Mixology Issue #59 - 01/2014

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1/2014

»Beer’s intellectual. What a shame so many idiots drink it.«

Ray Bradbury amerik. Schrifsteller

(mĭk-sŏľə-jē) n. 1) the study or skill of preparing mixed drinks 2) magazine of bar culture

www.mixology.eu Einzelverkaufspreis

D 7,50 €

A 8,50 €

CH 10,50 sFr

1/ 2014 —— 12. Jahrgang Einzelverkaufspreis: [ D ] 7,50 € — [ A ] 8,50 € — [ CH ] 10,50 sFr

mix·ol·o·gy

MI X OLO GY – MA GA ZI N F ÜR BA RKU LT U R

1920 – 2012

Bartendergold

Gerstenbernstein

Sous-Vide

Barley Wine

Die innovative Garmethode der Küchenstars vergoldet Barprodukte zu Aromaparadiesen.

Starke Sude für wache Bierliebhaber. Ein Bier-Klassiker wird besungen.


ACADEMIA DEL RON

¡ATENCIÓN! Die ACADEMIA DEL RON wird fünf Jahre alt! Dieses Jubiläum wollen wir gebührend feiern und so dürfen die Teilnehmer sich auf die erste ACADEMIA DEL RON auf Mallorca freuen! Spannende Workshops, interessante Referenten und ein anspruchsvoller Wettbewerb: Dafür steht die ACADEMIA DEL RON natürlich auch im Jubiläumsjahr 2014. Auch dieses Jahr gibt es zwei Event-Highlights: Bei der ACADEMIA DEL RON treten die besten Bartender Deutschlands gegeneinander an. Die Newcomer treffen sich bei der EDICIÓN TALENTO. Und wo mischst Du mit?

ACADEMIA DEL RON

Deutschlands beste Bartender gesucht! Zum fünfjährigen Jubiläum der ACADEMIA DEL RON trifft sich die Bartender-Elite Deutschlands vom 5. bis 8. Mai 2014 auf Mallorca! Wir laden dich in ungezwungener Atmosphäre ein, internationalen Referenten zu lauschen und in einem anspruchsvollen Wettbewerb den besten Bartender Deutschlands zu ermitteln. Unter dem Motto „The next Cuban Classic“ steht die diesjährige ACADEMIA DEL RON ganz im Zeichen von Havana Club 7 Años. Und wie auch in den Jahren zuvor geht es nicht nur um ein Ticket nach Kuba, sondern auch um die Teilnahme am Internationalen Havana Club Cocktail Grand Prix 2014! Vamos a Mallorca! Wir freuen uns auf dich! Bewerbungsstart ist der 03. März 2014.

EDICIÓN TALENTO

Havana Club sucht den besten Newcomer! Du bist ein ambitionierter Bartender, arbeitest seit weniger als 3 Jahren an der Bar und willst deine Erfahrungen in einer Mischung aus Workshop und Wettbewerb vertiefen? Dann bist du bei der EDICIÓN TALENTO genau richtig. Vom 31. März bis 02. April hast du die Chance bei drei Veranstaltungen in Köln, München und Berlin dein Talent unter Beweis zu stellen. Mit etwas Glück und viel Können kannst du eine Wildcard für die ACADEMIA DEL RON und somit eine Chance für ein Ticket nach Kuba gewinnen. Wer zuerst kommt, mixt zuerst! Bewerbungsstart ist der 03. Februar 2014.

