ADAM SCHAF HAT ANGST Textbuch

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Musical für einen Schauspieler von GEORG KREISLER

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ADAM SCHAF HAT ANGST

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1 1 Inhaltsverzeichnis ERSTER AKT 2 1. Die Gewohnheit ................................................................................................................................................................... 2 2. Mit dem Rücken gegen die Wand 4 3. Schwärmerei 5 4. Der Weg zur Arbeit ............................................................................................................................................................ 6 5. Gelsenkirchen 8 6. Meine Freiheit, deine Freiheit ..................................................................................................................................... 10 7. Der Staatsbeamte 11 8. Mein Sekretär ..................................................................................................................................................................... 13 9. Die Ehe 14 10. Die kleine Nachtmusik ................................................................................................................................................. 15 11. Wenn ihr lachen wollt 18 ZWEITER AKT 20 12. Immer wenn, immer dann ......................................................................................................................................... 20 13. Wenn die Mädchen nackt sind 21 14. Wenn ich lieben dürfte ................................................................................................................................................ 22 15. Träume 23 16. Sieben Euro ...................................................................................................................................................................... 24 17. Sie sind so mies 25 18. Die Reise nach Jerusalem ........................................................................................................................................... 27 19. Es hat keinen Sinn mehr 29 NICHTNURZURANSICHTFÜRAUFFÜHRUNGENVERTRIEBDURCHMUSIKUNDBÜHNEwww.musikundbuehne.de

Genau zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn wie seit gut vierzig Jahren.

Heute macht das kein Schauspieler mehr. Die halten mich ja auch alle für verrückt. Naja, die Gewohnheit.

(Er lässt sich müde auf einen Stuhl fallen)

1. Die Gewohnheit

ERSTER AKT

MAN HAT SICH SO VIEL ANGEWÖHNT, D AS MAN S ICH LEIDER NICHT MEHR ABGEWÖHNEN KANN. MAN HAT SICH AN DEN MANN GEWÖHNT, DEN MAN IM SPIEGEL SIEHT, UND LAC HT IH N TÄGLICH AN. MAN HAT SICH AN SEIN HIRN GEWÖHNT, AN SEINE STIRN GEWÖHNT, AN SEIN TALENT, UND FRAGT SICH KAUM NOCH, WIE MAN’S FRÜHER TAT, OB MAN SICH SELBER SICH JE ABGEWÖHNEN KÖNNT.

2 2

(Er steht auf, zieht den Mantel aus, hängt ihn an die Kleiderstange und setzt sich wieder)

Schaltet diese verdammte Musik ab! Ich muss mich konzentrieren. Abschalten! (nach ein paar Sekunden bricht die Musik ab)

(Er schaut auf seine Uhr und beruhigt sich)

MAN HAT SICH AN DEN BAU GEWÖHNT, DER UNSRE WELT ERKLÄRT, UND BLEIBT GEDULDIG DRIN. MAN HAT SICH AN DAS GRAU GEWÖHNT, DAS JEDEN TAG DURCHDRINGT, UND NIMMT ES SCHWEIGEND HIN. MAN HAT SICH AN DIE ZEIT GEWÖHNT, AN SEINEN NEID GEWÖHNT , ALS STILLEN BEGLEITER, UND FRAGT SICH KAUM NOCH, WIE MAN’S FRÜHER TAT: WIE WIRD ES WEITER GEHEN? DENN ES GEHT WEITER. UND WENN ES NICHT MEHR WEITERGEHT?

Eine Theatergarderobe. Weiße Wände, an der Seite die Türe. Zwei Stühle vor zwei Schminktischen mit diversen Requisiten, die ADAM SCHAF im Laufe des Abends benützen wird. Einige Perücken sind aufgereiht, mehrere Kostüme hängen gut sichtbar an einer Stange.

WENN NUR DER TOD NOCH KOMMT?

Volles Licht, laute Rockmusik. ADAM SCHAF kommt durch die Türe. Er ist alt, trägt einen Alt Herren Mantel und eine weiße Perücke, unter dem Mantel einen verknautschten Anzug. Sein Gang ist etwas mühsam, und er hat ein Manuskript unterm Arm. Noch in der Türe schreit er hinaus:

WAS MACHT MAN DANN? DANN STELLT SICH 'RAUS, DA S LEBEN IST SO HERRLICH E INGER ICHTET, NICHTNURZURANSICHTFÜRAUFFÜHRUNGENVERTRIEBDURCHMUSIKUNDBÜHNEwww.musikundbuehne.de

Diese Putzfrauen! Können keinen Besen in die Hand nehmen ohne diese Scheißmusik.

DASS SICH DER MENSCH LEICHT AN DEN TOD GEWÖHNEN KANN. UND TÄGLICH HÖRT MAN IMMER WIEDER LEUTE STÖHNEN: „WIE HÖRT MAN AUF ZU RAUCHEN?“, WENN MAN RAUCHT. MAN MÜSSTE SICH DAS NICHTGEWÖHNTSEIN ANGEWÖHNEN, DANN HÄTT‘ MAN ENDLICH DIE GEWOHNHEIT, DIE MAN BRAUCHT. (Ende der Musik. Er sagt sarkastisch:)

Meine Damen und Herren, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Sechs Kutschen sind vorgefahren, ein wunderschöner Tag liegt vor Ihnen, und das Wetter spielt mit. Sie fahren zuerst auf den Gloggnitzer Kogel, 800 Meter hoch, gute zwei Stunden Fahrt mit herrlichen Aussichten. Dort wird Ihnen ein erstklassiges Mittagessen serviert. Danach eine Stunde spazieren gehen oder Tischtennis spielen oder auch nur in der Sonne liegen, ganz nach Belieben. Dann geht die Fahrt weiter zum Blümerlswirtshaus mit Kaffee und Kuchen und dann wieder zurück. Gegen sieben Uhr sind Sie wieder da. Steigen Sie ein, meine Damen und Herren, steigen Sie ein! Dann spielt das Orchester zwei Takte, und ich singe: JA, DIE BERGLUFT GEHT INS BLUT, TRALALA UND DAS ESSEN SCHMECKT UNS GUT, TRALALA UND DER WEIN TUT SEI NE WIRKUNG, DENN DAS IST JA SEINE PFL ICHT

Dann singt der ganze Chor:

Also gut, ich werde mich jetzt auf meine Rolle konzentrieren. Ich bin heute Abend ungefähr dreieinhalb Minuten auf der Bühne... spiele einen Haushofmeister... Anfang neunzehntes Jahrhundert (Er steht auf und geht zu den Kostümen)

Da muss ich nicht mehr mitsingen. Der Chor geht singend ab, ich gehe mit, zurück bleibt das Liebespaar, und meine Rolle ist zu Ende. Dann darf ich wieder in der Garderobe sitzen und bis zum Schluss der Vorstellung warten, damit ich mit den anderen verbeugen kann. Mein Gott, im gleichen Stück hab ich früher den Liebhaber gespielt. Tassilo heißt er. In ganz Deutschland hab ich als Tassilo gastiert. Jetzt spiel ich den Haushofmeister und bin heilfroh, dass ich nicht mehr in ganz Deutschland gastieren muss. Das wäre eine Qual.

Und dann sage ich... Meine Damen und Herren, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten... Meine Damen und Herren wie geht’s weiter? Text, Text, Text! (nimmt das Manuskript, liest und deklamiert)

UND DIE SONNE BRÄUNT DIE HAUT, TRAL

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Woll’n wir mal sehen, ob das Kostüm da ist... Kostüm ist da... Livree... Hose schön gebügelt... dann der Stock, mit dem ich dreimal auf den Boden klopfe… (zeigt alles, klopft mit dem Stock auf die Bühne, legt alles wieder zurück)

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MIT DEM RÜCKEN GEGEN DIE WAND, MANCHMAL SIEHT MAN EIN PAAR KÄL BER, BIS MAN MERKT: DAS IST MAN SELBER. UND MAN SCHAUT WOMÖGLICH WE G, DE NN DIE LANDSCHAFT IST VOLL DRECK, UND DIE POLITIKER HABEN’S PARTEIBUCH IM GEPÄCK. MIT DEM RÜCKEN GEGEN DIE WAND, VERLIERT MAN LANGSAM DEN VERSTAND. DIE GEDANKEN WERDEN KAHLER, DOCH DAS VOLK WILL’S NOCH TOTALER. UND DIE SCHULBÜCHER SIND DÜNN, DENN ES STEHT SCHON NICHTS MEHR DRIN, UN D DIE WARNER UND DIE SPINNER, DIE SIND ALLE NOCH VIEL DÜNNER, NUR DIE HERREN DER REPUBLIK, DIE SIND DICK. UND MAN FLUCHT, BIS MAN HEISER WIRD. UND MAN SCHREIT, BIS MAN LEISER WIRD. TANTE BRINGT KAFFEE UND KUCHEN MIT SORBIN UND S ORBAN UND URIN UND URAN. MIT DEM RÜCKEN GEGEN DIE WAND, LEGT MAN MANCHMAL EINEN BRAND, DOCH DIE MENSCHEN SIND AUS FEUERFESTEM SCHEIBENKLEISTER, SIE TRINKEN JÄGERMEISTER UND WA CHOLDERBRAND UND HABEN ALLE IHRE RÜCKEN GEGEN DIE WAND. DER STAMMTISCH STE HT BE IM WEIHNACHTSBAUM, DAS WETTER IST VOLL SEIFENSCHAUM. WER KAUFT NOCH WAS? ODER WILL NOCH WER? NA EBEN! DER FRIEDEN IST ZUM WARTEN DA, DIE LUFT BLEIBT AN DER ADRIA, DIE TÜRKEN MÜSSEN WEG, DER MÖRDER WOHNT UMS ECK. DA KANN MAN SICH’S ALS DEUTSCHER NICHT VERHE HLEN, DIE TODESSTRAFE HERZLICHST ZU EMPFEHLEN. MIT DEM RÜCKEN GEGEN DIE WAND, NIMMT DER NEBEL ÜBERHAND, DIE PROFITGIER WIRD NOCH SCHLIMMER, UND DIE RUSSEN GIBT’S NOCH IMM ER, UND DIE PHYSIKER PROPHEZEIEN, DOCH DIE BUNDESWEHR SAGT NEIN, UND DER HITLER STEIG T INS WERBEFERNSEHEN EIN. DENN MAN GLAUBT JA NUR, WOFÜR GEWORBEN WIRD, UND MAN KÄMPFT FÜR WAS, BIS MAN GESTORBEN WIRD. NÄCHSTEN SOMMER GIBT’S MALLORCA MIT GENUSS UND G EHALT UND GEBRÜLL UND GEWALT. MIT DEM RÜCKEN GEGEN DIE WAND, HETZT MAN WEITER DURC H DAS LAND.

HEUTE FÄHRT MAN DURCH DAS LAND

2. Mit dem Rücken gegen die Wand

WER SICH’S LEISTEN KANN, VERSUCHT VIELLEICHT NOCH AUSZUWANDERN, BIS ER DANN MERKT, DIE ANDERN SIND AUF DEMSELBEN STAND, DENN ALLE, ALLE, ALLE, ALLE, ALLE, ALL E, ALLE, ALLE, ALLE HABEN DEN RÜCKEN GEGEN DIE WAND.

