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Gabriel Ananda und sein Livecontroller Mächtiges „Marke Eigenbau“ Wie immer stand der Jahresanfang ganz im Zeichen der NAMM-Show, der Messe der National Association of Music Merchants. Alle Hersteller waren dafür ins kalifornische Anaheim geflogen, ein ruhiger Monat stand darum im Groove-Teststudio bevor – bis uns Gabriel Ananda zu einer privaten Präsentation seines in Eigenregie gefertigten Controller-Unikats einlud.
TEXT & FOTOS: Numinos
Über Gabriel Ananda müssen wir an dieser Stelle wohl nicht mehr viele Worte verlieren. Er zählt zu den besten Techno-Produzenten Deutschlands und ist wegweisend als Live-Act – in Bezug auf den technischen Aufwand und auf den tatsächlichen Live-Faktor, also auf das, was er auf der Bühne in Echtzeit regelt. Weil ihm umfassende Eingriffsmöglichkeiten auf die Einzelspuren seiner Tracks sehr wichtig sind, setzte Ananda anfänglich eine 24-Kanal-Konsole (vorzugsweise Soundcraft) auf seine Bühnen-Wunschliste. Das stellte sich jedoch als ziemlich unbefriedigendes Unterfangen heraus, da er sich nie sicher sein konnte, welches Pult ihm die Veranstalter dann auch wirklich hinstellten. Die Bandbreite reichte von unterdimensionierten 16-Kanal-Pulten bis zu 64-Kanal-Regiemixern, die mit eineinhalb Metern Tiefe für LiveActs völlig unbrauchbar waren. DIE IDEE Kurz nach dem Wechsel von der Akai MPC als Klangquelle für seine Live-Acts zu Ableton Live war Ananda sein Setup leid: „Ich hatte die Effekte, die EQs, ja sogar den Kanal-Gain in
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Ableton Live, warum soll ich dann noch mit einer riesigen Konsole arbeiten“, sagt er, „mal ganz zu schweigen von der Störanfälligkeit der Sachen.“ Es musste ergo eine transportable, aber auch entsprechend leistungsfähige Individuallösung her. Dabei wollte er den Komfort, den der Signalpfad einer analogen Konsole bietet, vollständig beibehalten. Es ging also darum, einen Controller zu bauen, der dem bewährten Aufbau folgt – sprich: Fader, Muteund Solo-Buttons, Gain, EQs und Aux-sends. Und auch haptisch sollte sich der Neubau wie eine echte Konsole anfühlen. „Vor allem sollten alle Regler eine Begrenzung sowie eine Mittenrasterung haben und keine Endlos-Drehregler sein, was ich live total furchtbar fi nde“, sagt Ananada. Beim Konzipieren und mit der Erkenntnis, dass letztendlich nur Midi-Daten gesteuert werden müssen und keine Audiosignale, fand Ananda dann noch eine Fülle von anderen Funktionen, die jenseits des klassischen Mischpult-Konzepts möglich sind. Dazu zählt zum einen ein dezidierter Regler für einen individuellen Kanaleffekt, der so in einer Analog-Konsole nicht machbar wäre, da man dort immer den üblichen Weg über eine Aux-send-Schleife
gehen muss. Zum anderen stieß er auf die Lösung für eins der Grundprobleme eines jeden Musikers, der einen Live-Act ohne Pausen zwischen den Stücken spielen will: Wie kann man zwischen zwei Stücken jeden einzelnen Sound nahtlos überblenden, ohne dass man sich merken muss, welche Kanäle jetzt vom aktuellen und welche vom kommenden Song belegt sind und diese dann stumm schalten oder runterziehen muss? In Verbindung mit Ableton Live fand Ananda dann eine mehr als elegante Lösung: Jeder Kanal seines Controllers besitzt ein großes Potenziometer, das als Crossfader zwischen zwei möglichen Audioclips pro Kanal arbeitet. Ananda kann damit stufenlos zwischen zwei Loops überblenden und sogar (wie er effektvoll vorführt) mit einer Handbewegung entlang der untersten Reihe von Drehknöpfen komplett vom aktuellen Song in den nächsten und zurück wechseln. DIE UMSETZUNG Zunächst durchforstete Ananda das Angebot nahezu aller auf dem Markt verfügbaren Controller – kam dabei aber zu der Überzeugung, dass kein Gerät auch nur ansatzweise den Umfang an Kontrollmöglichkeiten bietet, die er
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Links im Bild der Master-Controller für das Summensignal, rechts die beiden 16-Kanal-Mix-Controller.