facebook.com/hc.academiadelron

genuss-mit-verantwortung.de


aPeRitiF

Werte mixoLogy-Leser! Wir hoffen, Sie sind gut ins neue Jahr gekommen und freuen uns, dass Sie wieder zu unserer Leserschaft gehören. Wir beginnen dieses Jahr mit Käfigen, Höhlen, Einschweißungen, Säften, Höhepunkten, Lust und Laster. Aber keine Sorge, wir sind nach wie vor ein Magazin für Barkultur und keines für Sadomaso-Anbahnungskultur. Es wird immer mehr zum Trend, dass Betreiber renommierter Bars einen Ableger mit anderem Konzept eröffnen. Sei es eine Dive-Bar, Kneipe, ein Club oder ein Hybrid aus allem. So geschehen in Köln, wo Attila Kiziltas, der das hoch angesehene Shepheard sein Eigen nennt, mit The Cage nur ein Haus weiter auf Gästefang geht. Edel und verrucht soll es hier zugehen. Wir haben uns dort umgesehen und die Tiere der Nacht bestaunt. Peter Eichhorn war für Mixology auf Safari (S. 32). Auf Reisen waren wir auch in der Schweiz am Genfer See. Wir wollten wissen, wie sich die Nacht anfühlt in einer der teuersten Städte der Welt und wie sich die Bars unterscheiden von der Nachbarstadt Lausanne (S. 20). Einer der Säfte, die immer umfangreicher fließen, ist der Gerstensaft. Genauer genommen die immer stärker wahrgenommene CraftBeer-Szene. Jede Bewegung hat ihren Guru, in diesem Fall heißt er Greg Koch. Mit geliehenem Geld hat er mit Stone Brewing klein angefangen und macht inzwischen zweistellige Millionenumsätze. Und er hat eine Philosophie. Wir haben ihn befragt (S. 92). Ohnehin haben wir diese Ausgabe dem Schwerpunkt Bier gewidmet. Wir kochen mit Bier (S. 38), haben die zehn beliebtesten Herrengedecke ermittelt (S. 8) und beschreiben einen ganz besonderen historischen Bierstil, ein Kaminbier – den Barley Wine, der sein Comeback feiert (S. 88).

Bildstrecke: Elisabeth Wiesen / Joh. Barth & Sohn GmbH & Co. KG

geschmackswelten, Ochsentouren und Lügen Einen ganz neuen Stil – zunächst für die Slow-Food-Szene entwickelt – verspricht das Sous -Vide-Verfahren für die Bar. Hier wird eingeschweißt, vakuumiert, bei niedriger Temperatur gegart, und die Aromen, wieder an die Luft gelassen, erobern völlig neue Geschmackswelten. Wir erläutern, wie es funktioniert, welche Resultate sich erzielen lassen und welche Technik benötigt wird (S. 40).

Bevor man sich zu derartigen gustatorischen Höchstleistungen aufschwingt, muss das Handwerk sauber erlernt werden, und das beginnt für die meisten Bareinsteiger als Barkellner. Dass diese Tätigkeit aber sehr komplex ist und von größter Wichtigkeit, erzählt Nils Wrage als Auftakt unserer neuen Reihe Back to Basics – vom Barkellner zum Barbesitzer (S. 74). Ein Mann, der diesen Weg gegangen ist und es zu internationaler Berühmtheit gebracht hat, ist Dale DeGroff. Eine Legende unter den Bartendern. Angefangen hat alles mit dem Schauspiel, Beziehungen und einer Lüge. Was einen Großen unter den Guten ausmacht, verrät er im Interview mit Kirstin Müller (S. 34).

der besondere Moment, nieselregen und noch ein Prediger Ein Höhepunkt für jeden Connaisseur und Barfly ist sicherlich ein Besuch in London und der von Alex Kratena geführten Bar Artesian im Langham Hotel. Sie wurde wiederholt zur besten Bar der Welt gekürt. Wie man das macht, das Personal führt, die Kommunikation aufbaut und den besonderen »Artesian-Moment« kreiert, haben wir uns erklären lassen, dass es eine Lust ist, diesem Gesamtkunstwerk einer Bar zu folgen (S. 95). Wo die Lust ist, ist das Laster. Und so haben wir ebenfalls in London einem neuen Trend unsere Aufmerksamkeit geschenkt. Nach all dem Schick und Chi-Chi sind derzeit rustikale Hütten im Alpinstil die angesagtesten Vergnügungstempel. Schräg, skurril und teuer. Gipfelsturm, Exzess und Aprés Ski bei Nieselregen (S. 101). Hier schließt sich der Kreis. Im Tiefenrausch porträtiert Christian Kopp Nick Cave, der die Dunkelheit nicht mehr zur Lebensmaxime macht und das Predigen anderen überlässt. Dennoch ist er eine faszinierende Persönlichkeit, die viele seiner Geschichten der Bar verdankt. Ein Leben und Werk zwischen Gott und Teufel, den Regen mag er nicht. (S. 108). Haben Sie Spaß beim Lesen, Ärgern, Freuen – genießen Sie die Tage, zelebrieren Sie die Nächte.

