1.4 Schuld
nerablen Person würde derselbe Stress nicht unbedingt zum Ausbruch einer Erkrankung führen. Therapien und Medikamente können helfen, die individuelle Vulnerabilität zu verringern.
»Manchmal fühlte ich mich wie eine Aussätzige. Als hätte ich einen sichtbaren Makel. Als sähe man mir an, dass meine Tochter suizidgefährdet ist.«
Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell
Vielleicht haben Sie schon einmal mit Fachleuten, Bekannten oder Nachbarn zu tun gehabt, die Ihnen (als Eltern, als Partner etc.) die Schuld für die Erkrankung geben? Vielleicht haben Sie sich selbst oft als Verursacher gesehen? Können Eltern oder andere enge Angehörige Schuld an der Erkrankung haben?
Person mit geringer Vulnerabilität/hoher Stresstoleranz: Bevor das Fass überläuft, bevor also zusätzliche Ereignisse bei diesem Menschen eine psychische Krankheit auslösen könnten, muss viel passieren. Diese Person verfügt außerdem über Ventile (Sport, Freunde), die überschüssigen Stress abfließen lassen.
Es ist ein normales und menschliches Bedürfnis, für beunruhigende Ereignisse nach Erklärungen und Ursachen zu suchen. Psychische Erkrankungen sind aber sehr komplex. Wenn z. B. „immer die Eltern“ Schuld an der Erkrankung ihres Kindes haben, warum bleibt dann das Geschwisterkind gesund? Bis heute weiß man nicht genau, welche Faktoren in welchem Ausmaß eine psychische Krankheit hervorrufen. Sicher ist aber, dass nie ein einzelner Grund allein, sondern die Kombination unterschiedlicher biologischer, genetischer und psychosozialer Ursachen den Ausbruch einer Krankheit begünstigt. Das Zusammenspiel dieser Faktoren bedingt die individuelle Vulnerabilität (Verletzlichkeit) eines Menschen, also seine Anfälligkeit, an einer psychischen Erkrankung zu erkranken. Wenn Menschen sehr vulnerabel, also verwundbar sind, und zusätzlich viel Stress erleben (in der Familie, auf der Arbeit etc.), kann es sein, dass die psychische Erkrankung ausbricht. Bei einer weniger vul-
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Stressfaktoren Stress auf der Arbeit
Offene Rechnungen
Streit mit dem Partner Sport
Freunde
© Klara Esch
Mutter einer an Depressionen erkrankten Tochter
Das so genannte „Vulnerabilitäts-Stress-Modell“2 versucht zu erklären, warum einige Menschen erkranken und andere nicht. Natürlich kann es die komplexen Zusammenhänge nur in Ansätzen darstellen. Die genauen Ursachen der individuellen Vulnerabilität und Stress-Empfindlichkeit sind Gegenstand der aktuellen Forschung und noch nicht vollständig verstanden.
Umzug
Eigene Vulnerabilitätsfaktoren, Genetik, Kindheit, Lebensereignisse