diesem Einerlei? Eine Spurensuche im Obsthain.