Markus Orschiedt

BIER IN BARS Während die Branchendickschiffe aufgrund unerlaubter Preisabsprachen vom Kartellamt zu millionenschweren Strafzahlungen verdonnert wer­ den, entwickelt sich in starkem Kontrast dazu eine immer stärker sichtbare neue Bierszene, die durch ehrliche arbeit und innovation überzeugen möchte. Sie besteht vor allem aus kleinen Brau­Start­ups und mittelständischen, regionalen Brauereien, die ihre Produkte nicht mit denen des nachbarn oder dem nationalen Fernseh­ bier­champion vergleichen. Sie orientieren sich vielmehr an dem, was die innovativs­ ten amerikanischen, briti­ schen und skandinavischen Brauer aus etablierten oder vergessenen Bierstilen zaubern. Begriffe wie imperial Stout, Simcoe, cascade, iBU oder Kalthopfung klin­ gen in vielen Bartender­Ohren noch ungewohnt. die Zahl der Bars, die mittlerweile ein Pale ale oder ein india Pale ale auf ihrer Karte führt, steigt allerdings rasant. Wer tiefer in die Materie Bier einsteigen möchte, empfehlen wie das von MiXOLOgy­autoren für den Bar convent betriebene Brew Berlin Blog.

— brewberlin.com

Ihr Markus Orschiedt

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48 Das Labor

Forschungsansatz und Feldversuch – Die neue Vielfalt von Irish Whiskey

34  Stars in Bars

Dale DeGroff – Der Grandseigneur und die Barwelt

20 Stadtgeschichten

Bars & Menschen 19

Mixology Intern

Mixology-Mitarbeiter über ihren Lieblingsbartender

20 Stadtgeschichten

Gediegener Rausch an den Ufern des Genfer Sees

32 Neue

Bars

The Cage – Abtauchen in Köln

34

Stars in Bars

King Cocktail über die Karriere und Charisma

79 Interview

Krister Asplund – Der Kopf hinter Absolut Vodka im Gespräch

Genf und Lausanne, Belle Époque und Politik – Ein nächtliches Protokoll

92 Interview

46 Essenzen

112 Interview

47

Greg Koch – Hopfen-Messias der Craft-Szene

Dean Callan – Brand Ambassador von Monkey Shoulder

Flüssiges 8 Zehn

Mixology präsentiert das Herrengedeck – Die spannendsten Kombinationen

16 Meinung

Die neuen Lieblingsbiere der Nachtschwärmer

38

Food & Drink

Deftiges für Bar und Bier

40 Alchemist

Sous-Vide – Küchentechnik auf dem Tresen

Die Grundlagen für Sous-Vide in der Bar

Four of a Kind

Irish Whiskey auf dem Prüfstand der Redaktion

48 Das

Labor

Neue Rubrik mit tiefer Sensorik

53

Verkostet & Bewertet

Bartender testen neue Produkte auf dem Markt

60 Markenportrait

Tullamore D.E.W. – Die Geschichte einer Neuerfindung

63 Taste

Forum

Neue Flüssigkeiten auf dem Prüfstand


40 Alchemist

Küchentrends und Barhandwerk – Sous-Vide in der Anwendung

92 Interview

101 Mixology on the road

Greg Koch – Der Popstar der Craft-Beer-Branche und seine Weltsicht

Downtown-Hüttenzauber Alpine Bars in London

68 Trinkwelt

Kalte Luft und Feuerwasser – Trinkkultur in Skandinavien

74 Back

to Basics

Der Werdegang in der Bar – Teil Eins: Der Barkellner

80 Vodka-Fakten

Der Vodka-Markt in Zahlen

82 Sparkling

Das Champagnerhaus Deutz

84 Wein

Radikalbiologische Neuheit – Nonsens oder Revolution?

