Das Outsourcing von Finanzdienstleistungen nach der Cardpoint-Entscheidung des EuGH

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ARBEITSRECHT

4. Der Anspruch nach § 8 AngG entsteht nach Antritt des Dienstverhältnisses. Beim Übertritt vom Lehrverhältnis in das Angestelltenverhältnis beginnt er neu und unabhängig davon, ob der nach § 17 a BAG zur Verfügung stehende Entgelfortzahlungszeitraum im vorangegangenen Lehrverhältnis bereits ausgeschöpft war (ua Reissner in ZellKomm3 § 8 AngG Rz 91; vgl auch zum Arbeitsverhältnis: ARD 5992/13/2009). Weicht der Übertrittsstichtag vom Stichtag des Beginns des Lehrverhältnisses ab, resultiert für den früheren Lehrling und nunmehrigen Angestellten daraus der Vorteil, dass innerhalb eines Zwölfmonatszeitraums zweimal ein Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht. Mit dem Argument, dass der Lehrling nach § 18 Abs 1 BAG drei Monate im erlernten Beruf „weiterzuverwenden“ sei (nunmehr nach BGBl I 2020/18: „weiter zu beschäftigen“), weshalb der Stichtag des Eintritts in das Lehrverhältnis maßgeblich sein müsse, vermag die Revision nicht zu überzeugen. Mit dieser Regelung wird dem Dienstgeber für einen begrenzten Zeitraum ein Kontrahierungszwang auferlegt. Der Verweis auf

§ 14 Abs 1 oder 2 lit e BAG stellt dabei aber auch klar, dass das diesem Gesetz unterliegende Lehrverhältnis bei Beginn der Weiterbeschäftigungszeit beendet ist, ohne dass eine Anordnung über die arbeitsrechtliche Qualifikation des danach zu begründenden Vertragsverhältnisses getroffen wird. 5. Soweit die Revision sich zuletzt auf eine schlüssig getroffene Vereinbarung der Streitteile über den Stichtag 1. 9. als Beginn des nach § 8 AngG maßgeblichen Arbeitsjahrs stützt, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot. Ein vom Arbeitsjahr abweichender Anspruchszeitraum für die Entgeltfortzahlung kann nach § 8 Abs 9 AngG auch nicht durch Einzelvertrag, sondern nur durch KV oder Betriebsvereinbarung und nur mit dem Beginn eines Kalenderjahrs festgelegt werden. 6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Anrechnung der beim selben AG absolvierten Lehrzeit als Vordienstzeit nichts daran ändert, dass das nächste Arbeitsjahr iS dieser Bestimmung jeweils mit dem Jahrestag des Eintritts in das Angestelltendienstverhältnis beginnt.

Das Outsourcing von Finanzdienstleistungen nach der Cardpoint-Entscheidung des EuGH

STEUERRECHT GELEITET VON J. SCHUCH PH. VONDRAK

Judikatur des EuGH macht umsatzsteuerbefreite Auslagerung von Finanzdienstleistungen faktisch nahezu unmöglich. NORBERT BRAMERDORFER

A. Einleitung Ist der ausgelagerte Betrieb eines Geldausgabeautomaten eine umsatzsteuerbefreite Dienstleistung im Zahlungs- und Überweisungsverkehr? Jedem Nichtjuristen würde wahrscheinlich schon die Frage absurd vorkommen. Wenn dies keine Dienstleistung im Zahlungs- und Überweisungsverkehr sei, was sollte sonst jemals eine sein? Auch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz sah es in einer „mustergültig durchgeführten Prüfung“1) nicht anders.2) Nach einer Revision des Finanzamts war der BFH hingegen keineswegs so überzeugt wie das Finanzgericht und hat die Frage dem EuGH zu Vorabentscheidung vorgelegt.3) Der entschied, dass hier mitnichten von einer umsatzsteuerbefreiten Dienstleistung im Zahlungsverkehr auszugehen sei.4) Und dies nicht einmal überraschend, sondern in konsequenter Fortsetzung seiner bisherigen Judikatur zur Auslagerung von Finanzdienstleistungen. Obwohl weder iS des historischen Gesetzgebers noch an die moderne Finanzwirtschaft angepasst, wird sich an dieser Judikaturlinie des EuGH in absehbarer Zeit auch nichts ändern. Ein steuerfreies Outsourcing von Finanzdienstleistungen, das nach unveränderter EuGHDiktion grundsätzlich möglich sein müsste, ist für die Praxis faktisch nicht mehr erreichbar.5) Zwar

kann in Österreich derzeit noch zum Teil auf die Zusammenschlussbefreiung zurückgegriffen werden, doch ist deren Ende absehbar.

B. Entscheidung des EuGH in der Rs Cardpoint Doch soll die Geschichte der Reihe nach erzählt werden. Die deutsche Cardpoint GmbH war von ihrer Kundin, einer Bank, beauftragt, Geldausgabeautomaten aufzustellen und zu warten. Dazu installierte sie die Hardware der betreffenden Automaten sowie die für ihren ordnungsgemäßen Betrieb notwendige Software. Zudem übernahm sie den Transport des von der Bank zur Verfügung gestellten Bargelds und die BeDr. Norbert Bramerdorfer, LL. M., ist Steuerberater bei Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in Wien. 1) Hahne, Zur Anwendung von Umsatzsteuer-Befreiungen für Bankund Finanzdienstleistungen bei Outsourcing-Fällen, BB 2015, 541 (543). 2) FG Rheinland-Pfalz 23. 10. 2014, 6 K 1465/12 EFG 2015, 588. 3) BFH Vorlagebeschluss 28. 9. 2017, V R 6/15 BStBl II 2018, 250 = UR 2018, 193 (mit Anm Jacobs). 4) EuGH 3. 10. 2019, C-42/18, Cardpoint GmbH, ECLI:EU: C:2019:822. 5) Wäger, Rechtsprechungsauslese 2019, UR 2020, 85 (88).

ecolex 2020 1013


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