Groove #140 - Studiobericht & Technik

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im Studio

Legowelt Küstenstädten haftet oft eine gewisse Vanitas an – gerade wenn sie an der, in ihrer natürlichen Gewalt nicht zu unterschätzenden, Nordsee liegen. Das herbstliche Scheveningen (Den Haag) macht da keine Ausnahme. Bis auf wenige hartgesottene Spaziergänger und einige furchtlose Kitesurfer, die sich freiwillig dem rauen Wind, der ungebremst die Küste schleift, entgegenstellen, wirkt das kleine Städtchen wie ausgestorben. Hier, in einer leicht heruntergekommenen Zeile von ehemals schmucken Reihenhäusern, die sich unmittelbar an die Rückseite eines mächtigen Damms schmiegen, der die Bewohner von der Naturgewalt trennt, wohnt und arbeitet Danny Wolfers alias Legowelt.

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ass der Autor in seiner Einleitung auf die Vergänglichkeit und Erosion alles von Menschenhand Geschaffenen abzielt, hat seinen Grund, denn auch die Produktionen des Niederländers zeichnen sich durch das bewusste Verschleifen, Verzerren und Patinieren der Klänge aus. Wolfers realisiert in seinen Techno- und HouseTracks die überzeugende Illusion, man hätte es mit seltenen, rohen, unterproduzierten Bootlegs aus einer längst vergangenen Epoche des House-Kontinuums zu tun. Allerdings: Auch wenn man beim Betreten des Wohn-/Studiozimmers des Musikers von einem beachtlichen Sammelsurium rarer Analog-Schätze empfangen wird – ein dogmatischer Analog-Fetischist ist er nicht, sondern eher ein Sammler. Vielmehr glaubt er, dass seine Herangehensweise oft missverstanden wird, und sagt: „Für mich gibt es überhaupt keinen Unterschied zwischen analoger Hardware und der Arbeit in der DAW.“ Wenn man einmal verstanden habe, wie die Geräte funktionieren, sei es egal, ob man mit echter Hardware, Ableton Live oder Reason arbeite – man könne problemlos dieselben Ergebnisse erzielen. So setzt der Musiker die Software Reason von Propellerheads wegen ihres, wie er sagt, „warmen, satten Sounds“ genauso

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gerne ein wie beispielsweise eine Yamaha RM1x All-in-one RythmBox, von der er schwärmt, dass sie einen der besten und ausgereiftesten Sequenzer überhaupt habe. Tatsächlich produziere er häufig Stücke komplett innerhalb dieses Gerätes.

G u t g e f ü l lt e r P l u g i n - O r d n e r Aber auch der Plugin-Ordner seines Ableton Live ist gut gefüllt – darunter finden sich die gesamten Klangerzeuger und Verbieger aus der Freewareschmiede TAL. „Die Plugins sind fantastisch: Die Delays können wirklich dreckig und verzerrt klingen und auch die neue Juno-Emulation, der TAL-U-NO-LX ist ein feines Teil. Offen gestanden, klingt er eigentlich sogar noch besser als das Original – irgendwie druckvoller und homogener“, berichtet Wolfers. Einen Mausklick weiter wohnt dann die Korg Legacy Collection, aus der er bevorzugt den Korg M1 verwendet, der mit seinen Orgel- und Piano-Presets eine feste Instanz im House-Sound der neunziger Jahre war. Überhaupt scheint es dieser spezielle Sound zu sein, den der 36-Jährige mit seiner Musik zu reproduzieren versucht. Tatsächlich habe er kurzzeitig sogar schon mal ein professionelles Tascam 3500-Mischpult mit 32 Kanälen besessen, das ihm aber

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