live benötigte. „Ich stand also da und dachte: ‚Du hast zwar keine Ahnung von Löten oder Elektronik, aber du hast auch keine Wahl’“, erzählt er. „Also half alles nix – ich musste da durch und mir die Dinger selber bauen.“ Ananda begann sein Vorhaben, abgesehen von seiner allgemeinen Affi nität zu elektronischen Klangerzeugern, tatsächlich ohne elektrotechnische Vorkenntnisse. Allerdings stieß er schnell auf die Internetseite Ucapps.de, über die er sich einerseits das nötige Basiswissen aneignete und wo er andererseits entsprechende Webshops fand, in denen er die angegebenen Platinen und Bauteiledirekt direkt fertig kaufen konnte. So ersparte er sich zumindest das knifflige Ätzen von Platinen. Insgesamt hat Ananda dann vier Monate lang fl eißig gelötet und auch gleich noch das Controller-Gehäuse entworfen. Als ein erster Versuch, die Aussparungen für die Bauteile selber in die Frontplatte eines Gehäuses zu fräsen, in einem sich verselbstständigten Bohrer und einem ruinierten Alublech endete, musste er sich zusätzlich noch die Bedienung eines CAD-Programm aneignen, um dann eine Firma mit der Produktion der Gehäuse zu beauftragen. Die drei individuell gefertigten Gehäuse sind mit
insgesamt rund 1200 Euro denn auch der teuerste Posten der Eigenbauten. PRAXIS Nachdem einige Rollen Lötzinn den Kolben runtergetropft und die drei Controller (zwei 2x8- und ein Summen/Effekt-Mischer) endlich einsatzbereit waren, modifi zierte Ananda auch sein Ableton-Live-Setup noch in vielen Details, um so das Verhalten einer analogen Konsole perfekt nachzubilden: Zum einen belegte er jeden Audiokanal mit dem Saturator-Plugin, das er so einstellte, dass es weit unterhalb von null Dezibel bereits Signalspitzen in die Sättigung fährt. Zum anderen pegelte er die Einzelkanäle so, dass das Summensignal ohne Klangbearbeitung noch 24 Dezibel Headroom besitzt und somit genug Reserven bereithält, um sich auch mit voll aufgezogenen EQs und Gains noch keine digitale Verzerrung einzufangen. Ein positiver Nebeneffekt des Umstiegs auf Live als Loop-Abfeuerstation ist, dass im Gegensatz zur früheren Analog-Konsole, bei der alle Kanäle mono waren, nun jeder Kanalzug in Stereo arbeitet. Ein weiterer, so nur mit einer Midi-Konsole realisierbarer Trick besteht darin, dass der permanent mitlaufende Access-Virus-
Expander abhängig von der Position des Faders unterschiedliche Sequenzen spielt. „Im unteren Drittel läuft ein sehr ausgedünntes Pattern“, erzählt Ananda, „und je weiter ich den Fader nach oben ziehe, desto voller und abgedrehter wird die Sequenz – ein mächtiges Werkzeug im Live-Set.“ FAZIT Für Ananda stellt sein selbstgebautes Controllersetup eine Arbeitsplattform dar, auf die er nicht mehr verzichten möchte. Zwar nimmt er sich vor, dass er „beim nächsten Mal alles noch viel besser machen würde“. Aber falls dann doch ab und an mal eine Lötstelle bröckelig wird, hat er immer ein Multimeter und einen Lötkolben dabei, um den Schaden schnell beheben zu können – und zwar ohne Probleme, weil er seine Controller nun mal vom kleinsten Widerstand bis zur versteckten Lötbrücke in- und auswendig kennt. Zu Recht kritisiert er dann auch, dass ihm „bei vielen Live-Acts die Tränen kommen, weil die nichts weiter machen, als die Summe zu bearbeiten“. Damit stimmen wir völlig überein – und empfehlen den Angesprochenen mal einen Nachmittag auf der Website www. ucapps.de.
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Consequence Chordsequenzer-Plugin Schon seit Jahren entwickeln Robert Fehse und Rico Baade mit ihrer Zwei-Mann-Softwareschmiede Sugar Bytes Audio-Plugins, die direkt aus der musikalischen Praxis stammen. Entsprechend individuell und spezialisiert sind die Audio-Werkzeuge der beiden. Neben einer stattlichen Anzahl von Klangerzeugern und -verbiegern haben besonders die mächtigen Frickelsound-Waffen Artillery2 und Effectrix dazu beigetragen, ganze MusikerLeben an Zeit für Editierarbeit zu sparen. Nun erblickt mit Consequence ein Chordsequenzer mit integrierter Soundlibrary das Licht des Bildschirms. Wir haben uns dem Arpeggiator-Schlachtschiff mit großen Augen und wachen Ohren genähert. TEXT: Numinos