(Während er sich in Fahrt redet, zieht er Jacke und Hose aus, darunter ist er jugendlich gekleidet, wirft die Klamotten in die Kulisse, legt die weiße Perücke ab und verwandelt sich auch mit der Stimme in einen jungen Mann)

(Ende der Musik. Die Rockmusik startet wieder, bricht aber ab, bevor er protestieren kann. Er redet auswendig:)

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Meine Damen und Herren, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten... sechs Kutschen sind vorgefahren...Tassilo hab ich gespielt... meine Partnerin hieß Roswitha... da war der Krieg erst ein paar Monate vorbei... alle haben gesagt, Deutschland hat den Krieg verloren, aber das war ja gar nicht wahr... Hitler war weg, die Gestapo war weg, man konnte sagen, was man wollte, man war frei... also hat Deutschland den Krieg gewonnen.

ICH SCHWÄRME NUN MAL FÜRS ILLEGALE. FÜR MICH SIND GESETZE VÖLLIG OHNE SINN. WAS LEGAL IST, IST FÜR MICH DAS ABN ORMALE. ES IST NUR SCHADE, DASS ICH NICHT BUNDESKANZLER BIN. ICH SCHWÄRME NUN MAL FÜR DEN AN ARCHI SMUS. MISSACHTUNG DER STAATSGEWALT NEHME ICH JEDERZEIT HIN. EIN ANDERER ISMUS, DEN ICH MAG, IST DER RADIKALISMUS. JAMMERSCHADE, DASS ICH NICHT BUNDESKANZLER BIN. ICH WÜRDE DIE VATERLANDSLIEBE IM KEIME ERSTICKEN. FÜR MICH WÄRE EIN WEHRLOSES DEUTSCHLAN D DAS PARADIES. ICH WÜRDE JEDE REGIERUNG NACH SIBIRIEN SCHICKEN. BERLIN FÜR FUßGÄNGER! HAMBURG FÜR GENIES! ICH SCHWÄRME NUN MAL FÜR ALLE SÜNDEN. JEDE VERHÖHNUNG D ES SO GENANNTEN RECHTS ERFÜLLT ICH MIT STOLZ UND DIE DEMOKRATIE, DIE MIR LIEGT, DIE MUSS SICH ERST FINDEN. LEIDER IST DA KANZLER ADENAUER AUS ANDEREM HOLZ ICH WÜRDE DIE BANKEN, DIE BÖRSEN UND DIE FINANZÄMTER SCHLIEßEN DANN WÄR AUCH DIE UMWELTVERSCHMUTZU NG VORBEI UND DAS WÄRE DOCH NETT. WENN NIEMAND GELD HÄTTE, KÖNNTE AUCH NIEMAND SCHIEßEN. GANZ D EUTSC HLAND MUSS LIEBE MACHEN. AUF INS BETT!

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Ja, Deutschland lag in Trümmern, aber das war doch gerade die große Chance... das Jahr Null... man hatte nichts, aber was man nicht hatte, wurde solidarisch geteilt... alles, was bisher verboten war, war plötzlich erlaubt, alles, was bisher illegal war, war legal, und vor allem: Ich war jung, jung, jung, ich liebte dieses illegale Leben.

3. Schwärmerei

JEDEN MORGEN GEHE ICH Z IRKA ACHT MINUTEN LANG, AUßER WENN ICH KRANK BIN, IN DIESE KANZLEI. WENN ICH MICH SO UMSEHE, BIN ICH NICHT DER EINZI GE. F ÜR DIE MEISTEN LEUTE GEHT DAS LEBEN SO VORBEI. ICH GRÜßE FREUNDLICH DIE VERKÄUFERIN MEINER ZEITUNG. („GUTEN TAG, FRAU KÖRNER.“)

4. Der Weg zur Arbeit

DRÜBEN MACHT HERR KINDERMANN SEINEN BÜCHERLADEN AUF. ICH SEH IH N NOCH JETZT VOR MIR: ER IST DAMALS SO GERANNT UND HAT DIREKT VOR SEINEM SCHAUFENSTER EINEN SCHEITERHAUFEN AUFGESTELLT

Ja, so war das Und da lernte ich endlich, dass Deutschland nicht nur eine Zukunft, sondern auch eine Vergangenheit hatte.

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(Ende der Musik)

SIE HAT ES SCHWER JETZT, SEIT DIESEM GRAUSIGEN PROZESS. IHR MANN IST EINGESPERRT WEGEN SO MANCHER ÜBERSCHREITUNG, SIE WUR DE FR EIGESPROCHEN, DENN SIE WAR NICHT IN DER SS OBWOHL SIE ALLES MITMACHTE UND ICH GRÜßE EBENSO DEN FRISEURGEHILFEN NIEDERMEIER, DER AUCH IN DER SS WAR ODER WAR ES DIE SA? EINMAL HAT ER ANGEDEUTET, WÄHREND ER MIR DIE HAARE SCHNITT, WAS DAMALS IN DAC HAU M IT DEM ROSENBLATT GESCHAH. ER WAR ERST ZWANZIG, ACHT JAHRE JÜNGER ALS DER ROSENBLATT. JETZT IST ER FÜNFUNDZWANZIG UND EIN SEHR HÖF LICHER FRISEUR. „GUTEN TAG, HERR HAUPTMANN!“ DER HEIßT NUR HAUPTMANN, ER WAR OBERST UND HAT IN FRANKREICH EINIGE ZU TODE EXPE DIERT, ER IST NOCH IMMER SPEDITEUR ES HAT SICH NICHTS GEÄNDERT.

ICH SCHWÄRME NUN MAL FÜRS ILLEGALE. UND WO ICH VERORDNUNGEN ERBLICKE, SCHAU ICH NICHT HIN. ICH HALT DIE MÄCHTIGEN SA MT UND SONDERS FÜR SCHWEINE. UND W AS DEN BUNDESTAG BETRIFFT DASS ICH NICHT WEINE! ICH WEIß, D ASS I CH FREI BIN. UND ICH WEIß AUCH DAS EINE: ES IST WIRKLICH SCHADE, DASS ICH NICHT BUNDESKANZLER BIN.

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Und ich wollte natürlich sofort zum Theater, auf die Bühne, spielen, spielen, spielen, aber da waren meine Eltern strikt dagegen. Zuerst musst du was lernen, sagte mein Vater, Schauspieler ist ein Hungerberuf. Also fing ich an, nachts zu studieren, und tagsüber arbeitete ich in einem Büro. Jeden Morgen war ich unterwegs hatte einen hässlichen Mantel an so ähnlich wie diesen (nimmt einen Mantel von der Kleiderstange und zieht ihn an) einen ebenso scheußlichen Hut ohne Hut ging man damals nicht auf die Straße, wenn man ein guter Bürger war hatte einen Aktentasche unterm Arm (nimmt sein Manuskript als Aktentasche)

VIELLEICHT VERGESSEN SIE ES BALD. ICH K ANN ES NICHT VERGESSEN. SO, JETZT BIN ICH ENDLICH IN DIE KANZLEI GEKOMMEN, SETZ MICH AN DEN SCHREIBTISCH UND ÖFFNE EINEN BRIEF. DOCH BEVOR ICH LESEN KANN, MUSS ICH ERST DIE RICHTUNG ÄNDERN, BLICKE RASCH ZUM HIMMEL AUF UND ATME DREIMAL TIEF.

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UN D HAT DARAUF THOMAS MANN UND LION FEUCHTWANGER VE RBRANNT UND ERICH KÄSTNER UND DEN KAFKA UND DEN HEINE UND VIELE ANDERE, DIE JETZT S EIN SCHAUFENSTER VERZIEREN. UND ER VERKAUFT SIE MIT EINEM LÄCHELN AN DER LEINE. TJA, ER MUSS LEBEN, UND SEINE KINDER WOLLEN STUD IEREN. ER HAT JA SELBST DEN DOKTOR. „GUTEN MORGEN, HERR PROFESSOR! WIE GEHT’S DER FRAU GEMAHLIN? DANKE, SIE SEHEN BLENDEND AUS WIE BLEIBEN SIE SO JUNG?“ ( „ AUF WIEDERSEHEN.“)

DAS WAR PROFESSOR TÖPFER, SEINERZEIT VÖLKISCHER BEOBACHTER, ANTHROPOLOGIE UN D RAS SENKUNDE. JETZT IST ER BEIM FUNK. „GUTEN MORGEN, HERR NEUMANN!“ DER IST NICHTS, DER IST ERST ZWANZIG. WAS WAR SEIN VATER? J EDENFALLS SOLDAT. „AH, GUTEN MORGEN, HERR DIREKTOR!“ DER IST GUTE FÜNFUNDSECHZIG, ALSO MUSS ER WAS GEWESEN SEIN. HEUTE IST ER D EMOKR AT. DAS SIND WIR JETZT ALLE. DRÜBEN IST DER EICHELBERGER: GUMMIBÄNDER, HOSENTRÄGER. DAS HIEß FRÜHER BLAU UND SÖHNE, HERRE NTRIKOTAGE. NEBENAN WAR DAS CAFÉ WINKELMANN. DER WINKELMANN IST NOCH ZURÜCKGEKOMMEN. DANN IST ER WIEDER WEGGEFAHREN. JETZT IST D ORT E INE GARAGE. DA KOMMT DIE SCHULE. DA BIN ICH SELBER HINGEGANGEN. MEIN DEUTSCHLEHRER BEZIEHT NOCH IMMER DORT GEHALT. DER SCHR IE: “HEIL HITLER!“

DAS WIRD ER HEUTE NICHT MEHR SCHREIEN. WAS NUR DIE KINDER BEI DEM LERNEN?

(Er atmet dreimal tief. Ende der Musik)

Aber auch das war eines Tages vorbei, und ich hab mich bei einigen Theatern beworben. Genommen hat mich allerdings kein einziges. Schließlich bin ich bei einem Tourneeunternehmen untergekommen und wurde dort Tourneeleiter Kleine Rollen durfte ich mitspielen. Dann war ich zwei Jahre lang ununterbrochen auf irgendeiner Theatertournee. Mein Gott wenn ich mich erinnere, wo ich überall war

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AUGSBURG, TUTTLINGEN, GRIESBACH, BAD NAUHEIM, MIESBACH, SAARBRÜCKEN, FÜRTH, PF ORZHE IM, HAGEN UND RHEINE, VESBECK AN DER LEINE UND WETZLAR UND HÜRTH, KAISERSLAUTERN, UELZEN, JA, DA NÜTZT KEIN SÜLZEN, DORSTEN, MÜLHEIM AN DER RUHR, PADERBORN UND LINGEN, GIEßEN , SINDELFINGEN, ALLE LECHZTEN NACH KULTUR. UND EINES TAGS SAGTE MAN MIR: WIL LKOMM EN IM REVIER: HEUT ABEND SPIELEN WIR IN GELSENKIRCHEN, DAS IST DIE STADT DER DEUTSCHEN KOHLENBERGWERKSINDUS TRIE. JAWOHL, HEUT SPIELEN WIR IN GELSENKIRCHEN, IN UNSERER EINZIGARTIGEN HÜTTENAKADEMIE. LIEBLICH SCHWEBEN DURCH DIE LUFT DIE GRAUEN DÄMPFE, UND M IT HEITEREM GESANG NIMMT MAN KOHLEN IN EMPFANG. WER ZU LANG HIER LEBT, BEKOMMT BEIM ATMEN LEICHTE KRÄMPFE, ABER WER LEBT HIER SCHON LANG? BESUCHEN SIE UNSER SCHÖNES GELSENKIRCHEN! FAHREN AUCH SIE, STATT AN DIE RIVIERA, IM URLAUB ZU UNS. RUHEN SIE AUS IM S CHATTEN DER MEILER AUF EINEM STRAND VON ANTHRAZIT, STATT DER SEELUFT ATMEN SIE PRESSLUFT ODER KOHLENDIOYXD , UNSERE HOCHÖFEN BLEIBEN IM STRENGSTEN WINTER WARM. SCHLIEßEN SIE FREUNDSCHAFT MIT UNSREM GELSENKIRCHENER CHARME. WO IST DER FERNSEHKONSUM UND DER ALKOHOLISMUS ERHEBLICH? WO IST DIE BETTWÄSCHE GRAU UND DIE SEIFENREKLAME VERGEBLICH?