86 Bier

News

101 Mixology

on the road

Wie London die Alpenromantik für sich entdeckt

Wirtschaft 95 Business

Nick Cave – Grotesker Gratwanderer und Gentleman

110 Kultur

Neue Werke für Augen und Ohren

Wie der Laden richtig läuft – Das Artesian in London

Neues & Notizen

98 Global

10 Mixtur

Player

Hobbys – Warum Sie ein Ausgleich zu besseren Menschen macht

Kultur 104 Homebar

Die wichtigsten Hopfenneuheiten

Klassisch bis ausgefallen – Die Rührgläser der Home Bar

88 Bier

106 Musik

Hochprozenter – Der neue Sud von Crew Republic

108 Tiefenrausch

Indie-Blues aus Beirut

Neue Produkte aus dem Barkosmos

114 Veranstaltungen

werbe

& Wettbe-

Die wichtigsten Events der letzten und kommenden Wochen

120 Impressum


Zehn

Das Herrengedeck Der Klassiker unter den Getränkekombis

Ein guter Teil der Barkultur dreht sich um die Kombination verschiedener Flüssigkeiten oder zweier Getränke. In den meisten Fällen ergibt sich ein Cocktail oder ein Longdrink. Eine beinahe schon ausgestorbene Spezies der kombinierten Getränke ist aber das Herrengedeck. Eine einfache und dennoch schöne Kombination zweier Getränke, die manchem Bartender den Feierabend versüßt oder Gästen neue Spirituosen und in jüngster Vergangenheit auch einmal neue Biere vorstellt. Text Marco Beier Dabei ist die Definition eines Herrengedeckes gar nicht so einfach. Heute dürfte man landauf landab nahezu überall ein Bier und einen Shot, also einen Kurzen, darunter verstehen. So wollen wir die Kombination auch interpretieren. Regional gibt es aber durchaus unterschiedliche Verständnisse des Herrengedecks. Im Westen und Nordwesten der Republik ist das Herrengedeck seit jeher ein Pils und ein Korn oder Köm. Köm ist dabei ein Aquavit. Im Süden kombiniert man eher Helles oder Weißbier mit Obstbränden. Alles noch im Rahmen unserer Definition. Zwei Besonderheiten gibt – oder besser gab – es aber. In der DDR sollten die kulturellen Gepflogenheiten der herrschenden Arbeiterklasse angehoben werden. Mancherorts wurde man deswegen gezwungen, zu einem Bier auch eine kleine Flasche Sekt, den klassischen Piccolo, zu kaufen. Ob dies ein kultureller Fortschritt war, wenn beide

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Getränke in ein Glas gekippt wurden, oder in die Kategorie »Wirkungstrinken« fällt, soll an dieser Stelle unkommentiert bleiben. Die gleiche Kombination aber mit anderem Hintergrund war lange Zeit in Hamburg populär. In der Nähe der sündigen Meile, der Reeperbahn, warben viele Bars mit freiem Eintritt und schönen Frauen. Das Herrengedeck war dabei der inoffizielle Mindestverzehr. Über das Bier für den Herren und den Sekt für eine der Damen ließ sich schnell ins Gespräch kommen. Praktisch sowohl für Gäste als auch für den Wirt. Hamburger Ursprungs ist auch die Idee, das Herrengedeck einmal näher zu beleuchten. Seit Eröffnung macht die Boilerman Bar von sich reden. Eine abwechslungsreiche Bierkarte und eine mehr als gesunde Auswahl an Spirituosen, vor allem Bourbon, legen einem die Kombination aus beidem durchaus ans Herz. Das Motto »Boilermaker: Share a Pale Ale

