Unilaterale Massnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

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em o Univ-Prof Dr Gerold Stoll & Dr Norbert Bramerdorfer, LL M

Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 48 BAO Eine Überarbeitung der Kommentierung zu § 48 BAO des im Verlag ORAC erschienenen Kommentars zur Bundesabgabenordnung von Stoll

FJ-Sonderbeilage zu FJ 7-8/2009

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Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 48 BAO

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em o Univ-Prof Dr Gerold Stoll / Dr Norbert Bramerdorfer, LL M

Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 48 BAO Der vorliegende Beitrag stellt eine aktualisierte und um die Verordnung BGBl II 2002/474 erweiterte Fassung der Kommentierung des § 48 BAO dar, wie sie von em o Univ-Prof Dr Gerold Stoll in seinem 1994 im Verlag Orac erschienenen Kommentar zur Bundesabgabenordnung vorgenommen wurde. Übersicht 1. Bedeutung, Hauptaufgaben der Vorschrift 2. Anwendungserfordernis der Abgabenhoheit mehrerer Staaten a) Abgabenhoheit mehrerer Staaten b) Abgaben, Abgabepflichtige aa) Abgaben bb) Abgabepflichtige 3. Anwendungserfordernis des Entlastungsausgleiches oder der Gegenrechtsherstellung a) Grundsätzliches b) Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung aa) Erfordernis der internationalen Doppelbesteuerung bb) Erfordernis der Gleichartigkeit der Steuern c) Herstellung von Gegenrecht 4. Ermessensentscheidung bei Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung a) Ermessen bei Entscheidung der Anwendung dem Grunde nach b) Ermessen bei Wahl der Gestaltung und des Ausmaßes der Entlastungsmaßnahme 5. Verfahren 6. Durchführungsverordnung zu § 48 BAO (BGBl II 2002/474) a) Grundsätzliches b) Befreiungsmethode (§ 1 Abs 1) aa) Unbeschränkte Steuerpflicht bb) Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung cc) Nichtanwendbarkeit eines Doppelbesteuerungsabkommens dd) Vergleichbarkeit der ausländischen Besteuerung ee) Befreite Einkünfte c) Anrechnungsmethode (§ 1 Abs 2) d) Ausländische Gliedstaatensteuern (§ 1 Abs 3) e) Progressionsvorbehalt (§ 1 Abs 4) f) Verzeichnis (§ 2) aa) Erforderliche Verzeichnisführung (§ 2 Abs 1) bb) Lohnverrechnungsunterlagen (§ 2 Abs 2) g) Verbot der Doppelverlustverwertung (§ 3 Abs 1)

1. Bedeutung, Hauptaufgaben der Vorschrift 1 Gemäß § 48 kann das „Bundesministerium für Finanzen“ unter bestimmten Voraussetzungen die hier vorgesehenen Anordnungen (individueller oder genereller Art) treffen, also diesbezügliche Bescheide oder Verordnungen erlassen. Diese Zuständigkeit hat (ungeachtet der bei Erlassung der BAO gebräuchlichen Gesetzessprache) der Bundesminister für Finanzen als Behördenträger wahrzunehmen (vgl VwGH 8. 9. 1983, 82/15/0089, VwGH 8. 3. 1990, 89/16/0012; VwGH 21. 7. 1993, 91/13/0119), da der Bundesminister als monokratisches oberstes und leitendes Organ zu entscheiden hat, wobei er sich zur Besorgung der Geschäfte des Bundesministeriums (als Organkomplex) bedient. 2 § 48 ist die wichtigste Bestimmung des Außensteuerrechtes Österreichs. Der Entwurf eines österreichischen Außensteuergesetzes wurde nicht weiterverfolgt (vgl Gassner/Lang/Lechner, Der Entwurf eines österreichischen Außensteuergesetzes (Wien 2001)). Ein „Bundesgesetz über die Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung im Verhältnis zu Territorien ohne Völkerrechtssubjektivität (Internationales Doppelbesteuerungsgesetz – IDBG)“, somit Staaten mit denen der Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen völkerrechtlich verwehrt ist (das betrifft vor allem Taiwan), ist über einen ministeriellen Begutachtungsentwurf in 2006 – soweit ersichtlich – bisher nicht hinausgekommen. Der

Entwurf enthält eine Verordnungsermächtigung für den Bundesminister für Finanzen, auf Basis der Gegenseitigkeit den Eintritt der internationalen Doppelbesteuerung nach den Grundsätzen des internationalen Steuervertragsrechts zu beseitigen. Im Gegensatz zur Durchführungsverordnung zu § 48 („§ 48-VO“), BGBl II 2002/474 (vgl hierzu unten Pt. 6.), die lediglich einseitige Steuerverzichte vorsieht, sollen damit die einem echten DBA entsprechenden Wirkungen erzielt werden. (vgl hj, ÖStZ 2006, 365). 3 Unilaterale Maßnahmen, wie sie § 48 vorsieht und zulässt, sind wichtige, über einzelsteuerrechtliche Interessen hinausgreifende Instrumente zur Förderung außenwirtschaftlicher Beziehungen und zwar vor allem in den Fällen, in denen bilaterale Instrumente, nämlich Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, nicht bestehen oder die Bestimmungen abgeschlossener Abkommen nicht vollauf ausreichen, internationale Mehrfachbesteuerungen zu vermeiden. Mit Hilfe dieser Vorschrift können somit die störendsten internationalen Doppelbesteuerungen unilateral bereinigt werden und darüber hinaus auch im überwiegenden Interesse der österreichischen Volkswirtschaft gelegene Ziele verfolgt werden, wenn die Voraussetzung des Überschneidens der Abgabenhoheit anderer Staaten mit der Österreichs gegeben ist oder dies gegenrechtsbedingt ist. 4 Wenngleich der Hauptanwendungsfall der ist, dass eine konkrete internationale Mehrfachbesteuerung eintritt, weil ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht besteht, und somit mit Hilfe eines Abkommens die Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung nicht möglich ist, so ist die Anwendung des § 48 nicht nur auf die Fälle beschränkt, in denen ein Abkommen nicht besteht. Auch wenn ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung mit einem Staat abgeschlossen wurde, ist die Erfüllung der Anwendungsvoraussetzungen bei Bestehen der Abgabenhoheit mehrerer Länder auf einen Abgabepflichtigen objektiv gegeben. Somit kann § 48 aus dieser Sicht trotz Bestehens eines Abkommens zur Anwendung kommen (vgl zB VwGH 12. 7. 1990, 89/16/0069; BMF 28. 5. 1991 EAS 005 [vom DBA Luxemburg nicht umfasste Holdinggesellschaft]). Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein bestehendes Abkommen die ergebnishaft von einer Mehrfachbesteuerung betroffenen Abgaben in seinen Anwendungsbereich aufgenommen hat, im konkreten Fall aber die Doppelbesteuerung nicht oder nicht gänzlich verhindert. In gleicher Weise stellt auch die Durchführungsverordnung zu § 48 (BGBl II 2002/474) nicht auf das formale Bestehen eines Doppelbesteuerungsabkommens ab, sondern auf dessen tatsächliche (persönliche und sachliche) Nichtanwendbarkeit. 5 Die Erlassung dieser Durchführungsverordnung („§ 48-VO“), BGBl II 2002/474, in 2002, welche bereits eine methodisch vorgegebene Entlastung durch den Steuerpflichtigen im Veranlagungsweg vorsieht, hat die Erforderlichkeit von Individualerledigungen durch den BMF zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwar erheblich reduziert, aber nicht völlig verdrängt. Die Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung mittels bescheidmäßiger Individualerledigung des BMF wird vor allem als Auffangmethode in allen jenen Fällen weiterhin üblich sein, die vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind (zB Jirousek, ÖStZ 2003, 31). Vor allem das Gebiet der Erbschafts- und Schenkungssteuern, wo Österreich nur mit wenigen Ländern DoppelbesteueFINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009


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rungsabkommen abgeschlossen hat, war auch nach Inkrafttreten der § 48-VO ein wesentlicher Anwendungsfall für § 48-Erledigungen. Seit Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer in Österreich zum 1. 8. 2008 kann es auf diesem Gebiet allerdings zu keiner Doppelbesteuerung mehr kommen, was den Anwendungsbereich für § 48-Erledigungen erheblich einschränkt. Zur bisherigen Anwendungspraxis des § 48 auf dem Gebiet der Erbschaftsund Schenkungssteuer vgl zusammenfassend Taucher, ecolex 2006, 158. Zu denken wäre allerdings weiterhin an Fälle, bei denen es zu einer internationalen Doppelbesteuerung im Rahmen beschränkter Steuerpflicht kommt (Jirousek, ÖStZ 2003, 31; VfGH 13. 3. 2002, B 2299/00). Vor allem aber ist zu bedenken, dass die Erlassung von Individualerledigungen auf Antrag des Steuerpflichtigen auch im Anwendungsbereich der § 48-Verordnung weiterhin möglich ist (vgl hierzu unten Rz 82). 6 Schließlich dient § 48 auch dazu, zu Doppelbesteuerungen führende Konfliktfälle, die sich etwa im Wege eines Verständigungsverfahrens nicht lösen lassen, autonom wirksam (den betroffenen Abgabepflichtigen begünstigend) zu lösen, also wenn der andere Staat gesetzwidrigerweise sein innerstaatliches Recht anwendet oder unzulässigerweise ihm vertraglich nicht zukommende Besteuerungsrechte in Anspruch nimmt und hievon nicht abgebracht werden kann (wiewohl in den letztgenannten Fällen eine Maßnahme nach § 48 dem anderen rechts- beziehungsweise vertragswidrig handelnden Staat zu Lasten Österreichs zugute kommt; die Ermessensübung wird hierauf Bedacht nehmen dürfen). Auch während der Verfahrensdauer eines Verständigungsverfahrens kann eine interimistische Doppelbesteuerung durch eine auf die Verfahrensdauer begrenzte Entlastungsmaßnahme nach § 48 verhindert werden (BMF 30. 6. 2003 EAS 2307; BMF 14. 12. 2005 EAS 2681; BMF 23. 11. 2007 EAS 2913; BMF 11. 6. 2008 EAS 2982). 7 Es kann somit im Einzelfall ermessensgerecht sein, einem trotz des Bestehens eines Abkommens doppelbesteuerten Abgabepflichtigen im Wege des § 48 Abhilfe zu verschaffen (vgl zB Taucher, Internationale Erbschaften 57f.; VwGH 12. 7. 1990, 89/16/0069). 8 § 48 kommt allerdings nur in Konfliktfällen internationaler Doppelbesteuerung (arg „mehrere Staaten“) zur Anwendung, nicht auch bei doppelter Besteuerung mit Inlandssteuern (BMF 11. 11. 1994 EAS 522 [Besteuerung mit USt und EUSt im Zollausschlussgebiet]; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 384), wie etwa in den Fällen, in denen sich Besteuerungsrechte des Bundes und solche der Länder (der Gemeinden) überschneiden (arg „Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung“). Für den Fall, dass Doppelbesteuerungen auf dem Gebiet der Abgaben der Gebietskörperschaften gemessen an den verfassungsgesetzlich vorgesehenen Abgabentypen (§ 6 F-VG) und den damit verbundenen Wirkungsbeschränkungen überhaupt in Betracht kommen, kann die Bundesgesetzgebung Bestimmungen zur Verhinderung von Doppelbesteuerungen vorsehen (§ 7 Abs 4 F-VG; § 48 BAO ist jedoch nicht eine solche Bestimmung). 9 In den Landesabgabenordnungen, die durch das Abgabenverwaltungsreformgesetz (AbgVRefG), BGBl I 2009/20, ab 1. 1. 2010 in die BAO integriert werden, finden sich keine dem § 48 entsprechenden Bestimmungen, wiewohl § 7 Abs 4 F-VG die Befugnis zur Erlassung einer solchen Bestimmung nicht ausschließt. 10 § 48 ist auf die Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, die Eigenmittel der Gemeinschaft sind, aber auch auf die Einfuhrumsatzsteuer und die Verbrauchsteuern, die durch Richtlinien gemeinschaftsrechtlich geregelt sind, nur insoweit anwendbar, als das Gemeinschaftsrecht ausdrücklich den Mitgliedstaaten den Verzicht auf eine Abgabe oder eine Senkung der Bemessungsgrundlage gestattet, etwa im Rahmen des Art 133 BefrVO der Art 14 Abs 2 zweiter UA der 6. MwStRl (= 145 Abs 2 zweiter UA MwStSystRl; Fuchs, Bundesabgabenordnung und EG-Zollrecht, Rz 048.1.). FINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009

2. Anwendungserfordernis der Abgabenhoheit mehrerer Staaten a) Abgabenhoheit mehrerer Staaten 11 § 48 kann nur bei Abgabepflichtigen Anwendung finden, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, so ist die Anwendung des § 48 unzulässig, eine beantragte Maßnahme nach § 48 ist diesfalls nicht in Ausübung des Ermessens, sondern aus Rechtsgründen zu versagen (Abweisung). 12 Die Erfüllung des Erfordernisses, dass ein Abgabepflichtiger der Abgabenhoheit mehrerer Länder unterliegt, ist nicht davon abhängig, dass ein Abgabepflichtiger in mindestens zwei Staaten mit demselben Besteuerungsgegenstand tatsächlich der Besteuerung unterliegt. Vielmehr ist der Begriff „Abgabenhoheit mehrerer Staaten“ im völkerrechtlichen Sinn zu verstehen und bedeutet das Recht der Staaten, Steuertatbestände zu schaffen (zB VwGH 21. 7. 1993, 91/13/0119). Der „Abgabenhoheit mehrerer Staaten“ (§ 48, zweiter Halbsatz) unterliegt ein Abgabepflichtiger sohin ohne Rücksicht darauf, ob ein bestimmter denkbarer Abgabentatbestand tatsächlich normiert ist oder nicht (VwGH 20. 9. 1983, 81/14/0099, unter Hinweis auf VwGH 7. 12. 1972, 2253/71). Es genügt vielmehr die in der Abgabenhoheit von mindestens zwei Staaten verwurzelte Möglichkeit, eine Besteuerung vorzunehmen. Bei Beurteilung der Anwendungsvoraussetzungen geht es in dieser Stufe somit allein darum, ob der andere Staat die völkerrechtliche Berechtigung besitzt, einen Steuertatbestand (der in Kollision zu einem österreichischen Tatbestand treten kann) zu schaffen, nicht auch, ob er dies auch tatsächlich tut (zB VwGH 12. 7. 1990, 89/16/0069; VwGH 9. 10. 1991, 90/13/0007). Eine andere Betrachtung, die Annahme der Voraussetzung einer aktuellen, nicht einer virtuellen Doppelbesteuerung (verbunden mit der Abweisung eines Antrages bei bloß potentieller Doppelbesteuerung), würde das vom § 48 ebenfalls verfolgte Ziel der Herstellung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung von vornherein verhindern. 13 Das gegenwärtige Völkerrecht, wie es sich aus bestehenden internationalen Konventionen, der Staatenpraxis und der Rechtsprechung ableiten lässt, verbietet es nicht, Rechtsfolgen des innerstaatlichen Rechtes auch an ausländische Sachverhalte zu knüpfen (keine „materielle Territorialität“). Die Besteuerung ausländischer Wirtschaftsvorgänge und Vermögenswerte ist nach geltendem Völkerrecht jedenfalls dann zulässig, wenn die besteuerte Person zu dem besteuernden Staat eine hinreichende enge Beziehung (so genanntes „genuine link“) hat, wie etwa durch ihre Staatsbürgerschaft, ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz, ihre Geschäftsleitung, die Belegenheit ihrer Unternehmen oder sonstigen Vermögenswerte (vgl beispielsweise Bayer, StuW 1981, 61; Vogel in Vogel/Lehner, DBA – Kommentar5, Einl Rz 11; vgl auch VwGH 3. 6. 1993, 92/16/0174). Aus dieser völkerrechtlich möglichen weiten Befugnis der Besteuerung auch ausländischer Sachverhalte, unter der Voraussetzung einer inneren Beziehung des betroffenen Abgabepflichtigen zum besteuernden Staat, und aus der Anknüpfung des § 48 allein an die völkerrechtliche Berechtigung des anderen Staates ergibt sich der weite Anwendungsbereich der in Rede stehenden Bestimmung. b) Abgaben, Abgabepflichtige aa) Abgaben 14 § 48 erstreckt sich sachlich auf Abgaben im Sinne der §§ 1 bis 3 BAO. Landes- und Gemeindeabgaben sind somit vom Anwendungsbereich der BAO und damit von § 48 nicht erfasst (glA Ritz, BAO3, § 48 Rz 6; aA Bendlinger, WT 1998, H 2, 20). Eine Ausnahme besteht allerdings bezüglich der Grundsteuer und der Feuerschutzsteuer gem. § 16 Abs 1 FAG (Briem, Unilaterale Maßnahmen 73; Urtz in Gassner/Lang/Lechner, Methoden 367). 15 Ein im § 48 begründeter Verzicht auf Abgaben kann sich somit nur auf solche Abgabenansprüche beziehen, die von den §§ 1