WER HAT DEN NORDDEUTSCHEN ERNST VERBUNDEN MIT SCHWEIZER HUMOR ?

TÄGLICH FÄHRT DER JUNGE KUMPEL WOHL GESITTET IMMER RUNTER IN DEN SCHACHT NICHTNURZURANSICHTFÜRAUFFÜHRUNGENVERTRIEBDURCHMUSIKUNDBÜHNEwww.musikundbuehne.de

JA, SEHEN SI E, DAS HAT NUR UNSRE SCHÖNE STADT. DAS GIBT ES NUR BEI UNS IN GELSENKIRCHEN, NICHT IN NEW YORK UND NICHT IN BERLIN UND NICHT IN PARIS. DAS GIBT ES NUR BEI U NS IN GELSENKIRCHEN, IN UNSREM URGEMÜTLICHEN GRUBENGASPARADIES.

8 8 5. Gelsenkirchen

WO VERSPOTTET MAN DI OGENES, WEIL ER ZUFRIEDEN WAR MIT EINER TONNE? WO WIRD DER VIERJAHRESPLAN ERFÜLLT? ALLE VIER JAHRE SEHEN WIR DIE SONNE. WEM TÖNT DER BOHRHAMMERLÄR M TÄG LICH DURCHS RUßIGE OHR?

JA, IN DER BILDUNG STEHEN WIR VOR NIEMAND ANDRE M ZURÜCK. UND DIE BILDUNG KANN MAN GAR NICHT ÜBERTREIBEN, DIETER BOHLEN HILFT UNS SEHR, GÜNTER JAUCH SOGAR NOCH MEHR, GUTE BÜCHER HABEN WIR NUR DAS LESEN UND DAS SCH REIBE N FÄLLT UNS NOCH IMMER RECHT SCHWER.

UND DANN MUNTER DURCH DIE NACHT. ICH WAR SELBST ALS KUMPEL EINEN GANZEN TAG VERSCHÜTTET, ABER ICH HAB MIR GEDACHT: SO IST ES MAL BEI UNS IN GELSENKIRCHEN. SICHERLICH GRÄBT MAN MICH, WENN MAN KOHLE BRAUCHT, WIEDER AUS . WIR SIND SCHLIEßLICH KEINE BARBAREN, WIR SIND EINE METROPOLE, WIR HABEN HÄUSER, AUTOS, BANKEN, JA, MIT KOHLEN MACHT MAN KOHLE, UND ES SCHLÄGT BEI UNS, BESON DERS UNTERM NERZ, UNSER BERÜHMTES GOLDENES GELSENKIRCHENER HERREN UND DAMEN, ALLE VON RANG UN D NAMEN, KOMMEN ZU UNS UND FAHREN GLEICH WIEDER WEG. DAMEN UND HERREN HÖREN VON UNSREN KARRIEREN UND SCHAUEN ES SICH AN UND KRIEGEN EINEN SCHRECK. IN BOCH UM GI BT ES OOCH UMSÄTZE, DOCH DRUM SETZE ICH MICH NICHT HINEIN. IN LONDON KANN MAN SCHON DANN UND WA NN, DOCH NUR DANN UND WANN GLÜCKLICH SEIN. AUCH FÜHR‘ ICH GERN NACH ZÜRICH, DOCH IST DAS LEBEN DORT NACH MITTERNACHT SO STILL. ICH KÖNNT‘ 'NE VILLA IN MANIL A HAB EN, DOCH ICH WEIß NICHT RECHT, OB ICH DAS WIRKLICH WILL. IN LIMA GIBT ES BOHNEN, IN SCHANGHAI GIBT ES REIS, IN KAROLINA GIBT’S MELONEN, IN VLADIVOSTOCK GIBT ES EIS. IN WIEN GIBT ES WEIN, IN BERLIN GIBT’S PARTEIEN, IN SIDNEY GIBT’S EIN KÄNGURU, DAS DA UERND GALOPPIERT, IN KAIRO GIBT’S KAMELE, IN ROM GIBT’S KARDINÄLE, IN HOLLYWOOD DIE FILMSTARS UND NICHT SYNCHRONISIERT, IN MÜNCHEN GIBT ES BOCK, IN HAMBURG GIBT ES GROG, IM KONGO GIBT‘S METALL, IN MOSKAU GIBT’S KRAWALL, IN KÖLN EINEN DOM, IN PRAG EINEN STR OM, I N GENF EINEN SEE, IN KANADA SCHNEE, IN BADEN EIN SPIEL, IN KIEL EINEN KIEL ABER WO GIB T ES KOHLE? STEINKOHLE, BRAUNKOHLE, HOLZKOHLE, KNOCHENKOHLE, TIERKOHLE, BLUMENKOHLE, SCHÖNE, DRECKIGE KOHLE, WO GIBT ES DIE?

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(Er hustet)

UNSER THEATER SPIELT JED EN TA G EIN ANDERES STÜCK. (hustet wieder)

(Ende der Musik)

MEINE FRE IHEIT MUSS NOCH LANG NICHT DEINE FREIHEIT SEIN. MEINE FREIHEIT: JA! DEINE FREIHEIT : NEIN! MEINE FREIHEIT WIRD VON DER VERFASSUNG GARANTIERT, DEINE HAT BIS JETZT NI CHT I NTERESSIERT. MEINE FREIHEIT HEIßT, DAS ICH GESCH ÄFTE MACHEN KANN UND DEINE FREIHEIT HEIßT, DU KRIEGST BEI MIR EINEN POSTEN DAMIT DU MEINE WAREN KAUFEN KANNST, STELL ICH DICH BEI MIR AN, DADURCH VERURSACHT DEINE FREIHEIT KEINE KOSTEN. UND ES BLEIBT D ABEI, DASS MEINE FREIHEIT IMMER WIEDER MEINE FREIHEIT IST DEINE FREIHEIT BLEIBT MEINER EINVERLEIBT. UND WENN ICH MEINE FREIHEIT NICHT HAB, HAST DU DEINE FREIHEIT NICHT UND MEINE FREIHEIT WIRD DADURCH ZU DEINER PFLICHT. UND DARUM SAG ICH DIR: VERTEIDIG MEI NE FR EIHEIT MIT DER WAFFE IN DER HAND UND MIT DER W AFFE IN DEN HÄNDEN DEINER KINDER. DAMIT VON DEINEN KINDERN KEINES BEI DER ARBEIT JE VERGISST, WAS FREIHEIT IST.

MEINE FREIHEIT SEI DIR IMMER OBERSTES GEBOT. MEINER FREIHEIT BLEIB TREU BIS IN DEN TOD.

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DAS GIBT ES NUR BEI UNS IN GELSENKIRCHEN. WER ES NICHT KENNT, DER SEHE ES SICH AN, SO LANG BIS ER’S GLAUBT. SOLLTE ES JEMAND NOCH NICHT KENNEN, DANN IST WIRKLICH H ÖCHSTE ZEIT. NEHMEN SIE NUR EINEN KLEINEN KOFFER, DENN DIE REISE IST NICHT WEIT. DOCH ICH SELBER FAHR BESTIMMT NIE WIEDER HIN, WEIL I CH BEREITS EIN URALTER GELSENKIRCHENER BIN, ICH KENN‘S SCHON ZU GUT, WEIL ICH EIN ALTER GELSENKIRCHENER BIN, WAS BRAUCH ICH SPANIEN, WENN ICH EIN ALTER GELSENKIRCHENER BIN. ICH HUST‘ NOCH HEUTE WEIL ICH EIN ALTER GELSENKIRCHENER BIN. GLÜCK AUF

6. Meine Freiheit, deine Freiheit

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So fing meine Theaterkarriere an. (singt: „Rauch, bittersüßer Rauch strömt zu mir herein...“) Natürlich musste ich zwischendurch jobben. Ich war Kellner, Straßenfeger, Schuhverkäufer, alles Mögliche. Einmal hab ich einen meiner freundlicheren Chefs gefragt: Sagen Sie, Herr Chef, Deutschland ist doch jetzt frei. Warum bin ich nicht frei, Schauspieler zu werden? Der hat gelacht und hat gesagt: Weißt du, mit der Freiheit ist das so: Ich bin dein Chef, du bist mein Angestellter, und daraus folgt:

(Ende der Musik)

Gelegentlich hab ich schon ein Engagement bekommen. Das erste war in Regensburg. Aber von da ist es dann weiter gegangen, immer weiter, die Rollen wurden größer Fernsehen kam dazu Film es war eine schöne Zeit das Schönste war, als ich dann endlich an die Staatsbühnen engagiert wurde Hamlet spielte Don Carlos Peer Gynt und was ja auch sehr gut war, nach ein paar Jahren war ich Staatsbeamter unkündbar pensionsberechtigt und natürlich an den staatlichen Bühnen umgeben von lauter anderen Staatsbeamten nicht nur die Schauspieler, alle waren Staatsbeamte, die Bühnenarbeiter, die Kostümschneider, die Souffleusen und im Publikum saßen jeden Abend auch wieder Staatsbeamte, mit Freikarten klarerweise wenn der Staat zahlt, kann man sich ja einiges erlauben allerdings, als Staatsbeamter muss man sich auch auf den richtigen Umgang mit den anderen Staatsbeamten verstehen. Wer ist Vorgesetzter, wer ist Untergebener? Aber für einen Schauspieler ist das ja nicht schwer.

STAATSBEAMTER SCHON DER TITEL SCHÜCHTERT EIN.

WENN DIR D AS VIELLEICHT NICHT LOGISCH VORKOMMT, DENK AN EINES BLOß: OHNE MEINE FREIHEIT BIST DU ARBEITSLOS. JA, FREIHEIT IST WAS ANDERES ALS ZÜGELLOSIGKEIT. FREIHEIT HEIßT AUCH FLEIß, MÄNNLICHKEIT UND SCHWEIß. ICH WILL DIR SAGEN, WAS ICH HEUTZUTA G ALS FREIHEIT LICH EMPFIND: DIE DINGE SO ZU LASSEN, WIE SIE SIND. DRUM IST IN JEDEM FALLE MEINE FREIHEIT WICHTIGER ALS DEINE FREIHEIT JE. MEINE FREIHEIT: YES! DEINE FREIHEIT: NEE! MEINE FREIHEIT IST SCHON EIN PAAR HUNDERT JAHRE ALT. DEINE FREIHEIT KOMMT VIELLEICHT SCHON BALD ABER VORLÄUFIG WIRD NICHTS AUS DEINER FREIHEITSAMBITION, DENN DU HAST NOCH KEINEN MACHT UND KEINE ORGANISATION. ICH WÄR JA DUMM, WENN ICH AUF MEINE FREIHEIT DIR ZULIEB VERZICHT, DARUM BEHALT ICH MEINE FREIHEIT, DU KRIEGST DEINE FREIHEIT NICHT.

7. Der Staatsbeamte

ICH VERSTEH NICHTS VON IUS UND LATEIN, MATHEMATIK DIE LASS ICH LIEBER SEIN. DOCH ICH KRIECHE SEHR GUT UND AUCH GERN, NICHTNURZURANSICHTFÜRAUFFÜHRUNGENVERTRIEBDURCHMUSIKUNDBÜHNEwww.musikundbuehne.de

STAATSBEAMTE MÜSSEN KEINESWEGS STUDIEREN, STAATSBEAMTE MÜSSEN SICH SPEZIALISIE REN. UND AUCH ICH MERKTE S CHNELL, DASS ES SO BESSER GEHT, UND LERNTE DIESE SPEZIALITÄT.