with a friend – enjoy a shot of Bourbon each« kann jeder auf den Coastern der Bar nachlesen und der Idee folgen. Laut Barbetreiber Jörg Meyer wird dieses »Herrengedeck« gut angenommen. Eine spezielle Idee steckt ihm zufolge aber nicht dahinter: »Es schmeckt gut und wurde schon immer getrunken.« Für unsere zehn Empfehlungen haben wir verschiedene Bartender und Barmaids sowohl aus Deutschland als auch international nach ihrer liebsten Kombination befragt. Ein paar Klassiker sind unter den Kombinationen vertreten und auch einige Überraschungen. Weniger überraschend war die Verteilung der Spirituosen. Während bei den Barmaids das junge und knackige Destillat gewählt wurde, setzten die Herren der Schöpfung meist auf ältere, fassgelagerte Preziosen. Und noch etwas fällt auf: Obwohl bei Bartendertreffen oft der ein oder andere Kräuterlikör fließt, als »Lieblingsshot« hat keiner einen genannt. __


Bohemia Bier Aha Toro Blanco Tequila Sünner Kölsch Armazem Vieira Esmeralda Cachaça

Tequila und Mexican Beer. Eine Kombination, die nicht neu ist, aber durch die größere Auswahl an Tequila neue Dimensionen erreicht.

Lantenhammer Holzfassobstler

Begegnung zweier Welten. Die dezenten Fassnoten des Cachaça harmonieren perfekt mit dem Hopfen des Kölsch.

Überzeugend durch Frucht und Tiefe im Geschmack. Fruchtig das Bier, wuchtig der Schnaps.

Corona

Maisels & Friends Chocolate Bock

Sierra Milenario Blanco

Rowan’s Creek Bourbon

Fruchtiger Tequila und leichtes, süffiges Bier. Aber ohne Limettenspalte. Die Deckel unserer Flaschen sind ja sauber.

Das Dessert unter den Herrengedecken. Kräftige Röstaromen treffen auf Karamell.

Radeberger Pils & Picon Amer

König Pilsener

Alipús San Juan Mezcal

Buffalo Trace Bourbon

Zwei Lieblinge vieler Bartender vereinen sich. Ein leichtes Pils, aufgepeppt durch einen Schuss des französischen Likörs. Dazu ein rauchiger Mezcal.

Ein populäres Bier und ein nicht zu mächtiger Bourbon. Der moderne Klassiker unter den Herrengedecken.

Rothaus Pils

Gude Pils J&B Blended Scotch Ein Pils, das sich im Frankfurter Raum wachsender Beliebtheit erfreut. Dazu ein schottischer Blend. Verdienter Abschluss einer langen Schicht.

Camba Bavaria IPA

Crew Republic Drunken Sailor Johnny Drum Private Stock Bourbon Das neue Bier der Bar. Indian Pale Ale. Eine fruchtige Unterlage für einen kräftigen und komplexen Bourbon, der genossen werden möchte.

Black Maple Hill Bourbon Hochprozentiger Bourbon unbekannter Abfüller und ein Pils mit Charakter. Nicht für jeden, nicht für immer. Aber wenn, dann ist es eine tolle Kombination.