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bis 3 BAO erfasst sind. Die Kommunalsteuer ist bis zum Inkrafttreten des AbgVRefG (BGBl I 2009/20) am 1. 1. 2010 von den §§ 1 - 3 und damit auch von § 48 erfasst, da sie zumindest teilweise, nämlich für die Zerlegung und Zuteilung nach § 13 KommStG und die Kommunalsteuerprüfung nach § 14 KommStG, von den Abgabenbehörden des Bundes erhoben wird (im Ergebnis ebenso Schuch in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 30; Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 58; Burgstaller, Kommunalsteuer und DBA, SWI 2004, 17 (23f); aA Ritz, BAO3 § 48 Rz 6). „Erhebung“ umfasst alle der Durchführung der Abgabenvorschriften dienenden abgabenbehördlichen Maßnahmen (§ 49 Abs 2 BAO). Es umfasst die Verwaltung, nämlich die Bemessung, Einhebung und zwangsweise Einbringung (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 570 mwN), somit auch die oben erwähnten Maßnahmen, die den Finanzämtern obliegen. Dass die Kommunalsteuer von den §§ 1 - 3 grundsätzlich erfasst ist, dürfte bisher implizit auch die Ansicht des BMF gewesen sein, weil sie § 48-Bescheide bei der Kommunalsteuer mit dem – erst nachfolgendem – Argument ablehnte, dass diese im Gegensatz zur früheren Lohnsummensteuer, an deren Stelle die Kommunalsteuer getreten ist, nicht vom Einkommen, sondern vom Unternehmensaufwand bemessen wird, und somit auch von einem DBA nicht umfasst wäre (BMF 21. 12. 1993 EAS 363; BMF 28. 8. 1995 EAS 704). Das AbgVRefG (BGBl I 2009/20), das ab 1. 1. 2010 die bisherigen neun Landesabgabenordnungen in die Bundesabgabenordnung integrieren und somit eine einheitliche Abgabenordnung für Bundes, Landes und Gemeindeabgaben schaffen wird, schließt die Anwendung des § 48 für die Kommunalsteuer aus. Das AbgVRefG normiet eine Ergänzung des § 48, nach der § 48 nur für bundesrechtlich geregelte Abgaben gilt, die von Abgabenbehörden des Bundes einzuheben sind. Damit soll nach den Erläuternden Bemerkungen „für Landes- und Gemeindeabgaben (zB Kommunalsteuer) (…) – wie bisher – keine Zuständigkeit des BM für Finanzen für auf § 48 BAO gestützte Bescheide oder Verordnungen bestehen. Dies stellt der diese Norm ergänzende Satz sicher; er stellt auf die Einhebung (und nicht auf die Erhebung) durch Abgabenbehörden des Bundes ab, weil bei der Kommunalsteuer einzelne Erhebungsmaßnahmen den Finanzämtern obliegen.“ Tatsächlich ist dies aber keine Klarstellung der bisherigen Gesetzeslage, sondern eine Änderung. Sie ist somit erst ab Inkraftreten dieser Änderung am 1. 1. 2010 wirksam. 16 Abgaben, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen, sind wegen der personenbezogenen Anknüpfungen vor allem die Personensteuern. Andere Abgaben (im Sinne der §§ 1 bis 3) sind aber von vornherein vom Anwendungsbereich nicht ausgeschlossen (vgl Jirousek, ÖStZ 1985, 44, 46), wenngleich oft sachlich nicht entlastungstauglich. 17 Der durch das Wort „Abgaben“ (in der Formulierung „Abgabenhoheit mehrerer Staaten“) bestimmte Anwendungsbereich schließt auch Maßnahmen nach § 48 für solche Abgaben nicht von vornherein aus, für die bereits andere (abgabenspezifische) Regelungen über unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung einer internationalen Mehrfachbesteuerung bestehen. Wenn die besondere Bestimmung in ihrer Wirkung hinter der allgemeinen des § 48 zurückbleibt, so ist ein sich wechselseitig ergänzendes „Nebeneinander“ entsprechender Maßnahmen nicht von vornherein als ausgeschlossen zu sehen. 18 Dies gilt insb auch im Verhältnis zur § 48-VO. Kann die § 48-VO keine Entlastung einer Doppelbesteuerung bewirken, so wäre subsidiär zu prüfen, ob eine entsprechende Entlastung nicht noch individuell mittels eines § 48-Bescheides erreicht werden kann (zB Jirousek, ÖStZ 2003, 31). Denn die § 48-VO schließt für die grundsätzlich in seinen Anwendungsbereich fallenden Einkünfte die Möglichkeit eines § 48-Bescheides nicht aus (vgl unten Rz 82). 19 Eine weitere unilaterale Entlastungsvorschrift, die eine ergänzende subsidiäre Anwendbarkeit des § 48 nicht ausschließt, war

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die Bestimmung des § 6 Abs 3 ErbStG (hiezu sowie zur § 48-Entscheidungspraxis in Erbschafts- und Schenkungssteuerfällen, welche gegenüber § 6 Abs 3 ErbStG idR vorteilhafter war, vgl ausführlich Taucher, taxlex 2006, 158; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 417ff; R. Weninger, SWI 1999, 208ff; Loukota in FS Stoll (1990) 413 f; VwGH 12. 7. 1990, 89/16/0069). 20 Auch Abgaben, für die bei Zuzug aus dem Ausland (bei Verlegung des Wohnsitzes in das Inland) Zuzugsbegünstigungen vorgesehen sind (§ 103 EStG, § 10 VermStG) und gewährt werden (siehe Loukota, Internationale Steuerfälle 32 ff; Wallentin, RdW 1985, 353), sind „Abgaben“ im Sinne der §§ 1ff, somit auch Abgaben im Sinne des § 48. Wenn daher die gewährten Zuzugsbegünstigungen die Effekte, die § 48 vermieden wissen will, nicht ausschließen, könnte ergänzend die letztgenannte Bestimmung wirksam werden; dies ist also prinzipiell nicht ausgeschlossen. Neben einen Zuzugsbegünstigungsbescheid kann daher zulässigerweise eine Ausnahmegenehmigung nach § 48 treten (Loukota, SWI 1990, 3, 7). 21 Siehe auch § 42a FLAG über Maßnahmen auf dem Gebiet des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (wofür aber nach Art II, BGBl 1983/617 in Verbindung mit BGBl 1987/78 der BMUJF zuständig ist, der in Angelegenheiten des Familienausgleiches die BAO anzuwenden hat; § 51 Abs 1 FLAG). 22 Sind Abgaben im Sinne des § 48 auf österreichischer Seite nur die Abgaben des Bundes, die unter §§ 1 bis 3 fallen, so können als „ausländische ... Abgaben“ auch solche der Gliedstaaten (nicht nur des Zentralstaates) verstanden werden (vgl zB bezüglich der US-amerikanischen Property Tax VwGH 14. 10. 1987, 85/13/0014; VwGH 28. 10. 1987, 85/13/0016) und dies nicht nur im Anwendungsbereich der § 48-VO (missverständlich Philipp/ Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 387).

bb) Abgabepflichtige 23 „Abgabepflichtiger“ ist, wer nach den (österreichischen) Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt. Der Begriff „Abgabepflichtiger“ bestimmt sich mithin nach § 77 BAO. Analog zum Erfordernis der potentiellen Abgabenunterworfenheit unter die Besteuerungsbefugnis des ausländischen Staates (siehe die Erläuterungen der lit a) genügt es auch für die Beurteilung des persönlichen Anwendungsbereiches, wenn ein Abgabepflichtiger potentieller Träger steuerrechtlicher Pflichten und Rechte ist, dass er also als Träger gleichartiger (oder gleiche Sachverhalte belastender) inländischer und ausländischer Abgaben in Betracht kommt. 24 Geht es um die Ausgleichung der in- und ausländischen Belastung bei Personensteuern, so sind unter den „Abgabepflichtigen“ – anders als nach der § 48-VO – sowohl unbeschränkt wie auch beschränkt Steuerpflichtige zu verstehen (vgl Jirousek, ÖStZ 1985, 44, 46; vgl zB in VfGH 13. 3. 2002, B 2002, B 2299/00). § 48 knüpft zwar an die „Abgabepflichtigen“ im Sinne des § 77 schlechthin (ohne Differenzierung) an, bei der Ermessensübung kann es aber geboten sein, auf die eingeschränkte, ohnedies inlandsbezogene Steuerpflicht beschränkt Steuerpflichtiger Bedacht zu nehmen (vgl unten Rz 54 f.). 25 Abgabepflichtiger ist auch der gem § 77 Abs 2 BAO für eine Abgabe persönlich Haftende. Auch der Haftende ist daher zu einer Antragstellung gem § 48 berechtigt, wenn auch er potentiell der ausländischen Abgabenhoheit unterworfen ist, wie im Falle eines Dienstgebers, der nach § 82 EStG für die Einbehaltung der Lohnsteuer seiner Dienstnehmer haftet (Urtz in Gassner/Lang/ Lechner, Methoden 366). FINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009


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Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 48 BAO

3. Anwendungserfordernis des Entlastungsausgleiches oder der Gegenrechtsherstellung a) Grundsätzliches 26 Bei der Rechtsanwendung des § 48 ist zu beachten, dass dieser in seiner Systematik nach hA (vgl zB VwGH 14. 3. 1990, 89/13/0115; VwGH 21. 7. 1993, 91/13/0119; Loukota in FS Stoll (1990) 414; Urtz in Gassner/Lang/Lechner, Methoden 373) im Sinne eines klassischen Rechtsfolgeermessens in zwei Teile gegliedert wird: Im ersten Teil ist zu klären, ob die grundsätzlichen Anwendungserfordernisse der Norm erfüllt sind. Ist dies der Fall, hat der Rechtsanwender im zweiten Teil zur Ermessensübung zu schreiten, bei der zu klären ist, ob dem Steuerpflichtigen dem Grunde nach eine unilaterale Entlastung von der Doppelbesteuerung zu gewähren ist und falls er dies bejaht, ob diese Entlastung rechtstechnisch durch Anwendung der Befreiungs- oder Anrechungsmethode zu erfolgen haben soll. 27 § 48 sieht Maßnahmen bestimmter Art vor (gestattet dahin wirkende Anordnungen), soweit dies – zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder – zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist. Diese beiden Kriterien werden allgemein als Anwendungsvoraussetzungen (und zwar als „Rechts-“ Voraussetzungen) beurteilt (vgl Jirousek, ÖStZ 1985, 44, und die ständige Judikatur, wie etwa VwGH 14. 3. 1990, 89/13/0115; VwGH 29. 1. 1998, 95/15/0043). Es soll sich bei ihnen daher um keine Ermessensbegriffe, sondern um unbestimmte Rechtsbegriffe handeln (Urtz in Gassner/Lang/ Lechner, Methoden 373; zur Unterscheidung von Ermessen und unbestimmten Rechtsbegriffen vgl ausführlich Stoll, Ermessen im Steuerrecht2, 16ff). Eine Maßnahme nach § 48 ist eben nur zulässig, wenn sie geeignet ist, eines der vorangeführten Erfordernisse zu erfüllen. 28 Selbst wenn diese Anwendungsvoraussetzungen gegeben sind, besteht daher noch kein unbedingter Rechtsanspruch auf eine unilaterale Maßnahme nach § 48; ob diese tatsächlich gewährt wird, ist erst im Rahmen der Ermessensübung zu klären (aA und für einen Rechtsanspruch bei unbeschränkt Steuerpflichtigen Jirousek, ÖStZ 1985, 46; dagegen die hA; vgl Briem, Unilaterale Maßnahmen 87ff; Urtz in Gassner/Lang/Lechner, Methoden 373f. und im Ergebnis auch die Judikatur wie in VwGH 27. 11. 1978, 2957/78; VwGH 12. 7. 1990, 89/16/0069 uam). 29 Die beiden Kriterien können aber nicht nur konditional verstanden werden, sondern ebenso final bezogen (arg „zur ...“ erforderlich ist). Ihnen können damit neben den Maßstäben für die Anwendung der Vorschrift auch gleichzeitig die möglichen zulässigen Ziele, die mit den Anordnungen nach dieser Gesetzesstelle verfolgt werden dürfen, entnommen werden. Sie vermitteln aus dieser Sicht (rechtsgebundene) Grenzen der Entscheidung und gleichzeitig Leitlinien für die im Ermessen gelegene Normierung der Entscheidungsinhalte (VwGH 29. 1. 1998, 95/15/0043). Es handelt sich hierbei um einen Fall, in dem die Verzahnung von Tatbestandsund Rechtsfolgenseite nur durch ihr Zusammenwirken als Tatbestandseinheit zu einer rechtsrichtigen Ermessenentscheidung führen (vgl hiezu Ehmke, „Ermessen“ und „unbestimmter Rechtsbegriff“ 25ff; Stoll, Ermessen im Steuerrecht2, 68, 96). Zu den hauptsächlich in Betracht kommenden Entscheidungen (Entscheidungsinhalten) hinsichtlich der wichtigsten hier einschlägigen Abgaben siehe Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 14 ff. b) Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung aa) Erfordernis der internationalen Doppelbesteuerung 30 Die Voraussetzung für die prinzipielle Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist – worauf schon hingewiesen wurde (vgl oben Rz 11) – die virtuelle Doppelbesteuerung. Wenn auch nur die (völkerrechtlich zulässige) Besteuerung im anderen Land möglich FINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009

(denkbar) ist und dies zu einer Doppelbesteuerung von innerstaatlich gegebenen oder möglichen Besteuerungsrechten beim antragstellenden Abgabepflichtigen (§ 77 BAO) führen kann, so sind damit die rechtlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit des § 48 gegeben. Lägen diese Voraussetzungen nicht vor, wäre die Abweisung eines auf eine Anordnung nach § 48 abzielenden Antrages aus Rechtsgründen geboten. 31 Anders als in der ersten Stufe der Rechtskonkretisierung, in der für die prinzipielle Rechtsanwendung allein das Vorliegen einer potentiellen Doppelbesteuerung die Voraussetzung bildet, wird in der gedanklichen zweiten Stufe der voranschreitenden (gesetzesgebundenen) Rechtsanwendung verlangt, dass – zur „Ausgleichung der inländischen und ausländischen Besteuerung“ eine steuerliche Entlastung „erforderlich“ ist oder – zur „Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechende Behandlung“ eine derartige Maßnahme „erforderlich ist“. 32 Das Tatbestandsmerkmal des Erfordernisses (vor allem) des Ausgleiches der in- und ausländischen Besteuerung ist jedenfalls bei Eintritt einer echten (juristischen) Doppelbesteuerung erfüllt (Loukota, Internationale Steuerfälle 111; vgl auch VwGH 9. 10. 1991, 90/13/0007; VwGH 12. 7. 1990, 89/16/0069; VwGH 29. 1. 1998, 95/15/0043; VwGH 28. 9. 2004, 2000/14/0172). Unter einer internationalen juristischen Doppelbesteuerung wird allgemein (so auch für Zwecke der Anwendung des § 48) die Erhebung gleichartiger (vergleichbarer) Steuern in zwei oder mehreren Staaten von demselben Abgabepflichtigen für denselben Steuergegenstand und denselben Zeitraum (Zeitpunkt) verstanden (vgl Vogel in Vogel/Lehner, DBA – Kommentar5, Einl Rz 2). 33 Eine bloß virtuelle Doppelbesteuerung erfüllt auf dieser zweiten Stufe der Rechtskonkretisierung nach hA das Erfordernis der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung nicht mehr; gefordert sei eine tatsächliche Doppelbesteuerung (VwGH 9. 10. 1991, 90/13/0007; VwGH 12. 7. 1990, 89/16/0069; VwGH 21. 7. 1993, 91/13/0119; BMF 5. 1. 2000 EAS 1580 [Keine Schenkungssteuerbefreiung in Österreich, wenn in Deutschland die Schenkung vom Freibetrag umfasst ist]; BMF 6. 12. 2006 EAS 2794; Loukota in FS Stoll (1990) 410; Jirousek, ÖStZ 1985, 45; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 386; Ritz, BAO3, § 48 Rz 4). Eine tatsächliche Doppelbesteuerung liegt auch bei einer rechtswidrig erfolgten ausländischen Besteuerung vor (VwGH 12. 7. 1990, 89/16/0069; BMF 27. 4. 2006 EAS 2718). Eine tatsächliche Doppelbesteuerung liegt nicht nur dann vor, wenn eine Betriebseinnahme in zwei Staaten besteuert wird, sondern auch dann, wenn ein Betriebsausgabenabzug in zwei Staaten verweigert wird (BMF 28. 6. 2004 EAS 2474; BMF 24. 8. 2006 EAS 2760). 34 Eine andere Ansicht vertritt mit guten Gründen Briem, Unilaterale Maßnahmen, 76ff und ihm folgend Urtz in Gassner/ Lang/Lechner, Methoden 370. Nach Briem sprechen sowohl der Wortlaut als auch die Entstehungsgeschichte des § 48 gegen die herrschende Auslegung: Das Tatbestandsmerkmal „Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung“ wurde wortgleich aus der Vorgängerbestimmung des § 15 RAO 1931 übernommen. Nach seinem ursprünglichen Begriffsverständnis umfaßte dieses Kriterium nicht nur Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (also Maßnahmen, die auf einen Verzicht des inländischen Abgabenanspruchs gerichtet sind), sondern auch Maßnahmen zur Verhinderung einer doppelten Nichtbesteuerung (also Maßnahmen, die auf eine Erweiterung des inländischen Abgabenanspruchs gerichtet sind), vgl Riewald, RAO I, 227. Der Wortlaut des vorliegenden Tatbestandsmerkmals umfasst somit auch Fälle, in denen im Ausland keine Steuer erhoben wird (denn nur in diesem Fall könnte eine doppelte Nichtbesteuerung auftreten). Führt man sich überdies vor Augen, daß jeder Doppelbesteuerungsfall (und sei es auch nur ein Fall der virtuellen Doppelbesteuerung) mit Belastungsveränderungen verbunden ist, so