11 11

STAATSBEAMTER MÖCHT E JEDER GERNE SEIN.

NOCH NICH T!

STAATSBEAMTER WAR AUCH ICH ALS RESULTAT, DENN WOZU BRAUCH ICH SONST EINEN STAAT?

FÜR DIE SCHAUSPIELER IST DAS ROUTINE, SO WIE ICH VON ARSCH ZU ARSCH ZU ZIEHN. UND ALLE GUTEN BEAMTEN MERKEN SEHR GESCHWIND, DASS SIE INNENPOLITIKER SIND.

ES GIBT JA ÄRSCHE ÜBERALL IM MINISTERIUM, AUCH IN THE ATERN UND GEWERKSCH AFT EN STEHN H UNDERTE HERUM. ICH HIELT MICH AN POLITIKER. WARUM , WEIß JEDES KIND: WEIL DIE AUF JEDEN FALL DIE GRÖßTEN ARSCHLÖCHER SIND. UND SIE FÖRDERTEN MEINE KARRIER‘, SOGAR IM AUSLAND LIEBTE MAN MICH SEHR, DENN ICH KROCH AUCH SEHR GERN EINE M FREMDEN MONARC H IN DEN ARSCH, IN DEN ARSCH, IN DEN ARSCH. UND BIS HEUTE GEB ICH JEDEM DEN RAT: WENN DICH DEIN CHEF STÖRT, SCHREITE AUF ZUR TAT! KRIECH IHM EINFACH ZUM KLANG VON EINEM SCHMISSIGEN DEUTSCHEN MARSCH IN DEN ARSCH, IN DEN ARSCH, IN DEN A RSCH!

MARSCH, MARSCH, MARSCH IN DEN ARSCH, IN DEN ARSC H, IN DEN ARSCH. EIN MIN ISTER WIRD SEHR LEICHT NERVÖS, ABER BEI MIR BLEIBT KEINER LANGE BÖS. DENN ICH BLICK IHM INS AUG UND MERK GLEICH: DER IST BARSCH UND STECK SCHON TIEF IM ARSCH, TIEF IM ARSCH. AM ANFANG FIEL MIR JA DAS KRIECHEN ETWAS SCHWER, DOCH BALD WAREN’S SIEBEN ARS CH PRO TAG, UND MONTAGS FÜNFZEHN ODER MEHR.

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(Ende der Musik)

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Ich bin ja noch heute Staatsbeamter allerdings ein so kleiner. Damals ja damals hatte ich einen persönlichen Manager für meine auswärtigen Gastspiele, Funk und Fernsehen, und ich hatte eine Pressedame, die den Kritikern ein wenig Honig ums Maul schmierte, und einen Privatsekretär für die Fanpost, Autogrammbriefe und dergleichen. Ach richtig! Es war dieser Privatsekretär, der mein Leben damals kolossal verändert hat. Er hat eines Tages gefragt: Sagen Sie, Herr Schaf, wieso sind Sie eigentlich nicht verheiratet? Und Freundin haben Sie auch keine ist das nicht seltsam? Eigentlich eine Unverschämtheit! Aber er hatte Recht. Ich war bis dahin so mit meiner Karriere beschäftigt gewesen, dass ich an nichts anderes gedacht hatte. Und dieser Sekretär Friedrich hieß er tänzelte immer so komisch um mich herum und ließ Bemerkungen fallen von einer Art, dass ich mir sagt

DIE HEUTIGE JUGEND HAT FÜR MEINE ARBEI T WENIG SINN, DIE BLICKEN EINEN ARSCH AN UND STUDIEREN GLEICH MEDIZIN, BESCHÄFTIGEN SICH MIT PROTOKOLL, MIT WEIßBUCH UND DEMARCHE UND STREBEN GLEICH NACH DEM STOIBER, ODER SONST EINEM HOHEN ARSCH.

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Dreht die Musik ab! Ruhe! Ich muss mich konzentrieren. Ruhe!

(Die Rockmusik wird abgedreht)

Ja, damals war das nicht so wie heute. Heute sagt man: Ich bin schwul, und das ist auch gut so. Wenn ich das damals gesagt hätte, hätte ich meinen Beamtenstatus verloren, ich wäre erledigt gewesen. Ich habe also getan, was einige andere auch getan haben: Ich habe geheiratet. Dadurch war ich sofort über jeden Verdacht erhaben. Es war natürlich keine Lösung. Heiraten ist ja nie eine Lösung. Ein weiser Mann hat einmal gesagt: Es ist ganz egal, wen man heiratet. Am nächsten Morgen ist es sowieso eine andere.

8.

Mein Sekretär

MEIN SEKRETÄR WEIß NICHT MEHR, OB ER EINE SIE IST ODER EIN ER, UND DASS ER EINE SIE IST, SCHEINT MIR IMMER ME HR WA HRSCH EINLICH. GESTERN WAR ER NETT ZU EINER JUNGEN DAME, HEUTE GEHT ER AUS MIT MEINEM MASSEUR, ALSO LANGSAM WIRD MIR DAS EIN BISSCHEN PEINLICH. ER KANN SCHREIBEN, ER KANN TIPPEN, ER KANN GUT STENOGRAPHIEREN, ER KANN ALLES ÜBERSETZEN, ÜBERTRAGEN UND KO PIERE N. A BER ICH SC HICKTE IHN ZU EINEM SCHUSTER UND DANACH ZU EINEM SÄNGER. MIT DEM SCHUSTER SCHMUST ER, UND BEIM SÄNGER BLIEB ER NOCH LÄNGER. MEIN SEKRETÄR WEIß NICHT MEHR, OB ER EINE SIE IST ODER EIN ER, WENN EIN JUNGER MANN MICH MAL BESUCHT, MACHT ER S ICH S CH NIEKE. ABE R WAS MICH WIRKLICH IRRITIERT, IST, DASS ER GERN TELEFONIERT, UND DANN NENNT ER SICH STATT FRIEDRICH FRIEDERIKE. AUCH DER BRIEFTRÄGER UND MEIN SCHNEIDER WURDEN FRECH INFOLGEDESSEN, DER PORTIER IM FOYER HAT VERSUCHT, MICH ZU ERPRESSEN. AUC H DER S CHORNSTEI NFEGER JOCHEN HAT MIT MIR DAMALS GESPROCHEN. IN DEN SCHORNSTEIN SCHON SEIT WOCHEN WAR IHM JEMAND NACHGEKROCHEN. MEIN SEKRETÄR WUSSTE GENAU, ICH BIN EIN MANN, ER EINE FRAU, UND DANN HAT ER GAR BEGONNEN, MICH ZU KÜSSEN. UND DA HAB ICH GANZ F RAPPA NT ERST D URCH IHN MICH SELBST ERKANNT. UND DA HAB ICH IHN VOLL WUT HINAUSGESCHMISSEN.

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(Ende der Musik. Er wendet dem Publikum den Rücken zu. Im gleichen Moment beginnt die laute Rockmusik wieder. Er geht zur Tür und schreit hinaus:)

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9. Die Ehe

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MAN HAT SICH, DOCH MAN STÖRT SICH NICHT, BESITZT SICH, DOCH GEHÖRT SICH NICHT. DAMIT MAN DAS VERSTEHE, BEZEICHNET MAN’S ALS EHE. MAN RUFT SICH, DOCH ERREGT SICH NICHT, BEFÜHL T SIC H, DOCH BEWE GT SICH NICHT, VERBLÜFFT UND ÜBERRASCHT SICH NICHT, VERLEITET UND VERNASCHT SICH NICHT. MAN GEHT SICH AUF DIE NERVEN UND MÖCHTE SICH GERN BEWERFEN UND LÄCHELT NUR IM TRAUM NOCH UND UNTERM WEIHNACHTSBAUM NOCH. MAN KÜSST SICH NICHT UND SC H MIEGT SICH NICH T UND WILL SICH NICHT UND KRIEGT SICH NICHT UND GACKERT SICH GEHORSAM AN UND WÜNSCHT SICH UND WÜNSCHT SICH EINEN MANN, EINEN MANN, EINEN MANN, EINEN MANN, EINEN MANN... UND MAN SAGT AUF SCHRITT UND TRITT, ICH MACH DAS NICHT MEHR LANGE MIT UND DOCH MACHT MAN’S NOCH LANGE MIT, MACHT KÜSSE AUF DIE WANGE MIT UND HÄNDEDRUCK UND VEILCHEN ERSPART MIR DIE DETAILCHEN! MAN STREITET NICHT, VERWUNDET NICHT, ERKRANKT NICHT UND GESUNDET NICHT UND ZETERT NICHT UND FLÖTET NICHT UND RETTET NICHT UN D TÖT ET NI CHT. M AN GREIFT ZUM ALKOHOLE UND DENKT AN DIE PISTOLE UND HOFFT AUF KEINE KINDER UND SPENDET FÜR DIE INDER UND WILL NICHT, DASS MAN HÄSSLICH WIRD, UND MERKT, DASS MAN VERGESSLICH WIRD, UND BRÜLLT DIE FALSCHEN LEUTE AN UND WÜNSCHT SICH UND WÜ NSCHT SI CH EI NEN MANN, EINEN MANN, EINEN MANN, EINEN MANN, EINEN MANN... UND MAN SAGT SICH INS GESICHT: ICH WILL DAS NICH T, ICH WILL DAS NICHT ICH WILL DAS NICHT UND FÜGT SICH DOCH UND FOLTERT UND BELÜGT SICH NOCH. MAN KAUFT SICH EINEN PUDEL UND SÄUFT Z UM FRÜH STÜCK SPR UDEL. UND ZÄHLT SCHON KEINE TRÄNE MEHR UND SCHMIEDET KEINE PLÄNE MEHR UND FRAGT NICHT, WIE DAS WETTER IST UND FRISST, BIS MAN NOCH FETTER IST. MAN FLUCHT UND ISOLIERT SICH, STATT ZWANZIG RAUCHT MAN VIERZIG. DANN SPRICHT MAN EINEN PRIEST ER

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10. Die kleine Nachtmusik

MAN GILT ALS KÜNSTLERISCH UND DOCH SOLID. WER INS KONZERT GEHT, HAT ES SCHON ZU WAS GEBRACHT. MOZART, GUT GEÜBT, IST BELIEBT, WEIL ER NI E PLÖTZLICH IN GESPRÄCHE KRACHT JA, DER WOLFERL AMADEUS HAT SICH NOCH BEIM KOMPONIEREN WAS GEDACHT. JETZT SITZT MAN DA UND SCHAUT HERUM AUF DAS ANDRE PUBLIKUM, GRUPPIERT’S IM GEISTE UM, UND WENN DAS LAUTE TUTEN, FIEDELN, BLASEN, LÄ RMEN ZU SEHR STÖRT, DA NN REDET MAN SEIN EIGENES KONZER T. Ü BERG EHEN WIR DIE PAAR LEUT‘, DIE DEN MOZART HÖREN WOLLEN. MAN KENNT SIE DRAN, DASS SIE DIE AUGEN SCHLIEßEN, WEIL SIE SICH DANN ANGEBLICH MEHR KONZENTRIEREN. FRAU SCHMIDT TRÄGT HEUT‘ RESEDA DIE HAUT SCHAUT AUS WIE LE DER. FRAU MEIER TRÄGT DAS GELBE S EIT M O NATEN DASSELBE.