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Alchemist

Sous-Vide-Garen an der Bar

Küche und Bar im Aromataumel Zu sagen, dass die Bar sich immer mehr der Küche annähert, stimmt nur noch be­ dingt. Es ist richtig, an der Bar bedient man sich vieler Aromen, die man ursprüng­ lich eher in einer Küche vermuten würde. Kräuter und Gewürze hielten Einzug in die Bar, und manches Backboard hat mittlerweile mehr Ähnlichkeit mit einem Ge­ wächshaus als mit einem Spirituosenregal. Cuisine Style nannte man diesen Trend. Text Marco Beier  Fotos Tim Klöcker & Sebastian Böhme

Dieser ist aber überholt. Nicht mehr nur bei den Zutaten plündern Bartender die Küchen. Jetzt heißt es: »Köche, rückt Pfannen und Töpfe zur Seite, wir wollen an eure Arbeitsutensilien.« Um genau zu sein, wollen wir an den Sous-Vide-Garer und an eure Vakuumgeräte. Dabei sollten wir vielleicht kurz erklären, was Sous-Vide-Garen genau ist. Aus dem Französischen übersetzt bedeutet Sous-Vide das Garen unter Vakuum bei einer recht niedrigen und sehr konstanten Temperatur und ist gerade in den letzten Jahren in Küchen berühmt geworden. Besonders experimentelle Köche haben dieses Verfahren für sich entdeckt, da nicht nur ein besonders schonendes Garen garantiert wird, sondern auch extravagante Kreationen möglich sind.

Von der experimentellen Küche hinter den Tresen Wer zum Beispiel einmal ein »gegartes Ei« gegessen hat, das bei etwas mehr als 60°C für eine

Stunde im Wasserbad verbracht hat, der weiß, dass diese Art der Zubereitung nicht nur anders ist, sondern aus bekannten Zutaten neue Geschmackserfahrungen extrahiert. Nun ist diese Vorgehensweise für die professionelle Küche interessant und an vielen Stellen spannend für den Heimgebrauch, aber zu kostenintensiv und offensichtlich ein wenig zu umständlich. Jedenfalls scheint der Funke auf die Hobbyküche nicht überzuspringen. Wer sich mit dem Thema näher befasst, versteht schnell warum. Neben dem Sous-Vide-Garer ist auch das Vakuumgerät unerlässliches Utensil. Beides kostet eine nicht unerhebliche Stange Geld und benötigt entsprechenden Platz. Abgesehen davon wird jedes Lebensmittel in Plastikbeutel eingeschweißt, bevor es verzehrt wird. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung betrachtete das Verfahren und seine Anwendbarkeit für die heimische Küche bereits im September 2012 und stellte die berechtigte Frage: »Ist das noch kochen?« Der Autor des Artikels darf sich selbst an einem Steak versuchen, welches im Sous-Vide-Verfahren zubereitet wird. Jenseits des

Geschmacks nimmt er den Vorgang des Sous-­ Vide-Garens allerdings als sehr technischen wahr. Nachdem das Fleisch eingeschweißt wurde, muss nur noch die Temperatur und Gar-Dauer eingegeben werden, und den Rest erledigen die technisch ausgereiften Geräte von selbst. Viele Geräte sind in der Lage, die Temperatur konstant zu halten mit einer maximalen Abweichung von 0,1 – 0,5°C. In verschiedenen Tabellen kann man sich über die Garzeiten und idealen Temperaturen für jede Zutat informieren, und die Frage, ob das noch Kochen ist, ist am Ende durchaus berechtigt. Und auch wenn das Verfahren nicht über jeden Zweifel erhaben ist, so gibt es mittlerweile einige Bartender, die sich mit dem Thema befasst und auf die Bar übertragen haben. Unter anderem beschäftigt sich der Kölner Stephan Hinz, Mixologe des Jahres 2010, mit dem Thema. Aber auch im Parlour in Frankfurt ist es unter anderem René Soffner, der sich seit mehreren Monaten ausgiebig dieses Themas annimmt und künftig nicht mehr auf die Hilfe der

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Trinkwelt

Nordic Drinking Skurril und anekdotenreich – die Trinkwelt in Skandinavien und Finnland Text Michael Brückner

Rausch oder Genuss? Lange Zeit war das in weiten Teilen Skandinaviens keine Frage. Man trank – uncharmante Zeitgenossen sagen sogar: Man soff – bis der Rausch kam. Doch jenseits solcher Exzesse ist das Angebot an alkoholischen Getränken sehr differenziert und interessant. Vodka und Aquavit stehen im Vordergrund und werden häufig pur getrunken. In den Städten entsteht aber zunehmend eine anspruchsvollere Barkultur. Wer die skandinavische Trinkwelt etwas genauer unter die Lupe nimmt, stößt auf manche Überraschung – zum Beispiel auf Wein aus Dänemark.