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kann auch in jenen Fällen, in denen der ausländische Staat keine Steuern erhebt, eine innerstaatliche Entlastung erforderlich sein, um einen „Ausgleich“ der in- und ausländischen Besteuerung zu erzielen. (Das Wort „Besteuerung“ wird dementsprechend nicht als tatsächliche Besteuerung verstanden, sondern als Beschreibung der steuerlichen Situation im Ausland, welche auch in einer Nichtbesteuerung bestehen kann.) Erhebt zB der ausländische Staat auf Einkünfte aus dort erbrachten Tätigkeiten (zB Unternehmensgewinne iS des Art 7 OECD-MA) keine Einkommensteuer, so ist der Steuerpflichtige, der mit diesen Einkünften in Österreich der Besteuerung unterliegt, schlechter gestellt, als ein Steuerpflichtiger, der nur im Ausland der potentiellen Besteuerung unterliegt. Auch in diesem Fall könnte zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung, maW zur Herstellung der international-steuerlichen Neutralität, eine Entlastungsmaßnahme gemäß § 48 geboten sein. Die Rechtspraxis stützt ihre gegenteilige Auffassung ferner auf VwGH 7. 2. 1972, 2253/71, in dem der Gerichtshof – im Rahmen eines obiter dictum – die Auffassung vertreten hat, das vorliegende Tatbestandsmerkmal diene nur der Vermeidung eines tatsächlichen (effektiven) Doppelbesteuerung. Der Gerichtshof gelangte zu diesem Ergebnis im Zuge der Auslegung des Tatbestandsmerkmales „Abgabenhoheit“. Aus dem Umstand, daß das Tatbestandsmerkmal „Abgabenhoheit“ im völkerrechtlichen Sinn zu verstehen sei, leitete der Gerichtshof ab, „daß § 48 einerseits eine Begünstigung zur Vermeidung einer tatsächlichen Doppelbesteuerung und andererseits eine solche ‘zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung’ vorsieht, und zwar auch dann, wenn der Sachverhalt im Ausland zur Festsetzung einer gleichartigen Abgabe nicht führt. Ansonsten wäre nämlich der Satzteil des § 48 ‚oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung’ inhaltslos, wenn das Tatbestandsmerkmal der ‚Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen’ mit der Besteuerung in mehreren Staaten ident wäre.“ Die vorstehende Ansicht vermag jedoch nicht zu überzeugen: Zum einen käme dem Tatbestandsmerkmal „Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung“ auch dann Bedeutung zu, wenn man das Unterfallen unter die Abgabenhoheit mehrerer Staaten mit der tatsächlichen Besteuerung in mehreren Staaten gleichsetzen würde. Zum anderen käme dem vorliegenden Tatbestandsmerkmal auch dann Bedeutung zu, wenn man unter „Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung“ sowohl die Vermeidung effektiver als auch die Vermeidung virtueller Doppelbesteuerung versteht. Zum ersten Argument, wonach das Kriterium „Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung“ inhaltsleer wäre, würde man das Unterfallen unter die Abgabenhoheit mehrerer Staaten mit der tatsächlichen Besteuerung in mehreren Staaten gleichsetzen, ist festzuhalten, daß der Gerichtshof hier von einem falschen Begriff der Gegenseitigkeit ausgeht. Im Rahmen des Kriteriums „Erzielung von Gegenseitigkeit“ kommt es nämlich nicht darauf an, wie sich der ausländische Staat im zu prüfenden Fall verhält, sondern darauf, wie er sich – bei gedanklicher Umkehrung des zu prüfenden Sachverhaltes – verhalten würde (vgl unten Rz 43). Würde man hingegen dem Begriff der Gegenseitigkeit die vom VwGH beigelegte Bedeutung beimessen, so hätte jede Besteuerung im Ausland – im Wege der Gegenrechtsherstellung – eine Besteuerung im Inland – für eine derartige Retorsion fehlt es jedoch in § 48 (anders als in § 7 StVBG) an einer Rechtsgrundlage, weil § 48 nur zu Steuerentlastungen ermächtigt – und jede Nichtbesteuerung im Ausland eine Nichtbesteuerung im Inland zur Folge (siehe zum Ganzen Briem, Unilaterale Maßnahmen 76 f.). Das Kriterium „Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung“ wäre dann tatsächlich inhaltsleer. Zum zweiten Argument ist festzuhalten, daß dem vorliegenden Kriterium (Herstellung von Gegenrecht) auch dann eine eigenständige Bedeutung verbleibt, wenn man unter „Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung“ sowohl die Vermeidung effektiver als

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auch die Vermeidung virtueller Doppelbesteuerung versteht. Stellt man lediglich auf die zugrunde liegenden Belastungsänderungen, effektive Doppelbesteuerung und virtuelle Doppelbesteuerung, ab, so wäre die gegenteilige Auffassung des VwGH zutreffend. Denn sämtliche Belastungsveränderungen im Verhältnis zum Ausland lassen sich auf die drei Grundtypen, die effektive und virtuelle Doppelbesteuerung und die doppelte Nichtbesteuerung, zurückführen. Den beiden Tatbestandsmerkmalen, Ausgleichung der Besteuerung und Herstellung von Gegenrecht, kommt jedoch nicht nur die Aufgabe zu, die zugrunde liegenden Belastungsänderungen zu beschreiben, sondern auch im Rahmen einer Zielbestimmung, bestimmte Leitlinien (nochmals Briem, Unilaterale Maßnahmen, 78) festzulegen, nach denen die mit einer internationalen Doppelbesteuerung verbundenen Belastungsänderungen auszugleichen sind. Die Anordnung von Entlastungsmaßnahmen hat daher nach anderen Leitlinien zu erfolgen, je nachdem, ob die Maßnahme zur Ausgleichung der Besteuerung oder zur Herstellung von Gegenrecht dient. Unter „Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung“ ist daher sowohl die Vermeidung effektiver als auch die Vermeidung virtueller Doppelbesteuerungen zu verstehen. Bloße Überschneidungen im Geltungsbereich der beiden Tatbestandsmerkmale vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. 35 Eine wirtschaftliche (objektive) Doppelbesteuerung (Besteuerung desselben Steuerobjektes bei verschiedenen Abgabepflichtigen) wäre für die Anwendung des § 48 nach Ansicht der Judikatur und des älteren Schrifttums im Allgemeinen nicht ausreichend (siehe VwGH 9. 2. 1962, 1072/59 und zuletzt VwGH 28. 9. 2004, 2000/14/0172; und etwa Jirousek, ÖStZ 1985, 44, 45; weiters BMF 5. 7. 2004, EAS 2472 [Ausschüttung einer amerikanischen S-Corporation]). Würde in solchen Fällen des Fehlens einer (formalen) Subjektidentität der Belasteten bei Bestehen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für einen Besteuerungsausgleich (für eine Entlastung) gesorgt, so kann allerdings, wenn dies international üblich ist, auch bei bloß (formaler) objektiver (unechter, wirtschaftlicher) Doppelbesteuerung eine Maßnahme nach § 48 „erforderlich“ sein (Loukota, Internationale Steuerfälle 112, und Loukota in FS Stoll (1990) 411). 36 Das BMF scheint nunmehr großzügiger zu sein. Es sieht den Tatbestand des Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung und damit die Möglichkeit einer Entlastung mittels Individualverfügung – nicht aber im Rahmen der § 48-Verordnung – bei einer wirtschaftlichen Doppelbelastung idR erfüllt (zB BMF 23. 10. 1991 EAS 040 [vom Generalbauunternehmer an Subunternehmer aliquot weitergeleitete ausländische Steuer]; BMF 11. 2. 2003 EAS 2224; BMF 9. 12. 2003 EAS 2391; BMF 26. 4. 2004, EAS 2452 [alle drei zu ausländischen Unterkapitalisierungsvorschriften]; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 389; Loukota in FS Stoll (1990) 411; R. Weninger, SWI 1999, 207). 37 Als Fälle wirtschaftlicher Doppelbesteuerung, die eine Entlastung mittels § 48-Bescheid rechtfertigen können, werden vom BMF auch Fälle gesehen, in denen die Steuerpflicht in den betroffenen Staaten nicht in denselben Besteuerungszeitraum fällt (sogenannte zeitverschobene Doppelbesteuerungen, vgl BMF 24. 3. 1997 EAS 1037; BMF 24. 3. 2003 EAS 2240; BMF 28. 12. 2004 EAS 2553; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 416; R..Weninger, SWI 1999, 207; aA allerdings in VwGH 28. 9. 2004, 2000/14/0172, mit krit. Anm. P. Weninger in ecolex 2005, 166 u Obermair/P. Weninger in GeS 2005, 168). 38 Der Verwaltungspraxis ist im Ergebnis beizupflichten: Unter den Wortlaut „Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung“ sind auch Fälle unechter (wirtschaftlicher) Doppelbesteuerung zu subsumieren. Dies gilt insb in jenen Fällen, in denen der ausländische Staat Einkünfte zwar formal auf einer anderen Ebene (zB auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft und nicht auf der Ebene der Anteilseigner) besteuert (für eine Entlastung in diesen Fällen offenbar auch Urtz in Gassner/Lang/Lechner, Methoden 362 und Herdin/Zieseritsch in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen FINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009


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240) oder diese Einkünfte rechtstechnisch in anderer Weise erfasst (zB Ausschluß der Abzugsfähigkeit von bestimmten Zahlungen an verbundene Gesellschaften beim leistenden Konzernunternehmen anstelle der Besteuerung dieser Zahlungsflüsse beim empfangenden Konzernunternehmen). Letzlich wird damit die Frage nach dem „Steuergut“ ausländischer Steuern angesprochen, somit die Frage, wer mit einer bestimmten ausländischen Steuer belastet werden soll (im ersten Beispielsfall die ausschüttende Tochtergesellschaft oder die empfangende Muttergesellschaft). Diese Frage setzt jedoch nicht nur ein exaktes, sondern auch ein teleologisches Verständnis des ausländischen Steuerrechts voraus. Bei einem derartig weiten (materiellen) Verständnis des Doppelbesteuerungsbegriffes würde ein Vorteil, der sonst für das Anknüpfen an die echte (juristische) Doppelbesteuerung mit seinen formalen Merkmalen postuliert wird, aufgegeben. Dahinter steht die allgemeine Frage, welche Bedeutung dem Begriff der „Steuerobjektidentität“ im Rahmen des allgemeinen Doppelbesteuerungsbegriffes zukommt. Nach Spittaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern2, 110), ist unter Steuerobjekt nicht die sachliche Seite des Steuertatbestandes (Steuerobjekt im juristischen Sinn), sondern die Quelle wirtschaftlicher Leistungskraft (Steuerobjekt im finanzwirtschaftlichen Sinn) zu verstehen (s hiezu Briem, Unilaterale Maßnahmen 27 ff).

bb) Erfordernis der Gleichartigkeit der Steuern 39 Ist die ausländische Steuer mit der österreichischen Steuer nicht vergleichbar, liegt eine juristische Doppelbesteuerung nicht vor, § 48 ist nicht anwendbar. Eine Belastung eines Objektes in einem Staat mit einer personensteuerartigen und im anderen Staat mit einer realsteuerartigen Vermögensteuer, die vom selben Gegenstand erhoben wird, wäre keine Doppelbesteuerung, wie sie hier gemeint ist. Es fehlt an der Gleichartigkeit der Steuern (VwGH 14. 10. 1987, 85/13/0014). Für die Feststellung der Gleichartigkeit von Abgaben können für Zwecke der Anwendung des § 48 zumindest Hilfsweiße die Maßstäbe herangezogen werden, die für die Beurteilung der Gleichartigkeit von Abgaben nach § 6 F-VG entwickelt wurden (vgl Stoll/Tanzer, ÖJZ 1987, 292, mit weiteren Verweisungen; VwGH 4. 11. 1953, 1708/51; VfGH 13. 10. 1928, G 1/28; VfGH 25. 3. 1963, G 26/62 sowie VfGH 1. 3. 1982, G 8/81). Als mit der Einkommensteuer nicht vergleichbar, wird vom BMF die Kommunalsteuer gesehen, da diese nicht vom Einkommen, sondern vom Unternehmensaufwand bemessen wird, sodass ein § 48-Bescheid nicht gewährt wird (BMF 21. 12. 1993 EAS 363; BMF 28. 8. 1995 EAS 704; vgl hierzu auch oben Rz 15). c) Herstellung von Gegenrecht 40 Steuerentlastungen gemäß § 48 können auch zur Herbeiführung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung angeordnet werden. Auch in diesem Fall verlangt das Gesetz, dass eine solche Maßnahme in Fällen von Doppelbesteuerungen (siehe oben) „erforderlich“ ist. 41 Ein solches Erfordernis wird dann als gegeben zu erachten sein, – wenn bestimmte steuerliche Erleichterungen vor allem im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr international üblich geworden sind oder – wenn in den österreichischen Abgabenvorschriften eine Steuerpflicht vorgesehen ist, die, gemessen an heutigen internationalen Maßstäben, eine unübliche Reichweite aufweist und – wenn in solchen und ähnlichen Fällen ausländische Staaten die Herbeiführung eines Reziprozitätsverhältnisses verlangen (Loukota in FS Stoll (1990) 412 f) und – wenn weiters in allen diesen Fällen der Abgabenverzicht durch Herstellung von Gegenrecht wirtschaftlich geboten ist, also wirtschaftliche (volkswirtschaftliche) Nachteile abwenden oder vermindern beziehungsweise von vornherein verhindern soll (zum Erfordernis des überwiegenden Interesses der Republik FINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009

Österreich an der Herstellung von Gegenrecht siehe VwGH 28. 1. 1980, 1430/78). 42 Solche Schritte dienen der Angleichung des innerstaatlichen Rechtes an bestimmte Merkmale des ausländischen Rechtes und können unter der Voraussetzung der Gewährung der Gegenseitigkeit zu einer gänzlichen Freistellung von der innerstaatlichen Besteuerung oder zumindest zu einer Milderung (zB durch teilweises Ausscheidung von Vermögenswerten, BMF 26. 5. 1997 EAS 1069 und BMF 3. 4. 2002 EAS 2018 [Ermäßigter Steuersatz für ausländische karititative Einrichtung]; Urtz in Gassner/Lang/ Lechner, Methoden 384; Ritz, BAO3, § 48 Rz 9) der innerstaatlichen Belastung führen (Jirousek, ÖStZ 1985, 44, 45); dies bei Vorliegen der im vorhergehenden Absatz erwähnten (strengen) Voraussetzungen. Nach Ansicht des BMF kann eine vorhandene Reziprozität gemäß § 48 BAO eine Entlastung durch unmittelbare Steuerfreistellung anstatt durch das abkommensrechtlich vorgesehene Rückzahlungsverfahren rechtfertigen (BMF 25. 7. 2005 EAS 2644). 43 Entsprechend dem allgemeinen Zweck von Gegenseitigkeitsmaßnahmen, auf begrenztem Gebiet „zeitnahe und aktuellen Bedürfnissen entsprechende Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu schaffen“ (vgl Amtliche Begründung zu § 12 Abs 3 dVStG aF, zitiert nach Manke, DStZ 1986, 21) ist davon auszugehen, dass es im Rahmen des Tatbestandsmerkmales „Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung“ nicht darauf ankommt, ob und zu welcher Steuerlast der zu prüfende Sachverhalt im ausländischen Staat tatsächlich führt, sondern zu welcher Steuerlast er bei gedanklicher Umkehrung im Ausland führen würde, ohne dass von Bedeutung ist, ob diese Steuerrechtslage durch den nationalen Steuergesetzgeber oder im Verwaltungswege geschaffen wurde. Vor der Herstellung von Gegenrecht ist somit zu prüfen, welche Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Ausscheidung oder Anrechnung) der ausländische Staat ergreifen würde, stünde er im vorliegenden Fall an der Stelle Österreichs (vgl Briem, Unilaterale Maßnahmen 76f). Vererbt daher ein österreichischer Staatsbürger sein Vermögen dem Staat Israel und gewährt der Staat Israel im umgekehrten Fall dem österreichischen Staat Steuerfreiheit, würde dies ein Entlastung zur Herstellung von Gegenrecht rechtfertigen (VwGH 7. 12. 1972, 2253/71; Urtz in Gassner/Lang/Lechner, Methoden 371; Djanani/ Holzknecht, Internationales Steuerrecht 131). 44 Maßnahmen der hier behandelten Art können somit auch dann getroffen werden, wenn einer der betroffenen Staaten seine Steuerhoheit in bezug auf einen bestimmten potentiellen (seiner Steuerhoheit zugänglichen) Steuertatbestand nicht geltend macht, also eine Besteuerung etwa von Vorgängen, Vermögenswerten oder Einkommen nicht vornimmt (also solche Sachverhalte nach seinem Recht nicht erfasst, aber erfassen und besteuern könnte), jedoch eine Wahrnehmung dieser Besteuerung denkbar ist oder gar droht und der internationale Wirtschaftsverkehr Sicherheit gegenüber den damit verbundenen Doppelbesteuerungen verlangt. Auch diesfalls sind auf österreichischer Seite (bei überwiegendem wirtschaftlichem Interesse der Republik an einer solchen Maßnahme) Gegenrechtsmaßnahmen möglich. Für Gegenseitigkeitsmaßnahmen genügt somit eine bloß virtuelle Doppelbesteuerung (zB Loukota in FS Stoll (1990) 413; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 392). 45 Die Herstellung einer solchen Maßnahme (oder die bescheidmäßig Ablehnung eines darauf abzielenden Antrages) liegt letztlich jedoch im Ermessen der Behörde (VwGH 28. 1. 1980, 1430/78). Wesensgemäß überwiegen bei Entscheidungen über die Herstellung von Gegenrecht Zweckmäßigkeitserwägungen (gegenüber individuellen Billigkeitsgesichtspunkten bei Maßnahmen zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung). Es wäre zB nicht zweckmäßig gewesen, wenn – vor Abschaffung der österreichichen Erbschaftssteuer – Italiener ihre österreichischen Liegenschaften generell erbschafts- und schenkungssteuerfrei übertragen hätten können, nur weil dies im umgekehrten Fall