(Ende der Musik)

Vor der Scheidung bin ich noch auf eine längere Weltreise gegangen... habe mich von anderen Staatsbeamten würdevoll empfangen lassen... und in den diversen Goethe Instituten etwas Unterhaltsames zum Besten gegeben... Goethe Institute gibt’s ja auf der ganzen Welt... zur Förderung der deutschen Kultur wenigsten im Ausland... ich hab Faust rezitiert oder Vorträge über Friedrich Hölderlin gehalten, manchmal auch Lieder gesungen... vor allem Wiener Lieder, die kamen immer gut an (singt)

MAN GEHT HEUTZUTAGE INS KONZERT, WEI L MAN DORT VERSCHIEDENES ERFÄHRT. ERSTENS IST MAN NICHT IRGENDWO UND TROTZDEM NIRGENDWO.

UND WI RD NO C H VIEL VERMIESTER. DANN HÖRT MAN MIT DEM HADERN AUF UND SCHNEIDET SICH DIE ADERN AUF UND LÄSST SICH WIEDER SCHEIDEN, UND DANN DANN KRIEGT MAN, DANN KRIEGT MAN EINEN MANN, EINEN MANN, EINEN MANN.

„Schau, die Sonne is warm, und die Lüfte sind lau, gemma Tauben vergiften im Park“ nach Wien bin ich auch gekommen, da hab ich natürlich keine Wiener Lieder gesungen. Vor Wien haben ich am Anfang große Respekt gehabt... Wien war für mich Hochkultur, die Stadt der Musik... ich bin dort auch brav ins Konzert gegangen, schön angezogen, weißes Hemd und Krawatte bis mich ein Wiener Freund aufgeklärt hat... der hat gesagt: Wir machen das doch nur für die Touristen. Ein Wiener geht doch nicht ins Konzert, um dort Musik zu hören.

HINGEGE N BEE THOVE N IST SCHON ZU LAUT. AUCH BRUCKNER, BRAHMS UND GUSTAV MAHLER LENKEN AB. UND ICH FINDE, MIT HINDEMITH GEHT MAN AUF JEDEN FALL SCHON VIEL ZU WEIT. GANZ ZU SCHWEIGEN VON BANAUSEN WIE STOCKHAUSEN ODER SCHÖNBERG ODER EGK. DIE MÜSSEN WEG!

16 16

HERR KOCH UND FRÄULEIN GRIEBE BESPRECHEN IHRE TRIEBE.

HERR RAUTER SC HALTET WEISE SEIN HÖRGERÄT AUF LEISE.

B EI JEDEM RICHTIGEN KONZERT IST MUSIK EIN FREMDKÖRPER, DER STÖRT. MOZART KANN NOCH ERTRÄGLICH SEI N, AUCH BACH KANN MÖGLICH SEIN.

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NUR HERR LIST BLICKT GANZ TRIST, WEIL DIE H ARFEN ISTIN IN DER HOFFNUNG VON IHM IST. SO SCHAUT MAN RUNDHERUM IM SAAL UND SAMMELT NEUES MATERIAL MIT KENNERBLICK WÄHREND MOZARTS KLEINER NACHTMUSIK. NUR DESWEGEN IST AUCH DAS KONZERT AUSVERKAUFT UND IMMER SEHR BEGEHRT DORT DRÜBEN DER HERR MANDEL BESPRI CH T ' NEN MIESEN HANDEL. FRAU KRAUS IST MIT HERRN KOBER. DAS GEHT SCHON SEIT OKTOBER. HERR SCHULZ IST MIT SOUBRETTE. HERR LUTZ RENNT ZUR TOILETTE.

AUCH HERR BLAU WEIß GENAU, WARUM ER IM KONZERT IST, NÄMLICH WEGEN SEINER FRAU. FRAU STEIN TRÄGT DEN CHINCHILLA. DIE TOCHTER IST IN LILA. DAS SÖHNCHEN, ACH, DU LOSER, IST HEUTE GANZ IN ROSA.

DIE SIND NIC HT FEI N. IM KONZERT WILL ICH NICHT SCHREI'N. MODERN BIN ICH ALLEIN. STRAWINSKY MACHT MICH KRANK GENAU DASSELBE GILT FÜR ORFF. DASS DER DAS DORF! DRUM WENN MAN MODERNES SPIELT, WILL KEIN MENSCH MEHR HINGEHEN, BIS A UF DIE LEUTE, DIE DIE AUGEN SCHLIEßEN, W EIL SIE SICH DANN ANGEBLICH MEHR KONZENTRIEREN. DOCH NIRGENDS EIN HERR MANDEL MIT EINEM MIESEN HANDEL, FRAU STEIN IST SAMT CHINCHILLA

H ERR DREC HSEL SCHREIBT 'NEN WECHSEL. HERR UNGER HAT SCHON HUNGER. JETZT FRAGT SICH NUR, WARUM BRAUCHT MAN MUSIK DAZU?

(singt)

DAHEIM IN IHRER VILLA, AUCH FRAU KRAUS BLEIBT ZU HAUS, STATT DIE SCHEIDUNG ZU R ISKIEREN, WIE BEI BACH UND JOHANN STRAU SS. HERR S CHULZ IST LÄNGST ZU BETTE, STATT AUS MIT DER SOUBRETTE, ES SCHALTET AUCH HERR RAUTER SEIN HÖRGERÄT AUF LAUTER. JEDERMANN DENKT DANN DRAN, DASS MUSIK AUCH AGGRESSIV, SOGAR REBELLISCH WIRKEN KANN. AM ENDE MERKT MAN NOCH, OH GRAUS, MUSIK KLÄRT AU F UND SAGT W AS AU S UND STÜRMT DAS HAUS.

HERRSCHT IN INDIEN HUNGERSNOT, S TERBEN DORT NOCH VIELE, GIBT’S KRAWALL I M LIBANON BÜR GERKR IEG IN CHILE, DÄMMERT SCHON DER UNTERGANG, SCHEINT DIE WELT SCHACHMATT HAT DER WIENER OPER, BURG UND JOSEFSTADT. HAT MAN IN NEW YORK BEREITS IBSEN ABGESCHWOREN, SUCHT MAN IN DER TIEFSTEN SCHWEIZ VERGEBLICH NACH AUTOREN. HAT MAN SELBS T IN BAYREUTH WAG NER S CHON ETWAS SATT, WIR HABEN UNSERE OPER, BURG UND JOSEFSTADT. DA LASS ´MER NIX DRAUF KOMMEN, DA SITZT MAN, DA LACHT MAN, DA TRIFFT MAN SEINE LEUT`

ABER NOCH HABEN WIR JA MOZARTS KLEINE NACHTMUSIK, ZUM HUNDERTZWÖLFTEN MALE MOZARTS KLEINE NACHTMUSIK. DIE WELT BLEIBT HEIL. DIE KUNST GREIFT NICHT INS LEBEN EIN, IM GEGENTEI L! DIE KUNST SOLL NIEMAND REIZEN, DARIN LIEGT IHR REIZ. APPL AUS ALLERSEITS!

Ja, in Wien ist das wirklich so. Die große Wiener Staatsoper spielt, was man schon kennt: Zauberflöte, La Traviata, Fidelio, da können alle mitsingen. Im staatlichen Burgtheater, von den Wienern liebevoll „Die Burg“ genannt, spielt man die Klassiker natürlich in so genannten modernen Inszenierungen, aber da muss man ja nicht hinschauen. Dann gibt’s noch das Theater in der Josefstadt die Josefstadt da kennt man jeden Schauspieler, schaut, was er diesmal an hat, ob er noch heiser ist, wie letztes Mal, ob er noch älter geworden ist und noch immer die jugendlichen Liebhaber spielt. Wien bleibt Wien, und die Welt ist weit.

(Ende der Musik)

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WENN IHR LACHEN WOLLT, SEHT EUCH DAS GRAS AN, WIE ES GRÜNT, WIE ES WELKT, WIE ES WÄCHST, ODER SEHT EUCH EIN FARBIGES GLAS AN, ODER S PRECHT EINEN TRAURIGEN TEXT!

WENN EUCH TROTZDEM DER HUMOR KOMMT, IST’S VIELLEICHT EINE ART ALLERGIE. DOCH WENN’S ÖFTER ALS HIE UND DA VORKOMMT, WIRD´ S EIN FALL FÜR DIE PSY CHIAT RIE. WENN IHR LACHEN WOLLT, GIBT ES HOSPIZE, DORT SIND NARREN, DIE LACHEN SICH KRUMM, UND SIE MACHEN DIE BLENDENDSTEN WITZE, DOCH KEI N MENSCH KANN SICH DENKEN WARUM. D IESE NARREN, DIE LACHEN UND LACHEN

Ja, da lacht man! Worüber lacht man eigentlich im Theater? Über den Irak? Über die Arbeitslosigkeit? Ich gebe zu, ich lach ja auch, aber nur nach außen während ich lach, hab ich grauenvolle Angst Angst vor den Terroristen, die mitten unter uns leben, aber auch Angst vor unseren eigenen Politikern, Angst vor den Katastrophen, die irgendwann über uns hereinbrechen müssen. Ich komme mir vor, als hätte ich eine Maske an, die Maske eines Clowns, und der Clown lacht, und hinter der Maske steh ich, todernst und voller Angst. Und überall, wo ich hinschaue, lachen die Leute. Worüber lacht ihr, frage ich, worüber lacht ihr?

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DAS WÄR PEINLICH, GESCHMACKLOS UND ROH! WENN IHR LACHEN WOLLT, NEHMT EUCH ZUSAMMEN! TUT ES NICHT, B LEIBET ERNST, SEID NICH T FEIG! WEIL WIR LACHEN, STEHT ALLES IN FLAMMEN, UND DIE WELT IST EIN TRAURIGER TEIG. WENN IHR LACHEN WOLLT, BEIßT IN ZITRONEN ODER LACHT ÜBER WIND, ÜBER SCHNEE! LACHT AU F KEINEN FALL ÜBER PERSONEN, DIE TUN ANDREN PERSONEN ZU WEH. HABT COURAGE! HABT VERD RUSS! MACHT PLÄNE! SCHIEßT E UCH INS EIGENE TOR! HABT ERFOLGE, HABT GEDULD, MIGRÄNE, ABER HABT KEINEN HUMOR.

11. Wenn ihr lachen wollt

WENN IHR LACHEN WOLLT, BLICKT AUF DIE STERNE, AU F DIE HAND, AUF DEN HUND, AUF DEN HUT! BLICKT AUF JEDEN FALL WEIT IN DIE FERNE, DENN SONST IST EUCH NACH WEINEN ZUMUT. SCHLIEßT DIE AUGEN! DENKT AN NICHTS! NEHMT KNEBEL! DANN L ACHT GANZ LEISE UND SCHNELL! TUT ES HEIMLICH IN DER NACHT, IM NEBEL VORSICHTIG UND R ATIONELL.

SOLLTE EUCH TROTZDEM JEMAND SEHEN, DANN TÄUSCHT BAUCHSCHMERZEN VOR, RENNT AUFS KLO! LASST ES KEINESFALLS ÖFTER GESCHEHEN!

18 18 (er bricht den Gesang ab)

19 19

(Licht langsam aus. Ende des 1. Aktes)

JEDEN TAG IRGENDWO, IRGE NDWANN, UND MAN MUSS SI E SEH R STRENGE BEWACHEN, DENN SONST STECKEN SIE ANDERE AN. JA, SIE LACHEN, WIE IM HOHEN FIEBER, HALTEN SICH KREISCHEND DEN BAUCH, UND SIE LACHEN IN DEN TOD HINÜBER.

I CH G LAUB, IM GRAB TUN SIE’S AUCH. JA, SIE LACHEN ÜBER JEDEN SCH MARREN, DEN MAN NUR ERNST NEHM EN KANN. DIESE NARREN, DIESE ARMEN NARREN! HERR, NIMM DICH IHRER AN!