Illustration: studio grau


digeStiF

Werte Leser, begleiten Sie uns in der kommenden Ausgabe auf einen Ritt! Nicht zu Pferde, nicht wie Dr. Faustus auf einem Fass aus Auerbachs Keller, aber doch durch die nächtlichen Straßen Leipzigs. Zwischen altehrwürdigen Gemäuern, Studentenclubs, in denen bereits zu DDR-Zeiten die Luft flimmerte, und einer neuen, jungen, hungrigen Garde an Bars und Bartendern möchte die Stadt nun glänzen – kann sie es? Wem darüber hinaus der Sinn nach etwas mehr Weltcharme steht, findet sich in der Trinkwelt Südamerikas wieder. Cachaça und Pisco haben es nicht mehr so leicht wie einst, Whisky und Vodka sind im Aufwind, und die neuen Vorlieben einer kosmopolitischen Jugend. Wir stürzen uns in den Schmelztiegel von Folklore, Fußball und Feuerwasser. Apropos Feuer. Mit Wermut lodert eine alte Gattung neu auf. Neue Produkte, neue Hersteller, alle eint das Wermutkraut. Folgen Sie uns durch das Dickicht von trocken, süß und rot. Oder genießen Sie stattdessen einen Cognac und lesen, wie altbackener Weinbrand gebührend entstaubt werden kann. Bis dahin, Ihr Mixology-Team

markengift oDer markengLanZ? Text helmut adam »Wir möchten die Bartender zu Rockstars machen«, tönte der Mitarbeiter einer großen Spirituosenfirma kürzlich. Die Möglichkeiten, im Boot einer Marke bekannt zu werden, sind heute so groß wie noch nie. In den Innenstädten begrüßen einen großflächige Konterfeis bekannter Bartender von den Litfaßsäulen. Preisgelder von Wettbewerben erreichen das Niveau von Luxuskarossen. Gewinner von Wettbewerben jetten im Monatsrhythmus rund um den Globus. Allerdings scheinen manche der so hofierten Tresenprofis sich nicht darüber bewusst zu sein, wo die eigene Marke aufhört und die Sponsor-Marke anfängt. Die Grenzen zerfließen, die Person mutiert zum wandelnden Werbefilm. So hörte man kürzlich von einem Wettbewerbsgewinner, der im Rausch die Toiletten einer Hamburger Bar zerstörte. Tat er dies als geförderter Rockstar mit der Marke auf dem Revers oder doch plötzlich wieder als Privatperson? Man vernahm, dass der lokale Firmenverkäufer versuchte, die Angelegenheit unter den Markenteppich zu kehren. Fremdscham inklusive.

der Markensklave

Kommende Themen

Betritt man manch bekannte Bar, verfolgen einen die Markenlogos neuerdings von der Tür bis an den Tresen. Dort wiederum steht ein Barmann, der sich ein Logo der Competition in die Haut hat stechen lassen, als sei er ihr Eigentum. Ein Markensklave, der am Ring durch die Manege des flüssigen Rummels geführt wird.