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wegen der Abschaffung der italienischen Erbschafts- und Schenkungsteuer möglich war; dies würde zu einer Diskriminierung österreichischer Liegenschaftseigentümer führen und ist nicht im wirtschaftlichen Interesse Österreichs (Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 399; die darin allerdings keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage sehen; ebenso BMF 9. 12. 2003 EAS 2386 [Steuerfreistellung der schenkungsweisen Wertpapierübertragung durch in Italien lebenden Vater an österreichische Tochter wäre Diskriminierung gegenüber österreichischen Geschenkgebern]). 46 Nach der früheren Praxis des BMF erforderten Gegenseitigkeitsmaßnahmen nach § 48 im Allgemeinen ein durch Notenwechsel oder Verhandlungsprotokoll verbrieftes Gegenseitigkeitsverhältnis (Loukota in FS Stoll (1990) 413; und noch immer Jirousek/ Loukota, Steuerfragen International VI 390 „im allgemeinen“). Damit hätte es letztlich das BMF selbst in der Hand durch den formalen Abschluss eines Notenwechsels oder Verhandlungsprotokolls ohne jede Bindung darüber zu entscheiden, ob und wann die Gegenseitigkeit vorliegt. Eine derartige ungebundene Ermessensausübung würde aber rechtsstaatlichen Prinzipien widersprechen (Gassner/Lang in FS Walter 164 f.). Eine derartige formale Betrachtungsweise findet auch im Wortlaut des § 48 keine Stütze (ebenso zB Ritz, BAO3, § 48 Rz 5). Im Ergebnis dieselbe Auffassung wird auch von VwGH 29. 1. 1998, 95/15/0043 u 22. 9. 2000, 98/15/0141 vertreten, welcher sich dem BMF nunmehr angeschlossen haben dürfte (vgl Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 393). 47 Für Maßnahmen nach § 48 genügt – wie schon mehrfach erwähnt – das (abstrakte) Überschneiden der Abgabenhoheiten mehrerer Staaten (auch wenn es nicht zu konkreten Mehrfachbelastungen kommt). Von den Voraussetzungen her könnten daher bei positiver Ermessensübung Maßnahmen zur Herstellung eines Gegenrechtes unter Umständen auch zu einer „Doppelnichtbesteuerung“ führen (wenn dies wirtschaftlich begründet, exakt eingeengt und in bestimmten Situationen für bestimmte Regionen, Personen und Sachbereiche geboten erscheint). Im Ergebnis kann somit die Herstellung von Gegenrecht unter der Voraussetzung der gewährleisteten Gegenseitigkeit des anderen Staates (sogar) in einer gänzlichen Steuerfreistellung bestehen (vgl Jirousek, ÖStZ 1985, 44, 45). Eine solche durch Maßnahmen nach § 48 selten bewirkte und nur selten vertretbare doppelte Nichtbesteuerung kann beispielsweise dann in Betracht kommen, wenn auf dem betreffenden Auslandsmarkt bereits Drittstaatenunternehmen operieren, für die dieser Erfolg bereits durch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder durch ergebnishaft (inhaltlich) ähnliche Maßnahmen gesichert ist. Zuerkannt wurde eine doppelte Nichtbesteuerung etwa bei Spenden an gemeinnützige Vereinigungen (BMF 5. 7. 1995 EAS 665). 48 Wenn auch Ausnahmen unter dem Gesichtswinkel der Herstellung von Gegenrecht zumeist für einen größeren Personenkreis von Bedeutung sind, weil die Voraussetzungen nach generellen Merkmalen bestimmt werden, so handelt es sich doch stets um sachlich, räumlich und personell eng umgrenzte Besteuerungsbereiche, denen eine Einschränkung der ansonsten bestehenden inländischen Besteuerungshoheit gutgebracht wird. Keineswegs kann und darf die Herstellung von Gegenrecht dazu führen, in anderen Rechtsordnungen vorgesehene Abgabenbefreiungen oder Begünstigungen generell ohne Gegebensein eines bestimmten (wenn auch nur regional indizierten) wirtschaftlichen Interesses Österreichs (zum Beispiel Grenzverkehr) in den innerstaatlichen Rechtsbereich – ergebnishaft – zu transformieren. Es würde den Sinn und Zweck des § 48 verfälschen, würde man diese Bestimmung immer schon dann heranziehen, wenn in reziproken Fällen das ausländische Recht günstiger ist als das österreichische; eine „Reziprozitätsautomatik“ ist daher jedenfalls abzulehnen (Loukota in FS Stoll (1990) 413; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 393ff) Die Rechtsprechung des VwGH hierzu ist ohne klare Linie (vgl VwGH 29. 1. 1998, 95/15/0043;

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VwGH 22. 9. 2000, 98/15/0141 mit krit. Anm. Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 393, 398).

4. Ermessensentscheidung bei Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 49 Die Steuerrechtsordnungen fast aller Staaten enthalten grundsätzliche Regelungen zur unilateralen Beseitigung von Doppelbesteuerungen. Sie weisen zumeist einen engen Anwendungsbereich auf, sind aber größtenteils zwingendes Recht und sehen im Regelfall (auf die Personensteuern beschränkt) vor, dass ausländische Steuern auf die inländischen Steuern anzurechnen sind. 50 § 48 weicht hingegen von den vergleichbaren Regelungen anderer Staaten mehrfach ab: – Die Anwendung ist nicht auf bestimmte Abgaben beschränkt, sondern knüpft an das Phänomen der internationalen Doppelbesteuerung schlechthin an, – die Weite des Anwendungsbereiches verlangt eine Anpassung der Methoden der Vermeidung der Mehrfachbesteuerung an die individuellen Gegebenheiten durch Einräumung von Ermessen, – die Instrumente der Zielerreichung bestehen sowohl in (üblichen) Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wie auch in der Herstellung von Gegenrecht, – Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind nicht wie international zumeist üblich nur im Wege des Steueranrechnungsverfahrens, sondern auch durch das Steuerausscheidungsverfahren zulässig.

a) Ermessen bei Entscheidung der Anwendung dem Grunde nach 51 Selbst wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmung des § 48 gegeben sind, besteht für den betroffenen Abgabepflichtigen kein Rechtsanspruch auf eine entlastende Anordnung nach dieser Bestimmung. Die Entscheidung liegt eben (auch) dem Grunde nach im Ermessen der Behörde. Sie ist aber unter Bedachtnahme auf § 20 im Sinne des Gesetzes (§ 48) zu treffen (Art 130 Abs 2 B-VG). 52 Die zu berücksichtigenden „Billigkeits-“Gesichtspunkte sind hierbei nicht die, die etwa bei Zahlungserleichterungen und Nachsichten entscheidend sind (also nicht die sozialen Komponenten), sondern etwa die Art und Schwere der Steuerbelastung des Abgabepflichtigen mit in- und ausländischen Steuern, die Art der Wirtschaftstätigkeit, die Wettbewerbssituation, die Veränderbarkeit oder Unveränderbarkeit der wirtschaftlichen Situation (berufliche Mobilität oder Immobilität) sowie regionale Verkehrs- und wirtschaftliche Gesichtspunkte. 53 „Zweckmäßigkeit“ bedeutet Rücksichtnahme auf das öffentliche Interesse (vgl hierzu ausführlich Stoll, Ermessen im Steuerrecht2, 206ff), hier vor allem auf volkswirtschaftliche und regionale wirtschaftliche Gesichtspunkte und beschäftigungspolitische Erfordernisse; schließlich Bedachtnahme auf den Umstand, dass in Fällen engerer Wirtschaftsbeziehungen die Staaten Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geschlossen haben (somit ein dichtes Netz von Abkommen bereits besteht) und daher das oft auf Zufälligkeiten zurückzuführende Nichtbestehen eines Abkommens nicht zu Lasten gleichartiger wirtschaftlicher Verhältnisse (wirtschaftlich gleichartig mit denen, die unter ein Abkommen fallen) ausschlagen soll, da es insb dann, wenn weder gesamtwirtschaftliche Gründe noch auch öffentliche Interessen dagegen stehen, im Einzelfall nicht nur billig, sondern auch zweckmäßig sein wird, die steuerliche Entlastungsmaßnahme, wie sie Inhalt der üblichen Staatenpraxis bei Doppelbesteuerungsverträgen ist, zu verfügen (vgl etwa VwGH 27. 11. 1978, 2957/78; siehe jedoch auch die nachfolgende lit b). 54 Bei beschränkt Steuerpflichtigen wird es im allgemeinen ebenso ermessensgerecht sein, von Entlastungsmaßnahmen abzusehen und es dem Heimatstaat des Steuerausländers zu überlasFINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009


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sen, sich um die Beseitigung einer allfälligen Doppelbesteuerung durch Anrechnung der österreichischen Steuer auf die eigene Steuer zu bemühen (durch die Entlastung des Steuerausländers von der inländischen Steuer würde dessen im Ausland bestehende Steuerbelastung nicht vermindert, sondern dann, wenn das nationale Recht die Anrechnung von Steuern aus der beschränkten Steuerpflicht vorsieht, der Abgabenertrag des anderen Staates erhöht, weil im Ausmaß der Entlastung von österreichischen Steuern eine Anrechnung auf die Steuern des anderen Staates nicht in Betracht kommt). 55 Dies entspricht auch der Praxis des BMF, der im Rahmen seiner Ermessensübung nach § 48 beschränkt Steuerpflichtigen – zumindest auf dem Gebiet der Ertragsteuern – idR eine Steuerentlastung verwehrt (Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 400; so zB in BMF 24. 4. 1995 EAS 626; BMF 6. 4. 1998 EAS 1244; BMF 5. 11. 2001 EAS 1947; BMF 15. 11. 2004 EAS 2529; ebenso VwGH 14. 3. 1990, 89/13/0115). In Ausnahmefällen wurde allerdings von den Höchstgerichten auch beschränkt Steuerpflichtigen eine Entlastung zugesprochen wie zB generell für den Bereich der Umsatzsteuer (VwGH 29. 1. 1998, 95/15/0043; VwGH 30. 3. 2000, 99/16/0100; im Ergebnis ebenso die frühere Verordnung BGBl 1974/800) vereinzelt aber auch im Bereich der Ertragsteuern (VwGH 22. 5. 2002, 2000/15/0212; VfGH 13. 3. 2002, B 2002, B 2299/00). Bei sogenannten Expatriates geht das BMF von Ansässigkeit aus, wenn sie im Heimatland keinen Wohnsitz (mehr) haben oder wenn ihre Entsendung nach Österreich länger als 2 Jahre dauert (R. Weninger, SWI 1999, 207 in FN 12).

b) Ermessen bei Wahl der Gestaltung und des Ausmaßes der Entlastungsmaßnahme 56 Im Wege des § 48 kann die Doppelbesteuerung entweder nach der Befreiungsmethode oder nach der Anrechnungsmethode beseitigt oder gemildert werden. Die beiden Methoden stehen einander gleichwertig gegenüber (VwGH 9. 8. 2001, 2000/16/0624). Dem Wortlaut des § 48 kann ebensowenig wie dem OECD-Musterabkommen eine Ermessensleitlinie hinsichtlich Art und Außmaß der Methodenwahl entnommen werden; für die Wahl kann nur auf allgemeine Grundsätze zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, insb auf die Ziele zur Herstellung der Kapitalexportund -importneutralität, zurückgegriffen werden (zB Urtz in Gassner/Lang/Lechner, Methoden 379ff). 57 Im ersten Fall der Befreiungsmethode wird für jene Einkünfte und Vermögenswerte, die im Ausland besteuert wurden, eine Steuerbefreiung (Ausscheidung) gewährt, die je nach Lage des Falles mit oder ohne Progressionsvorbehalt zugebilligt werden kann. In der Verwaltungspraxis erfolgt die Befreiungsmethode idR mit Progressionsvorbehalt (BMF 27. 1. 1990 AÖF 1991/49); dieser folgt nach Ansicht des VwGH zwingend aus der Tarifkonstruktion des Einkommensteuergesetzes (zB VwGH 21. 10. 1960, 162/60; VwGH 26. 5. 1998, 97/14/0067; vgl auch Lechner, FJ 1982 92). Im Bereich der § 48-VO wurde der Progressionsvorbehalt ausdrücklich normiert. Im Bereich von § 48-Bescheiden ist seine Anwendung letztlich aber Ermessensfrage (Jirousek, ÖStZ 1985, 45; für seine regelmäßige Anwendung im Rahmen des Ermessens Urtz in Gassner/Lang/Lechner, Methoden 382f.). Bei der Entlastung durch Anwendung der Befreiungsmethode ohne Progressionsvorbehalt (Verteilung des Einkommens auf zwei Staaten) kann eine Verminderung der Gesamtsteuerbelastung erreicht werden (Unterlaufen der Progression); bei Anwendung des Progressionsvorbehaltes wird hingegen der im Inland zu erfassende Teil des Gesamteinkommens mit dem Steuersatz belastet, der auf das in- und ausländische Gesamteinkommen entfällt (kein Anreiz, Einkunftsquellen in das Ausland zu verlagern). 58 Im zweit genannten Fall, in dem der Anwendung der Anrechnungsmethode, wird zwar das gesamte Einkommen und das gesamte Vermögen besteuert, jedoch die davon erhobene Auslandssteuer auf die entsprechende inländische Steuer angerechnet. Ein FINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009

Anrechnungshöchstbetrag ist (vergleichbar dem Progressionsvorbehalt) in § 48 – anders als in der Durchführungsverordnung zu § 48 – nicht ausdrücklich normiert, doch kommt dieser in der Verwaltungspraxis des BMF regelmäßig zur Anwendung (BMF 27. 1. 1990 AÖF 1991/49; vgl auch Jirousek, ÖStZ 1985, 44, der für seine Anwendbarkeit im Rahmen der Ermessensübung eintritt; ebenso Urtz in Gassner/Lang/Lechner, Methoden 384, da das OECD-MA – als eine Leitlinie der Ermessensübung – eine Anrechnung nur unter Anwendung eines Anrechnunghöchstbetrages vorsieht). Eine weitere Einschränkung der Anrechnung ergibt sich – in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des OECD-MA bei der Ermessensübung regelmäßig aus der Anwendung der so genannten „per country limitation“ (Urtz in Gassner/Lang/Lechner, Methoden 384f.). Eine fiktive Anrechnungsmöglichkeit („matching credit“) auf Basis des § 48 wird in der Literatur bezweifelt (Philipp/ Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 11; differenzierend Urtz in Gassner/Lang/Lechner, Methoden 385). 59 Eine dem Sinn des Gesetzes entsprechende Ermessensübung ist im allgemeinen dann gegeben, wenn die von der Partei begehrte Maßnahme Inhalt der üblichen Staatenpraxis ist wie diese insb im OECD-Musterabkommen zum Ausdruck kommt (VwGH 27. 11. 1978, 2957/78 ÖStZB 1979, 193; VwGH 8. 6. 1988, 87/13/0170; VwGH 9. 10. 1991, 90/13/0007; VwGH 29. 1. 1998, 95/15/0043; VwGH 27. 1. 1999, 98/16/0228; VwGH 30. 3. 2000, 99/16/0100), die Maßnahme also zu dem Ergebnis führt, das bei Bestand eines Abkommens eine Vermeidung der Doppelbesteuerung eintreten würde, bestünde mit dem Staat, mit dem eine Besteuerungskollision eingetreten ist, ein Abkommen (vgl sinngemäß auch Reeger/Stoll, BAO, Kommentar, § 48 Anm 3). 60 Diese Gedankenrichtung kann im allgemeinen eine sachgerechte und sinnrichtige Leitlinie für die Ermessensübung abgeben, sie ist aber nicht die einzige Möglichkeit, vom eingeräumten Ermessen innerhalb der gezogenen Grenzen Gebrauch zu machen, zumal Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oft beabsichtigterweise eine über das Ziel, eine echte Doppelbesteuerung zu vermeiden, hinausgehende Wirkung entfalten (VwGH 14. 10. 1987, 85/13/0014), Maßnahmen nach § 48 zumeist aber auf individuelle Verhältnisse abstellen können und hierbei einzelfallgerechter die entsprechenden Methoden zur „Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung“ einsetzen und anwenden können. Eine zwingende Fiktion des Bestehens eines die fraglichen Abgaben umfassenden Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als Ermessensleitlinie kann somit mangels einer positiv-rechtlichen Verankerung aus § 48 nicht abgeleitet werden, sie würde in dieser starren Form verstanden und angewendet dem Wesen einer Ermessensentscheidung widersprechen (VwGH 28. 10. 1987, 85/13/0016f). Das Abstellen auf die Grundsätze des internationalen Steuervertragsrechts ist daher nur eines von mehreren möglichen Kriterien der Ermessensübung, sodass im Einzelfall auch ein Abgehen von den Grundsätzen des internationalen Steuervertragsrechts als mit dem Gesetz vereinbar angesehen werden kann (VwGH 14. 10. 1987, 85/13/0014; VwGH 25. 10. 1987, 85/13/0016f.). 61 Wenn nun aber die Behörde die individuellen konkreten Verhältnisse nicht außer Betracht lässt, Besonderheiten des Falles aber eine besondere (atypische) Regelung nicht fordern und Gegebenheiten zu beurteilen sind, wie sie für Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung typisch sind, und wenn sodann die Behörde für die Ermessensgestaltung Maßstäbe anlegt, wie sie dem vom Fiskalkomitee der OECD ausgearbeiteten Musterabkommen, dessen Grundkonzeption die von Österreich geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen folgen, entsprechen, so liegt darin im allgemeinen eine durchaus sachgerechte und damit zulässige Ermessensübung (VwGH 8. 6. 1988, 87/13/0170). 62 Im vorgegebenen Rahmen kann in Ausübung des Ermessens die Befreiungsmethode (ohne Progressionsvorbehalt) dann Anwendung finden, wenn ein österreichischer Abgabepflichtiger bei Erzielung der Auslandseinkünfte mit Konkurrenten im anderen


Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 48 BAO

Staat in Wettbewerb treten muss (die Einkünfte würden diesfalls im anderen Staat dem Steuerniveau des Quellenstaates beziehungsweise des Staates der Tätigkeit unterworfen bleiben und die Steuer durch Nachbelastungen nicht wettbewerbsverzerrend sein). Als Beispiele für Steuerentlastungen nach der Befreiungsmethode werden genannt: Mitwirkung am ausländischen Anlagebau, Eröffnung ausländischer Verkaufsniederlassungen, Gründung ausländischer Produktionsstätten, Beteiligung an ausländisch aktiv tätigen Personengesellschaften, Erbringung von Dienstleistungen im Ausland (Loukota in FS Stoll (1990) 417). Aber auch dann wenn im Ausland erwirtschaftete Einkünfte zu einem wesentlichen Teil wieder im Ausland verbraucht werden, wird die Befreiungsmethode gewählt werden können (Loukota, Internationale Steuerfälle 115; Loukota in FS Stoll (1990) 417). Bei Erbschafts- oder Schenkungsvorgängen gewährte das BMF im Regelfall die Befreiungsmethode nur bei ausländischem Grund- und Betriebsvermögen (BMF 15. 2. 2004 EAS 2433). 63 Das Anrechnungsverfahren wird im Allgemeinen dann angewendet, wenn ausländische Einkünfte vornehmlich im Inland verbraucht werden. Dies zumal bei Bestehen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auch bei vorgesehener Befreiungsmethode das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen wäre. Als Beispiele werden genannt: ausländische Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren, Arbeitgeberpensionen (Loukota in FS Stoll 417). 64 Das Anrechnungsverfahren wird auch dann angewendet, wenn es der Unterstützung eines nicht voll funktionsfähigen Doppelbesteuerungsabkommens, zufolge dem die Anrechnungsmethode zur Anwendung kommt, dienen soll (zu allem Vorgesagten siehe Loukota in FS Stoll (1990) 416 ff). Die Anrechnungsmethode kommt in Bescheiden auch meist dann zur Anwendung, wenn die im Ausland erhobene Steuer 15% der Bemessungsgrundlage nicht übersteigt (zB BMF 23. 7. 2001 EAS 1900). An diese Praxis des BMF knüpfte die § 48-VO an. 65 Die Ermessensfreiheit des BMF in der Wahl der Befreiungsoder Anrechnungsmethode hat zu einer Rüge der sogenannten „Code-of-Conduct-Group” des EU-Rates geführt, die darin eine unfaire Steuerpraxis zur Anlockung von Kapitalströmen aus anderen Mitgliedstaaten ansah. Den Auftrag zur Verbesserung erfüllte Österreich durch Erlassung der § 48-Verordnung, welche in seinem Anwendungsbereich eine klare Regelung der anzuwendenden Entlastungsmethode vorsieht (vgl unten Rz 78). Weiterhin ungeklärt ist hingegen, ob es sich bei einer § 48-Individualerledigung europarechtlich um eine unzulässige Beihilfenregelung handelt (vgl zu möglichen Bedenken Sutter in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 249ff). 66 Bei Ausübung des Ermessens ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Steuerquellen nicht in beiden Staaten nach denselben Grundsätzen zu bestimmen sind (zum Beispiel Tätigkeiten in einem Staat zu besteuern sind, die im anderen Staat keine Einkunftsquellen sind), ferner dass die Einkommensermittlungsvorschriften beider Staaten nicht übereinstimmen müssen, Tätigkeiten daher nach dem Maßstab des einen Staates zu Einkommen führen, nach dem des anderen nicht oder in anderer Höhe. Das eingeräumte und entsprechend gehandhabte Ermessen macht eine flexible, individuelle, sachgerechte, den Besonderheiten des einzelnen Abgabepflichtigen angepasste und den konkreten Staatenbeziehungen und einzelstaatlichen Vorschriften Rechnung tragende Regelung möglich.