Aufgrund ihrer Spezialisierung und Detailtiefe wirken die Plugins von Sugar Bytes anfänglich oft etwas verwirrend. Consequence macht da keine Ausnahme – aber was zunächst aussieht wie die Klimasteuerung eines Klingonenschiffs, ist schnell verstanden. Im oberen Drittel der grafi schen Benutzeroberfl äche ist die Klangerzeugung angebracht. Sie bietet drei eigenständige Sampleplayer, die jeweils einen der 237 durchweg brauchbaren Librarysounds wiedergeben können. Neben einer ADSR-Hüllkurve lassen sich die Klänge über einen Age-Regler verstimmen und mit einem Bitcrusher verzerren. Trotz der durchweg guten Auswahl an Presets steht die Option, eigene Samples in die Player zu laden, ganz oben auf unserer persönlichen Update-Wunschliste – vor allem wegen der umfassenden Modulationsmöglichkeiten. Zusätzlich gibt es allerdings noch die Möglichkeit, externe Plugins durch Consequence steuern zu lassen. Rechts neben dieser Abteilung sitzt die Filtersektion, die mit Low-, High-, Band- und Notch-Charakteristik aufwartet. Der Filter lässt sich individuell hinter jeden der drei Sounds schalten und verfügt ebenfalls über eine ADSRHüllkurve. Die Ausgangssektion bietet einen integrierten Basskick, der sich auch dazu verwenden lässt, als Sidechain-Trigger für den eingebauten Compressor zu arbeiten, um die von Consequence erzeugten Arpeggien wahlweise dynamisch schwingen oder heftig pumpen zu lassen. Ein Klick auf den Effekttaster, und man wechselt in das Effekt-Bedienfeld, wo die Klassiker Chorus, Phase, Delay und Reverb, aber auch ein Revers-Effekt zur weiteren Klanganreicherung zur Verfügung stehen. Im mittleren und größten Bereich von Consequence ist der Sequenzer beheimatet, der wiederum in die Sektionen Modulation, Perfor-
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mance, Gate, Chord und Global unterteilt ist. Im Modulationssequenzer kann für alle drei Klangmodule sowie für den Filter und die Effektsektion ein Pattern entworfen werden, das auf einen frei wählbaren Parameter des jeweiligen Moduls wirkt. Im Performance-Bereich legt man die Regeln fest, wie eingehende Noten zu behandeln sind. Die Bandbreite umfasst dabei neben Stepsequenzer-Standards wie Oktavierung, Glide und gehaltene Note auch die Möglichkeit, pro Step die anliegenden Akkorde wahlweise auf- oder absteigend oder als Akkord zu spielen. Noch komplexer werden die erzeugten Sequenzen durch die Möglichkeit, einzelne Steps durch andere Sequenzen zu triggern. Auch diese Einstellungen lassen sich für alle drei Klangmodule und den Filter jeweils wahlweise einzeln oder zusammen programmieren. Damit ist von gegenläufigen Arpeggien bis zu frickeligen HousechordPatterns alles Denkbare auch machbar. HILFREICHE AUSGANGSBASIS In der Gate-Sektion zeichnet der Nutzer ein, ob, wann und wenn ja, wie laut die Noten der jeweiligen Step-Position gespielt werden. Einige typische Patterns sind dabei schon vorgegeben und eine hilfreiche Ausgangsbasis für Eigenkreationen. In der untersten Spur zeichnet man die zu verwendenden Akkordabläufe ein. Die metrische Geschwindigkeit, mit der die Akkordsequenzen im Verhältnis zum Host-Tempo durchlaufen, lässt sich dabei im Verhältnis 1/16 bis 1/4 modifizieren. Der einzige Punkt, an dem wir hier etwas zu kritisieren haben, ist die Auswahl der Akkorde via virtuellen Schieberegler – hier wäre eine numerische Eingabe einfacher und platzsparender gewesen. Daneben lässt sich Consequence noch in zwei weiteren Modi betreiben, die in der Praxis
sicherlich häufig zum Einsatz kommen werden: Zum einen kann Consequence, wie es sich für einen guten Arpeggiator gehört, einkommende Midi-Noten in Echtzeit verhackstücken, zum anderen besteht die Möglichkeit, fertige Akkorde über einzelne Midi-Tasten abzurufen. Das ist insbesondere für den Live-Einsatz eine mächtige Hilfe. Das unterste Segment beherbergt den 16-stufigen Speicher für Akkorde. Diese lassen sich entweder frei eingeben, aus einer sinnvoll bestückten Library von Akkordfolgen auswählen oder aber über den integrierten Chord-Generator erzeugen, der das ganze Arsenal von Moll-, Dur-, Sept- und NonenAkkorden beherrscht. FAZIT Ganz in bester Sugar-Bytes-Tradition ist Consequence ein ziemliches Feature-Monster, dessen Bedienkonzept vom Anwender eine gewisse Einarbeitung verlangt, um das ganze Spektrum der Einsatzmöglichkeiten nutzen zu können. Der Einstieg gelingt jedoch dank der vielen mitgelieferten und überaus brauchbaren Akkord, Pattern- und Sound-Templates erstaunlich schnell. Ein gewisses Grundwissen im Bereich Step-Sequenzer ist dabei natürlich von Vorteil. Im Studioalltag und auch bei Liveauftritten erweist sich Consequence als wahres KreativWerkzeug: Vom Zerstückeln von Akkorden über das Entwickeln von harmonischen SoundGrundgerüsten mit dem Chordmemory bis zu komplexesten Makrosequenzen ist mit dem Plugin fast alles machbar. Der aufgerufene Preis ist in Anbetracht des gebotenen Leistungsumfangs mehr als angemessen. UVP: 149 Euro
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