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ICH KOMM AUS EINER KOMISCHEN FAMILIE. DIE MUTTER ROCH NACH FRISCHER PETERSILIE. DER VATER ROCH NACH RANZIGEN KAS TANIEN. MIT SECHZEHN JAHREN TÜRMTE ICH NACH SPANIEN. DORT TRAF ICH EINEN GANGSTER NAMENS CARLOS. WIR LEB TEN W UNDERSCHÖN, DOCH NICHT GEFAHRLOS. U ND SCHLIEßLICH KEHRTE ICH ZURÜCK NACH CELLE, UND CARLOS BLIEB ALS TOTER AUF DER STELLE. SEITHER SAG‘ ICH MIR STETS: JA, SO GEHT’S! IMMER WENN, IMMER DANN, IMMER STIRBT EIN MANN, DEN MAN BRAU CHEN KANN, DOCH ER DENKT NICHT DRAN. IMMER DANN, IMMER KAUM LÄSST ER MICH ALLEIN, UND DANN MUSS ICH WIEDER TIEF ERSCHÜTTERT SEIN.

12. Immer wenn, immer dann

IMMER FORT UND IMMER WIEDER, UNVERANTWORTL ICH, LÄSST ER MICH IM STICH, DARUM FRAGE ICH, DENN ICH WEIß JA NICHT BESCHEID UND HEIßE GRETCHEN: IST DAS IMM ER SO BEI UNTERDRÜCKTEN MÄDCHEN? ICH ERBTE DAMALS GROßE IMMOBILIEN, VERKAUFTE SIE UND REISTE NACH BRASILIEN. DORT HERRSCHTE EIN DIKTATOR NAMENS GUIDO. ZUR HOCHZEITSREISE FUHREN WIR AN DEN LIDO. DER GUIDO WAR DER BOSS UND ICH DIE BOSSIN. ICH HATTE EIN GEW EHR, UND ICH ERSCHOSS IHN. DAS VOLK WAR MIR SEHR DANKBAR, KEINER KLAGTE. DRUM HIELT ICH EINE REDE, UND ICH SAGTE: LIEBES VOLK, FRAU UND MANN, HÖRT MICH AN! IMMER WENN, IMMER DANN, IMMER STIRBT EIN MANN, DEN MAN BRAUCHEN KAN N, DOCH ER DENKT NICHT DRAN. IMM ER DA NN, IMMER KAUM NACH DER ANLAUFZEIT, BRAUCH ICH UNBEDINGT EIN NEUES SCHWARZES KLEID.

20 20

ICH LEBE STATT IN CELLE JETZT IN BAYERN UND HELFE ANDREN FRAUEN SICH BEFREIERN. WIR FRAUEN SIND NÄMLICH VIEL ZU FROMM E LÄMMER. ICH SCHREIB FÜR EINE ZEITSCHRIFT NAMENS EMMA. ERSCHIEßEN LÄSST SICH ZWA R NICHT GUT VERMARKTEN, DOCH HANDLE I CH ER FOLGREICH MIT INFARKTEN.

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Dieselbe Theatergarderobe: ADAM SCHAF hat eine blonde Mädchenperücke aufgesetzt und ein Abendkleid angezogen, das bisher sichtbar auf der Kleiderstange hing.

IMMER FORT UND IMMER WIEDER RÄUMT ER FEIG DAS FELD . KEINER SAGT MIR DANK, ICH KRIEG NUR SEIN GELD. DAVON KAUF ICH M IR EIN PAAR ZERT IFIKÄTCHEN. IST DAS IMMER SO BEI UNT ERDRÜ CKTEN MÄDCHEN?

IMMER FORT UND IMMER WIEDER UND ERBARMUNG SLOS BEIßEN SIE INS GRAS, UND WIR ERBEN BLOß

21 21

DIE RENDITCHEN, DIE PENSIÖNCHEN UND DIE BRÖTCHEN. IST DAS IMMER SO BEI HEIMATL OSEN, UNGLÜCKLICHEN, ABHÄNGIGEN, TIEFGEBÜCKTEN, UNTERDRÜCKTEN MÄDCHEN?

13. Wenn die Mädchen nackt sind

EIN MANN MUSS JEDEN ABEND SEINEN ZANK HAB’N UND WENIGER IM KOPF ALS AUF DER BANK HAB’N. JEDE WITWE, JEDE BRAUT SINGT JETZT LAUT:

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IMMER WENN, IMMER DANN, IMMER STIRBT EIN MANN, DEN MAN BR AUCHEN KANN, DOCH ER DENKT NICHT DRAN. IMMER DANN, IMMER KAUM STIRBT ER, OFT NOCH JUNG. JA, WO BLEIBT DA UNSRE GLEICHBERECHTIGUNG?

(Ende der Musik)

Sieht doch gut aus an mir. Das gehört in die Vorstellung morgen Abend, da singt die Kollegin dieses Lied, das ich mittlerweile schon auswendig kann. Wenn die krank wird, könnte ich für sie einspringen. Männer in Frauenkleidern sieht man ja heute immer wieder auf der Bühne und umgekehrt. Wenn die Schauspieler überhaupt etwas anhaben. Es gibt ja kaum noch Stücke ohne nackte Männer oder nackte Frauen. Das fing so Ende der sechziger Jahre an, da durfte man auf der Bühne nackt sein. Aber das Publikum, das Publikum hat sich dadurch überhaupt nicht geändert. Die Frauen starren auf die nackten Männer und die Männer starren auf die nackten Frauen. Und es gibt noch immer jede Menge Leute, die nur ins Theater kommen, weil sie in der Zeitung gelesen haben, dass jemand auf der Bühne nackt ist.

WENN DIE MÄDCHEN NACKT SIND, SIND DIE LEUTE STILL KEINER KANN SICH REGEN, WEIL AUCH KEINER WI LL WENN DIE MÄDCHEN NACKT SIND, FÄLLT DAS L EBEN SCHWER GUT UND BÖSE GIBT ES DANN BESTIMMT NICHT MEHR. WENN DIE LEUTE STILL SIND, SIND DIE MÄDCHEN NACKT JEDE MIT DEN HAAREN SÄUBERLICH VERPACKT WENN DIE MÄDCHEN NACKT SIND, FREUT SICH JEDER MANN, WEIL ER S IE DANN GANZ GENAU BETRACHTEN KANN AUGEN K R IEGEN STIELE, GÜRTEL WERDEN KNAPP HAARE STEHEN ZU BERGE, OHREN SPRINGEN AB ZEHEN SIND GEKRÄUSELT, HÄN DE SIND VERSCHWITZT WENN DIE MÄDCHEN NACKT SIND, IST DIE WELT GESPITZT MANCHE LEUTE WERDEN PROBEWEISE BLIND A NDRE SCHLAGEN HAKEN WIE IM LABYRINTH GREIS E HUSTEN HONIG, EINER NIEST ALAUN UND DER HERR MINISTER FÄRBT SICH DUNKELBRAUN WENN DIE MÄDCHEN NACKT SI ND, NICHT MEHR SO ABSTRAKT SIND BIEGSAM UND KOMPAKT SIND, ÜBERALL INTAKT SIND BILDET SICH CHAMPAGNERDUNST GEFOLGT VON EINEM TROMMELWIRBEL

22 22

Immer mehr Sex und immer weniger Liebe im Theater. Für mich war die Liebe na ja, abwechslungsreich schon. (träumt)

Da war dieser Rechtsanwalt aus New York, der hat immer nee, das war der Dachdecker aus München. Dann war da dieser Langstreckenläufer aus Pinneberg ich darf gar nicht daran denken. Dem hab ich immer gesagt: Ja, mein Lieber, wenn ich lieben dürfte, wie ich will ...

DER UMKRE IST DI E MÄDCHEN AUF DEM RUNDGANG DURCH DEN SAAL EINE HAT ZWEI BEINE, EINE EINEN FLECK EINE EINEN FLASCH ENZUG AM ZWISCHENDECK EINE IST GESTRIEGELT, EINE IST GEKÄMMT EINE HAT SALAMI IN DEN ARSCH GEKLEMMT EINE HAT DREI BRÜSTE, EINE EINE ZYSTE EINE KANN NUR HÜPFEN , WEIL SIE GRAD SO DRINGEND MÜSSTE EINE LIEST DIE BIBEL, EINE STINKT NACH ZWIEBEL EINE KANN NICHT DENKEN, DENN BEIM DENKEN WIRD IHR ÜBEL EINE IST GELADEN EINE BRAUCHT NOCH WADEN EINE KANN NICHT SCHADEN EIN E WILL NICHT BADEN. „HE, FALSCHES BILD!“ S EHT DIE NACKTEN MÄ DCHEN AUF DEM LANGEN MARSCH! HÖRT DIE MÄNNER FLÜSTERN: HIMMEL, ZWIRN UND ARSCH! UND D IE NACKTEN MÄDCHEN GEHEN, WIE EIN PAKET SCHLIEßLICH AUF DIE TÜRE ZU, WO "AUSGANG" STEHT. EINE NACH DER ANDE RN RÄUMT DAS FEUCHTE FELD SICKERT DURCH DI E TÜRE, RA US AUS DIESER WELT UND DIE LEUTE SCHWEIGEN, KEINER, DER WAS SPRICHT NICHTS ALS DUMME VORURTEILE IM GESICHT. WAS SIE SICH ERWARTET HABEN , WEIß MAN NICHT. (Ende der Musik)

14. Wenn ich lieben dürfte

WENN ICH LIEBEN DÜRF TE, WIE ICH WILL, WÜRDE ICH DICH HEGEN, JEDEN MORGEN FEGEN, LEGEN IN DIE BÜSCHE VOR DER TÜR, WO ICH VON DIR TRÄUMEN KANN, UND DU VON MIR. WENN ICH LIEBEN DÜRFTE, WIE ICH WI LL, LEISE MIT DER NASE, ABER IN EKSTASE, HÄTT ICH MICH MIT DIR DORTHIN VERIRRT, W O AUS EINEM SCHMETTERLING EIN ENGEL WIRD. ABER DA GIBT’S ARBEITNEHMER, UMSTANDSKRÄMER, BÖRSENKREISE, VORZUGSPREISE, WIDERSACHER, SCHULDENMACHER, AKTENHEFT, ZWEIGGESCHÄFTE,

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WIE PRACHTVOLL IST MANCHMAL DER T RAUM, DER SICH ERFÜLLT IN EINEM BÜHNENBILD ! JETZT SPRECH IC H DEN TEXT, SPIEL DIE ALLTAGSFIGUR, UND VON TRÄ UMEN BLEIBT KEINE SPUR. KALT, WIE ALLE, SPIEL ICH GEHORSAM MIT. UND MEIN HERZ BEKOMMT EINEN TRITT. WENN ICH WENIGSTENS MEINE TRÄUME HÄTT!

DOCH AUCH DIE SIND IRGENDWO, GANZ WEIT VON HIER. HI LF MIR DOCH, SPIEL MIT MIR! LASS UNS ZU ZWEIT IN EINEM HUSCH VERSCHWINDEN! L ASS UNS WAS FINDEN, WAS UNS NIEMAND AUßER UNS. WENN MAN WENIGSTENS EINEN KAUFEN KÖNNT!

FRÜHER WAR EIN TRAUM APHRODITISCH.

So jetzt muss ich aber das Kleid loswerden, bevor jemand hereinkommt. (Während des Folgenden zieht er das Kleid aus, hängt es an seinen Platz und zieht einen Schminkmantel an, der ebenfalls an der Stange hängt)

(Ende der Musik)

23 23

Man sagt zwar, der Schauspielerberuf bringt viele schöne Liebesaffären mit sich, aber das ist eine Legende. Meistens bleibt es bei einem Traum. Und wenn Schauspieler dann von ihren großen Affären erzählen, erzählen sie eben ihre Träume.