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gend Lang in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 224ff). Von der Verordnungsermächtigung hat der BM für Finanzen in BGBl II 2002/474 Gebrauch gemacht (vgl hierzu die Kommentierung unter 6.); auch die Verordnung für eine Umsatzsteuerentlastung bei Hilfsgüterlieferungen im Ausland (BGBl 1992/787) beruht auf § 48. 68 Liegen im Fall eines auf Individualerledigung gerichteten Antrages die sachlichen Bedingungen für die Anwendung des § 48 nicht vor (zum Beispiel wenn der Antragsteller nicht Abgabepflichtiger ist, wenn etwa das Erfordernis der möglichen Mehrfachbesteuerung nicht vorliegt), so hat mit Bescheid die Abweisung des Antrages aus Rechtsgründen zu ergehen. Liegen die rechtlichen Voraussetzungen für eine Maßnahme nach § 48 vor, so kann in Ausübung des Ermessens dem Antrag vollinhaltlich oder teilweise stattgegeben oder der Antrag abgewiesen werden. Bescheide des BMF sind im Verwaltungsweg nicht anfechtbar. Es kann unmittelbar der VwGH angerufen werden (Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges). Bei Ermessensentscheidungen beschränkt sich die Überprüfung des sodann mit Beschwerde angefochtenen Bescheides des BMF darauf, ob vom eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht wurde oder ob dies – in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmissbrauches – nicht der Fall gewesen ist (VwGH 28. 10. 1987, 85/13/0016). 69 Anträge nach § 48 können zur Schaffung von Rechtssicherheit – bei Vorliegen aller anderen Voraussetzungen – auch bereits vor Setzung eines (Doppel-)Besteuerungstatbestandes gestellt werden (BMF 6. 12. 1995 EAS 772; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 436; Ritz, BAO3, § 48 Rz 11). Kommt es zu keiner Verwirklichung des Besteuerungstatbestandes geht der § 48-Bescheid „ins Leere“ (Loukota in FS Stoll (1990) 420). Dadurch konnte zB die Frage, ob Familienvermögen (Familienbetriebe) bereits durch Schenkung zu Lebzeiten oder erst im Erbweg übergehen soll, von einer positiven § 48-Erledigung abhängig gemacht werden, da die meisten Erbschafts-DBA’s – insb das deutsche – nicht auch Schenkungen erfassen. Zu bloßen Auskunftsersuchen vgl R. Weninger, SWI 1999, 205. 70 Individualerledigungen nach § 48 sind Bescheide, die „Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten“ betreffen und damit Bescheide im Sinne des § 294 BAO (gleichgültig, ob sie stattgebend oder abweisend sind; arg „betreffen“). Sie unterliegen wie jeder andere Bescheid der Rechtskraft. Begünstigungsbescheide bedürfen eines erhöhten Schutzes ihres Rechtsbestandes, welcher ihnen auch von der Rechtsordnung gewährt wird. Bescheide dieser Art können nämlich abgesehen von den Fällen einer Wiederaufnahme des Verfahrens und einer Fehlerberichtigung nach § 293 BAO (nur) von der Bescheidbehörde selbst (also vom BMF) und (nur) unter den im § 294 BAO näher umschriebenen Voraussetzungen geändert oder zurückgenommen werden, also insb bei einer Änderung der Verhältnisse oder dann, wenn die bescheidbedeutsamen Verhältnisse auf Grund unrichtiger oder irreführender Angaben zu Unrecht angenommen wurden (§ 294 Abs 1 lit a und b BAO). Eine rückwirkende Änderung oder Zurücknahme ist insb dann zulässig, wenn der Bescheid auf wissentlich unwahren Angaben des Abgabepflichtigen beruht (§ 294 Abs 2 BAO; siehe die Erläuterungen zu diesen Bestimmungen).

5. Verfahren

71 Bescheide nach § 48 bedürfen wie alle Ermessensentscheidungen, vor allem dann, wenn sie dem Parteianbringen nicht vollinhaltlich stattgeben (§ 93 Abs 3 lit a BAO) einer entsprechenden Begründung (VwGH 18. 1. 1989, 87/13/0041; VwGH 9. 8. 2001, 2000/16/0624).

67 Die rechtstechnische, formelle Gestaltung des Ergebnisses der Ermessensübung ist die eines Bescheides, oder – bei einem nach allgemeinen Merkmalen umschriebenen Personenkreis als Adressaten – eine Verordnung (siehe auch VfGH 11. 3. 1993, V 98-103/92; VwGH 8. 3. 1990, 89/16/0012). Für beide Arten der Erledigung ist (allein) der BM für Finanzen zuständig (grundle-

72 Mit einer bescheidmäßigen Anordnung nach § 48 können, wie mit allen ermessensbegründenden Begünstigungsbescheiden, Auflagen und Bedingungen verbunden werden, die mit dem verfolgten Ziel vereinbar sind und dem mit dem Begünstigungsbescheid verfolgten Zweck entsprechen (beispielsweise VwGH 12. 7. 1990, 89/16/0069). FINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009


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73 Ungeachtet der Entscheidungszuständigkeit des BMF und dessen rechtlicher Verantwortung können die Unterbehörden zu vorbereitenden Erhebungen veranlasst und zur Berichterstattung über die Ermittlungsergebnisse angewiesen werden. Die Erledigung selbst hat stets vom BMF zu ergehen (Intimationen sind aber zulässig; vgl die Erläuterungen zu § 92 in Stoll, BAO-Kommentar, 915ff). Da nach der Rechtspraxis davon auszugehen ist, dass bei Wahrnehmung von Begünstigungstatbeständen die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Darlegungsund Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt, liegt das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast in bezug auf die Umstände, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann, beim Abgabepflichtigen (VwGH 26. 1. 1989, 88/16/0015). So ist es dem Begünstigungswerber beispielsweise zuzumuten, die tatsächliche ausländische Besteuerung (als Voraussetzung für die behördliche Ermessensübung) und ähnliche entscheidungsbedeutsame Sachverhalte unter Beweis zu stellen (VwGH 12. 7. 1990, 89/16/0069; VwGH 9. 10. 1991, 90/13/0007; VwGH 17. 12. 2003, 99/13/0070 mit Anm von Obermair in UFS aktuell 2004, 233). Eine erhöhte Mitwirkungspflicht kann jedoch nicht für die Frage des Vorliegens der Gegenseitigkeit gelten, da Mitwirkungspflichten tatsächliche Umstände nicht aber die (ausländische) Rechtslage betreffen (Ritz, BAO3 § 48 Rz 5). 74 Erledigungen nach § 48 setzen, wenn sie in Individualverfügungen zu bestehen haben, einen Antrag (Anbringen, § 85 BAO) voraus (VwGH 12. 7. 1990, 89/16/0069 unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung; aA Briem, Unilaterale Maßnahmen 151; Ritz, BAO3 § 48 Rz 11). Solche Anträge unterliegen der Entscheidungspflicht nach § 311 Abs 1 BAO (auch wenn die Erledigung eine Ermessensentscheidung ist). Die Sanktion bei Säumigkeit liegt nicht (mehr) im Verwaltungsbereich, sondern besteht in der Möglichkeit der Einbringung einer Säumnisbeschwerde an den VwGH (Art 130 Abs 1 lit b und Art 132 B-VG sowie § 42 Abs 4 VwGG). 75 Einem (einem Antrag) ganz oder teilweise stattgebenden Bescheid des BMF kommt grundlagenbescheidähnlicher Charakter zu. Somit sind § 192 und § 252, also die Bestimmungen über die Folgeänderungen der inhaltlich abgeleiteten Bescheide und über die Unanfechtbarkeit abgeleiteter Bescheide mit Gründen, die sich gegen den Grundlagenbescheid (des BMF) richten, gleichermaßen (zumindest analog) anzuwenden. 76 Ein Begünstigungsbescheid nach § 48 entbindet den Abgabepflichtigen nicht von seiner Mitwirkung in den weiteren Verfahren (zum Beispiel Loukota in FS Stoll (1990) 418). So hat er etwa dafür zu sorgen, dass in den Steuererklärungen (auch) der begünstigten Zeiträume die begünstigungsfähigen Einkünfte, Vermögensteile und sonstige Gegenstände der Besteuerung gesondert ausgewiesen werden oder dass Nachweise über die tatsächliche Besteuerung im Ausland erbracht werden. Er hat somit alle Vorsorgen für die Nachweisleistung zu treffen, dass die dem Bescheid zugrundegelegten Verhältnisse bestehen und er hat die sich aus dem Gesetz ergebenden Anzeigepflichten über den Wegfall von Voraussetzungen für die angeordnete Befreiung von Abgaben zu erfüllen (siehe insb § 120 Abs 1, letzter Satz). Zur Erfüllung dieser Aufgaben kann der begünstigte Abgabepflichtige auch durch Auflagen im Begünstigungsbescheid verhalten werden (vgl ähnlich VwGH 9. 10. 1991, 90/13/0007). 77 Die Erteilung von Bescheiden mit rückwirkender Kraft ist nicht ausgeschlossen (Loukota in FS Stoll (1990) 419). Sollten Veranlagungen bereits rechtskräftig durchgeführt worden sein, so erlangen die rechtskräftigen Bescheide durch nachträgliche Erlassung der Bescheide nach § 48 den Charakter von abgeleiteten Bescheiden und sie müssten diesfalls gemäß § 295 BAO (unter Anpassung an den als Grundlagenbescheid wirkenden Bescheid des BMF) geändert werden. Folgeänderungen nach § 295 sind nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig (§ 302). Es hat sich auch die Praxis herausgebildet, dass das BMF auf Antrag bereits vor Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes, also bevor die steuerFINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009

wirksamen Sachverhalte gesetzt werden, Zusicherungen für eine bestimmte Ausnahmeregelung unter der Voraussetzung der Verwirklichung bestimmter Sachverhalte gibt, womit dem Abgabepflichtigen (ohne steuerrechtliches Risiko) abgabenrechtlich gesicherte Dispositionen möglich gemacht werden. Eine „Bindung“ an die Zusage wäre auf dem Rechtsweg nur in der Weise durchsetzbar, dass gegen einen nachfolgenden (ermessensgestützten) ganz oder teilweise abweisenden (der Zusage, bei Gleichbleiben des Sachverhaltes, nicht Rechnung tragenden) Bescheid wegen Ermessensmissbrauches (Treu und Glauben) Beschwerde erhoben wird.

6. Durchführungsverordnung zu § 48 BAO (BGBl II 2002/474) a) Grundsätzliches 78 Anlass für die Erlassung der Verordnung war eine – unberechtigte (vgl Loukota in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 15; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 402ff) – Rüge der sogenannten “Code-of-Conduct-Group” des EU-Rates, die in § 48 eine unfaire Steuerpraxis zur Anlockung von Kapitalströmen aus anderen Mitgliedstaaten sah, da es diese dem Finanzminister insb freistellte, ob Unternehmen eine Anrechnung der ausländischen Steuer oder eine Steuerbefreiung für die Auslandseinkünfte gewährt wird. Weiters wurde beanstandet, dass nach § 48 eine Freistellung auch bei nur minimal im Ausland besteuerten Einkünften verfügt werden könne. Dem Auftrag zur Verbesserung erfüllte Österreich durch Erlassung der § 48-Verordnung (Loukota in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 15f). 79 Im Anwendungsbereich der Verordnung wird die Entlastung von der Doppelbesteuerung aus dem Ermessensbereich des BMF herausgenommen und in einen Rechtsanspruch umgewandelt, welcher vom Steuerpflichtigen im Rahmen seiner Veranlagung völlig eigenständig geltend gemacht werden kann (Jirousek, ÖStZ 2003, 30; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht, Z 00 Rz 407). Bei Anwendung der Befreiungsmethode sind die ausländischen Einkünfte in Kennzahl 440 (ESt) bzw 678 (KöSt) einzusetzen. Bei Anwendung der Anrechnungsmethode sind die ausländischen Einkünfte unter Kennzahl 395 (ESt) bzw 672 (KöSt) sowie die ausländische Steuer unter Kennzahl 396 (EST) bzw 672 (KöSt) anzugeben (Rosenberger, AStN 2003/42). Damit ist bei Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen im Rahmen der Einkommensermittlung kein Einzelbescheid des BMF mehr erforderlich (Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 51; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 407f.). 80 Es kommt somit im Ergebnis in Routinefällen der internationalen Doppelbesteuerung zu einer Entlastung der Finanzverwaltung durch Auslagerung der operationalen Handhabung des § 48 vom BMF zu den Finanzämtern (Jirousek, ÖStZ 2003, 30). Für Steuerinländer tritt der Effekt ein, als ob Österreich nun mit allen Staaten der Welt ein Doppelbesteuerungsabkommen (GlobalDBA) abgeschlossen hätte, wobei allerdings den ausländischen Staaten „kampflos“ alle ihre Besteuerungsrechte belassen wurden, sodass insofern ein für Österreich „schlechtes“ DBA vorläge (Loukota in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 20; Philipp/ Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 406). Die Verordnung sieht daher als Einschränkung und Abweichung zu typischen österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen sowohl eine „Subject-to-tax“-Klausel (vgl. unten Rz 100ff) als auch eine „Switch-over-Klausel“ von der Befreiungsmethode zur Anrechnungsmethode (vgl unten Rz 138ff) vor. 81 Soweit die Anwendungsvoraussetzungen der VO nicht gegeben sind, besteht für den Abgabepflichtigen weiterhin die Möglichkeit durch eine bescheidmäßige Einzelerledigung des BMF nach § 48 eine Vermeidung der Doppelbesteuerung zu erreichen. 82 Nach Jirousek (ÖStZ 2003, 30f.) soll es darüber hinaus aber auch weiterhin möglich sein, dass der Steuerpflichtige auf die Anwendung der § 48-Verordnung verzichtet und statt dessen einen


Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 48 BAO

Antrag auf Erlassung eines Einzelbescheides stellt. Dies ist uE zutreffend, weil die § 48-Verordnung keine lex specialis zu einem § 48-Bescheid statuiert. Diese ist vielmehr eine Durchführungsverordnung zu § 48, welche die in der gesetzlichen Norm vorgesehene Ermessensübung zur Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung in den typisierten Fallkonstellationen der Verordnung zu einem Rechtsanspruch verdichtet ohne dem BMF in diesen Fällen die Kompetenz zur Bescheiderlassung zu nehmen. Es bleibt daher dem BMF unbenommen auch im Anwendungsbereich der Verordnung auf Antrag des Steuerpflichtigen mittels Bescheides vorzugehen und damit zB statt der in der Verordnung vorgesehenen Anrechnungsmethode die Befreiungsmethode anzuwenden (ebenso Lang in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 230f.; aA offenbar Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 413, die die individuelle Bescheiderlassung auf Fälle beschränken wollen, die nicht von der Verordnung erfasst sind). Dies muss nach Jirousek (ÖStZ 2003, 30f.) auch umgekehrt gelten, sodass der Steuerpflichtige im Antragsfall auch das Risiko einer Verböserung gegenüber einer unmittelbaren Verordnungsanwendung im Veranlagungsweg trägt (uE bedenklich, da der Steuerpflichtige bei Vorliegen der Voraussetzungen der Verordnung bereits einen Rechtsanspruch auf Entlastung besitzt).

b) Befreiungsmethode (§ 1 Abs 1) aa) Unbeschränkte Steuerpflicht 83 Erste Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Verordnung ist die unbeschränkte Steuerpflicht des Abgabepflichtigen. Für natürliche Personen ist dies nach § 1 Abs 2 EStG iVm § 26 BAO zu beurteilen, für Körperschaften ergibt sich die unbeschränkte Steuerpflicht aus § 1 Abs 2 KStG iVm § 27 BAO. Natürliche Personen sind damit bei Vorliegen eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes in Österreich, Körperschaften, wenn sie ihren Sitz oder Ort der Geschäftsleitung in Österreich haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Liegt ein Wohnsitz vor, unterliegt der Abgabepflichtige aber aufgrund der Zweitwohnsitzverordnung (BGBl II 2003/528) nur einer beschränkten Steuerpflicht, ist die § 48-VO nicht anwendbar; in diesem Fall ist eine Doppelbesteuerung nur durch einen § 48-Bescheid beseitigbar (BMF 20. 4. 2004 EAS 2450). 84 In den Anwendungsbereich der Verordnung fallen auch doppelt ansässige Kapitalgesellschaften (BMF 10. 12. 2002 EAS 2177). 85 Die beschränkte Steuerpflicht von Körperschaften des öffentlichen Rechts und persönlich befreiten Körperschaften mit ihren Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen (insb KEStpflichtige Einkünfte), ist als eine unbeschränkte Steuerpflicht im Sinne der Verordnung zu sehen (Haslinger in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 72f.). 86 Hingegen führt die Option zur unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs 4 EStG iFd Schumacker-Urteils des EuGH (E 14. 2. 1995, Rs C-279/33, Schumacker, Slg 1995, I-225) zu keiner Anwendbarkeit der Verordnung; in diesen Fällen ist allerdings in aller Regel ohnehin ein DBA anwendbar (Haslinger in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 73f.). 87 Zu einer möglichen Gemeinschaftsrechtwidrigkeit aufgrund der Anwendungseinschränkung auf unbeschränkt Steuerpflichtige vgl Haslinger in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 74ff.

bb) Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung 88 Die VO ist auf Fälle wirtschaftlicher Doppelbesteuerung nicht anwendbar (BMF 11.2.2003 EAS 2224; Herdin/Zieseritsch in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 241). Eine Entlastung kann in diesen Fällen nur durch Indiviualerledigung erfolgen (vgl oben Rz 35ff).

