EuGH: Ausgelagerte Fondsverwaltung als einheitliche, nicht umsatzsteuerbefreite Leistung

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2020

Steuerrecht – Umsatzsteuer/Verbrauchsteuern/Zollrecht

EuGH: Ausgelagerte Fondsverwaltung als einheitliche, nicht umsatzsteuerbefreite Leistung StExp 2020/154. Die Entscheidung des EuGH schließt an eine von der wirtschaftlichen und technologischen Realität der Finanzdienstleistungsbranche losgelöste Reihe von Erkenntnissen an, die ein steuerfreies Outsourcing von Finanzdienstleistungen faktisch unerreichbar machen. Norbert Bramerdorfer

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er britische Fondsverwalter BlackRock verwaltet für eine Umsatzsteuerbefreiung qualifiziertes Sondervermögen sowie (überwie‐ gend) hierfür nicht qualifizierende andere Fonds. Für die Verwaltung aller Fonds kaufte Black‐ Rock von einer US-Konzerngesellschaft mittels einer speziellen Softwareplattform Portfoliover‐ waltungsleistungen zu (insb Marktanalysen sowie Leistungs- und Risikoüberwachung zur Unterstützung beim Treffen von Anlageent‐ scheidungen). BlackRock wollte zumindest die für die Verwaltung des Sondervermögens zugekaufte Fondsverwaltungsleistung der USKonzerngesellschaft steuerfrei behandeln; der Wert dieser Leistungen lasse sich nach deren Anteil an der Gesamtsumme der verwalteten Fonds bestimmen. Der EuGH sah in seinem Erkenntnis in den durch die Softwareplattform erbrachten Fonds‐

verwaltungsleistungen der US-Konzerngesell‐ schaft aufgrund der kombinierten Nutzung der verschiedenen Funktionen eine aus gleichbedeu‐ tenden Bestandteilen bestehende einheitliche Portfolioverwaltungsleistung. Diese nach der Art der Leistung bestimmte einheitliche Portfo‐ lioverwaltung könne nicht nach der Art ihrer Verwendung – Sondervermögen oder andere Fonds – in eine umsatzsteuerbefreite und umsatzsteuerpflichtige Leistung aufgespalten werden und sei daher zur Gänze steuerpflichtig; dies selbst dann, wenn (im Gegensatz zum judizierten Fall) die Verwaltung von Sonderver‐ mögen überwiegen würde. Durch die Verwen‐ dung auch für andere Fonds fehle der ausgela‐ gerten Leistung die spezifische Funktion der Verwaltung von Sondervermögen. Fraglich ist, ob dem Erkenntnis ein über die Verwaltung von Sondervermögen hinausgehen‐ der Rechtsgrundsatz entnommen werden kann. Es ist eine Besonderheit dieses Befreiungstat‐

bestands, dass die Art der Verwendung in die Beschreibung der Leistung einfließt. Schließlich unterscheidet sich die Tätigkeit der Portfoliover‐ waltung inhaltlich nicht darin, ob sie für Sondervermögen oder andere Fonds ausgeübt wird. Letztlich hat der EuGH bei einer gemisch‐ ten Verwendung der Portfolioverwaltung für Sondervermögen und andere Fonds die besonde‐ ren Tatbestandsvoraussetzungen dieser Umsatz‐ steuerbefreiung als schlichtweg nicht erfüllt betrachtet.

• EuGH 2. 7. 2020, C-231/19, BlackRock In‐ vestment Management (UK) Ltd

• Art 135 Abs 1 lit g RL 2006/112/EG (MwStSyst-RL); § 6 Abs 1 Z 8 lit i UStG • Outsourcing; Sondervermögen; Umsatzsteuerbefreiung

Steuerrecht – Abgabenverfahren/Finanzstrafrecht

Keine Nachsicht bei falscher Abgabenfestsetzung StExp 2020/156. Im Nachsichtsverfahren können nicht Einwände nachgeholt werden, die im Festsetzungsverfahren geltend zu machen gewesen wären.

Markus Knechtl

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in Facharzt für Plastische Chirurgie erklärte seine Umsätze bis 2012 zur Gänze als umsatzsteuerfrei gem § 6 Abs 1 Z 19 UStG. Mit dem AbgÄG 2012 wurde das UStG dahinge‐ hend geändert, dass fortan nicht mehr „Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt“, sondern „Umsätze aus Heilbehandlungen […] im Rahmen der Tätigkeit als Arzt“ steuerfrei sind. Im Zuge einer Außenprüfung beim Arzt wurde ein Teil der Umsätze als steuerpflichtig gewertet, weil die Behandlung nicht medizinisch notwendig war. Im Rechtsmittelverfahren änderte das BFG die angefochtenen Bescheide insoweit zu Gunsten des Arztes ab, als die „Umsätze ohne medizinische Indikation“ in geringerer Höhe geschätzt wurden. Diese Entscheidung wurde im Juni 2017 rechtskräftig. Kurze Zeit später hat der VwGH mit Erkenntnis vom 13. 9. 2017, Ro 2017/13/0015,

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entschieden, dass auch die Tätigkeit als plastischer Chirurg bis zum AbgÄG 2012 steuerfrei war, weil die von der Mehrwertsteu‐ errichtlinie vorgegebene Voraussetzung, dass eine „Heilbehandlung“ vorliegen müsse, im UStG nicht umgesetzt war. Daraufhin wurde ein Nachsichtsersuchen gestellt, das vom Finanz‐ amt abgewiesen wurde. Das Bundesfinanzge‐ richt gewährte die Nachsicht. Dagegen richtete sich die Revision des Finanzamtes. Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Es muss dadurch zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen. Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann nicht damit begründet werden, dass die Abgabenfestsetzung zu Unrecht erfolgt ist, sondern muss in Umstän‐

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den liegen, die die Entrichtung der Abgabe selbst betreffen. Dass das BFG die Umsatzsteu‐ erbefreiung der ärztlichen Leistungen letztlich rechtswidrig versagt hat, begründet keine Unbilligkeit der Abgabenerhebung, weil sonst jede Einhebung einer rechtswidrig vorgeschrie‐ benen Abgabe als unbillig zu betrachten wäre.

• VwGH 4.6.2020, Ra 2019/15/0117 • § 236 BAO • Ermessen; Bindungswirkung; Unbilligkeit


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