WENN MAN AUF DIE BUTTE RSEITE FÄLLT, DANN IST MAN TOT. WENN ICH WENIGSTENS MEINE TRÄUME HÄTT!

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HEUTE IST EIN TRAUM NEUROTISCH UND POLITISCH.

DOCH DIE TRÄUME, DIE MAN KAUFT, SIND STEREO. H ILF MIR DOCH! LAUF NICHT SO! DRAUßEN IST IM MER NUR ÖDER WINT ERSCHLUSSVERKAUF. MACH JA NICHT DEINE AUGEN AUF!

DOCH DIE TRÄUME, DIE ICH TRÄUM, SIND BÜRGERPFLICHT. HILF MIR DOCH! STIRB NOCH NICHT!

15. Träume

SCHWEIG D AVON! TRAUM STEHT NICHT ZUR DISKUSSION.

UNSER LEBEN GLE ICHT DEM BUTTERBROT:

WIE OFT HAB ICH LIEBE ERFAHR’N UND ROLLEN GESPIELT, DIE N ICHTS ALS TRÄUME WAREN! ICH SPIELTE DEN RAUSCH UND DEN ROSENSTRAUß, UND DANN WAR DIE VORSTELLUNG AUS.

BLÄTTERWÄLD ER, STEUERGELDER, AUßENSTÄNDE, BANKVERBÄNDE, LAST NOT LEAST AUCH DEINE LIEBE FRAU. UND SO SIND WIR BEIDE MÄUSCHENSTILL, LIEBEN PROVISORISCH, QUASI ALLEGORISCH. GESTERN IN DEN ABENDSTUNDEN HAB ICH NO CH EIN LIED GEFUNDEN, UND DAS SCHENK ICH DI R GEHÜLLT IN T ÜLL: WENN ICH LIEBEN DÜRFTE, WIE ICH WILL.

VON DORT MÖCHTE ICH MIT DIR NUR FORT, GELIEB TER, ZIEHEN.

(Ende der Musik. Vom Tonband kommt die Stimme der Inspizientin: „Guten Abend, Herr Schaf. Wie Sie sicher bemerkt haben, läuft die Vorstellung bereits. Bis zu Ihrem Auftritt sind es noch zwanzig Minuten. Zwanzig Minuten bitte.“)

Zwanzig Minuten! Na, da hab ich noch viel Zeit.

FÜHR MICH HINAUS VON HIER, IN DEN DEUTSCHEN STEPPENWIND, WO ILLEGALE TRÄUMER SIND. KENNST DU DAS L AND, WO DIE SCHABLO NEN BLÜHEN?

In Afghanistan ist ein Menschenleben nichts mehr wert. Aber auch für einen deutschen Chemiker ist der Wert eines Menschen ziemlich gering. Denn der Durchschnittsmensch besteht für den Chemiker nur aus 65 Prozent Sauerstoff, 18 Prozent Kohlenstoff, 10 Prozent Wasserstoff, drei Prozent Stickstoff, zwei Prozent Kalzium und verschwindende Mengen von Natrium, Phosphor, Schwefel, Chlor, Eisen, Magnesium, Brom, Zink, Jod und so weiter. Nimmt man normales Leitungswasser, so ergibt sich pro Mensch ein Preis von etwa sieben Euro plus 19% Mehrwertsteuer.

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(nimmt eine Zeitung, die auf dem Tisch liegt, und liest:)

JA, DAS BIER WIRD TEURER, DAS PAPIER WIRD TEURER, HABEN POLITIKER UNS JETZT ERKLÄRT, AUCH DAS ÖL WIRD TEUR ER, UND DAS MEHL WIRD TEURER, NUR DER MENSCH IST NACH WIE VOR NICHTS WERT. MATERIELL GESPROCHEN, IST ER, HAUT UND KNOCHEN SIEBEN EURO WERT, GANZ A LLGEMEIN. FÜR DIE TORTENKÄUFER UND DIE STAR KBIERSÄUFER WER DEN ES SIEBEN EURO ZWANZIG SEIN. DAS BENZIN WIRD TEURER, NIKOTIN WIRD TEURER, JEDER BISSEN, JEDES FUßBALLTOR. NUR DER MENSCH HÄLT FEST AN SEINEN ÜBERRESTEN, DIE SIND SIEBEN EURO NACH WIE VOR. WÄR ICH PSYCHOLOGE ODER PÄDAGOGE, FÄND ICH DI ESE NACHRICHT ZIE MLICH TRIST. DOCH ICH BIN JA WEDER NOCH, DAS WEI ß EIN JEDER, ALSO SAG ICH’S EINFACH, WIE ES IST. UND ICH SAGE SO MAL: MAN SITZT IRGENDWO MAL EINEM HÜBSCHEN MÄDCHEN VIS A VIS. STATT SIE ANZUSEHEN , WÜRD ICH BLOß VERSTEHEN: IHRE SCHUHE KOS TEN MEHR ALS SIE. ABER NOCH MEHR PEINLICH WIRD DAS HÖCHSTWAHRSCHE INLICH, WENN I CH WEITERRECHNE KONSEQUENT: JEDE KOPFWEHPILLE, JEDE KASSENBRILLE KOSTET ZEHNMAL MEHR ALS DER PATIENT. DABEI KENN ICH HEUTE EINE MENG E LEUTE, WO ICH GLÜCKLICH WÄR, W ENN ICH SI E SEH, KÖNNT ICH OHN E ZAGEN IHNEN EINFACH SAGEN:

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16. Sieben Euro

DASS ES NICHT SO BLEIBE, WIE ICH’S JETZT BESCHREIBE, DAZU SOLLTEN WIR WOHL ALLE SEHN.

JA, IN VIELEN FÄLLEN IST D AS FESTZUSTELLEN, BEI DER RÜSTUNG, DER ÖKO LOGIE, BEI PARTEIDEKRETE N, BEI ATOMRAKETEN, ABER KEINER DENKT DA AN CHEMIE.

WENN AUF DIESE WEISE AUCH DIE MENSCHENPREISE ETW AS STEIGEN WÜRDEN, WÄR ES SCHÖN.

17. Sie sind so mies

WENN ICH MIR DIESEN HERRN PRÄSIDENTEN BETRACHT DEN HAT MAN DOCH NICHT ALS PRÄSIDENTEN GEMACHT. DER WAR BANKANGESTELLTER. VIELLEICHT KEIN SEHR FEINER, ABER DAS WAR EGAL, DENN ER WAR JA EIN KLEINER. DANN WURDE ER GROß, UND JETZT I ST ER DOCH WER. WARUM IST DER MANN BIS HEUTE NICHT FAIR? UND DA WIR GERADE BEI PRÄSIDENTEN SIND NEHMEN WIR DEN BUSH, DER SITZT DOCH ON TOP. DER MUSS NICHT INTRIGIEREN FÜR EINEN BESSER EN JOB. DER HAT SEINE STELLUNG, WENN ER WI LL, AUCH PENSION. WARUM IST E R SO MIES? WAS HAT ER DAVON? WARUM KÖNNEN MÄCHTIGE MENSCHEN AUF ERDEN NICHT FREUNDLICHER, SELBSTLOSER, MENSCHLICHER WERDEN? ICH ZERBRECH MIR DEN KOPF DARIN BIN ICH GEÜBT BIS SICH ENDLICH DIE LOGISCHE LÖSUNG ERGIBT: DIESE MÄCHTIGEN MENSCHEN: DIE SIND S O MIES, JA, DIE SI ND SO MIES, D ER BUSH, DER MÜNTEFERING UND DIE ALLE, SIE SIND SO MIES, WOLLEN DAS UND DIES UND KLAMMERN SICH AN UNS

HIER SIND SIEB EN EURO, TSCHÜSS, ADIEU! WÄR ICH MYSTIKER ODER STATISTIKER, DANN WÄRE DAS VIELLEICHT MEIN SCHÖNSTER TRAUM. DOCH ICH BIN JA WEDER NOCH, DAS WEIß EIN JEDER, ALSO STELL ICH’S EINFACH IN DEN RA UM.

WÄR ICH KL ASSENBESTER ODER KRANKENS CHWESTER HÄTT ICH IRGENDWAS ZU TUN GEW U SST.

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(Ende der Musik)

DOCH ICH BIN JA WEDER NOCH, DAS WEIß EIN JEDER, ALSO BLEIBT’S MIR LIEGEN AUF DER BRUST.

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UND ICH DENKE WEIT ER, DOCH ICH WERD NICHT HEITER, DENN ES IS T NICHT LUSTIG, WENN ICH FIND, DASS DER MENSCH VERKEHRT IST, WENN ER NICHT MEHR WERT IST, ALS ES SEINE CHEMIKALIEN SIND.

Sieben Euro pro Mensch! Und die werden auf einem großen Schachbrett hin und her geschoben, bis bis man sie eines Tages austauscht. Und wer schiebt uns hin und her? Wenn ich zum Beispiel an den Präsidenten der Deutschen Bank denke, Herrn Josef Ackermann der hat im vergangenen Jahr um die dreißig Millionen Euro verdient, und gleichzeitig einige tausend Angestellte entlassen.

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WIE EIN E QUALLE. SIE WOLLEN NUR UND FEILSCHEN NUR UND LÜGEN NUR UND STEHLEN NUR UND RIECHEN NUR DIE NICHT VORHANDENEN LUNTE N. SIE WÜNSCHE N DIR, ICH WEIß NICHT WAS, DENN DU BIST DA, UND SIE SIND DA, UND WICHTIG IST VOR ALLEM: DU BIST UNTEN. SIE SIND SO MIES, JA, SIE SIND SO MIES, DIE GRÖßEREN UND KLEIN EREN VERBRECHER. DER SCHÖNSTE PLATZ WIRD K EIN PARADIES, SIE BOHREN ÜBERALL D IESELBEN LÖC HER. SIE SCHRAUBEN DIR DIE BÄUME UND DIE BLUMEN AB UND TRETEN DICH VOLL FREUDE IN DEN BAUCH. SIE SIND SO MIES, ACH, SO SCHRECKLICH MIES, UND SIE GLAUBEN, ALLE ANDER EN SIND ES AUCH. SITZEN SIE IM AUFSICHTSRAT , IN VORSTAND UND VERWALTUNG, DANN WOLLEN SIE NOCH WOMÖGLICH PRÄSIDENT SEIN. SIND SIE SCHON PROFESSOR, GENERAL UND GENERALDIREKTOR, WOLLEN SIE NOCH IHR EIGENER KONKURRENT SEIN. HABEN SIE SCHON MILLIONEN UND MILL IONEN UND MILLIONEN, SPAREN SIE IMMER NOCH DAS TRINKGELD AM KLOSETT. UND STEHEN SIE IN DE R ZEITUNG, KRIEGEN SIE JEDES MAL ORGASMEN. DIE FEHLEN IHNEN SPÄTER DAN N IM BETT. SIE SIND SO MIES, S IE SIND WIDERLICH, D IESE BERTELSMANNS UND MANNESMANNS UND THYSSEN S. NUR KRIEGE TEILEN SIE BRÜDERLICH, UND D U UND ICH UND ALLE ANDEREN BÜßEN’S. SIE HABEN Z WANZIG WOHNUNGEN UND FARMEN UND BESITZE, DIVIDENDEN, HYPOTHEKEN UND RENDITEN, DOCH WENN DU DICH AUF ZWEI ZIMMER DRÜCKST UND GOTT BEHÜT‘ NOCH KINDER KRIEGST, ERHÖHE N SIE DIE PREISE UND DIE MIETEN. SIE SIND S O MIES, KRIEGEN DEN HALS NICHT VOLL, W OBEI JA WIR FÜR SIE NUR DUMMES VIEH SIND. ICH WEIß NICHT, WIE SICH DAS ÄNDERN SOLL, WEIL WIR DOCH LEIDER NIE SO MIES WIE DIE SIND. SIE STOPFEN SICH DIE TASCHEN UND DEN MAGEN VOLL UND LEGEN UNSRE SORGEN IN DIE BANK. S IE SIND SO MIES, SO ENTSETZLICH MIES, A BER GLÜC KLICH SIND SIE AUCH NICHT, GOTT SEI DANK. UND WÄHREND ICH DRAN DENKE, FÄLLT DER PAPST MIR EIN, DER JA AUCH NICHT HÖHER STEIGEN KANN, ALS ER SCHON IST. ABER TROTZDEM MUSS ER RAFFEN, SEINE PFARRER SEGNEN WAFFE N, ER HAT NICHTS VON SEINER NÜLLE, DOCH VERBIE TET ER DIE PILLE, UND ER SAGT DEN KARDINÄLEN ICH WILL SEELEN, SEELEN, SEELEN, UND VERORDNET UND VERLANGT UND PROKLAMIERT. JA, WAS HAT ER DENN, WAS HAT DER KARDINAL, DER BISCHOF, ERZBISCHOF DAVON?