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cc) Nichtanwendbarkeit eines Doppelbesteuerungsabkommens 89 Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Befreiungsmethode ist, dass zwischen Österreich und dem anderen Staat kein darauf anwendbares Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen wurde. Gemeint ist damit, dass kein DBA abgeschlossen wurde, das auf die doppelt besteuerten Einkünfte anwendbar wäre, dass also auf diese Einkünfte ein DBA in persönlicher und sachlicher Hinsicht nicht anwendbar ist. 90 Die Voraussetzungen des fehlenden Abschlusses eines DBA und der Nichtanwendbarkeit des DBA in persönlicher und sachlicher Hinsicht, sind somit nicht als voneinander unabhängige Tatbestandsmerkmale, sondern zueinander in Beziehung zu sehen. Dies folgt uE aus dem der Wort „darauf“. § 1 Abs 1 setzt daher – nicht anders als bei Individualerledigungen (vgl oben Rz 3) – nicht einen DBA-losen Zustand voraus, sondern nur, dass im konkreten Fall ein DBA nicht anwendbar ist. Es besteht insoweit kein Anwendungsunterschied zu § 1 Abs 2 leg cit, der nur davon spricht, dass kein DBA anwendbar ist (BMF 11.2.2003 EAS 2224; Herdin, in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 64; zwfl W. Loukota/ Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 153). 91 Das Musterabkommen der OECD, an dem sich die Doppelbesteuerungsabkommen Österreichs orientieren, ist für Personen anwendbar, die in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind (Art 1 OECD-MA). Die Ansässigkeit wird in Art 4 OECD-MA anhand bestimmter Merkmale wie Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt und dgl definiert. Für Kollisionsfälle bei mehrfacher Ansässigkeit vgl die Kollisionsregel in Art 4 Abs 2 OECD-MA (so genannte „Tiebreaker-Rule“). 92 Eine unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich indiziert jedenfalls das Vorliegen von Ansässigkeit im Sinne des OECD-MA (Lang, Einführung in das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen2 Rz 187; Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 52). Es sind jedoch auch Fälle denkbar, in denen eine bloß beschränkte Steuerpflicht in Österreich zu einer Ansässigkeit nach einem DBA führen kann (Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 53; Lang/Schuch, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/ Österreich, Art 1 Rz 34); in diesen Fällen scheitert die Anwendbarkeit der VO allerdings an der Voraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht. 93 Abgabepflichtige, denen Abkommen mit Limitation of Benefits-Artikeln, insb jenes mit den USA (Art 16), die Abkommensberechtigung verweigern, sind vom persönlichen Anwendungsbereich des DBA grundsätzlich erfasst (und nur im Rahmen des LOB-Artikels wieder ausgenommen), sodass die VO für diese anwendbar ist (Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 53; ebenso im Ergebnis W. Loukota/Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 153). 94 Bei Dreiecksfällen, bei denen die Doppelbesteuerung nicht durch eines der beiden DBA beseitigt wird – typischerweise handelt es sich um Fälle, bei denen der Steuerpflichtige durch seine Betriebstätte im Quellenstaat Einkünfte aus einem Drittstaat bezieht – scheitert die Anwendbarkeit der Verordnung daran, dass in diesen Fällen eines der beiden DBA grundsätzlich anwendbar ist (vgl weiterführend Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 53ff). 95 Der Nachweis der Ansässigkeit ist durch eine Ansässigkeitsbestätigung des Heimatstaates zu erbringen (BMF 29. 5. 1996 EAS 886). 96 Der sachliche Anwendungsbereich eines DBA erstreckt sich nach Art 2 des OECD-MA auf alle Steuern vom Einkommen und Vermögen, die vom Vertragsstaat oder seinen Gebietskörperschaften eingehoben werden. Welche innerstaatlichen Steuern letztlich hiervon tatsächlich erfasst sind, ist eine Frage der Interpretation (Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 56). Dabei genügt, dass das Einkommen nur mittelbar Bemessungsgrundlage ist und die Steuer unmittelbar als Zuschlag zur Einkommens- oder Körperschaftsteuer erhoben wird (Wassermeyer in Debatin/ FINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009


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Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 48 BAO

Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Art 2 Rz 12; Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 57). 97 Typische Verkehrs- und Verbrauchssteuern sind keine Steuern vom Einkommen und Vermögen und scheiden damit jedenfalls vom sachlichen Anwendungsbereich eines DBA aus (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Art 2 Rz 12; Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 56). Auch die Kommunalsteuer, welche 1994 die Lohnsummensteuer ablöste, welche als Teil der Gewerbesteuer von den meisten DBA umfasst war, ist keine vergleichbare Steuer vom Einkommen und Vermögen und fällt idR nicht in den sachlichen Anwendungsbereich eines österreichischen DBA (vgl hierzu und zu den Ausnahmefällen Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 57f und in FN 33f sowie Burgstaller, SWI 2004, 17). Trotz sachlicher Nichtanwendung eines DBA kommt für zu diesen vergleichbare ausländische Steuern eine Vermeidung der Doppelbesteuerung nach der VO nicht in Betracht, da sie keine „einer der österreichischen Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vergleichbare Besteuerung“ darstellen (Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 57f.; Burgstaller, SWI 2004, 22ff; zur Möglichkeit eines § 48-Bescheides vgl oben Rz 15). 98 Steuern, die mangels Vergleichbarkeit mit Steuern vom Einkommen nicht in den sachlichen Anwendungsbereich eines österreichischen DBA fallen, scheiden somit idR auch aus dem Anwendungsbereich der VO aus, da die Vergleichbarkeitsprüfung in beiden Fällen nach den gleichen Gesichtspunkten vorzunehmen ist (Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 57). Eine Anwendung der VO mangels sachlicher Nichtanwendung eines DBA ist daher nur in wenigen Fällen denkbar (Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 57). In Betracht kommen insb Einkommensteuern von Gliedstaaten oder Kommunen (zB eine Gewerbeertragsteuer), die – entgegen dem Musterabkommen – vom DBA ausgenommen sind. Diese wären im Falle einer solchen fehlenden sachlichen Anwendbarkeit von § 1 Abs 1 leg cit erfasst (so auch Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 58) und nicht erst von § 1 Abs 2 leg cit wie offenbar W. Loukota/Staringer (in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 153) meinen. IdR wird es in diesen Fällen zu einem Methodenwechsel auf Anrechnung nach § 1 Abs 3 leg cit kommen. 99 Kommt es zu einer Doppelbesteuerung, weil der ausländische Staat eine Anwendbarkeit des DBA generell verneint, während diese nach österreichischer Ansicht gegeben ist (einseitige Nichtanwendung) oder zwar die Anwendbarkeit grundsätzlich bejaht, diese aber einer anderen Einkunftsart oder einem anderen Steuerpflichtigen zuordnet (erfolglose Anwendung), kommt eine Anwendung der VO nicht in Betracht, da in allen Fällen aus österreichischer Sicht eine Anwendbarkeit eines DBA grundsätzlich gegeben ist (vgl hierzu sowie zur Möglichkeit eines vorläufigen § 48Bescheides aus Anlass der Einleitung eines Verständigungsverfahrens Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 61f und BMF 30. 6. 2003 EAS 2307).

dd) Vergleichbarkeit der ausländischen Besteuerung 100 Weitere Anwendungsvoraussetzung ist, dass die positiven Einkünfte im ausländischen Staat einer der österreichischen Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vergleichbaren Besteuerung unterliegen, deren Durchschnittsteuerbelastung mehr als 15% beträgt. 101 Kriterien für die Prüfung der Gleichartigkeit bzw Vergleichbarkeit von Abgaben wie sie auf Basis der finanzverfassungsrechtlichen Gleichartigkeitsprüfung entwickelt wurden, sind der Besteuerungsgegenstand, der Kreis der Abgabepflichtigen, die Bemessungsgrundlage und der Steuertarif (vgl Ruppe, Finanzverfassung im Bundesstaat (1977) 61ff sowie Haslinger in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 84f mit zahlreichen weiterführenden Nachweisen der verfassungsrechtlichen Judikatur und Literatur). Dabei kommt dem Kriterium des Besteuerungsgegenstandes sowie FINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009

dem Kreis der Abgabepflichtigen vorrangige Beachtung zu (Haslinger in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 87). 102 Die ausländische Steuer muss, um mit der österreichischen Einkommen- oder Körperschaftsteuer vergleichbar zu sein, vom Einkommen oder von Teilen des Einkommens erhoben werden und zwar bei jener Person, die dieses Einkommen bezieht (Haslinger in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 87). Wenn der Besteuerungsgegenstand und der Kreis der Steuerpflichtigen identisch sind, ändern geringfügige Unterschiede in der Steuerbemessung und tarifliche Besonderheiten nichts an der Gleichartigkeit von Steuern (Haslinger in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 88 mit Nachweisen aus der verfassungsrechtlichen Judikatur in FN 87). 103 Zu beachten ist allerdings, dass für die Anwendbarkeit der Befreiungsmethode eine Durchschnittsbesteuerung von 15% gegeben sein muss, worin eine explizite Hervorhebung der tariflichen Vergleichbarkeit zumindest für die Anwendbarkeit der Befreiungsmethode gesehen werden kann. 104 Eine fünfzehnprozentige Mindestbesteuerung im Ausland wurde vom BMF schon bisher in Einzelerledigungen als Schwellenwert für die Wahl zwischen Befreiungs- und Anrechnungsmethode herangezogen (vgl BMF 23. 7. 2001 EAS 1900; anders allerdings zur Schenkungssteuer BMF 11. 3. 2002 EAS 2007: ein Drittel). Eine vergleichbare Verordnungsbestimmung findet sich in der VO BGBl 1995/57 zur steuerlichen Entlastung von Erträgen aus der internationalen Schachtelbeteiligung sowie in deren Nachfolge-VO BGBl II 2004/295. Soweit vor Wirksamkeitsbeginn der § 48-VO ergangene § 48-Bescheide eine Steuerfreistellung nicht an die Überschreitung einer 15%igen Besteuerungsschwelle knüpften, geht die für die Gültigkeitsdauer des Bescheides vorgesehene Steuerfreistellung auch dann nicht verloren, wenn nach Wirksamkeitsbeginn der § 48-VO diese Besteuerungsschwelle nicht erreicht wird (BMF 24. 3. 2005 EAS 2597). 105 Die Voraussetzung einer Durchschnittssteuerbelastung von 15% benachteiligt aufgrund der progressiven Steuersätze Personen mit niedrigen ausländischen Einkommen sowie Personen mit niedrigen Welteinkommen; zur verfassungsrechtlichen Problematik vgl Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 144ff. 106 Die VO enthält keine eigene Bestimmungen für die Ermittlung der Durchschnittssteuerbelastung, sondern verweist für die Ermittlung auf die „Grundsätze“, „die für die Berechnung der in der Verordnung BGBl. Nr. 57/1995 genannten Durchschnittsbesteuerung festgelegt sind“; diese seien sinngemäß anzuwenden (§ 1 Abs 1 letzter Unterabsatz leg cit; kompetenzrechtlich unproblematisch, vgl Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 126). Dieser Verweis bezieht sich nicht auf die gesamte Verordnung zur steuerlichen Entlastung von Erträgen aus der internationalen Schachtelbeteiligung, sondern lediglich auf die darin enthaltenen Grundsätze über die Berechnung der Durchschnittsbesteuerung. Diese sind nur in § 3 der VO BGBl 1995/57 enthalten, sodass sich der Verweis nicht auch auf die anderen Paragraphen dieser Verordnung bezieht (vgl hiezu Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 127f). Eine Bezugnahme auf die Nachfolgeverordnung BGBl II 2004/295 ist aufgrund der statischen Verweisung uE nicht möglich; die beiden Verordnungen sind allerdings in ihrem § 3 ohnehin nahezu inhaltsgleich. 107 Der Verweis ist wenig ergiebig. § 3 VO BGBl 1995/57 besagt im Wesentlichen lediglich, dass für die Ermittlung des ausländischen Einkommens die Gewinnermittlungsvorschriften des EStG bzw KStG für unbeschränkt Steuerpflichtige anzuwenden sind, ohne diese näher zu präzisieren (Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 129). Es folgt daraus aber zumindest, dass die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der ausländischen Durchschnittsbesteuerung nach den österreichischen Gewinnermittlungsvorschriften des EStG bzw KStG neu zu ermitteln ist. Vergleichswert bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist nach Ansicht des BMF der Bruttojahresbezug, inklusive der im


Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 48 BAO

Ausland besteuerten Sonderzahlungen, nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und ohne Ansatz der nichtsteuerbaren Taggelder gemäß § 26 EStG (BMF 4. 3. 2005 EAS 2574). 108 Bei außerbetrieblichen Einkünften hat dies jedenfalls durch Berechnung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten zu erfolgen (§ 2 Abs 3 Z 2 EStG, vgl Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 134). Bei betrieblichen Einkünften ist die nach österreichischen Steuerrecht hierfür vorgesehene Gewinnermittlungsart anzuwenden. Besteht nach innerstaatlichem Recht ein Wahlrecht (z.B. Einnahmen-Ausgabenrechnung nach § 4 Abs 3 EStG oder freiwilliger Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs 1 EStG), ist dieses auch nach der Verordnung gegeben (vgl auch Wassermeyer, in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, Kommentar, § 10 Anm 134ff so wie im Ergebnis Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 134f.). Die Festlegung der Gewinnermittlungsart für die ausländischen Einkünfte erfolgt unabhängig davon, ob vom unbeschränkt Steuerpflichtigen im Inland ebenfalls Einkünfte erzielt werden, die nach dieser Gewinnermittlungsart berechnet werden (Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 135). Das ausländische Vorliegen der für eine bestimmte Gewinnermittlungsart erforderlichen Kriterien wie zB eine der österreichischen Protokollierung vergleichbare Eintragung und eine den österreichischen Einkünften aus Gewerbebetrieb vergleichbare Einkunftsart für eine Gewinnermittlung nach § 5 Abs 1 EStG, ist in einer typisierenden Betrachtungsweise zu beurteilen (Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 135). 109 Vorgänge aus Vorperioden, die auf das laufende Veranlagungsjahr nachwirken, wie zB Abschreibungen, sind durch entsprechende Rückrechnungen zu berücksichtigen. Die hierfür erforderliche Überleitungsrechnung bildet die Berechnungsgrundlage für die zukünftige Einkünfteermittlung (vgl Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 136f.). 110 Bereits aus dem Begriff „Durchschnittssteuerbelastung“ lässt sich uE ableiten, dass in Österreich (bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen) auch jene Einkünfte freizustellen sind, die im ausländischen Staat einer Besteuerung von weniger als 15% unterliegen, solange die Summe der von der Verordnung erfassten ausländischen Einkünfte „im Durchschnitt“ einer ausländischen Besteuerung von mehr als 15% unterliegt. Dies kann in letzter Konsequenz auch dazu führen, dass Einkünfte von der Freistellung umfasst sind, die im ausländischen Staat keiner Besteuerung unterliegen, sodass es zumindest für einen Teil der ausländischen Einkünfte zu einer doppelten Nichtbesteuerung kommen kann; denn es kann keinen Unterschied machen, ob bestimmte Einkünfte einer Besteuerung von zB 10%, 5% oder eben 0% unterliegen, wenn die Besteuerung der restlichen Einkünfte dazu führt, dass diese Einkünfte in Summe die 15%-Besteuerungsschwelle im ausländischen Staat überschreiten (aA offenbar Herdin/Zieseritsch, in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 243, welche die Voraussetzung der „Erforderlichkeit“ in § 48 auf die Verordnung ausdehnen wollen; allerdings ist unklar, ob die Autorinnen dabei auch an den Fall einer nur teilweisen Nichtbesteuerung dachten). 111 Dies ist jedenfalls dann ohne weiteres der Fall, wenn die im ausländischen Staat unterschiedlich besteuerten Einkünfte derselben Einkunftsart (oder erst recht derselben Einkunftsquelle) zuzuordnen sind. Erzielt daher zB ein unbeschränkt Steuerpflichtiger aus einem ausländischen Dienstverhältnis unselbständige Einkünfte, die sich im Veranlagungsjahr einerseits aus im Ausland hoch besteuerten laufenden Einkünften und andererseits aus im Ausland steuerbefreiten Abfertigungszahlungen (im Zuge der Beendigung dieses Dienstverhältnisses im Veranlagungsjahr) zusammensetzen, so sind die Abfertigungszahlungen dann in Österreich nach der VO von der Besteuerung freizustellen (und im Ergebnis eine doppelten Nichtbesteuerung zu unterziehen), wenn die auf die laufenden Bezüge bezahlte ausländische Lohnsteuer mehr als 15% der Summe aus laufenden Bezügen und Abfertigungszahlungen beträgt. 112 Dies wird darüber hinaus aber auch dann gelten, wenn die Einkünfte aus unterschiedlichen, von der Verordnung jedoch