Cocktailwettbewerbe haben ihren Platz in der Branche. Darüber gibt es keinen Zweifel. Sie beeinflussen, wessen Name in der Branche vernommen wird. Sie helfen den Fokus auf Technik und Innovation zu schärfen. Sie dienen als Netzwerkplattformen und erweitern den Horizont junger Barleute. Sie sind Bühnen, auf denen man sich beweisen kann. Sie steigern den Marktwert. Doch wenn man sich umsieht in der Branche, gibt es eine Menge erfolgreiche Unternehmer, die niemals den Teilnahmebogen einer Competition ausgefüllt haben. Ein Ausnahmeprodukt, eine wirklich fantastische Bar, ist häufig dem Streben nach größtmöglicher Unabhängigkeit gedankt. Der Idee, die Dinge anders, die Dinge besser zu machen. Kommerzielle Schnittstellen bedeuten da einen zu großen Kompromiss.

täglicher Wettbewerb am gast Entsprechend sollte gerade die junge Bar-Generation beachten, dass Wettbewerbe ein willkommener Bonus sind. Sie sind aber kein elementarer Bestandteil der Barkultur. Und da mag ein gehirngewaschener Markenbotschafter nach dem anderen das Gegenteil erzählen. Der eigentliche Wettbewerb des Barmanns läuft am Gast. Jeden Abend von neuem. Dort zu überzeugen ist nachhaltig. Denn der Ruhm und der Glitter auf der Markenbühne verblasst zu schnell. Er trägt Die nächste nicht durch eine ganze Karriere. Mixology erscheint am

3. April 2014

impressum Leipzig – Geschichten aus der Bücherstadt. Kontraste zwischen jungen Bars und alten Stuben. Südamerika – Westlicher Durst, ein Kontinent im Aufschwung. Von Feuerland und Feuerwasser. Wermut – Weinaperitifs mit Würze gewinnen an Relevanz. Frische Früchte des bitteren Krauts.

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office@mixology.eu, www.mixology.eu, facebook.com/mixology, twitter.com/mixology REDAKTION: Höfe am Osthafen, Schlesische Str. 28, 10997 Berlin Tel: +49 30 2332 99430, Fax: +49 30 2332 99439 VERWALTUNG: Schloss Kletzke, Dorfstr. 60, 19339 Plattenburg Tel: +49 38796 90064, Fax: +49 38796 90065 AUTOREN: Helmut Adam, Alexander Agarius (AA), Marco Beier, Michael Brückner, Donald Burke, Philip Duff, Peter Eichhorn, Tony Galea, Vanessa Gürtler (VG), Dirk Hoplitschek, Tibor Kantor, Manfred Klimek, Christian Kopp (CK), Samir H. Köck, Kirstin Müller, Markus Orschiedt, Stevan Paul, Katrin Pazurek, Alisa Reimer, Phum Sila-Trakoon (PST), Nils Wrage

CHEFREDAKTION: Markus Orschiedt (V.i.S.d.P.) REDAKTIONSMANAGEMENT: Katrin Pazurek REDAKTIONSASSISTENZ: Alexander Agarius, Vanessa Gürtler, Christian Kopp, Phum Sila-Trakoon ADVERTISING MANAGEMENT: Susan Dusin, Tina Gnauck susan@mixology.eu, tina@mixology.eu KORREKTORAT: Gerrit Koy FOTOGRAFEN: Ellen Bornkessel, Ava Celik, Danny Elwes, Constantin Falk, Christian Herzig, Manfred Klimek, Tim Klöcker, Christian Kopp, Robert Mills, Stevan Paul, Thomas Reufer, Elisabeth Wiesen, Tobias Wölki, Bernard Zieja GRAFIK, LAYOUT & ILLUSTRATION: studiograu.de

MANAGING DIRECTOR: Jens Hasenbein

COVERBILD: studio grau

HERAUSGEBER: Helmut Adam

DRUCKEREI: Silberdruck

VERTRIEB: Der Tagesspiegel Verlags GmbH Angeschlossen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern ABONNEMENT: Jahresabonnement (sechs Ausgaben) für Deutschland: 40 Euro (inkl. MwSt.). Andere Länder: 65 Euro. EINZELVERKAUF: Im ausgewählten Bahnhofs- und Flughafenbuchhandel. D 7,50 €, A 8,50 €, CH 10,50 sFr Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung, auch im Internet, bedarf der schriftlichen Genehmigung des Verlages. © 2013 Mixology Magazin, Berlin ISSN 1613-6020


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