WENN MAN SO AM ABEND VOR DER GLOTZE SITZT

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SOLL ICH MICH KRÄNKEN? MEIN LEBEN LENKEN?

UND DER SCHALK DEM GOTTSCHALK AUS DEN AUGEN BLITZT, FRAGT MAN SICH, WARUM SITZ ICH HIER SO DUMM? WIE GE H ICH MIT MEINEM LEBEN UM?

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TRINK ICH NUR DI E MILCH DER FROMMEN D ENKUNGSART?

Nur noch zehn Minuten! Den Weg von hier bis zur Bühne gehe ich in dreißig Sekunden. Was soll ich dort herumstehen und warten! Die Schauspielerei besteht aus Warten das Leben besteht aus Warten. Seit Jahren wartet die ganze Welt auf Frieden... ich glaube... ich glaube fest, wirklicher Frieden muss von der heiligen Stadt Jerusalem ausgehen... erst wenn dort die drei Religionen Christentum, Judentum und Islam nebeneinander und miteinander in Frieden leben, erst dann wird es auch Frieden auf der ganzen Welt geben. Daran müssten die Politiker arbeiten. Frieden in Jerusalem. Das ist halt so meine Idee.

18. Die Reise nach Jerusalem

DIE SIND D OCH ALLE ARRIVIERT. ABER SIE SIND SO MIES, JA, SIE SIND SO MIES, SIE DROHEN UNS MIT DER HÖLLE UND DEM HIMMEL. SIE SEGNEN UNS, UND SIE LÄCHELN SÜß UND WECKEN UNS AM SONNTAG MIT GEBIMMEL. DER VATER SOLL DIE STEUERN ZAHLEN, DIE MUTTER SOLL ZUR BEICHTE GEHEN, DIE KINDER SEIEN STRAMME ONANISTEN. NUR ZU IND ERN UND CHINESEN SIND SIE MANCHMAL NETT GEWESEN, DENN MAN BRAUCHT JA SCHLIEßLICH IMMER NEUE CHRISTEN. ICH FIND AUCH SCHEUßLICH UND UNTRAGBAR DIE GOLDENEN KATHEDRALEN UND PALÄSTE, DIE PFARRER UND DIE PASTOREN SCHAR, DIE SCHREIEN: MEINE KIRCHE IST DIE BE STE MIT HITLER KONKORDATE SC HLIEßEN DAS KONNTEN SIE! WIE VIELE TYRANNEN HABEN SIE SCHON GEKRÖNT? SIE SIND SO MIES, SO BEHARRLICH MIES, UND ICH HABE MICH BIS HEUTE A N DIE GRUNDLOS MIESEN LEUTE EINFACH UMS VE RRECKEN NICHT GEWÖHNT.

(Ende der Musik. Über Tonband kommt wieder die Stimme der Inspizientin: „Herr Schaf, es sind noch zehn Minuten bis zu Ihrem Auftritt. Bitte kommen Sie langsam auf die Bühne! Nur noch zehn Minuten!“)

SUCH ICH ETWAS? WOHIN GEHT DIE FAHRT?

JA, WENN MAN GOTTSCHALK SIEHT, DANN FÄNGT MAN AN ZU DENKEN. DIE REISE NACH JERUSALEM IST SICHER UNBE QUEM UND VOLLER DRECK. DOCH HAT MAN SICH ER ST ANGEPASST UND ETW AS MUT GEFASST, DANN KOMMT MAN WEG. DANN SIEHT MAN BERGE, DANN SIEHT MAN TÄLER, MAN SIEHT DIE FORTSCHRITTE UND JEDE MENGE FEHLER,

MAN RUTSCHT AUF GLATTEIS AUS, BEKÄMPFT DEN STURM UND MERKT, DER MENSCH IST NUR EIN UNBEGABTER WURM. MANCHM AL VERLIERT MAN ZU VERSICHT, WEIß PLÖTZ LICH SELBER NICHT, WAS MAN DA TUT, SCHREIT ALLE LEUTE AN UND SAGT SICH VOLLER WUT: WÄR ICH ZU HAUS GEBLIEBEN, DANN GINGE ES MIR JETZT GUT. DOCH WÄR MAN ZU HAUS GEBLIEBEN, WAS WÄRE DANN? DANN FINGE JEDER TAG WIE JEDER A ND’RE AN, MANCH MAL EIN GENUSS, WIE MA N ZUGEBEN MUSS, ABER NIE DER WEISHEIT LETZTER SCHLUSS. DENN DER WEISHEIT LETZTER SCHLUSS HEIßT UNBEIRRT, DASS DER MENSCH ZUM MENSCHEN WERDEN WIRD. ABER WERDEN WIR DAS SCHAFFEN? WARUM DENN NICHT? DAS SCHAFFTEN AUCH DIE A FFEN. DIE RE ISE NACH JERUSALEM IST S ICHER KEIN PROBLEM UND SIE TUT NOT. DENN DIE ALTERNATIVE IST, DASS MAN SICH SELBST VERGISST, DANN IST MAN TOT. MAN KANN AUCH TOT SEIN, EIN IDIOT SEIN UND GLAUBEN, DIE SACHE WIRD SCHON IRGENDWIE IM LOT SEIN. MAN HAT JA FR EUNDE, MAN HAT KREDIT MAN KANN AU CH SAGEN: BIS HIERHER UND KEINEN SCHRITT! NATÜRLICH MUSS MAN LIEBE HABEN, DIE IST DAS HAUPTPROGRAMM, DENN OHNE DIE I ST ALLES ANDERE JA NUR KOKETTERIE. DANN WÜRDE ICH SAGEN, GI B DIR WEITER KEINE MÜH’. DIE REISE NACH JER USALEM, U ND DAS IST ANGENEHM, GEHT ST ETS EMPOR SOLANG MAN IMMER WEITER REIST, IST MAN ZUSAMM’ GESCHWEIßT, WIE NIE ZUVOR.

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MAN KANN NERVÖS SEIN, KANN KAPRIZIÖS SEIN, NUR EINES GEHT AUF KEINEN FALL: DEN ANDEREN B ÖS SEIN. MAN HAT DEN KOFFER, HAT SEINEN PAS S UND IST AUF REISEN, STATT AUF EINEM PU LVERFASS. MAN LANDET IN JERUSALEM ALT WIE METHUSALEM, NACH VIELEN JAHREN. SIND WIR ERST DORT, WIRD SICH UNS ETWAS OFFENBAREN, ICH WEIß NICHT, WAS ES IST, JEDOCH MAN WIR’S ERFAHREN. BEVOR ICH WEITER SPEKULIER, K OMM DOCH MIT MIR ALS PASSAGIER, BALD LIEGT JE RUSALEM VOR DIR.

19. Es hat keinen Sinn mehr

Da ist er! Jetzt hab ich alles. (fällt wieder ins Lied zurück)

ES HAT KEINEN SINN, INS BLAUE ZU SCHIEßEN, STATT EINEM REICHEN AUF DIE KLAUE ZU SCHIEßEN. ES HAT KEINEN SINN, AUF REDEN ZU BAUEN. D IE ZEITEN SIND VORBEI. (will wieder abgehen, erinnert sich)

VERGESST UNSER H OFFEN! BEGRABT UNSER TRAUERN! LASS T EUCH DI E ZUKUNFT NICHT DURCH SÄNGER VERSAUERN! WÄHREND SICH DER SÄNGER VERNEIGT, BESORGT EURE SACHE UND SCHWEIGT!

Meine Damen und Herren, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit sechs Kutschen sind vorgefahren... Gloggnitzer Kogel Gloggnitzer Kogel (legt das Manuskript weg, geht zur Türe und setzt das Lied fort:)

DIE ZEITEN SIND VO RBEI.

(öffnet das Manuskript und spricht den Text rasch durch)

ES HAT KEINEN SINN MEHR, LIEDER ZU MACHEN, STATT DIE VERANTWORTLICHEN NIEDERZUMACHEN. ES HAT KEINEN SINN MEHR, WORTE ZU WÄHLEN.

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Um Gottes Willen mein Kostüm. Ich habe gedacht, die Vorstellung ist zu Ende, und ich kann nach Hause gehen! Noch fünf Minuten hat sie gesagt. Immer diese Lieder, diese Lieder, die... Dabei hat es keinen Sinn, die Welt ist, wie sie ist, und ein alter Mann wie ich wird sie nicht verändern.

ES HAT KEINEN SINN MEHR, REIME ZU SCHMIEDEN.

Wie war der Text?

DIE ZEITEN SIND VORBEI.

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(Ende der Musik. In den letzten Ton des Liedes fällt die Stimme der Inspizientin: „Herr Schaf! Wo bleiben Sie denn? Nur noch fünf Minuten bis zu Ihrem Auftritt. Bitte kommen Sie sofort auf die Bühne! Sofort auf die Bühne, Herr Schaf! Wir warten!“ Er ist verwirrt.)

Halt! Wo ist der Stock, mit dem ich auf den Boden klopfen muss? Der Haushofmeisterstock (sucht und findet ihn)

ES HAT KEINEN SINN, DEN ZUG ZU VERSÄUMEN ODE R VON ZUKÜNFTIGEN TATEN ZU TR ÄUMEN. SCHLAGT DIE POINTE ENTZWEI! SIE MACHT UNSRE KIN DER NICHT FREI.

ES HAT KEINEN SINN MEHR, LACHER ZU SAMMELN, STATT EIN PAAR TATKRÄFTIGE MACHER ZU SAMMELN.

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(Er geht eilig ab durch die Türe. Während des musikalischen Nachspiels geht das Licht langsam aus )

ERFÜLLT SIE MIT FURCHT, DIE EUCH HASSEN UND LACHEN! LASST DIE KOMÖDIEN ZUM LEBEN ERWACHEN! ES HAT KEINEN SINN MEHR, LIEDER ZU MACHEN, DIE ZEITEN S IND VORBEI, DIE ZEITEN SIND VORBEI.

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(In die letzten Worte bricht wieder die Stimme der Inspizientin: „Herr Schaf, wo bleiben Sie denn? Herr Schaf sofort auf die Bühne. Sie haben nur noch zwei Minuten. Kommen sie sofort!“)

Ich komme ja, ich bin ja gleich oben, ich komme, ich komme.

ENDE

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