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grundsätzlich erfassten Einkunftsarten stammen, sodass die vergleichbare Mindestbesteuerung von mehr als 15% nicht im Hinblick auf die einzelnen Einkunftsarten, sondern auf die Summe der Einkunftsarten zu prüfen ist (so auch Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 131ff; für Vergleich nach Einkunftsarten möglicherweise BMF 4. 3. 2005 EAS 2574). Für diese Ansicht spricht die Systematik des österreichischen Einkommensteuergesetzes, die von der Summe der Einkünfte als Grundbasis für die Berechnung der Steuerlast ausgeht, sowie der Sinn und Zweck der VO, welcher ihr Wortlaut zumindest nicht entgegensteht; ebenso spricht der sinngemäß anzuwendende § 3 VO BGBl 1995/57 vom ausländischen „Einkommen“, welches sich nach den österreichischen Einkommensteuervorschriften erst aus der Summe der Einkünfte ergibt (Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 131). 113 Der Steuerausgleich zwischen mehreren Einkunftsarten zur Ermittlung der Durchschnittsbesteuerung findet allerdings seine Grenze innerhalb der Einkunftsarten eines Staates (Erfordernis einer nach Ländern getrennten Durchschnittssteuerermittlung). Nicht oder niedrig besteuerte Einkünfte aus einer ausländischen „Steueroase“ können daher nicht mit hoch besteuerten Einkünften einer anderen ausländischen Steuerjurisdiktion ausgeglichen werden, da dies dem Ziel und Zweck der Bestimmung, nämlich der Determinierung der Anrechnungsmethode im Fall einer Einkünfteerzielung in einem Niedrigsteuerland zuwiderlaufen würde (Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 130). 114 Bei der Ermittlung der Durchschnittsbesteuerung ist die ausländische Steuerbelastung dem Einkommen nach österreichischen Gewinnermittlungsvorschriften (§ 2 EStG) gegenüberzustellen. Zu berücksichtigen ist bei der Ermittlung dieses Einkommens daher auch ein Verlustvortrag aus Vorjahren, soweit dieser nach österreichischen Gewinnermittlungsvorschriften verrechnet werden kann. Zur problematischen Auswirkung des zeitlichen Auseinanderfallens der Verlustberücksichtigung nach österreichischen und ausländischen Gewinnermittlungsvorschriften auf die Durchschnittssteuerlast vgl weiterführend Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 138ff. 115 Nach den jeweiligen Steuerjurisdiktionen zeitlich inkongruente Steuererhebungen (zB nicht phasenkongruente Dividendenausschüttungen) können im Ergebnis dazu führen, dass der Steuerpflichtige in einem der beiden Staaten einen Verlust, im anderen hingegen einen Gewinn erwirtschaftet; dieser Effekt kann sich in späteren Veranlagungsperioden umdrehen. Bei einem Gewinn im Ausland und einem Verlust in Österreich wäre die ausländische Steuerlast in Österreich nicht verwertbar, bei einem Verlust im Ausland und einem Gewinn in Österreich fehlt es für eine Freistellung in Österreich an der ausländischen Durchschnittssteuerbelastung (vgl zur Problematik und mögliche Lösungsvorschläge hierzu bei Staringer in Gassner/Lang/Lechner, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht 273ff; Sutter, in Gassner/Lang/ Lechner, Außensteuergesetz 85ff; Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 139ff). 116 Die ausländischen Steuern welche zur Ermittlung der Durchschnittsbesteuerung in Bezug zur nach österreichischen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Bemessungsgrundlage zu setzen sind, müssen solche sein, die auf das Einkommen (nicht also etwa auch auf das Vermögen) entfallen (vgl § 3 Z 2 BGBl 1995/57), wobei eine mittelbare Belastung des Einkommens ausreichend ist. Erfasst sind daher jedenfalls zur österreichischen Einkommensund Körperschaftsteuer vergleichbare Steuern. Mittelbare Steuern wären etwa Steuern, deren Bemessungsgrundlage auf der festgesetzten Einkommen- bzw Körperschaftsteuer beruhen (wie zB die frühere Gewerbesteuer); vgl zu möglichen Abgrenzungen vergleichbarer Ertragsteuern ausführlich Sutter in Gassner/Lang/ Lechner, Außensteuergesetz 79ff. Ob der Steuerertrag dem Bundessstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften zukommt, ist irrelevant (Gassner in Gassner/Lang/Lechner, Methoden 335; Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 138). FINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009


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Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 48 BAO

117 Für den Nachweis der ausländischen Besteuerung gelten keine bestimmten Formerfordernisse (Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel, Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 139). Die Erbringung des Nachweises darf – trotz allenfalls erhöhter Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten – für den Abgabenpflichtigen jedenfalls nicht unzumutbar sein (§ 139 BAO, vgl hierzu Staringer in Gassner/Lang/Lechner, DBA und EU 276f; Kotschnigg, ÖStZ 1992, 82; Schuch in Gassner/ Lang/Lechner, Methoden 40f.). Ein Bescheid einer ausländischen Behörde muss nicht vorliegen (Hofbauer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 139).

nungsgeber mit dem Begriff des unbeweglichen Vermögens nur Grundstücke, nicht auch grundstücksgleiche Rechte erfassen wollen, hätte er gleich den Begriff des Grundstücks verwenden können. Dass er stattdessen den Begriff des „unbeweglichen Vermögens“ verwendet, lässt uE auf einen Oberbegriff schließen, der genug Interpretationsraum lässt, um auch die grundstücksgleichen Rechte mit zu umfassen.

ee) Befreite Einkünfte 118 Die Verordnung befreit nur bestimmte „positive ausländische Einkünfte“ von der Besteuerung im Inland. Diese befreiten Einkünfte sind in § 1 Abs 1 lit a) – f) leg cit taxativ aufgezählt (Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 96). Der Kreis der befreiten Einkünfte umfasst jene, bei denen üblicherweise schon bisher in ministeriellen Einzelbescheiden nach § 48 sowie aufgrund von österreichischen DBA die Befreiungsmethode zur Anwendung kam (Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 97). 119 Der Katalog der befreiten Einkünfte beinhaltet solche, bei denen der Steuerpflichtige im Sinne der Kapitalimportneutralität am Wettbewerb im Quellenstaat teilnimmt; sei es durch aktive Tätigkeit oder – im Falle der Vermietungs- und Verpachtungseinkünfte – durch dort befindliches Vermögen. Nicht umfasst sind daher passive Einkünfte aus Verwertungen von selbständiger oder nichtselbständiger Tätigkeit (vgl auch Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 98; Jirousek, ÖStZ 2003, 31). 120 Die Aufzählung hat sowohl mit den zu befreienden Einkünften nach dem DBA-Musterabkommen der OECD als auch – spiegelbildlich – mit den Katalog der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte nach § 98 EStG Ähnlichkeiten, stimmt aber mit keiner dieser Vorschriften in Wortlaut und Systematik völlig überein und nimmt insofern eine eigenständige Bedeutung im Normengefüge zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen ein. Es ist daher nicht zulässig, die im Katalog verwendeten Begriffe pauschal ausschließlich nach innerstaatlichem oder DBA-Recht zu verstehen (Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 98). Die Auslegung hat sich stets am Einzelfall zu orientieren. Nach der Untersuchung von Schilcher/Strasser (in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 93ff (117)) sprechen allerdings bei allen vom Katalog erfassten Einkünfte die besseren Argumente für eine Anknüpfung an innerstaatliches Recht.

123 Einkünfte aus Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit sind nach lit b) leg cit nur dann befreit, wenn diese in einer ausländischen Betriebsstätte ausgeübt werden. Bei Fehlen einer ausländischen Betriebsstätte kann eine Befreiung allerdings nach lit c) – e) in Betracht kommen.

lit a) Einkünfte aus im Ausland belegenem unbeweglichen Vermögen 121 Unter lit a) leg cit fallen außerbetriebliche Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 28 EStG) sowie aus der Veräußerung im Rahmen eines Spekulationsgeschäftes (§ 30 EStG). Betriebliche Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen sind hingegen von lit b) erfasst (Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 100f.) 122 Der Begriff des unbeweglichen Vermögens orientiert sich am innerstaatlichen Recht; er umfasst allerdings nach Schilcher/ Strasser (in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 99) nur Grundstücke selbst, nicht auch „Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke“ (vgl § 28 Abs 1 Z 1, § 30 Abs 1 Z 1 lit a), § 98 Abs 1 Z 7 EStG) unterliegen, da diese vom innerstaatlichen Recht neben den Grundstücken behandelt werden; anders wäre die Lösung hingegen bei einer Anknüpfung an DBARecht (vgl Art 6 OECD-MA). Einkünfte aus solchen Rechten wären demnach von der Verordnung nicht erfasst. UE ist dies eine zu enge Auslegung: Gerade die Tatsache, dass das innerstaatliche Recht Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte in § 28, 30 und 98 EStG stets gemeinsam erwähnt, zeigt die Systematik, dass es diese idR auch gleich behandelt wissen will. Hätte der VerordFINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009

lit b) Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die aus einer im Ausland gelegenen Betriebsstätte stammen

124 Mit Einkünften aus Gewerbebetrieb sowie aus selbständiger Arbeit sind die betrieblichen Einkünfte nach § 22, 23 EStG gemeint (vgl Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 101ff). 125 Nicht erfasst sind daher Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 21 EStG. Diese fallen auch nicht unter lit a) der Verordnung, die nur außerbetriebliche Einkünfte erfasst. Für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bleibt daher nur die Anrechnungsmethode nach § 1 Abs 2 leg cit (widerspricht der sonst üblichen Systematik nach DBA-Recht, vgl Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 102). 126 Die Anknüpfung an innerstaatliches Recht bei den Einkunftsbegriffen lässt auch auf eine Auslegung des Begriffes der Betriebsstätte nach § 29 BAO schließen (vgl Schilcher/Strasser, in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 103ff).

lit c) Einkünfte, die aus einer im Ausland unternommenen Bauausführung oder Montage stammen 127 Die Einkunftsart ergänzt lit. b) als Auffangtatbestand für jene Fälle, in denen die Bauausführung oder Montage, vor allem aufgrund des Fehlens einer gewissen Dauer (noch) keine Betriebsstätte begründet, weil diesfalls bereits, falls selbständig ausgeübt, Einkünfte nach lit b) leg cit, bei unselbständiger Tätigkeit nach lit f) leg cit vorlägen. Die Begriffe Bauausführung und Montage sind daher unabhängig von zeitlichen Mindestanforderungen zu sehen (so auch im Ergebnis Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 107). 128 Zur Auslegung der Begriffe Bausausführung und Montage vgl im innerstaatlichen Recht § 29 Abs 2 lit c) BAO (Bauausführung) und § 3 Abs 1 Z 10 lit b EStG (Montage); das OECD-MA verwendet die Begriffe in Art 5 Abs 3; vgl hierzu im Schrifttum zB Ritz, BAO3, § 29 Rz 12; Gassner in Gassner et al, Die Betriebstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen 57; Bendlinger/ Herbich, SWI 2000, 562. 129 Die Begriffsdefinitionen im innerstaatlichen und DBARecht sind weitgehend deckungsgleich. Der Unterschied liegt im Wesentlichen in der Frist, ab der Bausausführungen und Montagen eine Betriebsstätte begründen (nach § 29 BAO 6 Monate, nach Art 5 Abs 3 OECD-MA 12 Monate; die reine Montagetätigkeit ist nach hA vom innerstaatlichen Betriebsstättenbegriff allerdings nicht umfasst (vgl Gassner, ÖStZ 1973, 276). Da sich diese zeitlichen Unterschiede für die Begründung einer Betriebsstätte letztlich nur dahin gehend auswirken, ob lit b) oder c) leg cit zur Anwendung kommt, ist die Anknüpfungsfrage bei der Begriffsauslegung der lit c) leg cit nur von geringer praktischer Bedeutung (für innerstaatliches Recht Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 105ff).


Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 48 BAO

lit d) Einkünfte aus einer im Ausland ausgeübten Vortrags- oder Unterrichtstätigkeit 130 Zur Vortragstätigkeit vgl den Begriff des Vortragenden in § 99 Abs 1 Z 1 EStG, zur unterrichtenden Tätigkeit vgl § 22 Abs 1 lit a) EStG. 131 Wird die Tätigkeit selbständig im Rahmen einer ausländischen Betriebsstätte ausgeübt, läge bereits lit b) leg cit vor. lit e) Einkünfte aus einer im Ausland erfolgten Mitwirkung an einer Unterhaltungsdarbietung 132 Von „Mitwirkenden an Unterhaltungsdarbietungen“ spricht § 98 Z 3 bzw § 99 Abs 1 Z 1 EStG. 133 Der Begriff der Unterhaltung umfasst nach Ansicht des VwGH (E 28. 5. 1998, 96/15/0122) „singulär oder gemeinsam betriebenen angenehmen Zeitvertreib oder Art der Geselligkeit zur physisch-psychischen Entspannung bzw Erholung, der unvermittelt verschafft werden kann durch Eigenaktion oder vermittelt wird durch Rezeption von organisierten Darbietungen“. Nach Ansicht des BMF ist der Begriff der Unterhaltungsdarbietung weit zu interpretieren und umfasst neben Sportwettkämpfe, Zirkusdarbietungen, Showveranstaltungen, Theater- und Konzertveranstaltungen (Loukota, Außensteuerrecht, Rz 94) auch Modeschauen (BMF 26. 3. 1992 EAS 108; differenzierend VwGH 28. 5. 1998, 96/15/0122: Unterhaltungswert dürfe nicht völlig in den Hintergrund treten), Diskothekenauftritte (BMF 12. 4. 1995 EAS 614), Schallplattenstudioaufnahmen (BMF 12. 4. 1995 EAS 610) und Kunstausstellungen (BMF 9. 12. 1996 EAS 983). Rein sachliche Darbietungen ohne ausreichenden Unterhaltungswert stellen keine Unterhaltungsdarbietung dar (Kalteiss, Die Besteuerung international tätiger Künstler und Künstlerbetriebe 177). 134 Die „Mitwirkenden an Unterhaltungsdarbietungen“ sind für das BMF ein Sammelbegriff für Künstler, Artisten, gewerblich tätige Musiker, Berufs- und Amateursportler sowie Beleuchtungstechniker, Regisseure, Kostümbildner (vgl Rz 7492 EStR, Loukota, Außensteuerrecht, Rz 93). Zu den Mitwirkenden zählen daher nicht nur die eigentlichen Darbieter, sondern auch das Personal „hinter der Bühne“, also auch Personen mit bloßer verwaltungsmäßiger und unterstützender Funktion (somit etwa der Begleittross einer Popgruppe auf Tournee, kritisch Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 112; Burgstaller/Schuch in Gassner et al, Die beschränkte Einkommen- und Körperschaftsteuerpflicht 159ff). 135 Wird die Tätigkeit selbständig im Rahmen einer ausländischen Betriebsstätte ausgeübt, läge bereits lit b) leg cit vor. lit f) Einkünfte aus einer im Ausland ausgeübten nichtselbständigen Arbeit 136 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sind solche im Sinne des § 25 EStG (Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 114ff). Aus dem Wortlaut (arg. „ausgeübten“) ergibt sich – im Gegensatz zu § 98 Z 4 EStG, welcher auch die Verwertung umfasst – eine Beschränkung auf Aktiveinkünfte, also persönliches Tätigwerden. 137 Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit iSd § 25 EStG zählen insb auch nachträgliche Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit wie Pensions- und Abfertigungszahlungen. (Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 114ff). Entscheidend ist, dass die im Veranlagungszeitraum zugeflossene Zahlung in kausalem Zusammenhang mit einer Tätigkeit steht, die der Steuerpflichtige seinerzeit im Ausland nichtselbständig iSd § 25 EStG ausgeübt hat (Schilcher/Strasser in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 116). c) Anrechnungsmethode (§ 1 Abs 2) 138 § 1 Abs 2 leg cit wurde als Auffangtatbestand zu Abs 1 für Fällen konzipiert, in denen der Eintritt einer internationalen Dop-

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pelbesteuerung nicht nach Abs 1 beseitigt werden kann. In diesen Fällen soll es zu einer Vermeidung der Doppelbesteuerung mittels Anrechnungsmethode kommen. Hauptanwendungsfall wird sein, dass eine Durchschnittsbeteuerung von 15% nicht erreicht wird, sowie die nicht im Katalog des Abs 1 genannten passiven Einkunftstypen der Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren (vgl W. Loukota/Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 151). 139 Eintritt einer internationalen Doppelbesteuerung bedeutet die Situation einer tatsächlichen Doppelbesteuerung zwischen zwei Staaten hinsichtlich gleichartiger Abgaben (VwGH 14. 10. 1987, 85/13/0014 uva). Kommt es daher im Ausland nicht zu einer Erhebung von Steuern vom Einkommen auf die betreffenden Einkünfte, ist eine Anrechnung ausgeschlossen (W. Loukota/Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 151). 140 Abs 2 verlangt in seinen Anwendungsvoraussetzungen weiters die Nichtanwendbarkeit eines DBA. Aus der unterschiedlichen Formulierung zu § 1 Abs 1 leg cit, der zusätzlich verlangt, dass kein Abkommen abgeschlossen wurde, lässt sich kein Anwendungsunterschied zwischen den beiden Absätzen gewinnen (vgl oben Rz 91). Qualifikationskonflikte von Einkünften, die trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit eines DBA zu einer Doppelbesteuerung führen, sodass Abs 1 nicht anwendbar ist, können daher auch nicht nach Abs 2 durch Anrechnung der Steuer beseitigt werden (BMF 11. 2. 2003 EAS 2224; Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 64; aA offenbar W. Loukota/Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 153). 141 Der Begriff des unbeschränkt Steuerpflichtigen entspricht jenem des Abs 1 (vgl oben Rz 84ff). 142 Angerechnet werden „ausländische Steuern vom Einkommen“. Anrechenbar sind sowohl veranlagte als auch im Abzugsweg erhobene Einkommensteuern (W. Loukota/Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 156). Eine Vergleichbarkeit der ausländischen Einkommensteuer mit der österreichischen Einkommen- und Körperschaftsteuer wie nach Abs 1 ist nicht gefordert. 143 Gegenstand der ausländischen Steuer muss eine ertragsorientierte Bezugsgröße sein (W. Loukota/Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 155). Das ist bei Kopfsteuern, Registersteuern, vom Umsatz bemessenen Ertragsteuern und anderen „exotischen“ Auslandsteuern nicht der Fall (vgl W. Loukota/Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 155f, die für eine Anrechnung dieser Steuern eintreten, falls sie im ausländischen Staat ersatzweise an die Stelle einer Einkommensteuer treten). 144 Angerechnet werden nur Steuern, die „unmittelbar“ auf die ausländischen Einkünfte entfallen. Daraus folgert das BMF (11. 2. 2003 EAS 2224), dass die Anrechnung – wie auch im DBA-Recht jedoch in Unterschied zur Anrechnung nach § 10 Abs 4 KStG, der auch eine Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuern der ausländischen Enkel- und Urenkelgesellschaften usf (so genannte „underlying taxes“) erlaubt – eine Personenidentität des ausländischen und inländischen Steuerschuldners erfordert; für eine indirekte Anrechnung der underlying taxes zur Vermeidung einer Differenzierung zwischen Privat und Corporate Investor hingegen W. Loukota/Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 156ff. 145 § 1 Abs 2 leg cit sieht – in Anlehnung an das DBA-Recht – einen Anrechnungshöchstbetrag vor. Angerechnet werden kann – anders als nach DBA-Recht – nur auf die „veranlagte“ Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Dadurch soll eine Anrechnung auf andere, nicht im Veranlagungsweg erhobene Steuern, wie auf die Lohnsteuer, insb aber auf die Kapitalertragsteuer, vermieden werden (vgl Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 410; aA Bauer/Burgstaller in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 197ff, welche nach „Ziel und Zweck der VO und nicht zuletzt systematischen Erwägungen“ für eine Anrechnung der ausländischen Steuer im Abzugsweg durch Arbeitgeber bzw Kreditinstitut plädieren. Ihre Argumentation kann uE nicht überzeugen. Sie setzt sich über den klaren Wortlaut der Verordnung – arg. „veranFINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009


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lagte“ – hinweg). Es handelt sich um eine Parallelregelung zur DBA-KESt-Entlastungsverordnung (BGBl II 1998/43) für den Nicht-DBA-Fall, die sicherstellen soll, dass die Vorteile der Abgeltungswirkung des KESt-Abzuges nicht mit Anrechnungsvorteilen kombiniert werden (W. Loukota/Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 159). Die Anrechnung fordert daher den Verzicht auf die ansonsten bestehende Endbesteuerung von Kapitalerträgen. Der Sonderveranlagungstatbestand in § 97 Abs 4 dritter Satz EStG, welcher in DBA-Anrechnungsfällen eine Antragsveranlagung auch bei einem Steuertarif von weniger als 25% zulässt, muss analog auch hier anwendbar sein (W. Loukota/Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 159). 146 Nach § 1 Abs 2 letzter Satz leg cit ist bei Einkünften aus mehreren Staaten für jeden Staat eine gesonderte Höchstbetragsberechnung vorgesehen (so genannten Per Country Limitation im Gegensatz zur Overall Limitation und zur – im Entwurf der Verordnung noch vorgesehenen – Per Item Limitation, vgl hierzu W. Loukota/Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 161f; Rz 7584f. EStR 2000).

d) Ausländische Gliedstaatensteuern (§ 1 Abs 3) 147 Abs 3 ist eine Sonderbestimmung für Einkommensteuern lokaler Gebietskörperschaften ausländischer Staaten. Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass ein DBA mit Anrechungsmethode besteht, das die Gliedstaatensteuern in seinem sachlichen Anwendungsbereich nicht umfasst. Ohne § 1 Abs 3 leg cit wäre in diesen Fällen grundsätzlich die Befreiungsmethode nach Abs 1 und (nur) bei Verfehlung der sonstigen Anwendungsvoraussetzungen des Abs 1 die Anrechnungsmethode nach Abs 2 anwendbar. Abs 3 benachteiligt damit Gliedstaatensteuern gegenüber Steuern des Bundes- bzw Zentralstaates (so auch Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 59). 148 DBA mit Anrechnungsmethode sind jene Abkommen, die für die doppelt besteuerten Einkünfte – für den Fall, dass es sich um Bundes- bzw Zentralstaatsteuern handeln würde – in ihrem Methodenartikel (somit nicht in den Verteilungsnormen des DBA) – auf Seiten Österreichs die Anrechnungsmethode vorsehen (vgl auch W. Loukota/Staringer in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 164 und im Ergebnis Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 59, die jedoch übersieht, dass auch der Methodenartikel für unterschiedliche Einkünfte unterschiedliche Methoden vorsehen kann, zB eine Anrechung nur für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren. Diese sind allerdings als passive Einkünfte vom Einkunftskatalog des Abs 1 ohnehin nicht umfasst, sodass für diese jedenfalls nur die Anrechnungsmethode in Betracht kommen kann (so auch W. Loukota/Staringer, in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 165); diese kann aber zu einem jeweils unterschiedlichen Ergebnis nach Abs 2 und Abs 3 führen. 149 Es scheint, dass der Verordnungsgeber gezielt das Abkommen mit den USA erfassen wollte, da in den von Österreich abgeschlossenen DBA sonst augenscheinlich kein Fall zu finden ist, in dem Gliedstaatensteuern auf das Einkommen nicht erfasst sind und als Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anrechungsmethode vorgesehen ist (Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 59). 150 Der Begriff der „Steuern von Einkommen“ entspricht jenem des Abs 2 (vgl oben Rz 142ff). 151 Lokale Gebietskörperschaften sind öffentlich-rechtliche Körperschaften, welche flächenmäßige Untereinheiten des ausländischen Staates darstellen, insb also die Länder eines Bundesstaates sowie Gemeinden, Stadtbezirke (zB der District of Manhattan mit seiner Manhattan Tax) aber auch Provinzen eines Zentralstaates, wenn diesen eine Steuerhoheit zukommt, die von einem DBA nicht umfasst ist. 152 Zu beachten ist, dass die Anrechung nach § 1 Abs 3 letzter Satz leg cit nicht in sinngemäßer Anwendung der in § 1 Abs 2 leg cit, sondern „der im Abkommen vorgesehenen Anrechnungsmethode“ zu erfolgen hat. Während § 1 Abs 2 leg cit eine Anrechnung FINANZ JOURNAL Nr 7-8/2009

bis zum auf die Einkünfte entfallenden österreichischen Steuersatz vorsieht, kann dieser bei sinngemäßer Anwendung des DBA aufgrund einer eventuellen Quellensteuerbeschränkung geringer sein (Herdin in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 60f).

e) Progressionsvorbehalt (§ 1 Abs 4) 153 § 1 Abs 4 leg cit sieht bei Anwendung der VO zwingend die Berücksichtigung eines Progressionsvorbehaltes vor. Bei Indiviudalerledigungen wird dies im Rahmen der Ermessensübung idR zwar geboten sein, doch ist ein Verzicht auf den Progressionsvorbehalt im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen. f) Verzeichnis (§ 2) aa) Erforderliche Verzeichnisführung (§ 2 Abs 1) 154 § 2 der Verordnung verlangt als Voraussetzung einer Steuerentlastung gemäß § 1 den Ausweis der Einkünfte in einem ordnungsgemäß geführten Verzeichnis. Das Verzeichnis hat die in lit a) – f) angeführten Angaben zu enthalten. Der Behörde soll damit eine nachvollziehbare Übersicht über die wesentlichen Parameter der Besteuerung geboten werden (Bauer/Burgstaller in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 188; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 408), um ihr so eine jederzeitige Überprüfung der durch den Steuerpflichtigen im „Do-it-yourselfSystem“ vorgenommenen Steuerentlastung zu ermöglichen (Loukota in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 21). 155 Nach Loukota (in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 21f) handelt es sich bei der Vorlageverpflichtung um eine materielle Voraussetzung für die Gewährung der Steuerentlastung, da die Inanspruchnahme der Steuerentlastung ein bloßes Wahlrecht sei. Hingegen plädieren Bauer/Burgstaller (in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 209ff) für eine formelle Verpflichtung: Die Behörde habe bei fehlendem oder mangelhaften Verzeichnis aufgrund des Prinzips der Amtswegigkeit des Abgabenverfahrens in § 115 BAO einen Nachbesserungsauftrag nach § 161 BAO zu erteilen. Ist die Behörde bereits in Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände, habe die Steuerentlastung auch ohne ordnungsgemäßem Verzeichnis zu erfolgen. In der Praxis wird dieser Frage uE wenig Bedeutung zukommen, da doppelt besteuerte Abgabepflichtige, vor allem bei Anwendbarkeit der Befreiungsmethode, wohl eher selten auf die Vorlage eines ordnungsgemäßen Verzeichnisses und damit auf die Ermittlung der notwendigen Durchschnittsbesteuerung vergessen werden, vor allem aber auch deshalb, weil bei Annahme einer materiellen Verpflichtung eine nachträgliche ordnungsgemäße Verzeichnisaufnahme mit Wirkung ex tunc für zulässig erachtet wird (Loukota in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 22; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 409), sodass der Abgabepflichtige das nicht ordnungsgemäße Verzeichnis noch nachbessern kann. 156 Auf die den Eintragungen zugrunde liegenden Belege ist hinzuweisen. Beleg ist im Sinne der §§ 131 BAO zu verstehen; es gelten daher auch die dort normierten Aufbewahrungsfristen (Bauer/ Burgstaller in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 192, 194). Diese sind leicht auffindbar in Evidenz zu halten (Philipp/Loukota/ Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 409). 157 Angaben haben – getrennt – „für jede Einkunftsquelle“ zu erfolgen. Der Begriff der Einkunftsquelle wird im Steuerrecht nicht definiert. Er ist jedenfalls enger als der Begriff der Einkunftsart. Gemeint dürfte die entsprechende wirtschaftliche Grundlage sein, aus der die Einkünfte fließen, wie etwa ein Betrieb, eine Anleihe oder ein Mietobjekt, dh jede einzelne Quelle aus der Erträge fließen, soweit keine Zuordnung zu einem Betrieb und damit die aggregierte Erfassung in einem Rechenwerk vorzunehmen ist (Bauer/Burgstaller in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 188). lit a) Bezeichnung des Staates der Einkünfteerzielung 158 Die Frage, welchem Staat die erzielten Einkünfte zuzurechnen sind, ist nach den üblichen ertragsteuerlichen Zurechnungs-


Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 48 BAO

grundsätzen zu beurteilen; de facto werden Abgabepflichtige hier den Staat der tatsächlichen Besteuerung anführen (Bauer/Burgstaller in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 189).

lit b) Art der Einkünfte 159 Der Abgabepflichtige hat hier eine Einordnung der doppelt besteuerten Einkünfte in die sieben Einkunftsarten des EStG nach § 2 Abs 3 EStG vorzunehmen, wobei die Subsidiarität der Einkunftsarten zu beachten ist. 160 Die ergänzend geforderte „geschäftsübliche Bezeichnung“ ist nicht definiert und uE im Sinne der oben erwähnten Einkunftsquelle zu verstehen (ähnlich Bauer/Burgstaller in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 191). lit c) Höhe der Einkünfte 161 Die Ermittlung und Angabe der Höhe der Einkünfte hat auf Grundlage der österreichischen Ermittlungsvorschriften für den Gewinn bzw für den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erfolgen. Das Verzeichnis hat nur die saldierte Größe zu enthalten, doch ist im Verzeichnis auf eine eigene gesonderte Aufzeichnung der Berechnungsgrundlage zu verweisen. lit d) Prozentsatz der Durchschnittssteuerbelastung 162 Der Prozentsatz der Durchschnittssteuerbelastung ist nur bei Anwendung der Befreiungsmethode erforderlich (zur Berechnung vgl oben Rz 100 ff). 163 Die Belege über die ausländische Besteuerung müssen geeignet sein, den Nachweis der erfolgten ausländischen Besteuerung zu erbringen, wobei der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel zu beachten ist (§ 166 BAO). Einkommen- oder körperschaftsteuerbescheidähnliche behördliche Entscheidungen über die Besteuerung – notfalls in beglaubigter Übersetzung – erfüllen diese Voraussetzung jedenfalls (Bauer/Burgstaller in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 193). Ein Beleg über die Zahlung der ausländischen Steuerlast ist hingegen nicht gefordert (Bauer/Burgstaller in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 193). lit e) Höhe der anrechenbaren ausländischen Steuer 164 Zur Berechnung der anrechenbaren Steuer vgl oben Rz 100 ff. lit f) Angaben über die zeitliche Zuordnung 165 Die zeitliche Zuordnung der ausländischen Einkünfte hat nach österreichischen Vorschriften zu erfolgen; im Falle einer Buchführung somit nach ihrer wirtschaftlichen Realisation, bei Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und bei Überschussermittlung nach den Zufluss-Abflussprinzip. Die Anknüpfung an österreichische Rechtsvorschriften gilt auch für die Dauer des Veranlagungszeitraumes. bb) Lohnverrechnungsunterlagen (§ 2 Abs 2) 166 Die § 48-Verordnung kann vom Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren direkt angewandt werden; die Entlastung erfolgt durch Anwendung der Befreiungsmethode (Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 410). Liegen auch nicht freizustellenden Einkünfte vor, hat die Freistellung zwecks Vornahme des Progressionsvorbehaltes im Wege der Veranlagung zu erfolgen (Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 410). Eine Anrechnung der ausländischen Lohnsteuer wäre nur im Veranlagungsweg, nicht auch im Abzugsweg zulässig (glA Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 410; aA Bauer/Burgstaller in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 197ff, vgl oben Rz 146) Soweit die relevanten Informationen bereits aus den der Lohnverrechnung zugrunde liegenden Unterlagen

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entnommen werden kann, ist eine Verzeichnisführung nicht erforderlich.

g) Verbot der Doppelverlustverwertung (§ 3 Abs 1) 167 § 3 Abs 1 leg cit soll eine Doppelverlustverwertung im Ansässigkeits- und Quellenstaat verhindern. Das Verbot der Doppelverlustverwertung bestätigt im Umkehrschluss, dass in einem Verlustjahr auch im Anwendungsbereich der § 48-Verordnung die (einmalige) Berücksichtigung von Auslandsverlusten in Österreich grundsätzlich zulässig ist (Stefaner in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 173). Im Ergebnis wird im Wirkungsbereich der Verordnung jene Rechtslage geschaffen, die der VwGH in E 25. 9. 2001, 99/14/0217, für vergleichbare DBA-Fälle vorgezeichnet hat (BMF 15. 1. 2003 EAS 2213; Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I2, Z 00 Rz 411). 168 Die Berücksichtigung der ausländischen Verluste kann nur im Rahmen der Anrechnungsmethode nach § 1 Abs 2 leg cit erfolgen, da die Anwendung der Befreiungsmethode nach § 1 Abs 1 leg cit auf „positive Einkünfte“ beschränkt ist. Die Verluste im ausländischen Quellenstaat kürzen im Jahr ihrer Entstehung die inländische Steuerbemessungsgrundlage des unbeschränkt Steuerpflichtigen. Die Ermittlung des Verlustes im ausländischen Quellenstaat im Verlustjahr erfolgt nach österreichischen Gewinnermittlungsvorschriften (Stefaner in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 173). 169 Bei Einkünften, die bereits von vornherein der Anrechnungsmethode nach § 1 Abs 2 leg cit unterliegen, kann es idR zu keiner Doppelverlustverwertung kommen, denn sobald die ausländischen Verluste im Quellenstaat – so dies nach dortigem Recht zulässig ist – mit Gewinnen verrechnet werden, kommt es dort zu einer geringeren Steuerlast, die in Österreich – in dieser geringeren Höhe! – angerechnet werden. Die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags erfolgt dabei auf Basis einer Per Country Limitation (vgl oben Rz 146). Es kommt dadurch zu einer automatischen Aufholung des Vorteils, der durch die ausländische Verlustverwertung entstanden ist (Stefaner in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 176). 170 Zu einer Doppelverlustverwertung kann es hingegen kommen, falls die Einkünfte grundsätzlich der Befreiungsmethode nach § 1 Abs 1 leg cit unterliegen. Werden im Quellenstaat wieder positive Einkünfte erzielt, kommt es zu einem Methodenrückwechsel auf die Befreiungsmethode. Eine im Quellensstaat vorgenommene Verlustverrechnung findet damit im Inland keine Berücksichtigung in Form einer geringeren anrechenbaren Steuer (Stefaner in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 178). Diese doppelte Verlustverwertung will § 3 Abs 1 leg cit verhindern, in dem in einem solchen Fall § 1 leg cit unanwendbar wird. 171 Die Nachversteuerung wird erreicht, indem weder die Einkünfte nach § 1 Abs 1 befreit, noch die Steuer nach § 1 Abs 2 angerechnet wird. § 3 Abs 1 greift auch dann, wenn die Verluste bereits vor Inkrafttreten der Verordnung entstanden sind (BMF 15. 1. 2003 EAS 2213). Ein Nachversteuerung erfolgt nur „insoweit“ es zu einer doppelten Verlustverwertung kommen würde. Die Nichtanwendbarkeit des § 1 ist damit in der Höhe durch den im ausländischen Quellenstaat effektiv möglichen Verlustausgleich limitiert (Stefaner in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 178). 172 Entsteht der Verlust nach dem Recht des Quellenstaates in einem anderen Veranlagungszeitpunkt oder in unterschiedlicher Höhe kann die Berücksichtigung der ausländischen Verluste im Wege der Anrechnungsmethode zu unlösbaren Problemen führen (vgl Stefaner in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 175ff). Dies kann gerade im Anwendungsbereich der § 48-Verordnung häufig der Fall sein, weil als ausländische Quellenstaaten nur solche in Betracht kommen, mit denen Österreich kein DBA abgeschlossen hat, was vor allem für „exotischere“ Steuerrechtsjurisdiktionen zutreffen wird (zutreffend Stefaner in Bauer et al, Unilaterale Maßnahmen 183). ◆

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